Aufsätze

Fusionen im Genossenschaftssektor - Erfahrungen aus Ulm-Biberach

Die Ulmer Volksbank mit einer Bilanzsumme von 1,6 Milliarden Euro und die Volksbank Biberach mit einer Bilanzsumme von 450 Millionen Euro haben sich für eine gemeinsame Zukunft entschieden. Allen Beteiligten war klar, dass die Fusion nur mit einer offenen Information und Kommunikation gegenüber den Mitgliedern und deren Vertretern als Eigentümer der Bank, den Kunden und den Mitarbeitern erfolgreich wird. Es galt, alle für das gemeinsame Ziel zu gewinnen. Das Fusionsprojekt stand unter dem Leitbild "Gemeinsam am Start - schnell im Ziel".

Fusion auf Augenhöhe als Ziel

Beide Banken waren im Jahr 2007 in ihren Marktgebieten erfolgreich. Sowohl den Mitgliedern des Aufsichtsrates als auch den Vorstandsmitgliedern beider Banken war klar, dass die Globalisierung der Märkte und die damit verbundenen Konsequenzen zukunftsgerichtete Entscheidungen verlangten. Die Volksbank Biberach war und ist in einem der florierendsten und expandierendsten Wirtschaftsräume Deutschlands tätig. Den wachsenden Kreditnachfragen aus der angestammten Kundschaft konnte sie alleine nicht mehr gerecht werden. Es galt, langfristig die Zukunft zu sichern. Durch die Fusion mit der Ulmer Volksbank - ebenfalls in einem positiven wirtschaftlichen Umfeld - war es möglich, diese Anforderungen des Marktes zu erfüllen. Eine Fusion auf Augenhöhe war das Ziel.

Die regionalen Faktoren spielten bei der Entscheidung für die gemeinsame Zukunft eine große Rolle. Nachdem die Ulmer Volksbank bereits im Jahre 1908 mit der Volksbank Ravensburg fusioniert hatte, bot es sich an, die Geschäftsgebiete von Ulm und Ravensburg mit dem der Volksbank Biberach zu vereinigen. Damit wurde den Entwicklungen in der Region, mit einer gemeinsamen Industrie- und Handelskammer, einer gemeinsamen Handwerkskammer sowie einer neulich fusionierten Bezirksdirektion der AOK, Rechnung getragen. Ziel war, eine starke genossenschaftliche Regionalbank.

Strategie - regionale Markenwerte erhalten

Die Ulmer Volksbank wurde 1863 als Gewerbebank zu Ulm gegründet, die Volksbank Biberach hat ihre Wurzeln in der 1865 gegründeten Gewerbebank Biberach. Unter dem juristischen Dach der Volksbank Ulm-Biberach wurden die über Jahrzehnte hinweg aufgebauten Markenwerte zusammengeführt und erhalten. Dies bedeutet, dass Mitglieder und Kunden in Ulm, Biberach und den weiteren Regionen der Bank ihre Volksbank vor Ort - ihre Ulmer Volksbank, Volksbank Biberach oder Volksbank Ravensburg - im Marktauftritt wiederfinden. Dies war insbesondere wegen der Verwurzelung der Mitglieder in den jeweiligen Regionen von hoher Bedeutung. Auch künftig werden die Kunden in den bekannten Bankstellen von den ihnen vertrauten Beratern betreut.

Im Gegensatz zu anderen Fusionen im Genossenschaftssektor, bei denen zum überwiegenden Teil Banken mit sich überlappenden Geschäftsgebieten fusionieren, haben sich in diesem Fall die Geschäftsgebiete nicht überschnitten, sondern ergänzen sich ideal.

Vorausschauende Personalplanung

Unter der Überschrift "so zentral wie nötig" - im Backoffice-Bereich - und "so dezentral wie möglich" - nämlich stark vertriebsorientiert - wurde die Fusion umgesetzt. Wobei zentrale Einheiten aufgrund der räumlichen Möglichkeiten überwiegend in Ulm, aber auch in Biberach (unter anderem Telefonbank, Marktservice-Center) angesiedelt wurden. Vorgabe war, die Mitarbeiter im Vertriebsbereich so wenig wie möglich zu belasten und die Projekte effizient und schlank zu gestalten.

Nach der Grundsatzentscheidung für die Fusion wurden bereits im Vorfeld bei personellen Veränderungen Personalentscheidungen schon mit Blick auf die künftige Strategie getroffen. Stellen wurden teilweise nicht nachbesetzt, Vakanzen in Kauf genommen, um Mitarbeitern im Zuge der Fusion Perspektiven aufzeigen zu können. Von ersten Informationen bis zur Zustimmung der Vertreter

Mit Blick auf andere Fusionen, waren sich alle einig, dass die Entscheidung für die Fusion schnell herbeigeführt und erst nach dem endgültigen Votum durch die Vertreterversammlungen mit der Umsetzung begonnen werden soll.

Unmittelbar nach den Beschlussfassungen im Vorstand und Aufsichtsrat erfolgte die Information intern wie extern. Die Vertreter der Ulmer Volksbank, ebenso wie die Beiräte wurden in einem ausführlichen Schreiben über alle Details zum geplanten Zusammenschluss informiert. Die Betriebsräte beider Häuser waren eng eingebunden. Vor der gemeinsamen Pressekonferenz am 20. September 2007 waren alle Führungskräfte und Mitarbeiter über die Fusionsabsichten informiert.

Die Biberacher Vertreter wurden in mehreren Veranstaltungen vor Ort durch die Vorstandsmitglieder ausführlich über die geplante Verschmelzung informiert. Wer diese Veranstaltungen nicht besucht hatte, wurde telefonisch angesprochen, sodass alle Vertreter der übertragenden Bank bankseitig informiert waren. Mit dieser Vorgehensweise wurde wertvolle Überzeugungsarbeit geleistet. Die Resonanz bei den Vertretern auf diese offene Kommunikation war sehr gut.

Sowohl beide Aufsichtsratsgremien als auch die Vertreter beider Institute begleiteten die Fusion positiv, dies zeigte sich in der hohen Zustimmung, in den nur wenige Wochen nach der Bekanntgabe stattfindenden außerordentlichen Vertreterversammlungen. Die Beschlusslage am 27. November 2007 in Biberach lag bei 98,4 Prozent und am 29. November 2007 in Ulm bei 98,6 Prozent. Das klare Votum für die Fusion zum 1. Januar 2008 war der klare Auftrag für Vorstand und Aufsichtsrat, das Projekt erfolgreich umzusetzen.

Herausforderung Projektarbeit erste Entscheidungen

Nachdem der gemeinsame Name "Volksbank Ulm-Biberach" feststand, waren unzählige Entscheidungen zu treffen. Um die Größe der Aufgabe wissend, hatten sich beide Banken darauf geeinigt, einen externen Partner mit umfassender Fusionserfahrung begleitend einzusetzen. Ein Blick auf die Zahlen beider Banken verdeutlicht den Umfang der Arbeiten (Übersicht).

Der Arbeitstitel lautete: "Gemeinsam Zukunft gestalten, gemeinsam wachsen". In der Projektorganisation waren jeweils paritätisch Mitarbeiter aus Ulm und Biberach eingebunden.

Der Fusionsprozess der Phase I - die Sicherstellung des Geschäftsbetriebes - begann im April 2008 und endete mit der technischen Fusion im September 2008. Dabei war die Entscheidung klar: keine von Grund auf neue Bank zu errichten. Es galt vielmehr, zu analysieren, zu bewerten und sich für die bessere Lösung zu entscheiden und diese dann in der neuen Bank gemeinsam umzusetzen. Dabei zeigte sich, dass Prozesse, Abläufe, Produkte und viele Einzelthemen sowohl von der Ulmer Volksbank als auch von der Volksbank Biberach ausgewählt und umgesetzt wurden. Mit Unterstützung des Rechenzentrums, der Fiducia IT AG, wurden die Voraussetzungen für die technische Fusion geschaffen, die in der Zusammenführung der Zahlenwerke nahezu reibungslos an einem Wochenende im September 2008 erfolgte.

Bis zum 30. September 2008 war mit der Bundesbank vereinbart, dass trotz der juristischen Fusion am 18. Juli 2008 die aufsichtsrechtlichen Meldungen getrennt abgegeben werden konnten.

Aufsichtsrat und Vorstand in neuer Besetzung

Mit der Eintragung ins Genossenschaftsregister am 18. Juli 2008 erfolgte die juristische Fusion, und die neue Volksbank Ulm-Biberach eG war entstanden. Bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten getrennte Entscheidungsprozesse in beiden Banken. Selbstverständlich war es für alle Entscheidungsträger, grundlegende Entscheidungen in formal noch nicht bestehenden Gremien gemeinsam zu verabschieden.

Bereits im Fusionsvertrag wurden Regelungen für die Besetzung der Gremien vereinbart. Der neunköpfige Aufsichtsrat der Ulmer Volksbank bestand zu einem Drittel

- also drei Mitarbeitern - aus Arbeitnehmervertretern. Dem Aufsichtsrat der Volksbank Biberach gehörten zwölf Mitglieder

an. Es wurde übereinstimmend festgelegt, dass sich der Aufsichtsrat der neuen Bank aus zwölf Personen, davon ein Drittel (also vier) Arbeitnehmervertreter, zusammensetzt.

Die Mitarbeiter beider Banken waren sich einig, dass das hinzukommende Aufsichtsratsmitglied ein Mitarbeiter der ehemaligen Volksbank Biberach sein sollte. Drei Aufsichtsratsmitglieder der Volksbank Biberach wurden in den Aufsichtsrat der Volksbank Ulm-Biberach gewählt, darunter der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende der Volksbank Biberach als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender.

Örtlicher Beirat

Um die Kontinuität in Biberach zu wahren und das umfassende Wissen der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder in Biberach auch für die Zukunft zu sichern, wurde ein örtlicher Beirat gegründet, dem sämtliche ehemaligen Aufsichtsratsmitglieder der Volksbank Biberach angehören.

Im Vorstand bestand ebenfalls Übereinstimmung, dass der Start der gemeinsamen Bank mit einem fünfköpfigen Vorstand angegangen wird. Mit Blick auf die Entfernungen haben die Vertriebsvorstände ihren Dienstsitz sowohl in Ulm als auch in Biberach, um möglichst nahe an den Märkten und bei den Kunden zu sein.

Projektarbeit Phase II - der Feinschliff: Nachdem mit der erfolgreichen technischen Fusion, die Fortführung des Geschäftsbetriebes sichergestellt war, wurden die Projekte der Phase II mit großem Engagement der Mitarbeiter fortgeführt. Auf eine Begleitung durch externe Berater konnte verzichtet werden. Inzwischen verfügen die Mitarbeiter über umfangreiche Erfahrungen in der Projektarbeit und schätzen die systematische Vorgehensweise, die dazu beiträgt, dass eine hohe Termintreue erreicht wird. Überaus erfreulich ist, dass das klassische Bereichs- und Abteilungsdenken aufgebrochen wurde. Entscheidungen wurden und werden mit allen Betroffenen im Vorfeld erörtert und "verknüpft" entschieden.

Kaum Veränderungsbedarf bestand im Hinblick auf den Marktauftritt und die Beratungsphilosophie, die zum Grundsatz hat, sich an den Kundenbedürfnissen auszurichten. Beide Banken waren und die neue Bank ist vertriebsstark und kundenorientiert.

Interne Kommunikation positives Stimmungsbild

Eine offene und konsequente Kommunikation und die frühe Einbindung der Mitarbeiter waren für das Zusammenwachsen der beiden Häuser entscheidende Momente. Mit dem externen Berater wurde ein professionelles Projektmanagement aufgesetzt, bei dem die ständige Information und aktive Einbeziehung der Mitarbeiter hohe Bedeutung hatte. Wichtig war, dass jeder Mitarbeiter sich in den Prozess integriert fühlte. Aber nicht nur die Mitarbeiter wurden zeitnah eingebunden, auch Mitglieder und Gremien wurden stets aktuell informiert.

Mit einem internen Mitarbeiterinformationssystem erhielten die Mitarbeiter beider Banken stets gleichzeitig Informationen zum aktuellen Stand des Fusionsprojektes. Wenn spezielle Themen auftraten, hatten die Mitarbeiter immer die Möglichkeit, sich an das Lenkungsteam oder den Vorstand zu wenden. Ziel der internen Kommunikation war es, alle Fragen und Ergebnisse der Projektarbeiten offen und zeitnah zu erörtern, damit keine Gerüchte entstehen konnten. In vielen Informationsveranstaltungen für Führungskräfte, in Gesprächen mit dem Betriebsrat, in zahlreichen Betriebsversammlungen und schließlich auch beim ersten gemeinsamen Betriebsfest, der "Come-Together-Party", wurden die Mitarbeiter überzeugt und mitgenommen.

Mitglieder- und Kundenstamm stabil

So wichtig wie die Kommunikation nach innen, war für das Gelingen der Fusion auch die Kommunikation nach außen. Die Resonanz auf die praktizierte offene Kommunikation der beiden Häuser bei den Vertretern, Mitgliedern und Kunden war gut. Regelmäßig wurde die Presse informiert. Im einheitlichen Marktauftritt und mit Anzeigenkampagnen war der Weg in die gemeinsame Zukunft unter dem Titel: "Gemeinsam am Start - schneller im Ziel" dauerhaft und erfolgreich umgesetzt.

Wie geplant konnte die Fusion abgeschlossen werden. Die Bank ist intern zusammengewachsen. Erste Erfahrungen mit den neuen Prozessen sind gut. Die Abläufe wurden vereinheitlicht und verschlankt. Produktpalette und Preise konnten harmonisiert werden. Die Zuwendung zum Markt wurde intensiviert. Vertriebskampagnen mit lokalem Bezug werden erfolgreich fortgeführt. Im Kundenbereich wurde die Fusion positiv aufgenommen. Mitglieder und Kunden blieben ihrer Bank treu. Bei den Mitarbeitern ist ein "Wir-Gefühl" entstanden. Jetzt sind wir eine Bank.

Auch im kritischen Rückblick fühlen sich die Verantwortlichen in der zukunftsausgerichteten Entscheidung bestätigt und sind zuversichtlich, mit dieser Fusion gerade in der gegenwärtigen Neuorientierung der Kreditwirtschaft die Voraussetzungen geschaffen zu haben, erfolgreich am Markt zu bestehen. Die von den Kunden aktuell gesuchte Nähe wird mit dieser Fusion im erweiterten Geschäftsgebiet eindrucksvoll erlebt.

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