Aufsätze

"Es ist unerheblich, ob die Hemmnisse durch ein Verbriefungsgesetz oder durch Einzelgesetze beseitigt werden"

Der Finanzplatz Deutschland ist gut aufgestellt. Dies ist in erster Linie das Verdienst der Finanzmarktakteure. Etwa eineinhalb Millionen gut ausgebildete Beschäftigte erwirtschaften rund fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die deutsche Börse, das Herzstück des Finanzplatzes, liegt mit einem Aktienumsatz von fast 1,6 Billionen US-Dollar weltweit auf Platz sieben. Bei Einlagen, Krediten und Anleihen ist Deutschland der größte Markt des Kontinents. Der deutsche Zahlungsverkehrsmarkt arbeitet außerordentlich effizient und gehört damit zu den modernsten der Welt. Allein in Frankfurt sind mehr als 100 der Top-500 Kreditinstitute weltweit und mehr als 350 Versicherungsunternehmen angesiedelt.

Solide Ausgangsbasis

Aber auch die Politik hat mit mehreren Finanzmarktgesetzen in den vergangenen Jahren eine solide Ausgangsbasis geschaffen. Sie zeigt sich zunehmend offen für eine stetige Anpassung an die veränderten Wettbewerbsbedingungen und die zügige Etablierung neuer Finanzmarktprodukte. Die Einführung von Hedgefonds und REITs sowie die Verbesserung der Voraussetzungen für Investmentfonds seien hier nur exemplarisch aus der jüngeren Vergangenheit erwähnt. Die Beispiele zeigen, dass sich der Finanzplatz Deutschland einen bedeutenden Platz im internationalen Wettbewerb erarbeitet hat.

Hier dürfen wir jedoch nicht stehen bleiben. Der Wettbewerb zwischen alteingesessenen und neu aufstrebenden Finanzplätzen mit guten Startbedingungen geht weiter. Um in diesem Wettbewerb zu bestehen und sich zu verbessern, sollten wir uns zunächst einmal nicht scheuen, die vielen Vorteile des Finanzplatzes noch stärker und koordinierter zur Geltung zu bringen. Darüber hinaus müssen wir aber auch Entwicklungen am Markt genau beobachten, zügig und vorausschauend arbeiten, konsequent unsere Stärken ausbauen und gegenüber neuen Produkten noch mehr Offenheit zeigen.

Besonnenes Handeln

In diesem Sinne kann der Verbriefungsmarkt einen weitaus größeren Beitrag zur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland leisten als bisher. Die IFD geht davon aus, dass der deutsche Markt für Mittelstands- und KMU-Verbriefungen noch erhebliche Wachstumspotenziale birgt. Wenn diese gehoben würden, würde dies den Zugang kleinerer und mittlerer Unternehmen zu externen Finanzierungsmitteln deutlich erhöhen. Ein weiterer Ausbau des Verbriefungsmarktes - wie im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vereinbart, muss daher das Ziel der Politik sein.

Diese Forderung mag auf den ersten Blick angesichts der sogenannten Subprime- Krise und der Diskussion über den zunehmenden Kredithandel unpassend erscheinen. Die steigenden Ausfallraten auf dem amerikanischen Markt für bonitätsschwache Immobilienkredite - der Sub-prime-Markt - haben gerade den Verbriefungsmarkt nicht nur zum Erliegen gebracht, sondern ihn auch noch in ein schlechtes Licht gerückt. Die Störungen der betroffenen Finanzmarktsektoren, insbesondere des Verbriefungsmarktes, sollten jedoch kein Anlass zum "Nichtstun" sein, sondern besonnenes Handeln auslösen.

Aller Voraussicht nach werden die ohne Zweifel schweren Störungen des Finanzmarktes überwunden werden können. Das Wirtschaftswachstum bleibt intakt, der Finanzmarkt hat ausreichende Reserven, und die Notenbanken haben dem Geldmarkt die notwendige Liquidität bereitgestellt. Wichtig bleibt in dieser Situation die Wiederherstellung des Vertrauens. Überzogene Reaktionen auf die Finanzmarktstörungen oder die Pflege von Vorurteilen gegen komplexe Produkte sind daher fehl am Platz.

Schon seit einiger Zeit machen die Übertragung und Verwertung von Kreditportfolios in großem Stil Schlagzeilen. Während dieses Geschäft in anderen Staaten bereits gang und gäbe ist, wurden in Deutschland Transaktionen dieser Art erstmals in 2003 getätigt. Dabei wird besonders die sich an eine Übertragung anschließende Verwertung durch bestimmte Erwerber kritisiert. Diese verfolgten nämlich das Ziel, die Forderungen möglichst schnell und zu einem hohen Wert zu realisieren. Im Fall notleidender Kredite ist diese Praxis nicht unbedingt vorwerfbar, da hier ohnehin die Vollstreckung bevorsteht.

Anders ist die Situation bei nicht notleidenden Krediten. Hier gibt es an sich keinen Grund für eine schnelle Verwertung. Hier muss sicherlich der Verbraucher angemessen geschützt werden - ein Grund für eine Einschränkung der Übertragung von Forderung und damit eine Schwächung des Verbriefungsmarktes sehe ich aufgrund der zutage getretenen Praxis nicht.

Bei genauer Betrachtung ist der Ausbau des Verbriefungsmarktes eine gute Investition in die deutsche Volkswirtschaft. Insbesondere für mittelständische Unternehmen bietet die Verbriefung eine Reihe von Vorteilen. Es erfolgt eine Liquiditätsverbesserung für das Unternehmen, da das Unternehmen unmittelbar nach dem Verkaufsangebot den Kaufpreis für die Forderungen erhält.

Eine gute Investition

Der Verkauf der Forderungen führt zu einer Reduzierung der Verschuldung und damit zu einer Verbesserung der Bilanzrelation. Die Finanzierungskosten sind unter Berücksichtigung kalkulatorischer Eigenkapitalkosten im Vergleich zu anderen Finanzierungsarten eher niedrig. Zudem wird durch Nutzung des Kapitalmarkts die Abhängigkeit von Bankkrediten reduziert. Diese Form der alternativen Finanzierung kann Finanzierungsengpässe vermeiden und Insolvenzgefahren verringern. Dies verspricht mehr Wachstum und den Erhalt von Arbeitsplätzen.

Für Banken besteht der Vorteil der Verbriefung darin, so der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten 2007/08, dass eine breite Streuung von Risiken ermöglicht werde. Sie können durch die Handelbarkeit und synthetische Zusammensetzung von Kreditportfolios ihr eigenes Kreditgeschäft effektiver steuern und sich flexibler an veränderte Marktbedingungen anpassen. Zudem können Banken durch die Reduktion des Kreditportfolios Eigenkapital, das sie für bestehende Kredite aufgrund von Regulierungsvorschriften bereithalten müssen, einer anderen Verwendung zuführen.

Auch für andere Finanzmarktakteure wie Versicherungen, Pensionsfonds oder Hedgefonds sieht der Sachverständigenrat mit Blick auf die Flexibilisierung des Kreditrisikos Vorteile. Damit trage die Verbriefung nach Auffassung des Sachverständigenrates zur Robustheit des Finanzsystems und der Vervollkommnung der Kapitalmärkte bei.

Ausbau des Verbriefungsmarktes fortsetzen

Alle Beteiligten müssen sich daher aus der gegenwärtigen Starre lösen und den Ausbau des Verbriefungsmarktes fortsetzen. Die Finanzmarktakteure sind aufgerufen, durch mehr Transparenz das Vertrauen in den Markt wieder herzustellen. Die Politik muss die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessern, damit das Potenzial des Verbriefungsmarktes ausgeschöpft werden kann.

Einiges wurde schon getan: So ist eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz für die Forderungsverwaltung der übertragenen Forderungen nicht mehr erforderlich. Mit dem Kleinunternehmerfördergesetz wurde im Jahr 2003 die Ausnahme von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen auf Verbriefungszweckgesellschaften ausgedehnt, die Kredite oder Kreditrisiken aus Bankgeschäften erwerben. Ende 2005 wurde die insolvenzfeste Treuhand für grundschuldbesicherte Darlehen eingeführt. 2006 wurde die Refinanzierungsregisterverordnung veröffentlicht, mit der die seit dem 19. September 2005 gültigen KWG-Regelungen präzisiert wurden.

2007 ist die VAG-Novelle verabschiedet worden, mit der erstmals auch die aufsichtsrechtlichen Fragen der Verbriefung von Versicherungsrisiken geregelt wird. Von der mit Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 eingeführten Zinsschranke bleibt die Verbriefungszweckgesellschaft ausgenommen.

Dieser Weg muss zügig weitergegangen werden. So muss insbesondere das Hemmnis, das aus den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschriften resultiert, weiter abgebaut werden. Während der Arbeiten an der Unternehmenssteuerreform 2008 war eine Lösung schon zum Greifen nahe. Es wurde ernsthaft diskutiert, die Gewerbesteuer durch eine adäquate Kommunalfinanzierung zu ersetzen, deren Bemessungsgrundlage sich unter Wegfall der Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften nach der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage richtet. Dies hätte die Problematik umfassend gelöst. Leider haben sich für diesen Ansatz keine Mehrheiten gefunden, sodass bis zu einer endgültigen Reform der Gewerbesteuer weiterhin um eine möglichst umfassende Ausdehnung des sogenannten gewerbesteuerlichen Bankenprivilegs auf Verbriefungszweckgesellschaften gerungen werden muss.

Verbriefungsgesetz oder Einzelgesetze?

Aber auch neue Felder der Verbriefung dürfen nicht unerschlossen bleiben. So bietet der Verbriefungsmarkt Chancen für PPP-Gesellschaften, für Leasinggesellschaften und für Versicherungsunternehmen. Geprüft werden sollte auch, ob und inwieweit die Verbriefung von Forderungen der öffentlichen Hand sinnvoll ist. Hierbei gäbe es eine Reihe von Hindernissen im Haushalts-, Steuer-, Datenschutz- und Vergaberecht zu beseitigen.

Ich freue mich daher über die erneute Ankündigung meines Kollegen Ludwig Stiegler, MdB, der auf dem TSI-Kongress am 20./21. September 2007 seine Bereitschaft erklärt hat, im Interesse der nachhaltigen Stärkung des deutschen Verbriefungsmarktes über ein deutsches Verbriefungsgesetz zu sprechen. Dabei ist unerheblich, ob die Hemmnisse durch ein Verbriefungsgesetz oder durch Einzelgesetze beseitigt werden - Hauptsache sie werden endlich beseitigt, damit das Marktwachstum nicht zum Nachteil der deutschen Volkswirtschaft im Ausland stattfindet.

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