Aufsätze

Gut temperiert: Bedeutung des Back-up-Servicings für den deutschen Verbriefungsmarkt

Für die Performance einer Verbriefung kommt es unter anderem maßgeblich darauf an, dass die verbrieften Forderungen adäquat verwaltet und bedient werden, damit der Cashflow in der erwarteten Höhe generiert werden kann. Insofern muss ein Investor vor seinem Engagement in eine Verbriefung auch das sogenannte Servicing sowie Vereinbarungen bezüglich eines Back-up-Servicers bei einem Ausfall des originären Servicers grundlegend analysieren. Während in den letzten Jahren in den USA bereits wiederholt Transfers zu einem Back-up-Servicer erfolgreich durchgeführt wurden, insbesondere bei den Assetklassen RMBS, Autokredite und Leasing, steckt das Thema Back-up-Servicing in Europa noch in den Kinderschuhen; der Bedarf für Backup-Servicing-Lösungen dürfte jedoch auch hier steigen.

Verlässliches Servicing: Herzstück einer erfolgreichen Verbriefung

Unter Servicing wird üblicherweise das Forderungs- beziehungsweise Kreditmanagement verstanden. Darunter fallen sämtliche Prozesse im Zusammenhang mit der Überwachung der Kreditwürdigkeit der Schuldner, der Bewertung, dem Management und der Verwertung der Sicherheiten, dem Monitoring der Zahlungseingänge und dem Mahnwesen. Vor einem Investment muss ein Investor die sich aus dem Servicing ergebenden Risiken eingehend bewerten, denn die Servicing-Qualität wirkt sich auf die Performance der verbrieften Forderungen aus.

Mittlerweile ist es üblich, dass sich ein Investor selbst einen fundierten Eindruck von der Arbeit des originären Servicers in der Praxis verschafft, um sicherzustellen, dass dieser alle fachlichen und technischen Anforderungen erfüllen kann. Hilfreich kann hierbei auch ein Servicer-Rating von einer Ratingagentur sein. Gleichzeitig gibt dies dem Investor die Möglichkeit, die gemäß Capital Requirements Regulation Teil 5 geforderten umfassenden und gründlichen Kenntnisse von unter anderem den Risikomerkmalen der verbrieften Forderungen zu erlangen sowie die Methoden und Konzepte zu verstehen, auf denen die Bewertung der Sicherheiten erfolgt.

Grundsätzlich ist sicherzustellen, dass sich die Prozesse für die verbrieften Forderungen nicht unterscheiden von den Prozessen für Forderungen, die vom Originator nicht verbrieft und weiter auf seiner Bilanz gehalten werden. Ein Investor benötigt dazu nähere Informationen über den Prozess zur Überwachung der Schuldnerbonität inklusive Angaben zu Ratingverfahren beziehungsweise Scoringmodellen und Validierungsergebnissen.

Qualität des Bestandsmanagements

Darüber hinaus ist für ihn von Interesse, wie der originäre Servicer das Bestandsmanagement durchführt, also das Monitoring von Bonitätsveränderungen und daraus abgeleitete Maßnahmen. Hierfür sind Frühwarnsysteme von Vorteil, die auf Bonitätsverschlechterungen hinweisen und somit ein frühzeitiges Eingreifen ermöglichen. Entscheidend ist ein Prozess zur Überwachung der pünktlichen Zahlungseingänge mit einem funktionierenden Mahnwesen. Neben einer Work-out-Einheit, die im direkten Kontakt mit dem Kunden im Falle des Falles nach Lösungen sucht, wird in der Regel auch die Rechtsabteilung eingeschaltet, um eventuelle weitere Schritte vorzubereiten.

Bei einem Zahlungsausfall wird die Verwertung der Sicherheiten eingeleitet. Um diese Prozesse stets sicherstellen zu können, sollte der originäre Servicer von Beginn an die Sicherheiten adäquat bewerten können, sei es durch eigene Gutachter oder unter Rückgriff auf erfahrene externe Wertermittler. Eine regelmäßige Überwachung und Anpassung der Werte der Sicherheiten ist empfehlenswert. Im Verwertungsfall sollte der originäre Servicer einen hohen Verwertungserlös in einer möglichst kurzen Verwertungszeit erzielen können, um damit das Verlustpotenzial für die Verbriefung zu minimieren.

Für ein funktionierendes Forderungsmanagement und das zeitnahe und akkurate Reporting ist ein adäquates IT-System Voraussetzung. Dabei ist sicherzustellen, dass auch hierfür Back-up-Verfahren existieren und der originäre Servicer Notfallvorkehrungen trifft, damit technische Systemausfälle verhindert werden.

Auf Nummer sicher:

Operationelle Risiken aktiv steuern

Aus den vorangegangenen Ausführungen wird bereits deutlich, dass der Investor einer Verbriefung eine Reihe von operationellen Risiken eingeht und der originäre Servicer zahlreiche Anforderungen erfüllen muss. Ein auch nur temporärer Ausfall des originären Servicers kann gravierende Auswirkungen auf die Performance des verbrieften Forderungspools haben. Dieses dürfte sich in einer schwächeren Zahlungsmoral und daraus resultierenden erhöhten Zahlungsrückständen, höheren Zahlungsausfällen, verzögerten Verwertungen und geringeren Erlösen aus der Verwertung von Sicherheiten auswirken.

Folglich wird sich der Investor neben den Servicerqualitäten auch mit der Bonität des originären Servicers auseinandersetzen müssen. Dem Investor ist daran gelegen, dass der originäre Servicer über die Laufzeit der Transaktion solvent bleibt. Da Verbriefungen, insbesondere RMBS, in der Regel längere Laufzeiten haben, sollte der originäre Servicer nach Möglichkeit über ein gutes Investment-Grade-Rating bei Auflage der Emission verfügen. Dies ist jedoch nicht immer der Fall, da auch Originatoren/Servicer mit schwächeren Ratings das Instrument der Verbriefung zur Refinanzierung nutzen. Allerdings verfügt nicht jeder Servicer zwangsläufig über ein Rating. In jedem Fall sollte der Investor die Bonität des originären Servicers intern analysieren.

Immer wichtiger für Verbriefungen

Der Investor hat also ein Interesse daran, dass Vorkehrungen getroffen werden, um das Risiko eines Servicerausfalls zu begrenzen. Zahlungen der Forderungsschuldner gehen in der Regel nicht direkt auf das Konto der für die Verbriefung zuständigen Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle SPV) ein, sondern werden monatlich vom Servicer an das SPV weitergeleitet. Spätestens im Falle einer Insolvenz des Servicers werden die Schuldner aufgefordert, die Raten auf das Konto des SPV direkt zu leisten. Das Risiko von Zahlungsunterbrechungen beziehungsweise von Vermischung (commingling) oder Aufrechnung mit anderen Ansprüchen zwischen Servicer und Kreditnehmer im Insolvenzfall wird in der Regel durch die Einrichtung eines Reservekontos abgemildert. Vorteilhaft ist auch die Vereinbarung von Rating-Triggern, bei deren Verletzung die Schuldner bereits deutlich vor Ausfall des Servicers angewiesen werden, ihre Zahlungen direkt auf das SPV-Konto zu leisten.

Um dem Risiko eines Ausfalls des originären Servicers zu begegnen und ein geordnetes und stabiles Forderungsmanagement sicherzustellen, setzt sich in den letzten Jahren auch in Europa zunehmend die Zusammenarbeit mit sogenannten Backup-Servicern bei Verbriefungen durch. Um Zahlungsunterbrechungen bei Eintritt der Insolvenz des originären Servicers zu vermeiden, können bereits bei Emission Regelungen getroffen werden, die eine Bestellung eines Back-up-Servicers frühzeitig ermöglichen.

So ist es durchaus üblich, die Bestellung eines geeigneten Back-up-Servicers zu vereinbaren, wenn bestimmte Trigger-Werte nicht mehr eingehalten werden können, also sich zum Beispiel das Rating des originären Servicers auf Non-Investment-Grade verschlechtert. Dies setzt natürlich voraus, dass es sich um gängige Forderungsklassen handelt, für welche Servicer im Markt verfügbar sind. Häufig wird ein sogenannter Back-up-Servicer-Facilitator bereits bei Emission bestimmt, dessen Aufgabe die Suche nach einem geeigneten Back-up-Servicer ist. Wenn das Rating des originären Servicers schon bei Auflage der Verbriefung schwach ist, bietet es sich an, von Beginn an einen Back-up-Servicer vertraglich zu verpflichten. Schwierig wird es immer dann, wenn es sich um sehr spezielle und komplexe Forderungen handelt, für deren Servicing am Markt Alternativen kaum zur Verfügung stehen.

Vereinbarungen über einen Back-up-Servicer haben Vorteile sowohl für den Originator einer Verbriefung als auch für den Investor. Ratingagenturen würdigen Regelungen für einen Back-up-Servicer, sodass das Rating einer Verbriefung mit einem schwächeren Servicer davon profitieren kann und der Originator gegebenenfalls ein besseres Pricing erzielt. Dies kann auch die zusätzlichen Kosten des Back-up-Servicings zumindest teilweise kompensieren.

Cold, Warm, Hot

Im Rahmen der temporären Zulassung als notenbankfähige Asset Backed Securities, die nicht die üblichen Ratinganforderungen erfüllen, verlangt die Europäische Zentralbank inzwischen, dass "die ABS-Transaktionsunterlagen Bestimmungen zur Kontinuität des Servicings enthalten."*) Der Investor wiederum profitiert davon, dass im Falle eines Ausfalls des originären Servicers Unterbrechungen des Cashflows und höhere Forderungsausfälle vermieden werden.

Im Spannungsfeld zwischen den Kosten einer Back-up-Lösung und der Bewertung der Ausfallwahrscheinlichkeit des originären Servicers ist zwischen Cold-, Warmoder Hot-Standby-Lösung auszuwählen (siehe Abbildung 1). Eine Rolle spielt hierbei auch die Abwägung, welche Auswirkungen ein Ausfall des originären Servicers auf das Geschäft und das Kredit- beziehungsweise Forderungsmanagement haben könnte.

Bei einer Cold-Standby-Lösung kann der Back-up-Servicer mit einer in der Regel definierten Vorlauffrist von drei bis neun Monaten (in Abhängigkeit der Größe des zu übernehmenden Portfolios) einsatzfähig sein. Das eventuell betroffene Portfolio, die wesentlichen Vertragsgrundlagen und Preiskomponenten werden dafür im Vorwege fixiert.

Bei einer Warm-Standby-Lösung werden die Prozesse definiert, sodass die Arbeitsfähigkeit des Back-up-Servicers im Krisenfall kurzfristig gegeben ist. Bei größeren Portfolios oder komplexen Prozessen gelten Vorlaufzeiten von bis zu drei Monaten. Im Vorfeld werden die Kreditentscheidungsparameter, Prozesse und Service Level Agreements definiert sowie Schnittstellen und Reportings implementiert (Beispiele für zu definierende Inhalte siehe Abbildung 2).

Weiterhin werden Vereinbarungen über die Bereitstellung von Kapazitäten abgeschlossen. Im Einzelfall ist zudem zu entscheiden, ob ein repräsentativer Datenbestand genutzt werden kann, um eine Testmigration des Portfolios vom originären Servicer zum Back-up-Servicer durchzuführen.

Hot-Standby-Lösung als höchste Ausbaustufe

Die höchste Ausbaustufe ist die Hot-Standby-Lösung. Hier ist die Einsatzbereitschaft aller erforderlichen Ressourcen innerhalb kürzester Zeit sichergestellt (IT-Kapazitäten für Migrationsaufgaben und Bearbeitungskapazitäten für die Darlehensverwaltung). Eine Übernahme im Rahmen einer Hot-Standby-Lösung sollte in der Regel innerhalb von 48 Stunden möglich sein (Abbildung 2). Die Daten werden in dieser Phase monatlich oder mindestens quartalsweise auf den Back-up-Servicer übertragen.

Werden definierte Schwellwerte bezüglich der Stabilität des originären Servicers überschritten, ist die Eskalation von einer Cold- auf eine Warm- und schließlich Hot-Standby-Lösung sinnvoll. Alternativ oder begleitend kann für eine Übergangszeit bei instabilem Servicing - zum Beispiel aufgrund einer hohen Mitarbeiterfluktuation bei einer sich abzeichnenden Insolvenz oder wegen auftretender fachlicher Defizite - gegebenenfalls eine temporäre Unterstützung im Zuge der Arbeitnehmerüberlassung vereinbart werden. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen einer Erlaubnis zur gewerbs mäßigen Arbeitnehmerüberlassung beim Back-up-Servicer. Wichtigstes Kriterium bei der Auswahl des Back-up-Servicers ist der Zeitraum, der bis zum Eingehen der Kooperation nötig ist. Für umfangreiche Diskussionen über Prozessabläufe und Einzelfragestellungen bleibt im Eintrittsfall keine Zeit. Zusätzlich zu klassischen Kriterien der Leistungsfähigkeit beim originären Servicer (zum Beispiel Grad der Prozessausprägungen in der IT-Landschaft, Prozessdesign, fachliches Know-how, finanzielle Stabilität) sind bei der Auswahl des richtigen Back-up-Servicers die Flexibilität und Schnelligkeit als wesentliche Kompetenz zu beachten.

In Abhängigkeit der Größe des kurzfristig zu bearbeitenden Portfolios ist der Zielkonflikt zu lösen zwischen großen Anbietern (Tanker-Prinzip: Es kann eine große (Arbeits-)Last zusätzlich aufgenommen werden, Richtungsänderungen in Bezug auf Implementierung von veränderten Prozessabläufen dauern aber lange) und Anbietern mittlerer Größe (Schnellboot-Prinzip: kann zwar weniger (Arbeits-)Last aufnehmen, Richtungsänderungen bezüglich schneller Migrationen und IT-Anpassungen in der IT sind hingegen leichter möglich).

Vor diesem Hintergrund ist die Einholung entsprechender Referenzen anzuraten. Als wesentliche Nachweise der Leistungsfähigkeit sollten hier erfolgreich durchgeführte Migrationen in den letzten Jahren (inklusive der Zeiträume), der Beleg von kurzfristig aufgebauten Bearbeitungskapazitäten sowie die Expertise zur strukturierten Projektabwicklung vorliegen. Da im Eintrittsfall des Back-up-Servicings die zeitliche Komponente immer eine wichtige Rolle spielt, wird mit Ausnahme möglicherweise großer Portfolios in der Regel das Schnellboot-Prinzip zu bevorzugen sein.

Impuls durch positive Erfahrungen in den USA

Die bisherigen positiven Erfahrungen aus den USA, bei denen im Falle von signifikanten Bonitätsverschlechterungen beziehungsweise Insolvenz des originären Servicers erfolgreich Back-up-Servicer eingesetzt wurden, haben auch dazu geführt, dass die Marktteilnehmer in Europa dem Back-up-Servicing mittlerweile größere Bedeutung beimessen. Dazu haben sicher auch die Ratingagenturen beigetragen, die sich mit dieser Thematik seit einigen Jahren auseinandersetzen und Regelungen zum Back-up-Servicing im Ratingprozess berücksichtigen. Investoren wie die KfW Bankengruppe bevorzugen inzwischen Investments, bei denen bereits bei Abschluss des Verbriefungsgeschäfts vertraglich verankert ist, dass zumindest bei einer Herabstufung des Ratings des originären Servicers in den Non-Investment-Grade-Bereich ein Back-up-Servicer mit ausreichender Bonität zur Verfügung steht, der in der Lage ist, das Servicing innerhalb einer angemessenen Frist zu gewährleisten.

Die Vorteile aus Sicht des Originators in Bezug auf das Rating und des Investors im Hinblick auf Sicherstellung von Cashflow und Transaktionsstabilität sind auf den ersten Blick zu erkennen. Allerdings ist die Verpflichtung eines Back-up-Servicers auch mit Kosten verbunden, sodass der Originator abwägen muss, ob sich eine Regelung zum Back-up-Servicing für ihn letztlich auszahlt. Der Markt in Europa und speziell in Deutschland wird sich erst langsam entwickeln. Das Leistungsangebot der verschiedenen Servicer ist noch weit gefächert. Während sich im Bereich der Non Performing Loans bereits eine größere Anzahl - auch eher vergleichbarer - originärer Servicer entwickelt hat, muss bei Servicern mit Schwerpunktsetzung im Bereich Performing Loans sehr genau das Leistungsprofil bezüglich Mehrmandantenfähigkeit, Schnittstellenversorgung und Reporting sowie Kernkompetenzen geprüft werden.

Flexibilität gefragt

Regelungen zum Back-up-Servicing werden insbesondere dann sinnvoll sein, wenn es sich um originäre Servicer mit einer schwachen Bonität handelt. Neben der Entwicklung von Ablaufplänen ist die Entscheidung über die richtige Stufe des Back-up-Servicing wichtig. Die Flexibilität und die Praxiserfahrungen im Bereich der Migration, mit dem kurzfristigen Aufbau von Personalkapazitäten sowie die Expertise zur Projektabwicklung sollten dabei die wesentlichen Entscheidungskriterien sein. Sind diese erfüllt, steht im Eintrittsfall einer verlässlichen Back-up-Lösung nichts im Wege.

Fußnote:

*) Leitlinien der Europäischen Zentralbank vom 20. März 2013 (EZB/2013/4) über zusätzliche zeitlich befristete Maßnahmen hinsichtlich der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems und der Notenbankfähigkeit von Sicherheiten und zur Änderung der Leitlinie EZB/2007/9 sowie Änderungen vom 26. September 2013 (EZB/2013/36).

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