Aufsätze

Rahmenbedingungen für Verbriefungen in Deutschland aus Sicht der Politik

Der Verbriefungsmarkt hat sich in Deutschland zu einer bedeutenden Quelle der Unternehmensfinanzierung entwickelt. Das verbriefte Kreditvolumen in Deutschland betrug im Jahr 2006 zirka 55 bis 60 Milliarden Euro.1) Im Gegensatz zum Vorjahr bedeutete dieses einen Anstieg von über 60 Prozent (2005 waren es noch zirka 35 Milliarden Euro).

Auffällig ist hierbei vor allem der große Anteil an verbrieften Mittelstandsrisiken. So betrug deren Anteil am deutschen Gesamtmarkt in 2006 nunmehr zirka 18 Prozent. Dies liegt deutlich über dem europäischen Durchschnitt von sieben Prozent.

Finanzierung über Bankkredite und deren Verbriefung

Trotz dieses Aufschwunges des Verbriefungsmarktes steht bei deutschen - vor allem mittelständischen - Unternehmen die Finanzierung über eine Bank immer noch im Vordergrund. Die Dominanz der eher traditionellen Finanzierung über Bankkredite bedeutet jedoch keinen Widerspruch zum Verbriefungsmarkt - im Gegenteil. Viele Banken nutzen bereits heute schon letzteren, um ihr traditionelles Kreditgeschäft am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Dieses erfolgt vor allem über Asset Backed Securities (ABS).

Vorteilhaft ist hierbei, dass sich durch solch eine Verbriefungstransaktion nicht die Beziehung der Bank zum Kreditkunden ändern muss, weil das Servicing der entsprechenden Kredite bei der verbriefenden Bank (dem Originator) verbleiben kann. Die wesentlichen Gründe für das Wachstum in diesem Segment des Verbriefungsmarktes sind allerdings andere. So haben sich in der Vergangenheit vor allem die Geschäftsmodelle der Banken geändert. Gestiegene Aktionärsansprüche an die Eigenkapitalverzinsung von Banken, höhere Anlegeransprüche an die Verzinsung von Spareinlagen und nicht zuletzt die ständig wachsenden Anforderungen des Gesetzgebers an das Risikomanagement von Kreditportfolios machen die Ausplatzierung von Krediten und Kreditrisiken für die Bankenwelt vorteilhaft. Der Verbriefungsmarkt bietet den Banken in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, Risiko auf den Kapitalmarkt zu transferieren. Durch diese Übertragung muss für den jeweiligen Kredit weniger Eigenkapital vorgehalten werden. Dies ermöglicht noch weitere Kreditarrangements und steigert wesentlich die Eigenkapitalrentabilität der Bank.

Direkte Verbriefung von Unternehmensrisiken

Allerdings spielt der Kapitalmarkt bei der Unternehmensfinanzierung noch nicht solch eine gewichtige Rolle wie in anderen - vor allem angelsächsischen - Industrieländern. Insbesondere die direkte Verbriefung von Unternehmensrisiken - also ohne Zwischenschaltung einer Bank - befindet sich in Deutschland noch in der Entwicklungsphase. Derartige Verbriefungstransaktionen sind zwar zuweilen relativ komplex, bestechen jedoch durch ihre Vorteile für den Kapitalsuchenden.

Hierbei sind vor allem die Verbriefungen von Handelsforderungen und Mezzanine-Kapital zu nennen. Bei beiden Formen der Verbriefung wird den Unternehmen zu kapitalmarktnahen Konditionen Liquidität für Investitionen und mehr Wachstum zur Verfügung gestellt.

Während hierzu bei der Verbriefung von Handelsforderungen bestehende Aktiva des kapitalbedürftigen Unternehmens verbrieft werden (Schuldner der verbrieften Forderungen also Dritte sind), wird bei der Verbriefung von Mezzanine-Kapital den Unternehmen das Kapital gegen Einräumung von Genussrechten beziehungsweise über nachrangige Darlehen zur Verfügung gestellt. Hierbei zeichnet sich das Mezza-nine-Kapital insbesondere durch seine Stellung zwischen Eigen- und Fremdkapital aus. Da mit Mezzanine-Kapital die Eigenkapitalquote verbessert, jedoch den Kapitalgebern in der Regel kein Mitspracherecht eingeräumt wird, ist es vor allem auch für mittelständische Unternehmen interessant.

Maßnahmen zur Förderung des Verbriefungsmarktes

Verbriefungen starteten in den angelsächsischen Ländern. Hier ist das Geschäftsmodell seit den achtziger Jahren Bestandteil der Geschäftsstrategie der Großbanken. Erst Ende der neunziger Jahre etablierte es sich auch in den anderen europäischen Ländern.

Nachdem bereits zum Ende des letzten Jahrhunderts die ersten europäischen Staaten ihren Verbriefungsmarkt mit diversen Maßnahmen förderten und zum Beispiel Italien 1999 sogar mit einem eigens geschaffenen Verbriefungsgesetz aufwartete, wurde auch in Deutschland der Ruf nach besseren Verbriefungsstrukturen - insbesondere solchen gesetzlicher Art - immer lauter. Die Politik reagierte mit einer Folge von Einzelmaßnahmen, die trotz ihrer Bedeutung für den Finanzstandort Deutschland nicht überall auf Verständnis stießen.

So wurde beispielsweise 2002 im Rahmen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes klargestellt, dass Unternehmen, die Forderungen an Verbriefungszweckgesellschaften verkaufen, für die verbleibende Forderungsverwaltung der übertragenen Forderungen keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz (RBerG) benötigen, was insbesondere den True-Sale-Verbriefungen zugute kam.

Durch eine Mitte 2005 beschlossene Änderung des Kreditwesengesetzes (KWG) wurde das Refinanzierungsregister eingeführt, welches insbesondere für die Verbriefung von grundschuldbesicherten Darlehen von hoher Bedeutung ist, da hierdurch eine insolvenzfeste Treuhand des Forderungsverkäufers begründet wird, ohne dass dazu eine Übertragung der jeweiligen Forderung beziehungsweise Grundschuld erforderlich ist (siehe dazu Beitrag Fleckner/Frese -Red.)

Weichenstellung im Steuerrecht

Erst vor Kurzem (Mai 2007) wurde mit einer Novelle des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) die aufsichtsrechtliche Grundlage für die Versicherungsverbriefungen geschaffen. Eine Versicherung kann nunmehr mit einer Verbriefungszweckgesellschaft einen Rückversicherungsvertrag eingehen und somit über dieses Vehikel einen eigenkapitalentlastenden Risikotransfer vollziehen.

Auch im Steuerrecht wurden einige Weichen gestellt, um vor allem die Gründung inländischer Verbriefungszweckgesellschaften attraktiver zu machen. So wurde zum Beispiel mit dem zum 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Kleinunternehmerförderungsgesetz 2003 das einstige Bankenprivileg (§ 19 Abs. 1 GewStDV), welches eine Abstandnahme von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen i. S.d. § 8 Nr. 1 GewStG vorsieht, auf Verbriefungszweckgesellschaften ausgeweitet, die Kredite oder Kreditrisiken aus Bankgeschäften erwerben. Hessen hatte sich damals vergeblich für eine Ausdehnung der Befreiung auf verbriefte Handelsforderungen eingesetzt.

Bestärkt durch diverse Gutachten2), in denen insbesondere dargestellt wurde, dass eine gewerbesteuerliche Befreiung der Verbriefung von Unternehmensforderungen keinen Verzicht auf Steuereinnahmen zur Folge habe, wurde im Frühjahr 2005 von Seiten Hessens mit einer Bundesratsinitiative ein erneuter Versuch unternommen, den Verbriefungsmarkt zu stärken. Diese Gesetzesinitiative sieht vor, bei der Verbriefung sämtlicher erworbener Kreditforderungen (insbesondere Handelsforderungen) eine Abstandnahme von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen für Verbriefungszweckgesellschaften zu schaffen. Eine endgültige Entscheidung hinsichtlich dieses Gesetzesvorhabens steht allerdings auf Bundesratsebene immer noch aus.

Das führt auch dazu, dass die oben genannte VAG-Novelle vom Mai 2007 - die Versicherungsverbriefungen aufsichtrechtlich ermöglicht - steuerrechtlich bisher keine Fortsetzung findet, sodass auch diese Transaktionen nicht über inländische Verbriefungszweckgesellschaften abgewickelt werden können.

In Bezug auf die Umsatzsteuer konnten, zur Erleichterung der Branche, durch mehrere Schreiben des Bundesfinanzministeriums Unsicherheiten hinsichtlich der Tätigkeiten der Verbriefungszweckgesellschaften beseitigt werden. Hinsichtlich der derzeitigen umsatzsteuerlichen Unsicherheiten, die auch bei Verbriefungstransaktionen - durch das Outsourcing von Leistungen entstehen können, sei an dieser Stelle erwähnt, dass die EU-Kommission noch für dieses Jahr einen Vorschlag für eine Finanz- und Versicherungsdienstleistungsrichtlinie plant. Darin sollen Definitionen klarer gefasst und in einer Anwendungsverordnung verbindliche Regelbeispiele für steuerpflichtige und steuerbefreite Dienstleistungen aufgenommen werden. Hierdurch könnten Unsicherheiten beseitigt und EU-weit einheitliche Kriterien angewandt werden. Wettbewerbsnachteile alleine durch die Umsatzsteuer würden vermieden.

Unternehmenssteuerreform 2008: Status quo erhalten

Im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 war man seitens des Gesetzgebers, insbesondere bei der Einführung der Zinsschranke, sehr darauf bedacht, die Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Verbriefungszweckgesellschaften zu erhalten. Bei der Zinsschranke hat man da-her Verbriefungszweckgesellschaften ausgenommen, die "allein aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Nutzen- und Risikoverteilung" in einen Konzernabschluss mit einzubeziehen sind und dieses in der Gesetzesbegründung deutlich herausgestellt.

Dies war erforderlich, weil bei den gängigsten Verbriefungstransaktionen das Risiko besteht, dass die jeweilige Zweckgesellschaft nach IFRS mit dem Originator zu konsolidieren ist. Die Konsolidierung hätte wiederum bedeutet, dass auf derartige Verbriefungszweckgesellschaften - als Betriebe, die zu einem Konzern gehören - die Zinsschranke anwendbar gewesen wäre. Das hätte zweifellos den inländischen Verbriefungsmarkt stark beeinträchtigt. Mit der Herausnahme der Verbriefungszweckgesellschaften aus der Zinsschranke wird lediglich der Status quo aufrechterhalten.

Mit einer Förderung des Verbriefungsmarktes darf man diese Maßnahme daher nicht gleichsetzen.

Die Bundesregierung sollte deshalb jetzt, da die Unternehmenssteuerreform 2008 im Gesetz fest verankert ist, ihre Ankündigung im Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 wahr machen und den Verbriefungsmarkt gezielt ausbauen. Die in Deutschland bestehenden Defizite bei der direkten Verbriefung von Unternehmensrisiken gegenüber anderen Industrieländern lassen sich nur dann wirksam abbauen, wenn wir die steuerlichen Hemmnisse in Deutschland endlich beseitigen.

Hierzu gehört in erster Linie die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen bei deutschen Verbriefungszweckgesellschaften, die jede direkte Verbriefung ohne Zwischenschaltung eines Kreditinstituts unrentabel macht. Das Land Hessen wird sich jedenfalls weiter nachdrücklich dafür einsetzen, dass diese Barriere schnellstens beseitigt wird.

Inländische Verbriefungszweckgesellschaften

Bei der Förderung des Verbriefungsmarktes ist es für den Finanzstandort Deutschland äußerst wichtig, dass jede Art von Verbriefungstransaktion ohne Wettbewerbsnachteile auch über deutsche Zweckgesellschaften bereitgestellt werden kann.

Hierbei stehen nicht einmal die zu erwartenden Steuereinnahmen auf die Gewinne inländischer Verbriefungszweckgesellschaften im Vordergrund (welche sich grundsätzlich im überschaubaren Rahmen bewegen). Vielmehr geht es um die Folgewirkung, die eine Konzentration dieses Geschäfts im Inland mit sich bringen würde, wie zum Beispiel der Schaffung von hoch qualifizierten Arbeitsplätzen. Auch sind inländische Zweckgesellschaften ein Garant für die Akzeptanz derartiger Verbriefungstransaktionen. Gerade inländische Mittelständler stehen einer Verbriefung über eine ausländische Zweckgesellschaft zumeist eher skeptisch gegenüber.

Separates Verbriefungsgesetz in Betracht ziehen

Eine wesentliche Rolle spielt hierbei die True Sale International GmbH, die aus der im Jahre 2003 von 13 Banken ins Leben gerufenen True Sale Initiative hervorgegangen ist. Ihre Aufgabe ist es unter anderem die Entwicklung des deutschen Verbriefungsmarktes voranzutreiben, weshalb sie im Dialog mit Verwaltung und Politik steht. Wir können es uns als Finanzstandort nicht erlauben, dass eine Vielzahl an Verbriefungstransaktionen trotz deutschem Bezug noch immer über das Ausland abgewickelt werden muss.

Aufgrund der hinsichtlich vieler Arten der Verbriefung immer noch bestehenden Unsicherheiten über die steuerrechtliche und rechtliche Beurteilung der entsprechenden Zweckgesellschaften muss man sich auch darüber Gedanken machen, ob nicht sogar ein separates Verbriefungsgesetz in Betracht gezogen werden sollte. Schließlich haben die europäischen Nachbarn, wie Italien und Frankreich, auch mit solchen speziellen Verbriefungsgesetzen bereits Erfolge erzielen können.

Das Land Hessen sieht in dem Verbriefungsmarkt eine Möglichkeit, den deutschen Mittelstand zu fördern und wird sich nach wie vor dafür einsetzen, dass der Gesetzgeber bessere Rahmenbedingungen für Verbriefungen im Inland schafft.

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