Aufsätze

Die Finanzmarktkrise im Spiegel des konsolidierten Wochenausweises

Der konsolidierte Wochenausweis des Eurosystems wird einmal wöchentlich (Stichtag ist Freitag) als konsolidierte Bilanz auf Grundlage der Einzelbilanzen des Eurosystems aufgestellt. Analog einer Unternehmensbilanz informiert er über die Tätigkeit von Zentralbanken.

Abbild der Zentralbankfunktion

Die Funktion der Zentralbank als "Bank der Banken" beinhaltet drei Säulen des geldpolitischen Instrumentariums. Hierzu zählen erstens die liquiditätszuführenden Offenmarktgeschäfte, welche sich in Hauptrefinanzierungsgeschäfte, längerfristige Refinanzierungsgeschäfte, Feinsteuerungsoperationen und strukturelle Operationen aufgliedern. Hauptrefinanzierungsgeschäfte (längerfristige Refinanzierungsgeschäfte) sind Kredite mit einer Laufzeit von einer Woche (von derzeit bis zu einem Jahr) gegen Hinterlegung notenbankfähiger Sicherheiten auf Tenderbasis. Feinsteuerungsoperationen (strukturelle Operationen) sind liquiditätszuführende und liquiditätsabsorbierende Operationen, die zur kurzfristigen (längerfristigen) Steuerung von Marktliquidität genutzt werden.

Zweitens sind die ständigen Fazilitäten zu nennen. Überschüssige Liquidität kann "über Nacht" mittels der Einlagefazilität beim Eurosystem angelegt werden, während die Spitzenrefinanzierungsfazilität der Übernachtkreditaufnahme dient. Das letzte Instrument, die Mindestreserve, stellt eine Zwangseinlage der Kreditinstitute bei der Zentralbank dar.1)

Im Rahmen des Eurosystems können die Liquiditätsveränderungen des Bankensystems durch die sogenannte Liquiditätsbilanz dargestellt werden. Die Liquiditätsbilanz ergibt sich durch Restrukturierung des konsolidierten Wochenausweises. Dabei ist zu beachten, dass die Aktivposten (A) des Wochenausweises mit einem positiven Vorzeichen in die Liquiditätsbilanz eingehen, da sie die Liquidität des Bankensystems erhöhen. Demgegenüber sind Passivposten (P), da sie die Liquidität des Bankensystems verringern, als Abzugsbeträge zu berücksichtigen.

Die autonomen Faktoren beeinflussen die Liquidität des Bankensystems und sind normalerweise unabhängig von den geldpolitischen Geschäften.2) Sie sorgen analog der Mindestreserveverpflichtung aufgrund der Höhe des Banknotenumlaufs für eine Absorption von Zentralbankgeld. Die Summe aus autonomen Faktoren und Mindestreserveverpflichtung wird - wie aus der Liquiditätsbilanz ersichtlich - durch die Bereitstellung von Zentralbankliquidität in Form der Hauptrefinanzierungsgeschäfte, der längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte und der sonstigen Offenmarktgeschäfte und ständigen Fazilitäten gedeckt. In Tabelle 1 ist die Liquiditätsbilanz mit Stand vom 26. September 2008 in Tabellenform dargestellt.3)

Kennzahlen zur Analyse des Wochenausweises

Die Art der bereitgestellten Mittel, die Finanzierungsstruktur, wird durch den Anteil der längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte an der Gesamtheit der liquiditätszuführenden geldpolitischen Geschäfte in Euro bestimmt:

Formel siehe PDF-Datei

Die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte werden dem Aktivposten 5.2 entnommen und die liquiditätszuführenden geldpolitischen Geschäfte in Euro sind die Summe der Aktivposten 5.1 bis 5.6.

Je höher der Refinanzierungsstrukturkoeffizient ist, desto länger steht den Kreditinstituten das bereitgestellte Zentralbankgeld zur Verfügung. Die Höhe der bereitgestellten Zentralbankmittel wird durch die liquiditätszuführenden geldpolitischen Geschäfte in Euro bestimmt. Nach dem Abzug des Mindestreserve-Solls ergibt sich ein Differenzbetrag an Zentralbankgeld, den die Kreditinstitute für ihre eigene Liquiditätsdisposition nutzen.4)

Formel siehe PDF-Datei

Das Mindestreserve-Soll wird der monetären Mindestreserve- und Liquiditätsstatistik in den Monatsberichten der EZB entnommen.6) Je höher die frei verfügbaren bereitgestellten Zentralbankmittel sind, desto mehr Zentralbankliquidität haben die Kreditinstitute zu ihrer Verfügung.

Liquiditätsdeckungsgrad

Die Höhe der aus dem Zentralbanksektor in den Bankensektor fließenden Zentralbankliquidität ergibt sich aus den frei verfügbaren bereitgestellten Zentralbankmitteln abzüglich der bei der Zentralbank in Form der Einlagefazilität angelegten Mittel.

Formel siehe PDF-Datei

Die Einlagefazilität wird dem Passivposten 2.2 entnommen. Analog kann hinsichtlich der Verwendung der liquiditätszuführenden geldpolitischen Geschäfte in Euro ein Quotient gebildet werden, der die im Zentralbanksektor verbleibende freiwillige Liquidität, das heißt Überschussreserven und Einlagefazilität, zu eben diesen ins Verhältnis setzt.

Formel siehe PDF-Datei

Die Überschussreserve wird als Differenz zwischen dem Passivposten 2.1 und dem Mindestreserve-Soll berechnet.

Analyse vor der Finanzmarktkrise

Von Interesse ist weiterhin, inwieweit die geldpolitischen Geschäfte in Euro im weiteren Sinne den direkten Zentralbankmittelbedarf in Form der Mindestreserveverpflichtung und der autonomen Faktoren abdecken. Da die ständigen Fazilitäten vor der Finanzmarktkrise nur einen sehr geringen Einfluss auf die Liquidität des Bankensystems haben, wird der Liquiditätsdeckungsgrad hier aus dem Verhältnis von den Hauptrefinanzierungsgeschäften, längerfristigen Refinanzierungsgeschäften und den sonstigen Offenmarktgeschäften zu den liquiditätsabsorbierenden Positionen, die sich aus den autonomen Faktoren und der Mindestreserveverpflichtung zusammensetzen, bestimmt.

Formel siehe PDF-Datei

Es wird der Zeitraum zwischen dem Stichtag des ersten Wochenausweises des Jahres 2007 (Wochenausweis zum 5. Januar 2007) und dem Wochenausweis zum 3. August 2007 betrachtet.

Die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte haben einen Anteil von 30 Prozent bis 35 Prozent an den liquiditätszuführenden geldpolitischen Geschäften in Euro. Es stellt sich heraus, dass die Berücksichtigung der Spitzenrefinanzierungsfazilität, der Feinsteuerungsoperationen, der strukturellen Operationen und der Forderungen aus Margenausgleich vernachlässigbar ist, weil der Refinanzierungsstrukturkoeffizient ebenfalls 30 Prozent bis 35 Prozent beträgt, wenn er sich lediglich als Quotient aus längerfristigen Refinanzierungsgeschäften und der Summe aus längerfristigen Refinanzierungsgeschäften und Hauptrefinanzierungsgeschäften zusammensetzt. In den folgenden Ausführungen zum Refinanzierungsstrukturkoeffizient findet deshalb nur diese vereinfachte Definition Anwendung.

Vom 5. Januar 2007 bis 3. August 2007 standen den Kreditinstituten 230 Milliarden Euro bis 270 Milliarden Euro, durchschnittlich 251 Milliarden Euro, an Zentralbankgeld an jedem Stichtag des Wochenausweises zur Verfügung. Diese bereitgestellten frei verfügbaren Zentralbankmittel flossen nahezu vollständig aus dem Zentralbanksektor ab. Entsprechend ist der Einlagekoeffizient gleich null Prozent. Vor der Finanzmarktkrise entsprachen die autonomen Faktoren und die Mindestreserveverpflichtung nahezu der Summe aus Hauptrefinanzierungsgeschäften, längerfristigen Refinanzierungsgeschäften und den sonstigen Offenmarktgeschäften, somit ist der Liquiditätsdeckungsgrad 1.

Zusammenfassend ergibt sich für die Wochenausweise vor der Finanzmarktkrise folgendes Bild:

Erste Phase der Krise

Analyse der Wochenausweise für den Zeitraum vom 10. August 2007 bis 19. September 2008: Die Refinanzierungsstruktur blieb in den ersten zwei Wochen nach Ausbruch der Finanzmarktkrise (Zeitraum vom 10. August 2007 bis 17. August 2007) im Vergleich zu der vor der Finanzmarktkrise unverändert: Der Refinanzierungsstrukturkoeffizient betrug 34 Prozent (Wochenausweis zum 10. August 2007) und 33 Prozent (Wochenausweis zum 17. August 2007). Sprunghaft stieg der Refinanzierungsstrukturkoeffizient zunächst auf 41 Prozent (Wochenausweis zum 24. August 2007), dann auf nahezu 50 Prozent (Wochenausweis zum 14. September 2007) und schließlich sieben Wochen nach Ausbruch der Finanzmarktkrise auf über 60 Prozent (Wochenausweis zum 21. September 2007). Er blieb in den folgenden Wochen bis zum Ende des Betrachtungszeitraums grundsätzlich in einer Bandbreite zwischen 55 und 67 Prozent.

Einzige Ausnahmen sind die Wochenausweise zum 21. Dezember 2007, 28. Dezember 2007 und 31. Dezember 2007, denn dort lag der Refinanzierungsstrukturkoeffizient bei 43 Prozent beziehungsweise 42 Prozent (Abbildung 1).7)

Erhöhte Schwankungsbreite der frei verfügbaren Zentralbankmittel

Die von der Zentralbank bereitgestellten Mittel, über die die Kreditinstitute nach Abzug der von ihnen zu leistenden Mindestreserve frei verfügen können, haben sich in der ersten Phase der Finanzmarktkrise - zumindest was deren durchschnittliche Höhe angeht - im Vergleich zum betrachteten Zeitraum vor der Finanzmarktkrise kaum verändert. Die frei verfügbaren bereitgestellten Zentralbankmittel wiesen an einem Stichtag des Wochenausweises vor der Finanzmarktkrise eine durchschnittliche Höhe von 251 Milliarden Euro auf.

Bedingt durch sehr hohe frei verfügbare bereitgestellte Zentralbankmittel zum Jahresende in Höhe von 420 Milliarden Euro beziehungsweise 440 Milliarden Euro (Wochenausweise zum 21. Dezember 2007, 28. Dezember 2007 und 31. Dezember 2007) nahmen diese an einem Stichtag des Wochenausweises in der Zeitspanne vom 10. August 2007 bis 31. Dezember 2007 einen durchschnittlichen Wert von 284 Milliarden Euro an. Im folgenden Jahr (bis zum 19. September 2008) sank die durchschnittliche Höhe der frei verfügbaren bereitgestellten Zentralbankmittel auf 249 Milliarden Euro und damit nahezu auf den Wert vor der Finanzmarktkrise.

Die Schwankungsbreite der frei verfügbaren bereitgestellten Zentralbankmittel erhöhte sich jedoch nach Ausbruch der Finanzmarktkrise; im Jahr 2007 (das heißt ab dem 10. August 2007) hatten die Kreditinstitute an den Stichtagen des Wochenausweises zwischen 208 Milliarden Euro und 441 Milliarden Euro zur freien Verfügung. Im Jahr 2008 (das heißt bis 19. September 2008) verringerte sich die Schwankungsbreite; sie lag zwischen 193 Milliarden Euro und 280 Milliarden Euro.

Die empirische Standardabweichung von der durchschnittlichen Höhe der frei verfügbaren bereitgestellten Zentralbankmittel von 251 Milliarden Euro beträgt vor Ausbruch der Finanzmarktkrise elf Milliarden Euro. Während der Finanzmarktkrise im Jahr 2007 erhöht sich die Standardabweichung von der durchschnittlichen Höhe der frei verfügbaren bereitgestellten Zentralbankmittel von 284 Milliarden Euro auf 66 Milliarden Euro. Im Jahr 2008 (bis zum 19. September 2008) verringert sie sich wiederum auf 20 Milliarden Euro.

Vornehmlich flossen die frei verfügbaren Zentralbankmittel aus dem Zentralbanksektor ab. In der ersten Phase der Finanzmarktkrise entsprachen die autonomen Faktoren und die Reserveverpflichtung nahezu der Summe aus Hauptrefinanzierungsgeschäften, längerfristigen Refinanzierungsgeschäften und den sonstigen Offenmarktgeschäften. Somit liegt der Liquiditätsdeckungsgrad bei näherungsweise 1.

Zusammenfassend ergibt sich für die Wochenausweise in der ersten Phase der Finanzmarktkrise folgendes typisches Bild:

In diesem Abschnitt werden die Veränderungen der Kennzahlen des konsolidierten Wochenausweises im Zusammenhang mit Ereignissen für die Zeit vom 10. August 2007 bis 19. September 2008 dargestellt.8) Die Finanzmarktkrise hat ihren Anfang genommen mit dem Wunsch vieler Amerikaner nach einem eigenen Haus und einer Finanzierung dieses Hauses, welche für eine Vielzahl der Kreditnehmer nicht zu tragen war. Die Immobilienkredite wurden von den Banken gebündelt und zu speziellen Obligationen (Collateralized Debt Obligations, CDOs) verbrieft. Diese fanden Abnehmer9) auf der ganzen Welt.

Liquiditätsproblem der Banken

Als die Zinsen stiegen und der amerikanische Hauskäufer seine variabel verzinslichen Immobilienkredite (60 Prozent der Subprime-Kredite enthalten variable Zinsbestandteile) nicht mehr bedienen konnte, wurden die Kredite gekündigt und die finanzierten Häuser gingen - da die Kreditnehmer in den USA meist nicht persönlich haften - in das Eigentum der Banken über. Diese Häuser konnten jedoch nicht mehr ohne Verluste verwertet werden, da deren Preise fielen. Die Kreditforderungen wurden

abgeschrieben. Diese Tatsache führte zum einen dazu, dass die Banken hohe Verluste verbuchen mussten, die sie in ihrer Existenz bedrohten. Zum anderen wollte die CDOs keiner mehr kaufen, das heißt: die Banken hatten ein Liquiditätsprobl em.10)

Die Finanzmarktkrise war in Deutschland Ende Juli mit der Schieflage der IKB angekommen. Angesichts der durch die Hypothekenmarktkrise gestiegenen Ausfallrisiken liehen sich die Banken seit Anfang August kein Geld mehr. Banken, die über liquide Mittel verfügen, waren nicht mehr bereit, sie weiterzugeben, weil sie die Bonität der als Sicherheiten hinterlegten Wertpapiere nicht einschätzen konnten. Am 9. August, an dem Tag an dem die BNP Paribas vorübergehend drei Fonds, deren Vermögenswerte durch U. S.-Hypotheken von wenig betuchten Hauskäufern, so genannte "Subprime-Kredite" gesichert waren, einfror, kam es bei geringem Handelsvolumen zu einem plötzlichen Anstieg der Geldmarktsätze.

Die EZB führte daraufhin eine Feinsteuerungsoperation mit taggleicher Abwicklung und eintägiger Laufzeit durch. Das Geschäft wurde als Mengentender mit einer im Voraus angekündigten vollständigen Zuteilung durchgeführt. Die EZB stellte 94,8 Milliarden Euro bereit. Am Vormittag des 10. August 2007 wurde eine weitere Feinsteuerungsoperation mit eintägiger Laufzeit durchgeführt, 61,1 Milliarden Euro flossen dabei den Banken zu. Am 14. September 2007 rettete die Bank of England Northern Rock, den fünftgrößten Baufinanzierer des Landes, mit einem Notfallkredit vor der Zahlungsunfähigkeit.

Ende des Jahres 2007 hatten die Kreditinstitute rund 440 Milliarden Euro frei verfügbare bereitgestellte Zentralbankmittel. Die starke Zunahme mochte darin begründet liegen, dass Institute zum Jahresultimo dazu neigen, Liquidität vorzuhalten, weil sich das positiv in ihren Bilanzen niederschlägt. Zudem zeigten die Geldmärkte deutliche Zeichen von Anspannungen. In den konsolidierten Wochenausweisen des Eurosystems zum 14. März 2008, 21. März 2008 und 28. März 2008 nahmen die frei verfügbaren Zentralbankmittel auf rund 280 Milliarden Euro zu.

Am 14. März 2008 wurde der US-Investmentbank Bear Stearns durch die Fed und JP Morgan Chase & Co eine besicherte Finanzierung zur Verfügung gestellt. Diese Nothilfe hat die Finanzmärkte erneut erschüttert, denn niemand wusste, ob nicht bald eine andere größere Bank in existenzbedrohende Schwierigkeiten gerät. Sowohl im Fall von Northern Rock als auch im Fall von Bear Stearns versuchte die EZB, durch Bereitstellung von zusätzlicher Zentralbankliquidität das Funktionieren des Euro-Geldmarkts zu normalisieren.

Nach der Lehman-Pleite

Der Anteil der längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte an den liquiditätszuführenden geldpolitischen Geschäften in Euro schwankte in der Periode vom 26. September 2008 bis 8. Mai 2009 zwischen 55 und 75 Prozent. Während der Refinanzierungsstrukturkoeffizient zu Beginn des Untersuchungsabschnitts einen Wert von 68 Prozent (Wochenausweis zum 26. September 2008) aufwies und sich in der Folge auf 57 Prozent (Wochenausweis zum 5. Dezember 2008) verringerte, stieg er in der Zeit um den Jahreswechsel (Wochenausweis zum 15. Januar 2009) auf bis zu 75 Prozent an. Am 8. Mai 2009 entfielen auf die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte 64 Prozent der liquiditätszuführenden geldpolitischen Geschäfte in Euro.

Nachdem die Höhe der frei verfügbaren bereitgestellten Zentralbankmittel am Anfang des Betrachtungszeitraums mit dem Zeitraum vor der Finanzmarktkrise vergleichbar war, weitete sich diese im Verlauf des Oktobers deutlich aus, sodass die frei verfügbaren bereitgestellten Zentralbankmittel im Wochenausweis zum 31. Oktober 2008 rund 622 Milliarden Euro betrugen. Ein ähnlich hoher Wert wurde erst im Dezember beziehungsweise Januar wieder erreicht (643 Milliarden Euro im Wochenausweis zum 31. Dezember 2008 und 640 Milliarden Euro im Wochenausweis zum 2. Januar 2009). Bis zum Wochenausweis vom 8. Mai 2009 verringerte sich die Höhe der Liquiditätsbereitstellung in Zentralbankgeld auf 434 Milliarden Euro.

Insgesamt erhöhte sich die Liquiditätsbereitstellung der EZB, sodass den Kreditinstituten im Eurosystem zwischen 274 Milliarden Euro (Wochenausweis zum 26. September 2008) und 640 Milliarden Euro (Wochenausweis zum 31. Dezember 2008) an frei verfügbaren bereitgestellten Zentralbankmitteln zur Verfügung standen. Damit weichen die frei verfügbaren bereitgestellten Zentralbankmittel durchschnittlich mit 82,7 Milliarden Euro von ihrem Mittelwert von 520 Milliarden Euro ab.

An Zentralbankgeld gelangten zwischen 246 Milliarden Euro (Wochenausweis zum 26. September 2008) und 460 Milliarden Euro (Wochenausweis zum 12. Dezember 2008) in den Bankensektor, im Mittel 372 Milliarden Euro. So stieg die in den Bankensektor abfließende Zentralbankliquidität im Oktober 2008 von 246 Milliarden Euro (Wochenausweis zum 26. September 2008) auf 343 Milliarden Euro (Wochenausweis zum 31. Oktober 2008). Am 2. Januar 2009 flossen dem Bankensektor analog des letzten Wochenausweises dieses Abschnitts (8. Mai 2009) 358 Milliarden Euro zu. Anhand des Vergleichs der bereitgestellten frei verfügbaren Zentralbankliquidität und der in den Bankensektor abfließenden Liquidität stellt sich heraus, dass nicht sämtliche bereitgestellten Mittel in den Bankensektor geflossen sind, sondern ein Teil des Geldes bei der Zentralbank verblieben ist. Dementsprechend bewegt sich der Einlagekoeffizient zwischen fünf Prozent und 38 Prozent.

Einlagekoeffizient stark angestiegen

Die Höchstwerte lassen sich eindeutig der Periode nach der Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers und dem Jahreswechsel 2008/2009 zuordnen. Der Einlagekoeffizient stieg von fünf Prozent (Wochenausweis zum 26. September 2008) binnen eines Monats auf 33 Prozent (Wochenausweis zum 31. Oktober 2008) an und betrug am 2. Januar 2009 ebenfalls 33 Prozent. In der Zeit vom Jahreswechsel bis zum Wochenausweis vom 8. Mai 2009 reduzierte sich der Einlagekoeffizient wieder auf zehn Prozent (Abbildung 2).

In der zweiten Phase der Finanzmarktkrise nahm der Liquiditätsdeckungsgrad während dem 3. Oktober 2008 und dem 9. Januar 2009 durchschnittlich einen Wert von 1,44 an, das heißt, die Summe aus Hauptrefinanzierungsgeschäften, längerfristigen Refinanzierungsgeschäften und sonstigen Offenmarktgeschäften deckte die autonomen Faktoren und die Reserveverpflichtung zu 144 Prozent. Ab dem Anfang des Jahres 2009 normalisierte sich diese Entwicklung, sodass der Liquiditätsdeckungsgrad im Mai wieder einen Wert von nahe 1 aufwies (Abbildung 3). Zusammenfassend ergibt sich für die Wochenausweise für die betrachtete Periode folgendes Bild:

Mit der Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 spitzte sich die Finanzkrise abermals zu. Zudem sorgten weitere Schreckensmeldungen im Verlauf des Oktobers 2008 wie der beinahe Staatsbankrott von Island, der drohende Konkurs der Hypo Real Estate und weitere Milliardenabschreibungen bei Unternehmen der Finanzbranche (AIG, UBS, Royal Bank of Scottland) für eine Verschärfung der Situation auf den internationalen Finanzmärkten und veranlasste die Regierungen weltweit durch Kapitalspritzen und Rettungspakete einzugreifen.

Höhere Liquiditätsbereitstellung durch die EZB

Im Ergebnis weitete auch die EZB ihre Liquiditätsbereitstellung in Euro im Oktober 2008 erheblich aus, sodass die bereitgestellten frei verfügbaren Zentralbankmittel am 31. Oktober 2008 mit 622 Mrd. Euro einen neuen Höchstwert während der Finanzmarktkrise erreichten. Das Geld floss aber nicht in den Bankensektor, sondern verblieb bei der Europäischen Zentralbank. Erkennbar ist dies an einer historisch hohen Nutzung der Einlagefazilität, die einen Anstieg des Einlagekoeffizienten auf 33 Prozent am 31. Oktober 2008 bewirkte. Einzig zum Wochenausweis vom 9. Januar 2009 lag der Einlagekoeffizient mit 38 Prozent über diesem Wert.

Zu einer Entspannung in der Liquiditätsbereitstellung durch die EZB und der Liquiditätsversorgung des Bankensektors mit Zentralbankgeld kam es erst mit Beginn des Jahres 2009. Die Regierungen waren gefordert die negativen Auswirkungen der Finanzkrise sowohl für die Finanzwirtschaft als auch für die Realwirtschaft zu begrenzen. Dementsprechend wurden rund um den Globus großzügige Konjunkturpakte (zum Beispiel USA, China, Deutschland) verabschiedet und weitere Maßnahmen zur Stabilisierung des Bankensektors (etwa USA, Europa) unternommen.

In der Konsequenz dieser Ereignisse ist eine scheinbare Erholung bei den Finanzunternehmen zu beobachten, die sich dahingehend äußert, dass die EZB ab Februar 2009 ihre bereitgestellten frei verfügbaren Zentralbankmittel reduzierte und bis zum 8. Mai 2009 auf 434 Milliarden Euro verringerte. Da ein großer Teil der frei verfügbaren bereitgestellten Zentralbankmittel in den Bankensektor flossen (Wochenausweis zum 8. Mai 2009 etwa 358 Milliarden Euro), sank der Einlagekoeffizient entsprechend auf zehn Prozent ab.

Es zeigt sich, dass die Finanzmarktkrise zu Veränderungen im Wochenausweis geführt hat. Sowohl die Höhe als auch die Fristigkeit der durch die Zentralbank bereitgestellten Mittel unterscheiden sich von den Werten vor der Krise.

Vor der Finanzmarktkrise und während der ersten Phase flossen die bereitgestellten frei verfügbaren Zentralbankmittel fast ausschließlich in den Bankensektor. Erst mit der im Oktober 2008 einsetzenden zweiten Phase der Finanzmarktkrise verblieben die bereitgestellten Mittel zum Teil bei der Zentralbank und wurden in der Einlagefazilität angelegt, sodass der Einlagekoeffizient, der in den beiden vorhergehenden Abschnitt meist null Prozent betrug, zwischen fünf Prozent und 38 Prozent lag.

Normalerweise lässt sich eine Liquiditätsbilanz wie folgt gliedern: Von der Liquiditätsbereitstellung in Form der Hauptrefinanzierungsgeschäfte, der längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte, der ständigen Fazilitäten und der sonstigen Offenmarktgeschäfte werden die liquiditätsabsorbierenden autonomen Faktoren abgezogen und ergeben damit die Guthaben der Kreditinstitute bei der Zentralbank. Diese Guthaben dienen der Abdeckung der Mindestreserveverpflichtung und können teilweise eine Überschussreserve enthalten.

In dieser Finanzmarktkrise zeigt sich anhand der Bedeutung der Einlagefazilität jedoch, die ständigen Fazilitäten spielten in den Zeiten davor eine untergeordnete Rolle innerhalb der Zentralbankbilanz, dass eine Neugliederung der Liquiditätsbilanz sinnvoll erscheint (siehe Tabelle 2). Hierzu werden von der Summe der geldpolitischen Geschäfte ohne Berücksichtigung der ständigen Fazilitäten die autonomen Faktoren abgezogen. Der Residualbetrag verbleibt zum einen als Guthaben der Kreditinstitute, die notwendig sind, um die Mindestreserveverpflichtung zu erfüllen, bei der Zentralbank und zum anderen fließt ein Teil in die Einlagefazilität. Damit wird anhand der zweiten Phase der Finanzmarktkrise deutlich, dass eine Erhöhung der bei der Zentralbank gehaltenen Mittel nicht gleichsam zu einer Auflockerung11)der Situation auf dem Geldmarkt führen muss. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die zusätzliche Liquidität aufgrund des Vertrauensverlustes der Banken untereinander bei der Zentralbank verbleibt.

* Die Autoren weisen darauf hin, dass es sich bei diesem Beitrag ausschließlich um die persönliche Auffassung handelt.

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