Leitartikel

Der fröhliche Dritte

"Wenn zwei sich streiten ...?" So titelte Kreditwesen 2006 in einem Leitartikel und bezog sich dabei auf die anhaltenden Rangeleien der Sparkassen und Privatbanken in Brüssel und die Chancen, die sich daraus für den genossenschaftlichen Bankensektor doch eigentlich ergeben müssten. Heute, sechs Jahre später, kann man feststellen, dass das damals noch vorsichtig gesetzte Fragezeichen gar nicht nötig gewesen wäre. Denn die genossenschaftliche Finanzgruppe in Deutschland hat die Zeit und die sich bietenden Möglichkeiten genutzt. Es kann gefeiert werden: auf der Bankwirtschaftlichen Tagung, auf dem Verbandstag, anlässlich 150 Jahre Genossenschaftsverband in Frankfurt, anlässlich 150 Jahre RWGV, anlässlich 150 Jahre Frankfurter Volksbank, was sogar mit dem Wechsel an der Vorstandsspitze verbunden ist, anlässlich 150 Jahre Münchner Bank, anlässlich ...

Denn die Kreditgenossen stehen zweifelsfrei besser da als manch anderer. Aus ehedem vier deutschen Großbanken wurden zwischen 2006 und heute zwei. Die stolze Münchener Hypovereinsbank wurde von der italienischen Unicredit geschluckt. Die Dresdner Bank ging nach erfolglosen Versuchen der Allfinanz im Hause der Allianz in der Commerzbank auf. Die Postbank ist zur "Consumer Bank" im Deutsche-Bank-Konzern verkommen. Sal. Oppenheim und die BHF landeten ebenfalls in den Armen des deutschen Branchenprimus. Die Landesbanken wechselten in den vergangenen sechs Jahren allesamt mindestens einmal den Vorstandsvorsitzenden aus. Das Schicksal der WestLB ist besiegelt, die LBB wurde für teuer Geld von den Sparkassen direkt übernommen, um sie wenigstens im Verbund zu halten, Bayern-LB und LBBW haben ihre von Brüssel erzwungene Neuausrichtung und Gesundschrumpfung abgeschlossen oder stehen noch im Disput mit den europäischen Wettbewerbshütern. Von 475 Sparkassen per Ende 2005 sind heute noch 426 am Markt.

Im Vergleich zu all dem waren die Kreditgenossen unglaublich stabil: Sie haben immer noch zwei Zentralbanken, leisten sich weiterhin drei Hypothekenbanken und bauen auf zwei Rechenzentren (mal schauen wie lange noch). Lediglich auf Ebene der Primärinstitute ist eine weitere Konsolidierung festzustellen, die Zahl der Banken ist von Ende 2005 bis heute von 1295 auf 1121 Häuser zurückgegangen. Die Bereinigung fand dabei überwiegend auf Ebene der kleinen Volksbanken statt. Gab es 2006 noch 110 Institute mit einer Bilanzsumme unter 50 Millionen Euro sind es heute nur noch 59. Die Zahl der Häuser mit einem Geschäftsvolumen bis 100 Millionen Euro ging von 183 auf 124 zurück, in der nächst höheren Klasse bis 250 Millionen Euro sank die Institutsstärke von 350 auf 291 und selbst bei Häusern mit einer halben Milliarde Euro Geschäftsvolumen nahm die Zahl noch von 300 auf 256 ab.

Diese Stabilität hat zweifelsohne ihr Gutes, und zwar für das Image der Volksbanken und Raiffeisenbanken. Galten sie Anfang des Jahrtausends noch als "altmodisch und kumpelhaft", mit "Geduld und Ehrlichkeit" vor allem für die "ältere Kundschaft" (bank und markt, Heft 9, 2000), so sind sie aufgrund ihrer Entwicklung in den vergangenen Jahren laut Kundenmonitor 2011 mit einem Wert von 2,23 zur zweitbeliebtesten Bankengruppe hinter den Spardabanken (1,89) aufgestiegen. Und das in einer Phase, in der die Kundenzufriedenheit mit Banken insgesamt auf den schlechtesten Wert seit 2004 abgerutscht ist. Die Sparkassen lagen bei 2,36 gleichauf mit der Deutschen Bank, gefolgt von Postbank, Commerzbank, Hypovereinsbank und Targobank mit Werten zwischen 2,45 und 2,56. Folgt man einer Studie der FH Mainz, ist ein stabiles positives Bankenimage gut für das Geschäft, denn die Untersuchung hat ergeben, dass der wirtschaftliche Erfolg dann um bis zu 50 Prozent größer ist. Auch das stimmt mit Blick auf die Marktanteile der Volks- und Raiffeisenbanken, die in den vergangenen Jahren zwar nicht sprunghaft, aber doch spürbar und stetig zugenommen haben.

Bei all der Zufriedenheit und Feierstimmung darf aber nicht vergessen werden, dass der Weg nicht bis zum Horizont frei ist, sondern durchaus noch die ein oder andere Unebenheit zu beseitigen ist. Doch die Betrachtung der Beiträge dieser Ausgabe lässt nicht den Eindruck aufkommen, hier würde sich irgendjemand selbstzufrieden zurücklehnen. Gut so! Denn allein die Bewältigung der vielschichtigen regulatorischen und verbraucherschützenden Bestimmungen fordert den Verbund auf allen Ebenen. Nach Basel IIIwerden alle Banken nicht nur mehr Kapital, sondern auch Kapital von besserer Qualität vorhalten müssen. Die Leverage Ratio wird den Verschuldungsgrad der Institute weiter begrenzen und vor allem Geschäfte mit geringer Marge in Frage stellen. Die neuen Liquiditätsregeln werden die Refinanzierungskosten steigen lassen. Die umfangreichen Informations- und Dokumentationspflichten fordern erhebliche Manpower und sind ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor. Die Anforderungen der Aufsicht an die Banken formulierte die Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger jüngst so: "Ich erwarte nichts anderes als gut organisierte und gut geführte, ertragreiche Institute, die die aufsichtlichen und gesetzlichen Vorschriften jederzeit einhalten."

Kann das jeder leisten? Oder wird sich das Bankgeschäft in der Folge wirklich wesentlich und nachhaltig verändern, wie es Wolfgang Kirsch annimmt? Werden sich Geschäftsmodelle unter dem Druck von Aufsicht und Markt wieder näher dem klassischen Kundengeschäft zuwenden, anstatt im margenreichen Schattenbereich an den Kapitalmärkten zu reüssieren? Wird eine weitere Fusionswelle über die Kreditgenossenschaften und andere kleinere Banken hinwegrollen, die mit der Bewältigung der Anforderungen überfordert sind?

Bleiben neben den regulatorischen Themen verbundinterne Fragestellungen. Natürlich wäre für die Umsetzung beispielsweise einer tragfähigen bundesweiten Internetstrategie die Fusion der Rechenzentren und die Verschmelzung auf ein System wichtige Voraussetzung. Lassen sich Produkt- und Vertriebsstrategien wirklich nur in feiner Einvernehmlichkeit voranbringen, oder kommt (Konzern-)Steuerungsaufgaben größere Bedeutung bei? Der Wettbewerb um Einlagen und bonitätsstarke Kunden wird keinesfalls weniger. Ist das Prinzip "Eine Bank, eine Stimme" wirklich system-, sprich genossenimmanent oder werden sich die großen Volksbanken mit ihrem Vorstoß der Bündelung der eigenen Kräfte durchsetzen? Am Ende ist es doch genau die mitunter anstrengende und langwierige Diskussion um die Dinge, die den genossenschaftlichen Finanzverbund stark macht. Bitte keine Spaltung. Ist ein genossenschaftlicher Regionalverband von der Saar bis an die Ostsee genauso lokal und mitgliedernah wie einer von Rhein bis Ruhr? Kann man sich dauerhaft zwei Zentralbanken leisten? Können sicherlich, aber macht es auch Sinn? Gerade mit Blick auf die Regelung von Minderheitenbeteiligung und die Anforderungen an den inneren Zusammenhalt eines Verbundes könnte man auch zu anderen Schlüssen kommen.

Viele Fragen ... aber jetzt wird erstmal gefeiert! Die Redaktion gratuliert den "fröhlichen Dritten".

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