Standortwettbewerb

Finanzausbildung - ethische Richtschnur und Standortfaktor

Die Finanzmärkte werden in den kommenden Jahren stärker reguliert werden. Es wäre wünschenswert, wenn dabei der Bereich der bisher unregulierten derivativen Finanzinstrumente stärker in den Fokus rücken würde. Deren Regulierung und Überwachung ist nämlich das größte Problem für die Integrität der globalen Finanzmärkte - das meinen nicht nur Politiker und Regulierungsbehörden, sondern nach einer Studie des CFA Institute auch die Praktiker der Investmentindustrie. In der Studie benennen knapp 6000 Charterholder aus 16 Ländern, also Investment Professionals mit abgeschlossener Prüfung zum Certified Financial Analyst (CFA), die größten Herausforderungen, denen die globalen Finanzmärkte in Bezug auf Vertrauen und Integrität gegenüberstehen. 23 Prozent der Befragten weltweit, in Deutschland sogar 26 Prozent, nennen die Nutzung und Offenlegung von Derivaten an erster Stelle.

Ethische Fundierung gesucht

Der gewünschte Zuwachs an Vertrauen und Stabilität an den Finanzmärkten wird sich allerdings aufgrund einer besseren Regulierung nicht einstellen. Professionelles Handeln braucht über den regulatorischen Rahmen hinaus auch eine ethische Fundierung. Die Finanzkrise hat deutlich gemacht, dass auch durch legales Handeln massive Verwerfungen an den Kapitalmärkten ausgelöst werden können.

Deshalb muss die Ausbildung von Investmentprofis über die Vermittlung des finanzmathematischen Rüstzeugs hinausgehen. Zur Ausbildung als Chartered Financial Analyst gehört folgerichtig zum Beispiel die intensive Beschäftigung mit Entscheidungssituationen, in denen der Rückgriff auf Gesetze und andere Normen keine eindeutige Auskunft für richtiges oder falsches Verhalten gibt. In dem Maße, wie immer mehr Investmentprofis diese Schulung durchlaufen, wird sich ein Standard professionellen Verhaltens entwickeln, der die Lücken eines rein normativen Ansatzes schließen hilft.

Weil die Finanzwelt so global ist wie wenig andere Industrien, kann sich ein solcher ungeschriebener Kodex natürlich auch nur durch eine global harmonisierte Ausbildung durchsetzen. Auch dies leistet die Ausbildung zum CFA. Als Charterholder ist man Teil einer weltweiten Community, kann sich für gemeinsame Ziele engagieren und sich weiterbilden über Fachveranstaltungen der lokalen Verbände, wie etwa der German CFA Society. So entsteht ein globales Netzwerk, das über ähnliche - und damit vergleichbare - Werte verfügt und nicht zuletzt einem Charterholder Ortswechsel im Rahmen einer globalen Karriere erleichtert. Zudem erneuert jeder Charterholder einmal im Jahr seine Mitgliedschaft beim CFA Institute und dokumentiert damit ausdrücklich seine Identifikation mit den branchenweit anerkannten ethischen Grundregeln.

Über 100000 Charterholder weltweit haben das berufsbegleitende, breit angelegte Wirtschaftsstudium mit Schwerpunkt auf Finanzmarktthemen absolviert und nach drei Prüfungen (zusammen mit einem Nachweis über ein akademisches Studium und einem Minimum von vier Jahren Berufserfahrung) die Berechtigung erworben, offiziell den Titel CFA zu tragen und ihn auf Visitenkarten oder Marktkommentaren direkt hinter den Namen zu schreiben. Treibende Organisation der Ausbildung und Prüfung ist das CFA Institute, das heute durch die lokalen Verbände in über 130 Ländern weltweit vertreten ist.

Globale Standards entwickeln

Gleichzeitig arbeitet das CFA Institute mit an der Weiterentwicklung von Rechnungslegungsstandards, der Schaffung von Handelstransparenz und der Offenlegung von Interessenkonflikten - um nur drei Themen aus dem großen Katalog der gesellschaftlich relevanten Tätigkeit des Instituts zu nennen. Gemeinsamer Nenner dieser Aktivitäten ist das Interesse des Investors. Er soll in die Lage versetzt werden, auf der Basis möglichst vollständiger Informationen seine Entscheidungen zu treffen.

Bei allem Bekenntnis zu globaler Standardisierung wäre es jedoch naiv zu glauben, Finanzplätze stünden nicht miteinander im Wettbewerb. Wenn etwa der Global Financial Centres Index (GFCI), der zweimal im Jahr ein Ranking der Wettbewerbsfähigkeit von Finanzplätzen weltweit erstellt, eine zentrale Botschaft hat, dann diese: Der Finanzplatz Hongkong hat die traditionell führenden Zentren London und New York bereits im Visier. Frankfurt zählt im GFCI zur Gruppe der "stabilen" Finanzplätze, der neben Frankfurt nur sechs weitere Finanzzentren angehören. Zudem wird Frankfurt weiterhin dem exklusiven Kreis der "Global Leaders" zugerechnet - insgesamt nur acht Zentren weltweit genießen diesen Status.

Berufsausbildung als Standortfaktor

Wenn dies so bleiben soll, ist professionelle Berufsbildung ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Besonders seit der Finanzkrise werden an Spezialisten der Finanzindustrie wie Analysten oder Portfoliomanager immer mehr Anforderungen gestellt - sei es aus der erweiterten Analyse von Risiken, der Veränderung der internationalen Standards für die Rechnungslegung, der Implementierung von europaweiten Standards wie der MiFID oder auch der Überarbeitung finanzwirtschaftlicher Modelle.

Da der Gesetzgeber hierzulande bislang keine Mindestanforderungen für die Aus- und Weiterbildung der Kapitalmarktprofis formuliert hat, bietet sich als Lösung der Rückgriff auf einen existierenden Standard an, der als Gütesiegel die einzelnen Marktteilnehmer auszeichnet - unabhängig von ihrem Arbeitgeber. Der Chartered Financial Analyst ist ein solcher Titel: anspruchsvoll, international und weltweit hoch anerkannt.

Damit verbunden sind in vielen Fällen höhere Gehälter als bei den Kollegen ohne Charter, denn der CFA signalisiert Fachwissen, Motivation und vor allem Belastbarkeit. Allein 2010 nahmen weltweit insgesamt 110000 Kandidaten an der Prüfung teil, in Deutschland waren Ende 2010 rund 1600 Charterholder registriert. Damit ist die German CFA Society, die Charterholder und Kandidaten lokal vertritt, heute die größte unabhängige Berufsvereinigung der Finanzindustrie in Deutschland.

Anspruchsvolle Aus- und Weiterbildung fördert aber nicht nur die einzelnen Teilnehmer. Ausgebildete Fachleute finden sich in den Finanzmärkten besser zurecht und können so Chancen und Risiken besser einschätzen. Davon profitieren alle Marktteilnehmer. Ziel aller Weiterbildungsangebote ist es, mit mehr Wissen auch mehr Klarheit zu schaffen. Darüber hinaus sichert eine höhere Bildung die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland und minimiert das Risiko erneuter Verwerfungen in der Finanzindustrie.

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