Messebericht

Expo Real 2015 - Geld ist da, die Objekte der Begierde fehlen

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Für die meisten Immobilienprofis ist die Expo Real der geschäftliche Höhepunkt des Jahres. So auch dieses Jahr. In zweieinhalb Tagen legten die Besucher in den neun Hallen gefühlte 45 Kilometer zu Fuß zurück. Bei unzähligen Gesprächen und Kontaktanbahnungen werden kleine Häppchen verdrückt und gegen 17 Uhr freuen sich die Teilnehmer auf die wohlverdienten Bierchen oder Weine. Eigentlich alles wie immer, nur etwas war dieses Jahr anders. Es regnete, zwar so richtig nur am Mittwoch, aber es regnete. Nur die wirklich langjährigen Expo-Real-Besucher können sich noch an regnerische Messe-Tage erinnern.

Eine kleine Gruppe von Immobilieninvestoren aus Kalifornien war vom Regen so fasziniert, dass sie sofort den Chef der Münchener Messe, Klaus Dittrich, und einige seiner Spezialisten dazu bewegen wollten, mit ihnen nach Kalifornien zu fliegen, um auch dort die jahrelange Trockenheit zu bekämpfen. Ob er über die Gabe des Regenmachens verfügt, ist leider nicht bekannt. Was er auf jeden Fall kann, ist nicht nur erfolgreich eine Messe zu organisieren, sondern auch spontan und unkompliziert helfen, wenn Not am Mann ist.

Flexiblere Lösungen für bezahlbares Wohnen

Geholfen, und das nicht zum ersten Mal, haben er und viele seiner Mitarbeiter insgesamt 17000 Flüchtlingen, die in zwei Wochen in den Hallen der Messe München Unterschlupf erhielten und versorgt wurden. In der Spitze fanden pro Tag 3000 Menschen in Not Obhut bei der Messe München.

Das Thema Flüchtlinge und der sich daraus ergebende erhöhte Bedarf an Wohnraum beschäftigen die Branche nicht nur auf der Expo Real in zunehmendem Maß. Es besteht vor allem in den begehrten Städten im Westen Deutschlands ein eklatanter Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Es sieht derzeit auch nicht danach aus, als gäbe es gezielte Maßnahmen, um dieses Problem ernsthaft und nachhaltig zu lösen.

Der ein oder andere Messeteilnehmer sprach sich in diesem Zusammenhang dafür aus, dass die Gemeinden und Städte ihre Wohnungsbaugesellschaften wiederbeleben sollten. Klingt einfach, aber entweder sind die Gesellschaften privatisiert, eingestampft oder finanziell zu klamm, um größere Projekte stemmen zu können. Der Vorteil dieser Art von Wohnungsbaugesellschaften in öffentlicher Hand ist, dass sie keine hohen Renditen zu erzielen brauchen, sondern vorrangig sozialpolitischen Aufgaben verpflichtet sind. Mit günstigem Grund ausgestattet und geringen Renditeerwartungen ans Werk geschickt, könnten diese Gesellschaften für Anspruchsberechtigte durch aus bezahlbaren Wohnraum schaffen. Klingt gut, aber woher sollen die begehrten Städte den Grund nehmen und weshalb soll dieser in Zeiten klammer Kassen quasi "verschenkt" werden.

Heftigen Widerstand gab es von der Immobilienbranche - beispielsweise vom Branchenverband ZIA - gegen das vom Hamburger Senat lancierte Gesetz zur Flüchtlingsunterbringung in Einrichtungen und die darin enthaltenen Zwangsmaßnahmen. Danach kann der Senat ungenutzte Grundstücke sowie Gebäude und Teile davon sicherstellen. Aus Sicht des ZIA verletzt der Senat damit die von der Verfassung garantierte freiheitlichdemokratische Grundordnung und plädiert gleichzeitig für einvernehmliche Lösungen auf der Basis der Marktwirtschaft. Gefordert werden für den Neubau von Wohnungen flexible, innovative und unbürokratische Lösungen insbesondere durch Entbürokratisierung und schnellere Verfahren.

Dass die Branche damit bei Dr. Barbara Hendricks, der unter anderem für den Bau zuständigen Bundesministerin, auf offene Ohren stößt, ist bekannt. Sie machte auf der Messe klar, dass mehr Investitionen in bezahlbaren Wohnraum und die Senkung der Baukosten notwendig sind. Den Endbericht der Baukostensenkungskommission kündigte sie für Ende Oktober dieses Jahres an. Er soll 60 Vorschläge enthalten. Begrenzt werden sollen die maßgeblichen Kostentreiber wie ansteigende Wohnflächen, Ausstattungsmerkmale und technische Ausrüstungen. Die Ministerin rief die Branche auf, alle staatlichen und privaten Möglichkeiten zu mobilisieren, um diese gesamtstaatliche Herausforderung gemeinsam zu meistern. Sie forderte Bund, Länder und Kommunen, private Flächenvermarkter oder die Kirchen auf, jetzt alle infrage kommenden Flächen für den Wohnungsbau zu aktivieren.

Anlagemöglichkeiten gesucht

Es besteht in Deutschland aber nicht nur Bedarf an bezahlbarem Wohnraum, die Nachfrage übersteigt in fast allen Marktsegmenten das Angebot. Gesucht werden beispielsweise händeringend einzelne Wohnungen - von einfach bis zum individuellen Luxusneubau - bis hin zu großen Wohneinheiten. Ähnliches gilt auch für viele Segmente im gewerblichen Markt. Gute Objekte an guten Stand orten sind rar.

Darunter leiden auch Immobilienaktiengesellschaften mit ihrem Zwang zu Größe und Wachstum, bei denen zuletzt Vonovia eine Übernahme der Deutsche Wohnen plant, die sich selber eigentlich LEG sichern will. Zu dieser Gruppe gehört TLG Immobilien. Aus der ehemaligen bundeseigenen Treuhandanstalt hervorgegangen und Ende 2012 privatisiert, ist die Gesellschaft seit Oktober 2014 börsennotiert. Wer als Investor damals bei 10,75 Euro zugegriffen hat, freut sich aktuell über Kurse von rund 16 Euro. Beim Börsengang interessierten sich vor allem angelsächsische Investoren für die TLG. Allerdings scheinen deutsche Anleger nach Angaben von Vorstandsmitglied Peter Finkbeiner mittlerweile mehr Gefallen an Immobilienaktien zu finden. Die TLG konzentriert sich auf ein hochwertiges Gewerbeimmobilienportfolio und will dieses in den kommenden Jahren kräftig und kontinuierlich ausbauen.

Die Aktionäre freuen sich über eine Dividendenrendite von vier bis fünf Prozent; dafür zahlt die TLG 70 Prozent der funds from operations aus.

Auf der Finanzierungsseite hat die Gesellschaft die durchschnittlichen Kosten auf 2,95 Prozent senken können. Neue Gelder erhält sie derzeit zu rund zwei Prozent. Bei der Finanzierung verlässt sich die Firma nach Angaben von Finkbeiner stark auf die klassische Bankenfinanzierung und arbeitet dort partnerschaftlich mit fünf bis zehn Kernbanken zusammen. Das Fremdkapital beträgt derzeit rund 800 Millionen Euro, bei einem Überschreiten der 1-Milliarde-Euro-Grenze kann sich Finkbeiner eventuell vorstellen, auch den Kapitalmarkt alternativ zur Bankenfinanzierung in Anspruch zu nehmen. Ansonsten, und das dürfte Investoren am meisten interessieren, ist er der Meinung, dass die Gesellschaft in den kommenden Jahren kontinuierlich und profitabel wachsen will.

Das Umfeld dazu ist aber schwierig. Es ist von Nachfrageüberhang, massivem Zufluss internationaler Anlagegelder und Engagements von Investoren mit geringem Renditeanspruch gekennzeichnet. Deutschland gilt weiterhin als einer der sichersten Häfen der Welt. Dabei gibt es mittlerweile Investoren, denen es primär um Werterhalt geht und die sehr geringe Renditeansprüche haben, teilsweise sogar eine Null-Rendite.

Entsprechend hoch ist der Wettkampf um passende Objekte. Dabei setzen ausländische Investoren deutlich mehr Fremdkapital ein und erzielen damit eine höhere Rendite als viele deutsche Investoren. Die "Fremdkapitalnutzer" sind damit in der Lage, häufig aggressivere Preise zu bieten und heizen damit den Wettbewerb stark an.

Dem Wettbewerb sind natürlich auch die Anbieter von Anlageinstrumenten ausgesetzt. Das gilt auch für Wealth Management Capital (Wealth Cap), die zu 100 Prozent zur Unicredit gehört. Die Gesellschaft bietet mittlerweile Spezialfonds für private und institutionelle Investoren an, wobei der Schwerpunkt bei gewerblichen Immobilien in Deutschland und in geringem Umfang in den USA (mit strategischem Partner) liegt. Zum 30. Juni dieses Jahres hatte die Gesellschaft 8,8 Milliarden Euro an Assets under Management, davon gut 5,5 Milliarden Euro in Immobilienanlagen. Aus Sicht von Thorsten Diepold von Wealth Cap steht die Immobilienrendite in den A-Lagen so stark unter Druck, dass neue Portfoliostrategien erforderlich sind, wobei durch Streuung Risiken adäquat bleiben. Darüber hinaus liegt der Fokus auf mittelgroßen Paketen, bei denen der Wettbewerb noch nicht so hoch ist. Die deutschen Kunden erwarten derzeit von den Anlagen in Prime-A-Lagen eine Rendite von vier Prozent, die vor einem Jahr noch möglichen fünf Prozent gibt der Markt nicht mehr her.

Über eine ähnliche Entwicklung berichtet auch die HIH Real Estate. Aufgrund des Nachfrageüberhangs auf der Objektseite werden für Kunden umso mehr Projektentwicklungen angegangen, seit Jahresbeginn im Volumen von mehr als 420 Millionen Euro. Generell, erklärt Geschäftsführer Alexander Eggert, würden seine Kunden die Immobilienbestände weiter deutlich ausbauen wollen. Viele davon sind mittlerweile in der Lage, so hohe Volumen zur Verfügung zu stellen, dass sie Anlagen über Individualfonds tätigen können. In Bezug auf Assetklassen liegt der Fokus der HIH Real Estate klar auf Büros und Einzelhandel. Der Retailbereich soll nun stärker ausgebaut werden. Darüber hinaus gibt es auch immer wieder interessante Alternativen im Bereich von Logistik und Hotels.

Von hohen Mittelzuflüssen profitiert auch Aberdeen Asset Management Deutschland. Als Flaschenhals bezeichnet Dr. Harmut Leser, der Vorstandsvorsitzende des Instituts, wenig überraschend die Objektseite. Bisher ist es aber gut gelungen, die Anlagegelder unterzubringen. Die Gruppe verfügt derzeit über ein Portfolio von 2,4 Milliarden Euro, davon befinden sich Objekte für rund eine Milliarde Euro im Bau. Die Investoren sollen auch von der Projektentwicklungsexpertise der Gruppe profitieren. Dr. Hartmut Leser legt seinen Geldgebern derzeit nahe, ein wenig Geduld und einen längerfristigen Anlagehorizont mitzubringen, um attraktive Verzinsungen zu erzielen. Derzeit ist bei Investments ein Total-Return von fünf Prozent und eine Ausschüttung von drei bis vier Prozent erzielbar.

Dass sie in einer anderen Liga als die meisten anderen deutschen Investoren spielen, zeigte die Allianz Real Estate. Ende September gab sie bekannt, für 900 Millionen Euro ein durch irische Einzelhandelsimmobilien besichertes Kreditportfolio erworben zu haben (siehe Blickfeld Seite 13). Die Transaktion war nicht die letzte ihrer Art, die Allianz Gruppe will wachsen. Bis 2019 sollen insgesamt 60 Milliarden Euro in der Assetklasse Immobilien investiert sein, erklärte Annette Kröger, CEO von Allianz Real Estate Germany.

Die starke Nachfrage nach deutschen Objekten ist natürlich für Berater und Vermittler wie Colliers paradiesisch. Ignaz Trombello, Head of Investment Germany, ist sich sicher, dass der Markt dieses Jahr bei den gewerblichen Transaktionen die 50 Milliarden Euro Marke knacken wird. Im vergangenen Jahr lag das Transaktionsvolumen im deutschen Markt bei 39,8 Milliarden Euro. Der Anteil ausländischer Gelder ist weiter gestiegen, nach 42 Prozent im Vorjahr, kamen seit Jahresbeginn 2015 knapp über 50 Prozent der anlagesuchenden Gelder von internationalen Investoren. Allerdings - so weist Trombello auf alte Zeiten hin - waren es in den Jahren 2006 und 2007 fast 70 Prozent, die auf internationale Nachfrage entfielen. In den ersten drei Quartalen kamen insgesamt 18,9 Milliarden Euro aus dem Ausland, davon entfielen auf Nordamerika 7,8 Milliarden Euro, auf Europa 8,9 Milliarden Euro und auf Asien 1,4 Milliarden Euro.

Gerade die Nachfrage aus Asien steigt deutlich. Bei Projekten über 100 Millionen Euro war dieses Jahr eigentlich immer ein Investor aus Asien (Staatsfonds, Versicherungen und zunehmend reiche Privatpersonen) dabei. Häufig setzten diese Investoren anfänglich nur Eigen kapital ein, strukturierten später die Finanzierung um und nahmen Fremdkapital hinzu. Beim Wettbewerb um erstklassige Objekte an Top-Standorten macht Ignaz Trombello teilweise erhebliche Unterschiede in den Ansätzen deutscher und internationaler Anleger aus.

Für die weitere Entwicklung ist Ignaz Trombello verhalten optimistisch. Obwohl die Preise im Markt mittlerweile seit sieben Jahren steigen, die Loan to Value Ratios sich verschlechtern, gibt es wesentliche Unterschiede zu früheren Zeiten, in denen es ähnliche Entwicklungen gab. Hierzu zählt der fundamental stark verbesserte (gute Flächenabsorbierung und anhaltender Zuzug an wesentlichen Standorten) gewerbliche Vermietungsmarkt in Deutschland, dass es kaum spekulative Projekte gibt und weiterhin viel Eigenkapital eingesetzt wird. Für 2016 ist Trombello optimistisch: "Es gibt viel Geld, das in alternative Assetklassen wie Immobilien investiert werden soll."

Zweiter Studentenwohnbond in Vorbereitung

Daher rücken auch Anlageklassen abseits von Wohn-, Büro- oder Retailobjekten in den Fokus. Über verstärktes Interesse an Ferienhotelanlagen berichtet beispielsweise Jörg Lindner von Lindner Investment Management GmbH. Das Geschäftsmodell bezeichnete er - der der Lindner Hotelgruppe entspringt - als "anstrengend". Das ist aus seiner Sicht auch der Grund, warum die Zahl der Marktteilnehmer überschaubar ist. Nach dem Abschluss eines großen Objekts in "Fleesensee" im Jahre 2014, bei dem zwei Hotels von TUI und das Schlosshotel von der Lindner Hotelgruppe betrieben werden, befindet sich nun eine große Anlage auf Ibiza in der Platzierung. Mit dem Konzept der Betreiberimmobilien sind Renditen erzielbar, die 10 bis 20 Prozent höher als bei den klassischen Assetklassen ausfallen, so Lindner. Geldgeber sind nach seinen Angaben überwiegend deutsche Versorgungswerke und Pensionsfonds.

Eine gewisse Nische hat sich auch Felix Bauer von der Deutschen Real Estate Funds (DREF) für seine eigenen Investments gesichert. Er fokussiert sich auf das Thema "Studentenwohnen". Die Nachfrage der Studenten nach gut konzipierten Wohnungen ist groß, so Bauer, der unter anderem Gelder des Family Offices seiner Familie in dieser Assetklasse anlegt. Für die Finanzierung des Erwerbs oder Baus (ein Drittel Neubau, zwei Drittel Umwidmung) hat DREF dieses Jahr einen 44 Millionen Euro ausmachenden Studentenwohnbond auf den Markt gebracht. Anhaltendes Wachstum unterstellt, kann er sich auch eine zweite Emission vorstellen, die bis zu 100 Millionen Euro bringen könnte. Darüber gibt es derzeit innerhalb der Gesellschaft Überlegungen, ob man künftig externe Investoren über Fonds- oder andere Equity-Lösungen bei den Studentenwohnungen mit an Bord nehmen soll.

Die Besucher standen zwar nicht Schlange, dazu ist die Expo Real als Fachmesse nicht konzipiert, aber der Messestand von Engels & Völkers war immer sehr gut besucht. Der Makler bietet neben dem klassischen und auf dem Franchise-Prinzip beruhenden Vertriebssystem seit 2014 mit Engel & Völkers Investment Consulting auch ein Dienstleistungsangebot für institutionelle Kunden. Im ersten Jahr sind nach Angaben von Kai Wolfram, Geschäftsführender Gesellschafter, bereits 145 Millionen Euro umgesetzt worden, für 2015 dürften es bei Verkaufstransaktionen 130 bis 140 Millionen Euro und bei Ankaufsgeschäften rund 50 Millionen Euro werden. Bei Verkaufstransaktionen werden - salopp ausgedrückt - Portfoliobestände von institutionellen Investoren weiter platziert. Beim Ankauf sucht ein institutioneller Anleger einzelne Objekte, die zu einem Portfolio zusammengestellt werden sollen.

Die Probleme und Risiken auf der Investitionsseite betreffen in gleicher Form die Finanzierer, da zu den meisten klassischen Immobilieninvestitionen traditionell Fremdkapital gehört. Dies wird in der Branche, abgesehen von den Immobiliengesellschaften, die sich verstärkt den Kapitalmärkten zuwenden, weiterhin über den klassischen Bankkredit aufgebracht. Die Kreditvergabe blüht zwar, wie die Statistiken beweisen, aber um die jeweiligen Transaktionen "prügeln" sich die führenden Banken. Es scheint in der Branche nicht nur den "einen" Übeltäter zu geben, der immer mit zu aggressiven Konditionen den Zuschlag erhält.

Häufig ist es so, dass je nach Objekt Mal die eine, beim nächsten Mal die andere Bank aus bestimmten Gründen "zu günstige" Konditionen bietet. Erschwerend für die Banken kommt hinzu, dass die Zahl und das Volumen von vorzeitig zurückbezahlten Beständen teilweise kräftig steigt und damit plötzlich der Kreditbestand, aus dem ja der größte Teil des Deckungsbeitrages kommt, stärker schrumpft als vorgesehen. Folglich heißt es, für Nachschub auf der Bilanz zu sorgen.

Wenn eine Bank ein wenig am Pranger steht, dann scheint es die ING-Diba zu sein, die händeringend die Überschussliquidität loswerden will. Die Motivation der ING-Diba ist ja nachvollziehbar, statt Geld an die EZB zu zahlen, muss sie versuchen, zumindest ein wenig an Zinseinnahmen zu generieren, so ein nicht zitierfähiger Vorstand eines Wettbewerbers. Dass sie die Konkurrenz so stark unterbietet, das sei nicht notwendig, so das Lamento des Spezialisten.

Derzeit sieht es danach aus, dass der Kampf um den Zuschlag bei der Kreditvergabe über die Marge ausgetragen wird. Es gibt aber auch Sorgen, dass die Kreditstandards sukzessive schlechter werden. Dieser Ansicht ist beispielsweise Sven Andersen, Partner von KPMG. Pünktlich zur Expo Real hat er die Ergebnisse des "6. Property Lending Barometer" vorgelegt. Trotz des regel mäßigen Lamentierens über die Belastung durch die Regulierungsauflagen, scheint dies für den Immobilienfinanzierungsbereich keine spürbare Rolle zu spielen.

In diesem von starkem Wettbewerb geprägten Umfeld versuchen die einzelnen Institute, mit Strategieänderungen oder Neufokussierungen ihre Marktanteile und Profitabilität zu sichern. Dies wird aber zunehmend schwieriger, da für Finanzierungen von Prestigeobjekten in Toplagen oftmals nur noch zweistellige Brutto-Margen erzielt werden.

Dieses Thema treibt beispielsweise den Immobilienvorstand der Helaba, Jürgen Fenk, um. "Es gibt im Markt erste Transaktionen, bei denen die Kapitalkosten eigentlich nicht verdient werden können". Er hofft, dass bei der Margenentwicklung das Ende der Spirale bald erreicht ist. Fenk ist mit seinem Geschäft bei der Helaba bisher zufrieden. "Wir legen keinen Wert auf Rankings, für uns gehen Ertrag und Qualität vor." Das kann sich die Bank wahrscheinlich auch leisten, sie ist unbeschadet durch die Finanzkrise gekommen und hatte folglich keine Einschnitte bei der Geschäftsgestaltung, unter der der ein oder andere Wettbewerber litt und weiter leidet. Dieses Jahr erwartet Fenk, dass die Helaba insgesamt rund neun Milliarden Euro an Krediten neu vergeben beziehungsweise verlängern wird. Laut Fenk honorieren viele Kunden, dass die Bank auch in kritischen Zeiten leistungs- und lieferfähig war und ist. Allerdings ist dem Profi auch klar, dass die "günstigsten" Konditionen für manchen Kunden häufig wichtiger sind.

Im Geschäft ist die Bank in Europa breit aufgestellt und kann dadurch flexibel operieren und Märkte mit zu geringen Margen auch etwas vernachlässigen und dafür Chancen in anderen Ländern wie beispielsweise in Skandinavien wahrnehmen. Erfreut zeigt sich Jürgen Fenk, dass er bei der Refinanzierung von keinem einzelnen Markt und Produkt abhängig ist. Er kann die gesamte Klaviatur von Einlagen der Sparkassen-Finanzgruppe, unbesicherten Kapitalmarktmitteln sowie Pfandbriefemissionen spielen.

Fokussieren und nicht verzetteln ist das Leitmotiv von Andreas Pohl, dem Sprecher des Vorstandes der Deutschen Hypothekenbank (Deutsche Hypo). Sein Haus ist das Center of Competence für die gewerbliche Immobilienfinanzierung der Nord-LB-Gruppe. Er selbst ist seit 36 Jahren in der Gruppe und gehört damit zu den wohl erfahrensten Immobilienfinanzierungsspezialisten im deutschen Markt. Auf der Bilanz sind 12,5 bis 13,0 Milliarden Euro, wenn man die bei der Nord-LB verbuchten Kredite dazu nimmt, verantwortet Andreas Pohl ein Immobilienfinanzierungsportfolio von rund 15 Milliarden Euro. Zwei Drittel davon entfallen auf deutsche Kredite, das gilt sowohl für den Bestand als auch für das Neugeschäft. Die Neukredite, ohne Prolongationen, sollten dieses Jahr 2,5 bis 3,0 Milliarden Euro betragen und damit deutlich geringer ausfallen als die 3,6 Milliarden Euro im Vorjahr, wofür Pohl die Qualitätsorientierung seines Hauses verantwortlich macht. Was sich Pohl wünscht, ist eine stärkere Kapitalmarktorientierung des gesamten Marktes. Möglichst viele Finanzierungselemente sollten kapitalmarktfähig sein. Damit könnten Banken - häufig gemeinsam mit Partner - bilanzschonender agieren und ihr Leistungsspektrum ausbauen. Daneben ist die Bank stark in der Finanzierung von Projektentwicklungen engagiert. In diesem Segment sind noch bessere Margen erzielbar - da ist sich Pohl mit Sven Andersen von KPMG einig, der den deutschen Banken nahelegt, sich - falls das entsprechende Know-how vorhanden ist - auf die Finanzierung von Projektentwicklungen an "B"-Standorten zu konzentrieren.

Auch der Weg der DG Hyp, der führende Gewerbefinanzierer in der genossenschaftlichen Finanzgruppe, vernünftige Margen zu erzielen, führt raus aus den Ballungszentren. "Wir finanzieren zunehmend auch in Regionen, weil wir mit unserer dezentralen Ausrichtung als genossenschaftliche Finanzgruppe dort besonders wettbewerbsstark sind und auskömmlichere Margen erzielen können", begründet Axel Jordan, Leiter Immobilienfinanzierung Finanzgruppe Mittelstand diesen Weg. Innerhalb der Gruppe fokussiert sich die DG Hyp auf die größeren Abschnitte. Jordan betont dabei, dass sich sein Haus, die Münchener Hypothekenbank und die WL-Bank untereinander keinen Wettbewerb liefern würden. Jordan sieht seine Bank deutlich regionaler aufgestellt, als es bei den meisten Wettbewerbern der Fall ist. Es gibt zahlreiche Immobilienzentren und Lokalbüros und eine enge Zusammenarbeit mit den Volksund Raiffeisenbanken. Entsprechend gut ist der Kundenzugang in den Regionen, was sich im steigenden Geschäft und besseren Margen, als sie in Metropolen erzielbar sind, zeigt.

Beim Hamburger Nachbarn, der HSH Nordbank, liegt der Fokus seit 2011 bei Finanzierungen in Deutschland. Der Grund hierfür liegt in den Auflagen, die die Bank von der EU-Kommission erhielt, als sie in der Finanzkrise von ihren staatlichen Eigentümern gerettet wurde. Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden, fokussiert sein Geschäft auf drei Kundengruppen. Die erste Gruppe stellen Kunden im Heimatmarkt Hamburg und Schleswig-Holstein dar. Zur zweiten Gruppe zählen Kunden in den prosperierenden Metropolregionen. Hier profitiert die Bank davon, dass sie mehr und mehr vor Ort ist. Mittlerweile stammen rund 40 Prozent des Neugeschäfts aus diesen Regionen. Zur dritten Gruppe zählt Peter Axmann die internationalen Investoren, die sich für Investments und Finanzierungen im deutschen Markt interessieren. Auch hier ist die Bank vor Ort, beispielsweise in London und Paris, mit den entsprechenden Akteuren im Dialog.

Das Kreditbuch der HSH Nordbank besteht zu 30 Prozent aus Wohnportfolios, zu 40 Prozent aus Büroobjekten und zu 25 Prozent aus Einzelhandelsimmobilien. Bei der Finanzierung von Wohnungsportfolios ist die Bank gerne bei Objekten dabei, bei denen noch "was zu machen" ist, und betreut aktiv auch Projektentwickler und Bauträger. Mit diesen Kunden hat die Bank in den vergangenen zehn Jahren gute Erfahrungen gemacht. Bei der Steuerung seines Geschäfts orientiert sich Peter Axmann überwiegend am erzielbaren Deckungsbeitrag. Das Neugeschäft sollte dieses Jahr rund 3,4 Milliarden Euro betragen, damit würde der Kreditbestand am Jahresende leicht über dem Vorjahr liegen. Da im ersten Halbjahr bereits neue Finanzierungen über 2,9 Milliarden Euro gesichert wurden, ist mittlerweile ein Jahresneugeschäft von 4,5 Milliarden Euro zu erwarten. Im deutschen Markt wird es aus Sicht von Axmann zunehmend schwerer, zu guten Margen abzuschließen. Dabei ist ihm aber prinzipiell lieber, etwas weniger Marge zu erhalten als auf schlechtere Qualität zu setzen.

Wie ihre Wettbewerber spürt die Aareal Bank auch den Margenverfall. "Die Margen in den Zentren der deutschen Kernmärkte sind unter Druck, für erstklassige Objekte liegen sie teilweise im zweistelligen Bereich", so Immobilienvorstand Dagmar Knopek. Die Bruttomarge des Hauses lag im ersten Quartal bei durchschnittlich 250 Basispunkten, im zweiten Quartal ging sie auf 220 Basispunkte zurück und über das Ergebnis im dritten Quartal informiert die Bank am 10. November. Knopek erwartet für den Gesamtmarkt weiter steigende Kreditvolumen und eine größer werdende Zahl an Club Deals, bei denen mit Partnern Finanzierungen gemeinsam gestemmt werden. Sie verzeichnet auch eine Zunahme des Wettbewerbs von Finanzierern außerhalb des Bankensektors. Hatten diese 2012 noch einen Anteil in Europa von rund 16 Prozent, liegt dieser mittlerweile bei 47 Prozent. Die Bank selber plant für 2015 sechs bis sieben Milliarden Euro an Neukrediten zu vergeben beziehungsweise zu verlängern.

Für Bernhard Scholz, den zuständigen Vorstand für das Immobiliengeschäft bei der pbb Deutsche Pfandbriefbank, ist es wichtig, dass man auch Nein sagen muss, wenn die Marge nicht passt. Das geht ihm bei dem ein oder anderen Wettbewerber erkennbar ab. Bei der pbb liegt die Marge nach Angaben von Bernhard Scholz derzeit bei durchschnittlich 170 Basispunkten. Unaufgeregt zeigte sich Scholz bei der Frage nach einer möglichen Strategieänderung durch den erfolgreichen Abschluss des EU-Beihilfeverfahrens, der mit dem Börsengang seinen krönenden Abschluss fand. Eine Änderung der Geschäftsausrichtung im Hinblick auf das Auslandsgeschäft und den Risikoappetit ist nicht vorgesehen, da die Bank auch durch das Beihilfeverfahren an ihrer stark europäischen Ausrichtung keine Abstriche machen musste. Nach Angaben von Scholz wird der deutsche Anteil weiterhin rund 50 Prozent ausmachen, im Ausland sind Frankreich und das Vereinigte Königreich die wesentlichen Märkte.

Harter Wettbewerb, Margendruck und Qualitätsverschlechterungen, das sind die Rahmenbedingungen für den Rest des Jahres und für 2016, mit denen die Finanzierungsprofis zu leben haben. Ein dominantes Thema ist die künftige Zinspolitik in Europa. Peter Axmann von der HSH Nordbank befürchtet beispielsweise, dass, je länger die EZB die Zinsen extrem niedrig hält und den Markt mit übermäßiger Liquidität versorgt, desto geringer die Chancen für eine sanfte Landung sind. Eine frühe Zinswende halten die meisten Spezialisten für ihr Geschäft als nicht schädlich. Sie glauben, dass das Interesse an Immobilien auch in einem Umfeld höherer Zinsen anhalten und folglich genügend zu finanzieren sein wird. Die nächsten zwölf Monate bis zur Expo Real 2016 werden zeigen, ob sie Recht behalten. Dass nicht immer eitel Sonnenschein herrschen kann, hat auch die diesjährige Expo Real gezeigt. Womöglich war der Regen am dritten Messetag eine kleine Warnung, nicht zu übermütig zu werden.

Ach ja, fast vergessen. Die Branche will sich stärker dem Thema Innovation widmen. Für Markus Müller, Partner von Deloitte in München, hat die Branche hierbei Nachholbedarf. Dies gilt für einen großen Teil der Wertschöpfungskette. Er hat dazu erste Ergebnisse einer gemeinsamen Studie von Deloitte, IRE/BS und ZIA präsentiert. Zahlreiche Trends wie 3D-Druck, Crowdfunding, Smart Homes, Sharing Economy, Big Data, Globalisierung, Online-Marktplätze, Nachhaltigkeit und Demografie fordern und fördern Innovation. Müller berichtet über viel Interesse des Immobiliensektors, der auch darunter leidet, dass vieles "nicht sichtbar" ist, da es hinter "Wänden" stattfindet. Großes Interesse besteht in der Branche an einer besseren, moderneren "Positionierung", die auch beim künftigen Werben um Universitätsabgänger eine Rolle spielen wird.

Die nächste Expo Real findet vom 4. bis 6. Oktober 2016 wie gewohnt in den Münchener Messehallen statt.

18. Expo Real 2015 - 37800 Teilnehmer aus 73 Ländern- 1692 Aussteller
"Spätestens bis zum Jahresende 2017 wollen wir unser Portfolio auf 2 Milliarden Euro ausbauen, wobei wir uns darüber hinaus bei passenden Gelegenheiten auch nicht limitieren würden."Peter Finkbeiner"Investoren müssen zurzeit ein wenig geduldig sein und sich langfristig orientieren."Dr. Hartmut Leser"Da internationale Investoren häufiger Fremdkapital einsetzen als lokale Anleger, erzielen sie höhere Renditen."Ignaz Trombello"Bis Ende 2019 planen wir, die Real Estate Investments der Allianz auf bis zu 60 Milliarden Euro auszuweiten."Annette Kröger"Es herrscht ein ausgewiesener Mangel an hochwertigen Immobilien, entsprechend könnte mittelfristig die Qualität der Portfolios sinken."Sven Andersen"Wir legen keinen Wert auf Rankings, Ertrag und Qualität gehen vor."Jürgen Fenk"Wir finanzieren zunehmend auch in Regionen, weil wir mit unserer dezentralen Ausrichtung als genossenschaftliche Finanzgruppe dort besonders wettbewerbsstark sind und auskömmlichere Margen erzielen können."Axel Jordan"Wir brauchen insgesamt mehr Kapitalmarktorientierung." Andreas Pohl "Man muss auch Nein sagen, wenn die Marge nicht passt."Dr. Bernhard Scholz"Der Immobiliensektor braucht eine Neupositionierung - dabei kann das Thema Innovation ein Katalysator sein."Michael Müller"Die Margen in den Zentren der deutschen Kernmärkte sind unter Druck, für erstklassige Objekte liegen sie teilweise im zweistelligen Bereich."Dagmar Knopek

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