Gespräch des Tages

Bankmodelle - Systemfrage geklärt?

Die dritte Septemberwoche 2008 hat für die Wall-Street- Geschichte historische Dimensionen. Zwischen martialisch und depressiv fiel dementsprechend weltweit die Wortwahl zum Scheitern der Geschäftsmodelle der zuletzt noch vier großen amerikanischen Investmentbanken aus. Doch ist mit den als Notfusionen bewerteten Übernahmen von Bear Stearns durch JP Morgan und Merrill Lynch durch die Bank of America, dem Insolvenzantrag von Lehman Brothers sowie der Umwandlung von Goldman Sachs und Morgan Stanley in normale Bank-Holdings das alte Ringen um die Überlegenheit von Trennbank- oder Universalbanksystem entschieden? Ganz sicher ist das nur vorübergehend der Fall, denn die Bandbreite zwischen den Commercial und den Investmentbanken lässt so viele Facetten an Geschäftsmodellen zu, dass sich das Pendel gewiss wieder in die andere Richtung bewegen wird.

Kann beispielsweise die angeschlagene Citibank plötzlich ein Hoffnungsträger sein, nur weil die reinen Investmentbanken ihre Risikotragfähigkeit unter widrigen Marktbedingungen nicht mehr unter Kontrolle hatten? Vor nicht einmal einem halben Jahr hat diese Bank ihrerseits noch über die Abtrennung ihrer Investment-banking-Einheiten nachgedacht, Gelder von Staatsfonds aufgenommen und ihre deutsche Einheit verkauft. Darf man wirklich in überschaubarer Frist von der Bank of America oder von JP Morgan Impulse für die Finanzwirtschaft erwarten? Mit der Hypothekenbank Countrywide und den beiden angeschlagenen Investmentbanken haben beide Risiken übernommen, die es erst einmal abzuarbeiten gilt. Letztlich wirken viele der zuletzt als Bereinigung des amerikanischen Bankensystems gewerteten Zusammenschlüsse wie Impulskäufe beziehungsweise mehr oder weniger sanft politisch und aufsichtsrechtlich gelenkte Auffangaktionen zur Stabilisierung des gesamten Systems. Ganz nebenbei liefern all diese Transaktionen noch den Beleg, dass die Selbstheilungskräfte der Branche, wie sie etwa vom IIF immer wieder beschworen wurden, für den laufenden Krisenzyklus keine nachhaltige Abhilfe mehr schaffen konnten. Wer jetzt Staatshilfe in hoher dreistelliger Milliardenhöhe in Anspruch nehmen muss, darf künftig verstärkt mit politischem Misstrauen und mit staatlicher Regulierung rechnen.

Die Strukturänderungen der amerikanischen Bankenszene Mitte September 2008 werden auch die Bewertung des stark durch öf-fentlich-rechtliche Institute geprägten deutschen Bankensektors relativieren - bei den Instanzen der europäischen Politik, den internationalen Organisationen, der Wissenschaft wie auch den Analysten. An den grundsätzlichen Vor- und Nachteilen von Universalbank- und Trennbanksystem, wie sie etwa der Kölner Ordinarius Hans E. Büschgen in den neunziger Jahren in der ZfgK durchdacht und beschrieben hat, ändert sich durch die jüngsten Gewichtsverlagerungen wenig. Investmentbanken haben Vorteile in der Kapitalmarkteffizienz, und ihre Orientierung am Erfolg einer einzelnen Transaktion verschafft ihnen bei günstiger Marktkonstellation Renditevorteile. Bei allen Nachteilen einer fehlenden Verstetigung der Ergebnisse müssen Spezialinstitute auch weniger mit einer dauerhaften Quersubventionierung leben. Und richtig praktiziert sollte die Konzentration auf wenige Geschäftsfelder eigentlich auch dem Risikomanagement dazu verhelfen, die wahren Wagnisse zu erkennen und in marktgerechten Preisen abzubilden. Einen ernst zu nehmenden Hinweis auf eine mögliche Renaissance des Trennbankensystems liefert im Übrigen der deutsche Finanzmarkt: Denn in der nahezu ausschließlich von Universalbanken geprägten Struktur waren es zuletzt immer wieder die Spezialanbieter, die für einen Wandel der Verhältnisse gesorgt haben.

So wie in den USA der sogennannte Class Steagall Act Anfang der dreißiger Jahre geschaffen wurde, um die Folgen der weltweiten Inflation in den Griff zu bekommen, so wird der internationale Standortwettbewerb auch wieder bessere Rahmenbedingungen für das Trennbanksystem hervorbringen. Eine neue Kultur der Spezialisierung wird freilich das Risikomanagement und die Risikotragfähigkeit der Institute besser als bisher im Auge und unter Kontrolle haben müssen. Aber diese Aufgabe wird für die Universalbanken heutiger Dimension auch nicht einfacher.

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