Aufsätze

Anlegerschutz und Corporate Governance im Asset Management

Anlegerschutz ist für die Fondsindustrie nicht nur ein akzeptiertes Ziel, sondern ein ureigenes Anliegen und erwächst aus der Erkenntnis, dass man nur dauerhaften Erfolg haben wird, wenn die Anleger darauf vertrauen können, dass ihre Interessen geschützt sind.

Chancengleichheit wahren

Ungeachtet dieser unverändert gültigen Grundhaltung mehren sich in der Fondsindustrie Stimmen, die sich kritisch mit der stetig wachsenden Zahl von Regulierungsinitiativen auseinander setzen. Woher kommt das Unbehagen? Zum einen wird die Angemessenheit vieler vorgeschlagener Maßnahmen in ihrer Summierung bezweifelt. Gleichzeitig wird befürchtet, dass durch zu intensive und die Investmentindustrie überdurchschnittlich erfassende Regulierung die Wettbewerbsfähigkeit der Fondsanlage beeinträchtigt wird.

So nennt der europäische Fondsverband Efama in einer Stellungnahme als eine der Prioritäten für die Gestaltung des europäischen Marktes: "Creating a level playing field in the choice among competing investment products both at distribution and production/business conduct level, in order to ensure consistent investor protection."1) Ähnlich hat der US-amerikanische Fondsverband ICI deutliche Besorgnis geäußert und in einem öffentlichen Statement festgestellt: "The U. S. regulatory structure that has emerged for mutual funds is, in many respects, highly divergent from the regulatory structure that has emerged for substantially similar products in that mutual funds are subject to more comprehensive disclosure, compliance and governance requirements."2)

Einer der Gründe für die aufkommende Diskussion mag darin liegen, dass Investmentfonds eine Art Doppelrolle haben: sie beinhalten die Durchführung von Vermögensverwaltung und damit eine treuhänderische Tätigkeit. Sie sind aber auch ein standardisiertes Finanzprodukt, welches professionelle Vermögensverwaltung erst marktfähig und damit auch für "Normalsparer" zugänglich macht.

Das Finanzprodukt Fonds verbindet Kunde und Produzent über einen Vertrag. Hier muss (wie bei allen anderen handelbaren Produkten auch) im Kern das Prinzip der Vertragsfreiheit gelten. Anlegerschutz stellt sich dann nach marktwirtschaftlichen Prinzipien ein: durch Transparenz und Wettbewerb. Wenn es für die vertragliche Ebene zwischen Produzent und Anleger Regeln und Auflagen gibt, etwa Transparenzvorschriften, sollte dies allerdings für alle Anlageprodukte äquivalent gelten. Denn der Investmentfonds konkurriert beim Anleger am Point of Sale mit anderen Spar- und Anlageprodukten.

Produktregulierung und Anlegerschutz

Investmentfonds unterliegen aus Gründen des Anlegerschutzes auch in der Produktgestaltung gesetzlichen Vorschriften und einer Beaufsichtigung. Das betrifft vor allem die Bewertung des Fondsvermögens, zulässige Anlageinstrumente sowie Diversifikationsvorschriften und Anlagegrenzen.

Vieles spricht dafür, dass die Produktregulierung auch künftig ein Element des Anlegerschutzes sein, ihr relatives Gewicht aber an Bedeutung verlieren wird. Der Grund liegt in der natürlichen Spannung zwischen Produktregulierung und Produktinnovation. Feste Produktvorschriften können Verlässlichkeit und damit Anlegerschutz schaffen. Zugleich verhindern sie aber, dass neue Anlagetechniken und Finanzinstrumente zügig umgesetzt und damit bessere Produkte geschaffen werden, was auch im Anlegerinteresse wäre.

Die 2004 erneuerte EU-Investmentrichtlinie hat hier einen von vielen in ihrer Tragweite noch nicht voll erkannten Qualitätssprung getan: Die Richtlinie lässt derivative Finanzinstrumente grundsätzlich als Anlagekategorie zu. Damit verliert die risikobegrenzende Funktion, die ursprünglich Anlagegrenzen und Diversifikationsvorschriften hatten, an Wirksamkeit. Die Richtlinie fordert deshalb eine quantitative Risikobegrenzung, die auf das Gesamtportfolio und nicht mehr auf Anlageinstrumente Bezug nimmt. Konsequenterweise wird von Fondsgesellschaften, die Fonds nach diesen Regeln anbieten, der Einsatz adäquater Risikomanagementsysteme gefordert. Das Einhalten formaler Investmentrestriktionen wird also durch den Nachweis von Fähigkeiten abgelöst, Risiken managen zu können.

Damit ist aber noch nicht das Ende des Wandels erreicht. Experten diskutieren inzwischen bereits, ob nicht in der nächsten Generation der Investmentregulierung generell auf anlagepolitische Vorschriften verzichtet werden kann und diese durch den Nachweis von bestimmten Managementfähigkeiten und die Darlegung von Portfolioqualitäten (insbesondere Portfoliorisiken) gegenüber dem Anleger ersetzt werden.3)

Handeln im Interesse des Anlegers

Es liegt in der Natur des Investmentfonds, dass die Vertragsbeziehung mit dem Anleger dem Fondsmanagement diskretionären Spielraum bei der Verwaltung des Fondsvermögens lässt. Hier bestehen besondere Sorgfalts- und Treuepflichten. Der Anlegerschutz ist dann berührt, wenn für die Fondsgesellschaft in diesem Rahmen Interessenkonflikte entstehen. Wo dies der Fall ist, müssen geeignete Vorkehrungen bestehen, um die Rechte des Anlegers zu sichern.

Aus diesem Grund besteht eine gesetzliche Verpflichtung der Fondsgesellschaft und ihrer Organe, "... bei der Ausübung ihrer Tätigkeit im ausschließlichen Interesse ihrer Anleger und der Integrität des Marktes zu handeln ...", wie es im Investmentgesetz (InvG) heißt. Hieraus leiten sich allgemeine Grundsätze zur Corporate Governance von Fondsgesellschaften ab, die das allgemeine Prinzip spezifizieren und die deshalb von großer Bedeutung für den Anlegerschutz sind. Die EU-Richtlinie nennt zum Beispiel Regeln zur Organisation, zur Auslagerung, Qualifikationserfordernisse für Geschäftsleiter oder Regeln zur Funktionstrennung. Analoge Leitlinien finden sich in der nationalen Gesetzgebung, in Deutschland im InvG.

Entsprechend kann auch auf die EU-Finanzmarktrichtlinie (Mi FID) verwiesen werden, die für Wertpapierfirmen eine vergleichbare Methodik vorsieht. Hiernach müssen Wertpapierfirmen Vorkehrungen treffen, um Interessenkonflikte erkennen zu können und Grundsätze für den Umgang hiermit festlegen. Durch organisatorische Vorkehrungen und erforderlichenfalls die Herstellung von Transparenz ist nach vernünftigem Ermessen zu gewährleisten, dass Kundeninteressen nicht beeinträchtigt werden.

Die Verpflichtung, im Anlegerinteresse zu handeln, darf jedoch nicht zu einem quasi gesellschaftlichen Auftrag umgedeutet werden. Ein Beispiel hierfür bietet die Diskussion um die Ausübung von Stimmrechten. Fondsgesellschaften werden dies nach vernünftiger Abwägung dann und soweit tun, wie es den Interessen des Anlegers dient. Zunehmend wird aber gefordert, dass die Stimmrechte auch zur allgemeinen Verbesserung der Unternehmensverfassung und -führung oder zur Unterstützung anderer gesellschaftlicher Ziele (zum Beispiel aktuell dem Klimaschutz) ausgeübt werden sollen. Letztere mögen förderungswürdige Anliegen sein, sind aber weder aus dem Interesse des Anlegers ableitbar noch mit diesem notwendigerweise deckungsgleich.

Fonds-Governance - Prinzipien statt Details

Über die erwähnten gesetzlich definierten Grundsätze der Corporate Governance dürfte weitgehende Einigkeit bestehen. Eine andere und potenziell kontroverse Frage ist, wie diese Leitlinien mit Leben zu füllen sind.

Hier scheint eine genaue Analyse des Regulierungsbedarfs von großer Bedeutung. Vor allem gilt es, potenzielle Interessenkonflikte genau zu beschreiben, um darauf erforderliche Maßnahmen mit großer Genauigkeit ansetzen zu können.4) Anderenfalls besteht die Gefahr, dass jeder nur denkbare Regulierungsvorschlag mit dem treuhänderischen Auftrag und dem Anlegerschutz final begründet und damit einer notwendigen Diskussion entzogen werden kann.

Analysen werden bestätigen, dass Interessenkonflikte und daraus resultierende Risiken für den Anlegerschutz häufig von der konkreten Geschäfts-, Produkt- und Kundenstruktur abhängen und bei zunehmender Komplexität immer schwieriger im Detail kategorisierbar sind. Präskriptive Detailregelungen werden deshalb immer weniger effektiv. Die bestmögliche Berücksichtigung des Anlegerinteresses erfordert vielmehr Abwägungen, die von Fall zu Fall und von Fondsgesellschaft zu Fondsgesellschaft durchaus unterschiedlich ausfallen können.

Vieles spricht bei Corporate Governance für Fondsgesellschaften daher für eine "principle based regulation", die Rahmen, Ziele und Pflichten festlegt, die Ausfüllung aber (ohne dass auf Verbindlichkeit und Wirksamkeit verzichtet werden muss) der KAG überlässt.

Unabhängige Überwachung

Ein wichtiges Element einer "principle based regulation" ist, dass in die Fonds-Governance Instanzen eingebaut sind, die unabhängig vom Fonds beziehungsweise der Fondsgesellschaft, ihren Gesellschaftern und Geschäftspartnern arbeiten und dadurch in der Lage sind, den Schutz der Anlegerinteressen zu überwachen.

Eine Analyse der IOSCO5) zeigt, dass es für diese "independent oversight"-Funktion international sehr verschiedene institutionelle Formen gibt. Die vermutlich verbreitetsten Lösungen sind die Depotbank, der Aufsichtsrat beziehungsweise bei eingleisigen Board-Strukturen die nicht-exekutiven Direktoren sowie der Wirtschaftsprüfer.

Erforderlich für eine wirksame Funktion in diesem Sinne sind eine ausreichende faktische Unabhängigkeit, ausreichende Zugriffsmöglichkeiten auf Informationen, fachliche Kompetenz und die Fähigkeit, erforderliche Schritte wirksam anstoßen zu können. Für eine institutionelle Lösung, die dies optimal gewährleisten könnte, gibt es aber weder generell gültige Regeln noch internationale Standards oder gar Vorbilder. Auch gilt nicht: "Je mehr desto besser".

Ein wichtiges Kriterium ist zweifellos die konkrete Struktur des jeweiligen nationalen Fondsmarktes und hier vor allem die rechtliche Form des Fondsgeschäfts. So haben Fonds des Gesellschaftstyps, bei denen die Anleger zugleich Aktionäre sind, völlig andere Voraussetzungen als Fonds, die als Sondervermögen organisiert und von einer Fondsgesellschaft verwaltet werden. Aber auch generelle Strukturen im Gesellschafts- und Aufsichtsrecht sowie gewachsene, von Land zu Land unterschiedliche Praktiken, spielen eine Rolle.

Eine Chance für Selbstregulierung

In Deutschland beruht die unabhängige Überwachung als Kernstück der Fonds-Governance auf zwei Säulen: der Depotbank, deren Rolle im Rahmen der Governance im InvG vorgeschrieben ist, und dem Wirtschaftsprüfer, dessen Aufgaben und Berichtspflichten gemäß InvG weit über die klassische Jahresabschlussprüfung hinausgehen.

Dieses System hat sich bewährt. Überlegungen zu einer Weiterentwicklung sollten deshalb von einer sorgfältigen Analyse des Regulierungsbedarfs ausgehen, "principle-based" ausgerichtet sein, den gewachsenen Strukturen und Stärken des Finanzstandorts Deutschland Rechnung tragen und ein Übermaß an Regulierung durch Parallelität von Überwachungsstrukturen vermeiden.

Diese Überlegungen führen automatisch zu der Frage, ob eine Selbstregulierung der Fondsindustrie nicht das beste Instrument sei, Interessenkonflikte frühzeitig zu erkennen und angemessen zu lösen. Niemand anderes als die Beteiligten selbst können besser erkennen und beurteilen, wo Handlungsbedarf besteht und wie er am effizientesten gelöst werden kann.

Vor diesem Hintergrund hat die Fondsindustrie auf nationaler und europäischer Ebene eine Reihe von Best Practice-Standards entwickelt. Die 2002 beschlossenen Wohlverhaltensregeln des BVI stellen einen der ausgereiftesten Standards auf diesem Gebiet dar und brauchen keinen internationalen Vergleich zu scheuen. Als Erfolg darf auch gewertet werden, dass in einer vertrauenskritischen Phase nach Bekanntwerden des Fondsskandals in den USA Ende 2002 die Wohlverhaltensregeln sehr zügig und konsequent um Verhaltensstandards auf dem Gebiet "Late Trading" und "Market Timing" erweitert wurden. Auch die Corporate Governance der KAG wurde Anfang 2006 um Standards erweitert, welche der bereits erwähnten Diversität denkbarer institutioneller Formen Rechnung tragen und dennoch eine klare Verpflichtung für die Mitgliedsgesellschaften zur Durchführung ausreichender Maßnahmen beinhalten.

Ein kritischer Punkt für jegliche Selbstregulierung ist die Frage der verbindlichen Durchsetzung. Diese kann in der Regel von einem Verband nicht geleistet werden, ohne seinen Auftrag überzustrapazieren. Es bietet sich deshalb an, dass Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden die von der Industrie definierten Standards (nach kritischer Überprüfung) für verbindlich erklären und ihre Einhaltung im Rahmen der unabhängigen Überwachung (insbesondere durch die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers) sichern. Bisher ist jedoch nur die Schweiz diesen erfolgversprechenden Weg gegangen.

Der europäische Kontext

Der Markt für Investmentfonds ist inzwischen eine europäische Veranstaltung geworden. Es bestehen europäische Regulierungsstandards, auf deren Basis ein freier, grenzüberschreitender Produktvertrieb möglich ist. Das bedeutet, große Teile des Anlegerschutzes werden - besonders durch Produktregulierung und Corporate Governance - durch europäische Standards definiert. Der nationale Gesetzgeber ist zwar frei, über die europäischen Standards hinauszugehen, kann aber den Marktzugang für Produkte, die sich im Rahmen des EU-Standards bewegen, nicht begrenzen (und somit auch nicht die Anleger von derartigen Produkten fernhalten).

Hieraus darf nicht geschlossen werden, dass die europarechtlich vorgegebenen Standards für Investmentfonds einen verminderten Anlegerschutz bewirken. Die europäischen Standards sind anerkannt und haben sich in der Praxis bewährt, wie der zunehmende Erfolg von EU-Fonds in Drittmärkten wie Hong Kong oder Lateinamerika zeigt. Für den nationalen Gesetzgeber beziehungsweise Regulator, der sich dem Anlegerschutz verpflichtet fühlt, bedeutet dies nicht, dass er machtlos wäre. Allerdings dürfen diesbezügliche Aktivitäten nicht erst bei Umsetzung von EU-Vorschriften in nationales Recht einsetzen - sie müssen schon vorher, bei deren Gestaltung auf europäischer Ebene, beginnen.

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