Aufsätze

Dax-Plus Covered Call und Dax-Plus Protective Put: die Derivate-Strategieindizes der Deutschen Börse

Die Deutsche Börse AG hat im Jahre 2005 ein Strategieindex-Segment eingeführt, welches die in Tabelle 1 zusammengestellten sechs Indizes umfasst. Seit 23. Januar 2006 beziehungsweise 7. August 2006 werden mit dem Dax-Plus Covered Call und dem Dax-Plus Protective Put zwei Indizes berechnet, die eine Aktienindexanlage mit einer rollierenden Short-Position in Aktienindex-Calls und einer Long-Position in Aktienindex-Puts kombinieren.

Eine rein passive Anlagestrategie

Die Zusammensetzung des jeweiligen Strategieportfolios erfolgt dabei nach festen Regeln, so dass eine rein passive Anlagestrategie vorliegt, die ohne größere Probleme dupliziert werden kann. Eine Covered-Call-Strategie oder auch "Buy-Write-Strategie" ist speziell bei einem stagnierenden beziehungsweise seitwärts tendierenden Markt geeignet. Die Absicherung gegen Kursverluste ist hierbei begrenzt, ebenso wie die Partizipation an Kursgewinnen. Eine Protective-Put-Strategie bietet einen Schutz gegen Kursverluste und wird daher speziell in schwächeren Aktienmarktphasen Verwendung finden; entwickelt sich der Markt dennoch positiv, findet eine Partizipation wie bei einer reinen Aktienanlage statt.

Die Idee zu Derivate-Strategieindizes ist keineswegs neu - vergleichbare Indizes, etwa bezogen auf Covered-Call-Strategien, existieren auch an anderen Börsen, zum Beispiel an der CBOE in Form des S&P 500 Buy Write Index (BXM).1)

Die wesentlichen Charakteristika von Dax-Plus Covered Call und Dax-Plus Protective Put sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Grundbaustein ist der Dax-Performance-Index in Kombination mit Dax-Optionen, die an der Eurex (European Exchange) gehandelt werden.2) Besonderes Augenmerk verdient das "Rolling", das heißt der Austausch eines ausgelaufenen Calls beziehungsweise Puts gegen eine neue Option. Diese Ersetzung findet beim Dax-Plus Covered Call monatlich, beim Dax-Plus Protective Put vierteljährlich statt und stellt auf geringfügig aus dem Geld notierende Indexoptionen ab.

Berechnung der Indizes

An Xetra-Handelstagen wird der Dax-plus Covered Call CCt als

Formel siehe PDF-Datei:

ermittelt. Dabei bezeichnen DAXt den Dax-Schlusskurs zum Zeitpunkt t, DAXs den Dax-Schlusskurs am letzten Rolling-Tag, Ct den Settlementkurs des Calls zum Zeitpunkt t, Co den Aufnahmekurs des neues Calls am letzten Rollling-Tag und CCs den Settlementkurs des Dax-Plus Covered Call am letzten Rolling-Tag. Für das Rolling am dritten Freitag eines Monats wird folgende Formel angewendet:

Formel siehe PDF-Datei:

Hierbei geben C*s den Settlementkurs der "alten" Option am letzten Rolling-Tag, C*o den Aufnahmekurs der "alten" Option vor dem letzten Rolling-Tag, DAXs-m den Dax-Schlusskurs vor dem letzten Rolling-Tag und CCs-m den Settlementkurs des Dax-Plus Covered Call vor dem letzten Rolling-Tag an.

Analog gilt für den Protective-Put-Index an Xetra-Handelstagen

Formel siehe PDF-Datei:

und am Rolling-Tag am 3. Freitag am Ende eines Quartals

Formel siehe PDF-Datei:

Beispiel: Der Dax-Plus Covered Call am 22. August 2006 errechnet sich aus dem aktuellen Dax-Stand, DAXt = 5 818,41, dem aktuellen Kurs des Dax-Calls (Verfall: September 2006, Ausübungskurs: 6 100), Ct = 9,40, dem Stand des Dax am letzten Rol-ling-Tag (18. August 2006), DAXs = 5 847,50, dem Aufnahmekurs des Dax-Calls am letzten Rolling-Tag, Co = 15,07, und dem Settlement des Dax-Plus Covered Call am letzten Rolling-Tag, CCs = 496,48885, als

Formel siehe PDF-Datei:

Um den Stand des Dax-Plus Protective Put am 22. August 2006 zu berechnen, ist auf den letzten vierteljährlichen Rolling-Termin, den 16. Juni 2006 und den dort ausgewählten Dax-Put (Verfall: September 2006, Ausübungskurs: 6 250) zu referenzieren. Hieraus erhält man einen Indexstand von 342,22.

Der Dax stieg im Zeitraum Januar 1993 bis August 2006 von 1 531 auf 5 868 Punkte, entsprechend einer Steigerung um 283 Prozent. Dax-Plus Covered Call beziehungsweise Dax-Plus Protective Put zeigten im gleichen Zeitraum einen Anstieg von jeweils 100 auf 499 beziehungsweise 345 Punkte, das heißt der Zuwachs lag bei 399 Prozent beziehungsweise 245 Prozent. Die Abbildung macht deutlich, dass die Strategieindizes qua Konstruktion grundsätzlich hoch mit dem Dax korreliert sind, in Boom- und Schwächephasen jedoch deren unterschiedliches Profil zutage tritt.

So konnte der Dax-Plus Covered Call in der Aktien-Boomphase im Jahr 2000 nur eingeschränkt am Aufschwung partizipieren, da die verkauften Calls hier bei Verfall vielfach im Geld notierten und daher gegen den Stillhalter ausgeübt wurden. Beim Dax-Plus Protective Put ist die Partizipation am Aufschwung in einer solchen Börsenphase ebenfalls geringer als bei einer reinen Indexanlage, da die gekauften Puts tendenziell wertlos verfallen.3) In einem Crash-Szenario wie etwa im Jahr 2002 allerdings zeigt sich der Absicherungscharakter der Protective-Put-Strategie, während Dax und Dax-Plus Covered Call ohne wirksamen "Schutz" gegen den Kursverfall sind - bei letzterem allerdings abgemildert durch den wiederholten Verkauf von Calls in einem fallenden Markt.

Rendite-Risiko-Analyse

Die Kursentwicklung allein sagt allerdings noch nichts über die Vorteilhaftigkeit eines Index gegenüber einem anderen aus; hierfür wird man üblicherweise Renditen in Relation zu dem zu ihrer Erzielung notwendigen Risiko setzen. Für eine solche Rendite-Risiko-Analyse zeigt Tabelle 3 eine Statistik der täglichen (stetigen) Renditen von Dax, Dax-Plus Covered Call und Dax-Plus Protective Put im Zeitraum Januar 1993 bis August 2006.

Die mittlere Tagesrendite war im Betrachtungszeitraum beim Dax-Plus Covered Call am höchsten, gefolgt von Dax und Dax-Plus Protective Put. Bei der zugehörigen Standardabweichung lagen die Werte für den Dax am höchsten, für den Dax-Plus Protective Put am niedrigsten. Auffällig ist die typische Linksschiefe (Rechtssteilheit) der Verteilung der Dax-Renditen (Schiefe < 0), die beim Dax-Plus Covered Call sogar noch stärker ausgeprägt ist. Beim Dax-Plus Protective Put ist die Renditeverteilung dagegen sehr symmetrisch und zeigt darüber hinaus eine weit geringere Spannbreite als die beiden anderen Indizes.

Rendite-Risiko-Profile

Unter Verwendung der Mittelwerte und Standardabweichungen für die Renditen lässt sich jeweils das Sharpe-Ratio der Indizes bestimmen, das als einfaches Rendite-Risiko-Maß die Rendite einer Anlage (r) in Relation zur Verzinsung risikoloser Anlageformen (rf) und der Standardabweichung der Anlagerenditen setzt. Geht man vereinfachend von einem (stetigen) risikolosen Zinssatz von 3,5 Prozent p.a.im Betrachtungszeitraum aus (gleichbedeutend mit einem Wert von 0,00014 pro Tag bei 250 Handelstagen pro Jahr), errechnet sich:

Anhand des Sharpe-Ratios wies der Dax-Plus Covered Call folglich das attraktivste Rendite-Risiko-Profil auf, gefolgt vom Dax-Plus Protective Put. Der Dax selbst lieferte die schlechteste Kennzahl. Damit relativiert sich unter anderem die vorstehende Betrachtung der Indexentwicklung, der zufolge etwa der Dax vor dem Dax-Plus Protective Put lag. Auch wenn andere Maße, Messintervalle undtechniken gegebenenfalls andere Ergebnisse zeigen mögen,4) liefert diese Betrachtung doch zum Beispiel einen ersten Beleg für die Attraktivität einer Dax-Covered-Call-Strategie relativ zu einer reinen Indexanlage über den Zeitraum der letzten 13 Jahre.

Behr et al. (2006) analysieren das historische Risiko-Rendite-Verhalten des Dax-Plus Covered Call zwischen Januar 1993 und Juni 2005 auf Basis einer Reihe verschiedener Risikomaße. Die Autoren gelangen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass eine Covered-Call-Strategie im Rendite-Risiko-Vergleich mit einer Direktanlage im Dax in diesem Zeitraum vorteilhaft war. Als Begründung für dieses Ergebnis wird angeführt, dass Calls am Markt "zu teuer" sind, verglichen mit einem fairen Modellpreis (zum Beispiel auf Basis von Black/Scholes (1973)).5) Als zweite mögliche Erklärung für eine Vorteilhaftigkeit der Covered-Call-Strategie sehen Behr et al. (2006) eine negative Volatilitätsprämie im Markt: Da die Volatilität als eigener Risikofaktor üblicherweise negativ mit den Aktienrenditen korreliert ist, ist ein Portfolio aus Aktienanlage und "Volatilität" einem reinen Aktienportfolio risikoadjustiert tendenziell überlegen.

Die erst vergleichsweise kurze Zeit notierten Derivate-Strategieindizes der Deutschen Börse müssen ihre Akzeptanz im Markt in den nächsten Jahren noch beweisen. Aufgrund transparenter Regeln zur Indexkonstruktion sind diese leicht zu duplizieren; monatliche oder gar nur vierteljährliche Portfolioanpassungen sind aus Transaktionskostenüberlegungen sehr vorteilhaft. Daneben sind die Indizes als Benchmark für derivative Anlagestrategien sowie als Grundlage für strukturierte Produkte wie etwa Optionsscheine und Zertifikate einsetzbar6) und weisen vergleichsweise attraktive Rendite-Risikoprofile auf.

Speziell für den Dax-Plus Covered Call ist mit einer Etablierung zu rechnen wie das Beispiel anderer Börsen in der Welt gezeigt hat. Viel versprechend erschiene eine Ausweitung des Indexspektrums auf Werte wie den Euro-Stoxx50 oder den schweizerischen SMI.7) Daneben wäre es für Investoren mit einem Fokus auf Einzelwerte gegebenenfalls wünschenswert, auch hierfür geeignete Derivate-Strategieindizes - zumindest auf deutsche beziehungsweise europäische Indexschwergewichte wie zum Beispiel Deutsche Telekom oder Siemens zur Verfügung zu haben.8) Aus wissenschaftlicher Perspektive liefert die Analyse von Behr et al. (2006) zum Dax-plus Covered Call einen ersten Ansatzpunkt für die finanzmathematische Beurteilung. Weitere Studien erscheinen aber insbesondere zur näheren Erforschung der Nachhaltigkeit der "Outperformance" der Strategieindizes und insbesondere der dahinter stehenden Ursachen notwendig.

* Der Beitrag gibt nicht notwendigerweise die Auffassung des Arbeitgebers des Autors wieder.

Literatur

Behr, P.; Graf, H.; Güttler, A.: Risiko-Renditeverhalten des neuen Covered Call-Index der Deutschen Börse, Arbeitspapier, Januar 2006

Black, F.; Scholes, M.S.: The Pricing of Options and Corporate Liabilities, The Journal of Political Economy, Vol. 81, 1973, S. 637-654

Bollen, N.P.B.; Whaley, R.E.: Does Net Buying Pressure Affect the Shape of Implied Volatility Functions?, The Journal of Finance, Vol. 59, 2004, S. 711-753

Branger, N.; Schlag, C.: Put Options Are Not Too Expensive. An Analysis of Path Peso Problems, Working Paper, Universität Frankfurt/Main, Februar 2005

Deutsche Börse: Leitfaden zu den Strategieindizes der Deutschen Börse, Version 1.6, Frankfurt/Main, August 2006

Eurex: Produkte, Frankfurt/Main, März 2006

Wilkens, S.: Option Returns versus Asset-pricing Theory: Evidence from the European Option Market, Arbeitspapier, August 2006

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