Gespräch des Tages

Allianz - Von lautem Tadel und leisem Lob

In der Sache lässt sich über die Wirksamkeit der jüngsten Maßnahmen der deutschen Bundesregierung zum Abbau der Staatsverschuldung sicher kontrovers streiten. Aber wenn die noch immer anhaltenden Verwerfungen an den weltweiten Finanz- und Kapitalmärkten bis hin zur derzeitigen Euroschwäche schon erklärtermaßen eine tiefe Vertrauenskrise dokumentieren und immer wieder neu aufflackern, sollten es doch wenigstens Sachargumente sein, die für eine Aufklärung der Märkte und interessierter Bevölkerungskreise sorgen und keinesfalls ein gefährliches Gemisch aus Analyse und Polemik. An diesem Maßstab für eine verantwortungsvolle Kommunikation gemessen, waren die Einlassungen des amerikanischen Nobelpreisträgers Paul Krugman zur Eurokrise, den weltweiten Handelsungleichgewichten und erst recht der Eignung von Axel Weber als möglicher Präsident der Europäischen Zentralbank ein leicht verzichtbarer Beitrag zur Sache.

Stellt man zudem die gleichermaßen genüssliche wie unreflektierte Verbreitung solcher zweifelhaften Botschaften über die (elektronischen) Medien in Rechnung, kann das sogar zusätzliche Unsicherheiten an den Märkten befördern. Und registriert man in diesem Zusammenhang noch die Freiräume, die Hedgefondsmanagern, anderen Asset Managern und Investoren zur Verbreitung ihrer Ansichten über die Stabilität des Euro und andere Krisenszenarien eingeräumt werden, ohne auch nur ansatzweise zu fragen, ob bei deren Beurteilung der Lage möglicherweise Eigeninteressen mitschwingen könnten, dann ahnt man, wie scheinbare Expertenmeinungen zumindest krisenverschärfend wirken können.

Mit dem schlichten Working Paper 141, mit dem die Volkswirte der Allianz Ende Juni die Schuldenkrise und ihre Wirkungen auf die Konjunktur analysiert haben, lässt sich eine solch breite Wahrnehmung in der Öffentlichkeit nicht erzielen. Denn diese Diagnose der aktuellen Lage operiert eben nicht mit Schreckensszenarien für den Euro und/oder Polemik gegen Notenbanker als Aufhänger. Sondern sie orientiert sich im Grundsatz an der derzeitigen Bestandsaufnahme aus europäischer Sicht und der grundlegenden Folgerung daraus: Die Eurozone durchlebt derzeit eine Vertrauenskrise, die USA (noch) nicht. Und diese Situation lässt sich nicht mit einer Keynesianischen Politik bewältigen. Zumindest die Bundesregierung dürfte wohlwollend zur Kenntnis nehmen, dass es mit Blick auf die Schuldenkrise im Euroraum und die Auswirkungen auf die Konjunktur in der (praxisnahen) Wissenschaft auch Befürworter des Berliner Krisenmanagements gibt - zumindest der großen Tendenz nach.

Kernbotschaft des Allianz-Papiers: "Die negativen Konjunktureffekte der Sparpakete werden durch die Euro-Abwertung weitgehend kompensiert." Nach den Berechnungen der Volkswirte werden die in mehreren europäischen Ländern beschlossenen Sparpakete durch die geringere gesamtwirtschaftliche Nachfrage das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr um 0,3 bis 0,7 Prozent verringern und im kommenden Jahr sogar zwischen 0,5 und 1,2 Prozent. Doch das Szenario einer zehnprozentigen Abwertung des Euro könnte der Studie nach das Bruttoinlandsprodukt um 0,6 bis 0,7 Prozent nach vier Quartalen erhöhen. Und auf Sicht von zwei bis drei Jahren wird daraus ein Plus von 0,8 bis 0,9 Prozent hochgerechnet. In Summe, so die Einschätzung der Allianz, könnten sich die negativen Konjunkturwirkungen der Sparpakete und die positiven Konjunktureffekte in etwa ausgleichen, zumal die vertrauensbildende Wirkung eines glaubhaften Starts in eine staatliche Konsolidierung mittelfristig der Binnennachfrage Auftrieb geben könnte.

Dass der Konsolidierungsbedarf in den einzelnen Ländern der europäischen Währungsunion unterschiedlich ausfällt, der Stabilitäts- und Wachstumspakt einer Reform bedarf, die Haushaltsüberwachung der EU-Länder verbessert werden muss und auch an einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EWU-Länder mit hohen Außenhandelsdefiziten gearbeitet werden sollte, wird auch seitens der Allianz nicht in Abrede gestellt. Doch so hoffnungslos wie zuweilen dargestellt, wird die Lage selbst für die sogenannten Peripherieländer der Eurozone nicht gesehen. Bei allem wohltuenden Verzicht auf Polemik seitens der Allianz gehört indes auch die eingangs beschriebene plakative Darstellung rund um die Eurostabilität zur Lebenswirklichkeit. Ob lauter Tadel oder leises Lob, beides kann die Märkte beeinflussen.

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