Aufsätze

Für ein institutionelles Asset Management "Made in Germany"

"Die Fähigkeit zur Innovation entscheidet über unser Schicksal", hat
Roman Herzog in einer Rede am 26. April 1997 einmal gesagt.
Innovationspotenziale auszuschöpfen, hat nicht nur eine überragende
Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit eines Landes, sondern bestimmt
auch ganz entscheidend die Wettbewerbsfähigkeit von Branchen und
Unternehmen. Für wissensbasierte Branchen, wie es die
Investmentbranche eine ist, hängt der Erfolg in einem hohen Maße von
der eigenen Innovationskraft ab. Dies gilt umso mehr, als sich die
Balance zwischen Produkt-Know-how und Produktqualität auf der einen
Seite und fest gefügten Vertriebsnetze auf der anderen Seite
verschiebt. Die Druckverhältnisse ändern sich, weil der Druck von
außen (internationale Konkurrenz) und von innen (institutionelle
Investoren auf der Suche nach Alpha) immer größer wird und der
Wettbewerb immer stärker über die besten Investmentstrategien und die
besten Köpfe geführt wird.
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Vorbild deutscher Mittelstand
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In Deutschland gilt vor allem der deutsche Mittelstand als
Innovationsschmiede par excellence. Und dieser Erfindergeist deutscher
Mittelständler hat sich ausgezahlt in Spitzentechnologie, Wachstum und
oftmals weltweiter Marktführerschaft, ungeachtet dessen, dass auch
dort die "originären Innovationen" in jüngster Zeit etwas zurückgehen.
Wenn der Vorstandssprecher der KfW bei der Vorstellung einer aktuellen
Studie über Innovationen im deutschen Mittelstand daher die
Befürchtung äußerte, "in Deutschland wachse, überspitzt formuliert,
eine Generation von Innovationsverweigerern heran", zu welchem Urteil
käme er dann bei der deutschen Asset-Ma-nagement-Branche? Von
Erfindergeist und Innovationsschmiede kann man dort nicht so ohne
weiteres sprechen. Obwohl die Branche beim wichtigsten
Innovationsfaktor, dem Faktor Mensch, alles andere als schlecht
dasteht. Denn auch hierzulande gibt es viele gut ausgebildete,
motivierte Portfolio-Manager, die unterschiedlichste Investmentansätze
verfolgen vom klassischen Stock Picker über quantitative bis hin zu
modellbasierten Strategien oder beispielsweise
Behavioural-Finance-Ansätze, um nur einige zu nennen.
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In puncto Innovation ist die Position somit unklar: Einerseits
existiert ein beachtliches Know-how, dass man nicht immer durch den
Vergleich mit angelsächsischen Ländern herunterreden sollte.
Andererseits mangelt es an echter Dynamik. Zwar setzt die deutsche
Fondsbranche das meiste Geld mit neuen Produkten um. So flossen allein
in 2005 im Retailmarkt von den rund 42 Milliarden Euro Nettozuflüssen
stolze 25 Milliarden Euro und damit weit mehr als die Hälfte in neue
Produkte. Aber selten handelt es sich dabei um wirklich neue,
innovative Ansätze, sondern eher um "alten Wein in neuen Schläuchen".
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Impulse durch Derivate
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Bislang geben London und New York die Tonart an. Hunderte von
Hedgefonds, darunter der größte börsennotierte Hedgefonds der Welt,
die Man Group, steuern ihr Geschäft mittlerweile von London aus. Die
Hälfte des täglichen Umsatzes an der Londoner Börse geht auf die
Geschäfte mit Hedgefonds zurück. In London finden heute 70 Prozent des
globalen Handels in Euroanleihen statt, 31 Prozent des Umsatzes im
Devisenhandel, und 20 Prozent aller internationalen Bankkredite werden
über London vergeben. Bei den Aktienumsätzen ist die Nyse der
unangefochtene Spitzenreiter. Diese sind, nach dem Volumen gerechnet,
mehr als doppelt so hoch wie an der Londoner Stock Exchange. Kurzum,
in den traditionellen Finanzzentren London und New York werden die
Innovationen geboren, die dann die Märkte antreiben: Seien es neue
Investmentansätze, die in Form von Hedgefonds, der liberalsten
Umsetzungsform, realisiert werden, Portable- Alpha- und
Overlay-Konzepte oder alternative Assetklassen. Einzige Ausnahme
bildet bislang der deutsche Zertifikatemarkt, der in seiner Vielfalt
international führend ist.
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Seit gut zwei Jahren wird zunehmend sichtbar, dass Fonds neben der
Direktanlage um einen weiteren Wettbewerber reicher sind: Zertifikate
beziehungsweise strukturierte Produkte. Innovationsfreude und
Schnelligkeit der Emittenten sind die Hauptgründe für die Popularität
von Zertifikaten. Die unterschiedlichen Auszahlungsprofile von
Garantieprodukten oder riskanteren Hebelprodukten lassen sich aber in
erster Linie durch den Einsatz von Derivaten darstellen, deren
Anlagespektrum beträchtlich ist.
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Kombination von Investmentbanking und Asset Management
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Auch die Fondsbranche hat die Vorteile von Derivatestrategien erkannt
und kann sie dank der erweiterten gesetzlichen Rahmenbedingungen nun
auch in Form strukturierter Produkte einsetzen. Diese neuen
Kombinationsmöglichkeiten aus Investmentbanking und Asset Management
verstärken das Zusammenwachsen bislang getrennter Industrien mit allen
Chancen, die dies für die Entwicklung neuer Investmentkonzepte bietet.
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Doch woran liegt es, dass die Branche sich noch schwer tun, auch im
Asset Management den Erfindergeist zu leben, den der deutsche
Mittelstand so erfolgreich vormacht? Liegt es vielleicht daran, dass
die Branche statt Chancen zu ergreifen, vor allem über Risiken
diskutiert? Liegt es an zu strengen Regularien, an einem
vermeintlichen Mangel an Tradition und Expertenwissen, an mangelnder
Aufgeschlossenheit bei institutionellen Investoren, was neue
Investmentstrategien angeht? Oder liegt es am fehlenden Mut der
Anbieter trotz schwieriger Anfangsphasen innovative Konzepte an den
Markt zu bringen? Man denke an die Hedgefonds-Diskussion.
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Innovation im Asset Management sollte nicht mit der Entdeckung neuer
Anlagemöglichkeiten in aufstrebenden Wachstumsmärkten oder einem
Produktfetischismus verwechselt werden, den man im Retailsektor
beispielsweise bei der Auflegung des x-ten Branchenfonds antrifft. Es
geht um mehr, es geht um Investitionen in hoch spezialisierte
Strategien. Die gibt es aber nur, wenn man zuvor die dahinter
stehenden Experten und Talente gefördert hat und ihnen die Freiräume
gab, auch einmal in neue Richtungen denken zu können.
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Mit der Auflegung der ersten Hedgefonds in Deutschland ist ein Schritt
in die richtige Richtung erstmals seit 2004 möglich. Auch wenn bislang
erst rund 21 inländische Single-Hedgefonds am Markt sind, und zwei
Anbieter sich auch schon wieder vom Markt zurückgezogen haben:
Hedgefonds haben das Potenzial als Prototypen für den permanenten
Strom an Produktinnovationen zu fungieren, weil mit ihnen das
Portfolio Management ganz neue Freiräume gewonnen hat. Denn Hedgefonds
sind eben keine homogene Assetklasse, sondern stehen im Grunde
genommen für nichts anderes, als für eine Vielzahl hoch
spezialisierter Ansätze, die ganz elementare entscheidende
Anlagebedürfnisse auf Seiten institutioneller Investoren decken.
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Ein unsicheres Zinsumfeld, volatile Aktienmärkte und knappes
Risikokapital können die Renditeoptimierung der Anlagegelder zu einem
entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden lassen. Trotzdem findet in
Deutschland nach wie vor immer noch eine enorme Fehlallokation von
Risikokapital statt, bei der teilweise über 90 Prozent der Assets in
Rentenanlagen alloziert sind. Ein Renditeanstieg wie in diesem Jahr
gesehen kann sich dann schon fatal auswirken. Rentenrisiken allein
durch diversifizierende Rentenanlagen zu betreiben, reicht nicht aus.
Investoren nähern sich alternativen Ansätzen häufig von der
Risikoseite.
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Bedarf nach hoch spezialisierten Investmentstrategien wächst
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Diversifizierung dient überwiegend der Begrenzung von Risiken und ist
in erster Linie nicht allein von der Verbesserung des
Upside-Potenzials getrieben. Gesucht werden diversifizierende,
alternative Anlagekonzepte mit asymmetrischen Rendite-Risiko-Profilen,
um wettbewerbsfähige Kapitalmarktrenditen zu erzielen. So wächst die
Aufgeschlossenheit von Anlegern in Richtung einer breiteren
Diversifizierung und tiefere Spezialisierung auf
Gesamtportfo-lio-Ebene. Diversifizierung meint dabei den Einsatz
spezialisierter, gering korrelierender Strategien und die Erschließung
neuer Assetklassen. Vorbild sind ausländische Anleger, allen voran die
großen US-Stiftungen.
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Ob Yale, Harvard oder Stanford, amerikanische Universitäten erzielen
Renditen, von denen hierzulande institutionelle Anleger oft nur
träumen können. Bei den Spitzenergebnissen handelt es sich um keine
Eintagsfliegen, wie David Swensen, der Vermögensverwalter der Yale
University zeigt. Bereits seit Mitte der achtziger Jahre an Bord, hat
er sich einen Namen gemacht, nur einen relativen geringen Anteil in
herkömmlichen Aktien und Bonds zu halten. Stattdessen war der
Löwenanteil des Portfolios in alternativen Assets wie Rohstoffen,
Immobilien, Private Equity und Hedgefonds investiert, was seit 1995
gerechnet eine jährliche Durchschnittsrendite von über 17 Prozent
ergab.
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Rahmenbedingungen in Deutschland so gut wie nie
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Die ständige Suche nach alternativen Anlagestrategien und talentierten
Managern hat sich damit über Jahre hinweg in stabilen und
überdurchschnittlichen Renditen ausgezahlt. Denn allein mit der
Aufteilung des Vermögens auf die traditionelle Assetklassen Renten,
Aktien, Immobilien ist im Gesamtportfolio kaum ein ausgewogenes
Ren-dite-Risiko-Profil im Gesamtportfolio zu erreichen. Ob hierzulande
inländische oder ausländische Assetmanager den Bedarf institutioneller
Anleger decken, hängt davon ab, inwiefern die Branche willens und in
der Lage ist, auf die Nachfrage nach spezialisierten Anlagestrategien
zu reagieren und ihren Talenten die notwendigen Freiräume für
innovative Ansätze einzuräumen.
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Dabei war der äußere Rahmen für Neuerungen in Deutschland noch nie so
günstig wie jetzt: Mit dem Investmentgesetz bieten sich gänzlich neue
Möglichkeiten, um ähnlich wie im Ausland zum Beispiel freier und
flexibler die Chancen von Derivaten auszuschöpfen. Asymmetrische
Rendite-Risiko-Profile lassen sich nunmehr einfacher, kostengünstiger
und wesentlich transparenter realisieren. Und der fast totgesagten
Balanced-Portfolio-Idee wird durch neue Konzepte wie Tactical Asset
Allocation oder Derivatestrukturen zu einer Renaissance verholfen.
Wobei sich das hinzugekommene Modell-Know-how in der Praxis noch
beweisen muss. Trotzdem ist es wichtig, in diese Richtung weiter
fortzuschreiten, weil ein modernes Asset Management heute weit über
das von einigen Investoren favorisierte Duration Matching hinausgehen
muss. Vielleicht kann man in Deutschland dabei einiges von dem
rigorosen Weg der Diversifikation amerikanischer Stiftungen lernen.
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Einiges scheint hierzulande bereits in Bewegung gekommen zu sein:
Hedgefonds sind in Deutschland seit 2004 zugelassen, fungieren als
Prototypen für innovative Ansätze. Die Fondsbranche macht sich das
Derivatewissen des Investmentbankings zunutze und integriert
Derivatestrategien in neue, strukturierte Fondskonzepten. Und auch die
(von niedrigem Niveau) langsam steigende Zahl junger Fondsboutiquen
mit klar spezialisierten Ansätzen ist ein Beleg dafür, dass innovative
Strategien bei institutionellen Investoren durchaus durchsetzungsfähig
sind vorausgesetzt die Qualität stimmt und die Anfangshürden der
Selbstständigkeit können genommen werden.
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Aber nicht jeder gute Portfolio-Manager verfügt über eine bereits
marktreife Strategie oder besitzt hinreichende Vermarktungskontakte.
Ob der Sprung in die Selbstständigkeit gelingt, ist daher häufig eher
eine Frage der Unternehmerqualitäten, denn eine Frage der
Tragfähigkeit des Investmentkonzepts. Hier wirken also andere
Selektionsmechanismen.
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Innovationskultur schaffen
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Die eigentliche Frage lautet: Welche Voraussetzungen müssen geschaffen
werden, damit systematisch neue Investmentansätze erprobt werden
können, wobei einzig und allein die nachhaltige, risikoadjustierte
Performance des Ansatzes der ausschlaggebende Faktor ist? Die gute
Nachricht: An mangelnden Ideen scheitert es in Deutschland nicht. Die
schlechte Nachricht hingegen: Trotzdem finden talentierte
Investmentmanager mit ihren Ideen oftmals kein Gehör, bleiben
teilweise (noch) in verkrusteten Systemen stecken.
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Angesichts größerer Anlagespielräume dürften aber die Chancen nicht
schlecht stehen, dass in den nächsten Jahren auch hierzulande eine
Generation innovativer Fondsmanager heranwächst, die diese
Möglichkeiten ausschöpfen können und wollen. Was man jetzt tun muss,
ist diesen Talenten und ihren Ideen auch eine Chance zu geben. Dabei
sind auch die Aufsichtsbehörden gefordert. Sie müssen den gesetzlichen
Rahmen schaffen, damit aus neuen Ideen auch marktreife Fondskonzepte
entstehen können, die nicht schon vor ihrer Erprobung an
überfrachteten, bürokratischen Anforderungen scheitern. Dabei gilt es
ein Innovationsklima zu schaffen, um Fondsmanager mit guten Ideen und
Konzepten optimal zu unterstützen.
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Große Asset Manager können dazu intern bewusst Freiräume schaffen, um
sich so systematisch Innovationspotenzial zu erschließen. Lupus Alpha
geht einen anderen Weg und wird in diesem Jahr eine eigenständige
Plattform gründen, auf der quer denkende, extrem spezialisierte
Portfolio-Manager Zugang zu ausreichendem Seed-Kapital finden und neue
Investmentstrategien entwickeln und zur Marktreife bringen können.
Dort können sie sich auf ihr eigentliches Metier konzentrieren, ohne
sich um operative Anforderungen oder Vertriebsfragen kümmern zu
müssen. Nach einer echten Erprobungsphase entscheidet man dann, ob
eine Strategie über die notwendige Marktreife verfügt, um sie
nachhaltig in die Portfolien institutioneller Kunden zu platzieren.
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Laborrisiken einkalkulieren
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Natürlich wird nicht jede neue Idee auch den Praxistest bestehen. Aber
genau um das herauszufinden, braucht man geeignete Teststrecken. Wer
jedoch diese Laborrisiken ablehnt, der wird auch auf Innovation "Made
in Germany" verzichten müssen - mit allen Konsequenzen für die eigene
Wettbewerbsfähigkeit. Die entscheidende Frage dabei ist, ob man es
deutschen Portfolio-Managern künftig zutraut, mit ihren Ideen in die
internationale Spitzenliga im Asset Management vorzustoßen. Klare
Aussage: "Ja". Aber das gelingt nur, wenn das eingesetzte und
weiterentwickelte Know-how den Kunden einen echten Mehrwert in Form
der harten Währung "Performance" liefert. Den Beweis dafür gilt es in
den nächsten Jahren zu liefern.

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