Aufsätze

Frage an ... Stefan Wahle - Bargeldhandling morgen – was kann die Technik leisten?

Um die Antwort auf die Frage gleich vorweg zu nehmen: Technologien für das Bargeldhandling von morgen sind heute schon verfügbar, und moderne Lösungskonzepte liefern nicht allein Kostenvorteile. Einsparungen von 20 Prozent und mehr sind durchaus möglich. Aspekte wie die Verbesserung der Sicherheit, mehr Transparenz und Prozesseffizienz verleihen dem Thema zusätzlich Relevanz. Bundesbank: zukunftsfähige Geschäftsmodelle entwickeln Der Umlauf von Bargeldnoten steigt seit Einführung des Euros beständig, Jahr für Jahr um acht Prozent. Und trotz zunehmender Kartenzahlungen bleibt die Barzahlung das weitaus beliebteste Zahlungsmittel. Rund 80 Prozent aller Zahlungstransaktionen in Deutschland werden weiterhin bar abgewickelt. Bundesweit fallen dafür allein elf Milliarden Euro an Kosten an. Das entspricht 3,9 Milliarden Euro bei Retailbanken, vor allem durch Personalaufwand in den Filialen und gewaltigen 7,4 Milliarden Euro im Einzelhandel. Die Zahlen machen deutlich, welches Einsparpotenzial in einer Neuordnung des Geldkreislaufs steckt. Kein Wunder, dass sich seit einigen Jahren etwas tut auf dem Markt der Bargeldlogistik. Denn die Bearbeitung der Geldströme ist durch viele Schnittstellen, Doppelarbeiten und kostenintensive Zwischenschritte geprägt. Auslöser für den grundlegenden Wandel war nicht erst die Ankündigung der Bundesbank, sich schrittweise aus der Bargeldversorgung zurückzuziehen und auf den Spitzenausgleich zu beschränken. Mittlerweile ermuntern Vertreter der Bundesbank alle am Geldkreislauf Beteiligten, zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln. Tief greifende Auswirkungen auf die Zukunft des Bargeldkreislaufs hat weiterhin das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG). Es soll sicherstellen, dass erforderliche Qualitäts- und Sicherheitsstandards eingehalten werden, indem private Bargeldakteure nur noch mit einer Lizenz als Zahlungsinstitut über den reinen Geldtransport hinaus aktiv werden dürfen. Innovationsdruck kommt darüber hinaus von den Banken. Sie suchen permanent nach Mitteln und Wegen, wie sie ihre Bargeldabwicklung möglichst effizient aufstellen können. Schließlich ist das Einsparpotenzial in dem Segment seit Langem ein Thema, bislang aber nur punktuell angegangen worden. Zwar ist es den Banken über die Selbstbedienungstechnik gelungen, den Automatisierungsgrad von Auszahlungen auf bis zu 95 Prozent zu steigern. Die verbleibenden Prozesse wie zum Beispiel Einzahlungen produzieren allerdings umso höhere Kosten. Vor diesem Hintergrund sind neue Denkmodelle gefragt, um erstens das manuelle Bargeldhandling auf ein Minimum zu reduzieren. Zweitens soll durch Optimierung der Bargeldflüsse das umlaufende Bargeldvolumen verringert werden, und drittens soll der Administrationsaufwand für die Steuerung und Überwachung der Transportkette von der Filiale über den Werttransporteur (WTU) zur Zentralbank gesenkt werden. Als Schlüsseltechnologien erweisen sich einerseits in der Praxis bewährte Cash-Recycling-Systeme, die eingezahltes Bargeld wieder für eine Auszahlung bereitstellen und so die schnellstmögliche Abkürzung im Bargeldkreislauf herstellen, und andererseits einheitliche und intelligente Notenspeicher-Konzepte. Sie sind Voraussetzung dafür, dass zum Beispiel am Bankschalter eingezahlte Banknoten ohne Zwischenbearbeitung durch einen Geldautomaten ausgezahlt werden können. Eine umfassende Lösung für die intelligente Steuerung von Bargeldprozessen vom Handling bis zur Logistik muss Hardware, Software und Serviceleistungen beinhalten. Wincor Nixdorf hat mit seinen Cash Cycle Management Solutions ein solches Konzept vorgestellt. Dabei erweist es sich als sinnvoll, den Handel in den Bargeldverkehr aktiv mit einzubeziehen, weil sich die Prozesse von Banken und Handel nicht nur ergänzen, sondern auch weitestgehend unter einem Dach automatisieren lassen. Die Hürden dafür sind gering. Analog zum Bankprozess lässt sich auch im Handel ein geschlossener Bargeldkreislauf zwischen Kassenzone und Kassenbüro herstellen. Und nicht zuletzt können Notenspeicher aus automatischen Kassensystemen im Handel in nahegelegene Geldauszahler einer Bank eingebracht werden - ohne Umweg über ein Cash-Center. Kooperation von Handel und Banken Eine Blaupause für weitere künftige Szenarien liefern Postbank und Shell Deutschland Oil. Sie sind Wegbereiter für das Modell, SB-Terminals in Tankstellen einzusetzen, die ebenso als Kasse wie als Geldautomat zur Auszahlung dienen. Inzwischen hat Wincor Nixdorf als System-Integrator bereits 1300 Shell-Tankstellen umgerüstet. In den Niederlanden hat Wincor Nixdorf ein weiteres Projekt gestartet, bei dem das branchenübergreifende Bargeldmanagement erprobt wird. Dort testen ein Werttransportunternehmen (WTU), eine Bank und ein Handelsunternehmen die Vernetzung der Bargeldkreisläufe. So kann etwa das im Supermarkt eingenommene Bargeld zur Befüllung eines Geldautomaten genutzt werden, der im Markt selbst, in der nahe gelegenen Fußgängerzone oder vor der nächsten Bankfiliale steht. Eine derartig effiziente Steuerung der Bargeldströme verspricht hohes Rationalisierungspotenzial. Basis für diese intelligente Vernetzung der Geldströme ist die innovative Technologie. Ein Chip, der sich im Notenspeicher befindet, gibt jederzeit Auskunft über die enthaltenen Bargeldbestände, speichert Ort und Zeit von Einsatz und Öffnung und leistet so einen wesentlichen Beitrag zur Verfolgung der Kundengelder über den gesamten Prozess. In der Handelsfiliale werden dem WTU statt der bisherigen Safebags intelligente Kassetten ausgehändigt - deren Bestimmungsort ist nicht wie sonst ein Cash-Center, sondern die Filiale einer Bank. Auf diese Weise können positive und negative Bargeldbestände zwischen Filialen und Branchen direkt ausgeglichen werden. Dieser branchenübergreifende Austausch von Bargeld ist nur ein weiterer logischer Schritt im Rahmen der neu entwickelten Cash-Cycle Management Solutions. Cash-Center-Technologie integriert Die technische Integration der Cash-Center ist ein weiterer Schritt bei der Optimierung der Bargeldprozesse. Wincor Nixdorf kooperiert dazu mit Giesecke & Devrient (G&D). Im Zuge der Zusammenarbeit integriert G&D die neuen, intelligenten Geldkassetten von Wincor Nixdorf in ein Bearbeitungssystem für Cash-Center. Damit müssen dort die Geldkassetten aus Banken oder Handelsunternehmen nicht mehr von Mitarbeitern geöffnet werden; das darin enthaltene Bargeld muss nicht mehr manuell gezählt und umsortiert werden. Eine wesentliche Komponente der umfassenden Cash Cycle Management Solutions ist ein Servicepaket, mit dem Banken und Handelsunternehmen die Bargeldprozesse von der Filiale zur Zentralbank in Eigenregie optimieren können. Es reicht von der Überwachung der Geldbestände in den Automaten und der tagesgenauen Bedarfsprognose über die Steuerung des WTU sowie des Bestellmanagements bis hin zur technischen Gerätekontrolle inklusive Statusmeldung über das Cash-EDI-Verfahren der Deutschen Bundesbank. Damit wird das gesamte Aufgabenspektrum im Rahmen der Bargeldbearbeitung abgedeckt. Niedrigere Kosten, höhere Sicherheit, mehr Transparenz Wie sich eine konsequente Bedarfs- und Befüllsteuerung in Euro und Cent niederschlägt, lässt sich an konkreten Berechnungen aus der Kreditwirtschaft ablesen. Allein durch Reduzierung der Geldbestände in den Automaten erhöht sich die Liquidität eines Instituts deutlich. In der Regel liegen die Einsparungen für die Bank aus dem Bargeldmanagement bei mindestens 20 Prozent. Damit ist das Thema bei Weitem noch nicht ausgereizt, vor allem in Sachen Sicherheit und Transparenz. Durch Aufbewahrung des Bargeldes in intelligenten geschlossenen Systemen werden Manipulationen von vornherein ausgeschlossen und Inventurdifferenzen vermieden. Zugleich sinkt das Überfallrisiko deutlich. Allein 1307 Mal wurden im Jahr 2008 in Europa nach Angaben der European Transport Association Werttransportunternehmen überfallen. 57 Prozent der Angriffe fanden statt, als sich die Mitarbeiter der Werttransportunternehmen auf dem Weg vom Fahrzeug zum Cash- Point befanden, 36 Prozent bei der Befüllung der Automaten. Angriffe wie diese lassen sich auf ein Minimum zurückfahren, wenn intelligente und mit Sicherungsmechanismen versehene Notenspeicher eingesetzt werden. Transparenz wird durch eine lückenlose und zeitechte Verfolgung der Bargeldströme über das Web gewährleistet. Eine permanente Echtzeitüberwachung garantiert, dass alle beteiligten Instanzen jederzeit über Geldbestand und Geldbewegung in der Lieferkette unterrichtet sind. Auf die Informationen können die Institute zugreifen, um sich - ähnlich wie beim Paketdienst - jederzeit über Stand und Standort der Sendungen und ihrer Werte zu informieren, künftig sogar über mobile Endgeräte wie das i-Phone. Diese Daten sind gleichzeitig einsetzbar, um die jeweilige Risikoposition zu ermitteln. Bei den Geldmengen, die Banken in ihren Selbstbedienungs- und Kassensystemen vorhalten, werden sich Investitionen schnell amortisieren und mit einem Zugewinn an Transparenz und Sicherheit einhergehen. Die Ausführungen zeigen: Innovative Konzepte und neue Kooperationsmodelle zwischen allen am Bargeldkreislauf Beteiligten erzeugen Mehrwerte für Unternehmen und Verbraucher. Die heute verfügbare Technik hilft die Kosten signifikant zu senken. Und schließlich sorgt Informations- und Automatisierungstechnologie für mehr Transparenz und Sicherheit in der komplexen Bargeldlogistikkette.

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