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Frage an Karlheinz Weimar - Verbriefungen am Finanzplatz Frankfurt - Stimmen die rechtlichen Rahmenbedingungen?

Deutschland ist im Vergleich zu den meisten anderen Industrieländern, allen voran den angelsächsischen Ländern, weniger kapitalmarktintegriert. Dies macht sich auch an einer im internationalen Vergleich sehr niedrigen Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen bemerkbar. Sie beträgt bei uns durchschnittlich nur 25 Prozent und bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sogar nur 7,5 Prozent. Französische Unternehmen hingegen können eine durchschnittliche Quote von 35 Prozent, britische eine von 40 Prozent und die Unternehmen in den USA sogar eine von 45 Prozent vorweisen.

Finanzierung des Mittelstandes

Unternehmensfinanzierung bedeutet hierzulande zumeist immer noch Kreditfinanzierung. Das hat in erster Linie etwas mit der Struktur der deutschen Wirtschaft zu tun, die zum größten Teil von mittelständischen, in Familienbesitz befindlichen Unternehmen geprägt ist.

Gerade diese Familienunternehmen sind häufig darauf bedacht, die Mitsprache Dritter sowie weit reichende Offenlegungspflichten zu vermeiden. Daher spielen kapitalmarktorientierte Finanzierungsformen über die Börse oder zum Beispiel über Private-Equity-Gesellschaften in Deutschland kaum eine Rolle. Zu der starken Dominanz der Kreditfinanzierung haben allerdings auch die Banken selbst beigetragen, indem sie dem Wunsch der Unternehmen nach günstigen Krediten bereitwillig nachkamen.

Die typisch deutsche Kreditfinanzierung hat jedoch bereits in den letzten Jahren an Attraktivität verloren, da sich bei den Banken ein neues Risikobewusstsein entwickelte und nicht mehr so günstige Konditionen angeboten wurden. Ein Grund hierfür waren die zahlreichen Kreditausfälle und die damit verbundene Herabstufung der Banken durch Ratingagenturen.

Diese Lücke konnte aufgrund fehlender Alternativen nicht geschlossen werden, so dass Finanzierungen mit den notwendigen neuen Investitionen nicht Schritt halten konnten. Die Auswirkungen auf das Wachstum der Unternehmen liegen auf der Hand. Mehrere internationale Vergleiche zeigen, dass vor allem in der letzten Dekade kapitalmarktintegrierte Volkswirtschaften eine erheblich höhere Dynamik und Wachstumsraten verzeichneten als kreditorientierte, wie zum Beispiel die in Deutschland und Japan.

Die Umsetzung von Basel II verstärkt diesen Prozess, weil Mittelstandskredite bei ungesicherten Darlehen beziehungsweise bei Kreditnehmern mit schwächerem Rating stärker mit Eigenkapital zu unterlegen sind. Das verteuert Mittelstandskredite deutlich.

Neue Finanzierungsformen

Ein Ausweg aus dieser "Kreditklemme" liegt in den alternativen Finanzierungsformen. Insbesondere die Verbriefung von Handelsforderungen und von Genussrechten (Mezzanine-Kapital) weist eindeutige Vorteile für mittelständische Unternehmen auf. Den Unternehmen fließt hierbei direkt Liquidität zu, ohne dass unternehmerische Entscheidungsspielräume eingeschränkt werden. Die Heranführung des Mittelstandes an diese neuen Finanzierungsformen ist eine der größten Herausforderungen in den kommenden Jahren. Vor allem die Finanzindustrie muss zusehen, dass sie sich mit mehr innovativem Schwung den neuen Finanzierungsinstrumenten widmet.

Mit der Gründung der True-Sale-International GmbH, der zentralen deutschen Verbriefungsplattform, haben Privatbanken, Landesbanken beziehungsweise Sparkassen, die DZ Bank sowie die KfW-Bankengruppe eine Basis geschaffen, um alternative Finanzierungsformen, zum Beispiel über den Verbriefungsmarkt, in Deutschland zu etablieren. In vielen anderen Ländern eröffnet der Verbriefungsmarkt Unternehmen bereits den direkten Zugang zum Kapitalmarkt. Diese einheitliche Plattform ist ein erster und wichtiger Grundpfeiler für einen erfolgreich florierenden Verbriefungsmarkt in Deutschland. Der zweite Baustein sind die notwendigen steuerlichen Rahmenbedingungen, die es erst ermöglichen, diese Plattform auch erfolgreich zu betreiben und zu nutzen. Die steuerlichen Rahmenbedingungen wurden in jüngster Vergangenheit bereits teilweise verbessert: So wurde mit dem Kleinunternehmerförderungsgesetz 2003 das einstige Bankenprivileg (§ 19 Abs. 1 GewStDV), das eine Abstandnahme bezüglich der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen im Sinne des § 8 Nr. 1 GewStG vorsieht, auf Zweckgesellschaften ausgeweitet, die Kredite oder Kreditrisiken aus Bankgeschäften erwerben. Hessen hatte sich bereits damals für eine Ausdehnung der Befreiung auf verbriefte Handelsforderungen eingesetzt, konnte sich jedoch (noch) nicht durchsetzen.

Durch die gesetzlichen Änderungen im Rahmen des Kleinunternehmerförderungsgesetzes 2003 sind nun zumindest Verbriefungen von Kreditforderungen möglich, so dass Bankbilanzen von Kreditrisiken entlastet werden können. Dementsprechend stehen über die zufließende Liquidität auch wieder vermehrt Mittel für neue Kredite zur Verfügung.

Bundesratsinitiative und Koalitionsvertrag

Hessische Bundesratsinitiative: Hessen hat im Frühjahr 2005 einen neuerlichen Vorstoß unternommen und eine Bundesratsinitiative zur Förderung des Verbriefungsmarktes auf den Weg gebracht. Diese sieht bei der Verbriefung sämtlich erworbener Kreditforderungen, das heißt auch bei der Verbriefung von Handelsforderungen, eine Abstandnahme der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen für Zweckgesellschaften vor. Der Bundesrat hat hierzu noch keine endgültige Entscheidung getroffen.

Koalitionsvertrag: Auf Intervention des Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch ist in die Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD die Förderung des Verbriefungsmarktes aufgenommen worden.

Die Arbeitsgruppe Finanzplatz des Hessischen Kabinetts (Finanzplatzkabinett) hat im Sommer 2006 nochmals auf die Bedeutung und die Notwendigkeit der steuerrechtlichen Änderung im Bereich des Verbriefungsmarktes und insbesondere auch auf die Verbriefung von Mezzanine-Kapital hingewiesen.

Kapitalertragssteuer und Umsatzsteuer

Neben der gewerbesteuerlichen Problematik besteht weiterhin Regelungsbedarf im Bereich der Kapitalertragssteuer und der Umsatzsteuer. So gibt es beispielsweise beim Abzug der Kapitalertragssteuer Benachteiligungen für inländische Zweckgesellschaften, die Mezzanine-Kapital verbriefen. Die Zinszahlungen an die Zweckgesellschaften werden nämlich über das Jahr hinweg um die Kapitalertragssteuer gemindert. Diese kann dann erst bei der jährlichen Steuerfestsetzung angerechnet werden. Wegen der niedrigen Kapitaldecke der Zweckgesellschaften kann es so zu finanziellen Engpässen kommen. Anders sieht das bei ausländischen Verbriefungsvehikeln aus, die als Kapitalgesellschaft firmieren und sich die Kapitalertragssteuer zeitnah erstatten lassen können.

Auch bei der Umsatzsteuer gibt es noch Diskussionsbedarf. Zweckgesellschaften übertragen in der Regel eine Reihe von Leistungen an Dritte (Outsourcing). Diese Unternehmer erbringen an deutsche Zweckgesellschaften umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistungen. Andere europäische Länder haben jedoch die Steuerbefreiung der 6. EG-Richtlinie in Art. 13 Teil B Bst. d Nr. 6 in der nationalen Gesetzgebung so ausgestaltet, dass auch die Verwaltung von verbriefenden Zweckgesellschaften unter die Befreiung fällt.

Aufgaben des Bundes

Die Große Koalition hat die Aufgabe, die steuerlichen Bedingungen für den Verbriefungsmarkt direkt im Anschluss an die Beschlüsse zur Unternehmenssteuerreform fortzuentwickeln. Im Fokus steht dabei zweifelsfrei die Gewerbesteuer, damit Verbriefungen von Handelsforderungen und Genussrechten (Mezzanine-Kapital), aber auch von PPP-Projekten und Leasingforderungen aus dem Inland heraus (das heißt über inländische Zweckgesellschaften) nicht länger behindert werden. Nur so lässt sich das große Potenzial, das der Verbriefungsmarkt vor allem für den Bereich der Mittelstandsfinanzierung bietet, nutzen.

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