Aufsätze

Hedgefonds in Deutschland - erste Erfahrungen nach Einführung des Investmentmodernisierungsgesetzes

Das In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung des
Investmentwesens und zur Besteuerung von Investmentvermögen
(Investmentmodernisierungsgesetz) zum Januar 2004 markierte einen
Wendepunkt in der Behandlung von Hedgefonds am deutschen Kapitalmarkt.
Waren bis dahin Hedgefonds lediglich am so genannten grauen
Kapitalmarkt, zum Beispiel als Zertifikate oder Genussscheine
verfügbar, ist seitdem eine direkte Beteiligung an Hedgefonds sowohl
für institutionelle als auch für private Anleger grundsätzlich
möglich.
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Abkopplung von den Anleihen- und Aktienmärkten
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Die Liberalisierung des deutschen Rechts bietet für deutsche
Investoren zum einen eine beträchtliche Chance. Mit der gesetzlichen
Neuregelung ist eine Anlageform nutzbar, die grundsätzlich durch eine
Abkopplung von der Entwicklung der Anleihen- und Aktienmärkte
gekennzeichnet ist. Aufgrund der niedrigen Zinsen und der schwachen
Aktienmärkte zu Beginn dieses Jahrzehnts stoßen diese Eigenschaften
bei den Anlegern auf ein großes Interesse. Zum anderen stellt die
Anlageform Hedgefonds jedoch hohe Anforderungen an die Fondsanalyse
und das Fondsmanagement.
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Vor diesem Hintergrund überlegen in Deutschland sowohl private als
auch institutionelle Anleger, ob Hedgefonds im Asset Management
berücksichtigt werden sollten. Auf der einen Seite scheinen Hedgefonds
beachtliche Chancen zu bieten, denn ihre Renditen sind weitgehend
unabhängig von der Entwicklung traditioneller Assetklassen wie Aktien
und Anleihen. Daher ermöglichen sie eine verbesserte Diversifikation
des Portfolios. Diese Eigenschaft ist insbesondere aufgrund negativer
Erfahrungen mit hohen Aktienquoten und der damit verbundenen hohen
Korrelation der Kapitalanlagen mit den Aktienmärkten zu Beginn dieses
Jahrzehnts interessant. Auf der anderen Seite sind Hedgefonds
heterogene, komplexe und intransparente Investments. Die mit einer
Investition verbundenen Risiken sind schwer durchschaubar. Dies
erschwert die Analyse und Beurteilung und hält viele Investoren von
einer Anlage in Hedgefonds ab.
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Aus Perspektive der deutschen Fondsindustrie geht es dabei sowohl um
die Entwicklung eigener Hedgefonds als auch um die Analyse und
Beurteilung von Hedgefonds anderer Anbieter, die im Rahmen von
Dachfonds-Konzepten den Investoren angeboten werden sollen.
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Spektakuläre Erfolge und Misserfolge
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Nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Wissenschaft lässt sich
seit einigen Jahren ein zunehmendes Interesse an alternativen
Investments beobachten. Als Alternative zu traditionellen Investments
in Aktien, Anleihen oder am Geldmarkt haben neben Managed Futures und
Private Equity vor allem Hedgefonds eine hohe Popularität erreicht und
sind Gegenstand kontroverser Diskussionen in Wissenschaft und
Praxis.1) Insgesamt lassen sich dabei drei grundlegende Erfahrungen in
der Auseinandersetzung mit Hedgefonds identifizieren, die auch für die
Entwicklung des deutschen Hedge-fonds-Marktes prägend sind.2)
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Erstens machen Hedgefonds-Manager durch ungewöhnliche
Renditeversprechen auf sich aufmerksam. Traditionelle Investmentfonds
wollen eine im Vergleich zu einer bestimmten Benchmark höhere Rendite
erwirtschaften (relatives Renditeziel). Dagegen versucht ein Teil der
Hedgefonds eine positive Rendite unabhängig vom Marktumfeld zu
erzielen (absolutes Renditeziel). Ein anderer Teil strebt weniger nach
einem absoluten Renditeziel als vielmehr nach günstigen
Risiko-Rendite-Profilen, die traditionelle Investments grundsätzlich
nicht erreichen können. Die Manager dieser Fonds werben zum Beispiel
damit, dass sie die Renditen von Aktien mit dem Risiko von Anleihen
erzielen können.
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Zweitens sind Hedgefonds im Zuge spektakulärer Erfolge und Misserfolge
Gegenstand ausführlicher Berichterstattung in den Medien. Ein in der
Presse intensiv diskutierter Erfolg eines Hedgefonds ist die
Spekulation des Quantum Fund auf eine Abwertung des britischen Pfunds
im Jahr 1992. Diese führte zum Ausscheiden des Pfunds aus dem
Europäischen Währungssystem und zu einem Gewinn von rund einer
Milliarde britischer Pfund für die Investoren des Fonds.
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Heterogenität und Intransparenz
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Der bekannteste Misserfolg ist der Zusammenbruch des Hedgefonds
Long-Term Capital Management (LTCM) in Folge der Russlandkrise im Jahr
1998. Dieser Fonds setzte durch den gleichzeitigen Leerverkauf von
Anleihen guter Bonität und Kauf von Anleihen schlechter Bonität auf
eine Verringerung der Renditeunterschiede zwischen diesen
Wertpapiergruppen. Im Zuge der Russlandkrise kam es aber entgegen den
Erwartungen nicht zu einer Verringerung, sondern zu einer starken
Ausweitung der Renditeunterschiede.
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Drittens ist die Hedgefonds-Branche durch Heterogenität und
Intransparenz gekennzeichnet. Zum einen verfolgen Hedgefonds viele
unterschiedliche Handelsstrategien, die kaum miteinander vergleichbar
sind. Zum anderen geben die Hedgefonds-Manager kaum Einblick in die
von ihnen verfolgten Strategien und gehaltenen Positionen, wodurch
sich die Manager vor Nachahmern schützen wollen. Für die Kunden stellt
sich eine Hedgefonds-Investition damit oft als eine "Blackbox" dar,
denn es wird nicht ersichtlich, wie Hedgefonds ihre Erträge erzielen.
Diese Heterogenität und Intransparenz erschwert die Analyse und
Beurteilung von Hedgefonds, weckt aber zugleich das Interesse vieler
Investoren an den wenig bekannten, Erfolg versprechend wirkenden
Hedgefonds-Strategien.
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Die Hedgefonds-Branche kann seit der Gründung des ersten Hedgefonds im
Jahr 1949 auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Nach einem
ersten Hedge-fonds-Boom in den sechziger Jahren war die Anzahl der
Hedgefonds in den siebziger und der ersten Hälfte der achtziger Jahre
rückläufig. Seit Mitte der achtziger Jahre nimmt die Anzahl jedoch
kontinuierlich zu. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung des weltweiten
Hedgefonds-Marktes, die seit 1990 jährlich von der
Beratungsgesellschaft Van Hedge Fund Advisors geschätzt wird.3)
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Seit Beginn der neunziger Jahre ist durchweg eine Zunahme des
Marktvolumens und der Anzahl der Hedgefonds zu beobachten. Zum Ende
des Jahres 2004 gibt es weltweit ungefähr 8700 Hedgefonds. Das
verwaltete Anlagevolumen ist seit 1990 durchschnittlich um 20,66
Prozent pro Jahr gestiegen. Es wird auf etwa 950 Milliarden US-Dollar
geschätzt. Im Vergleich zu traditionellen Investmentfonds (weltweites
4) ist das verwaltete Anlagevolumen aller-Marktvolumen zum Ende des
Jahres 2004 dings gering.
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Das hohe Marktwachstum wird in der Literatur auf drei Gründe
zurückgeführt. Zunächst erhöht die infolge der Globalisierung
zunehmende Korrelation zwischen den traditionellen Assetklassen die
Bedeutung von Hedgefonds in der Portfoliodiversifikation. Des Weiteren
wird das hohe Marktwachstum mit den geringen Renditen traditioneller
Anlageklassen zu Beginn dieses Jahrzehnts begründet. Schließlich
fördert die Zunahme des Marktes für Derivate und Wertpapierleihe die
Entwicklung des Hedgefonds-Marktes.
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Indirekte Beteiligungsformen als Vorläufer in Deutschland
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In Deutschland kam es bis 2004 nicht zur Gründung von Hedgefonds, da
Unternehmen, die in Deutschland Investmentgeschäfte betrieben, nach
dem Kapitalanlagegesellschaftsgesetz (KAGG) zahlreichen Restriktionen
unterlagen. Auch die Investition eines in Deutschland
steuerpflichtigen Anlegers in einen ausländischen Hedgefonds war bis
dahin wenig attraktiv, da Gewinne aus diesen nach dem
Auslandsinvestmentgesetz mit sehr hohen Steuern belegt wurden.
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Erst gegen Ende der neunziger Jahre wurden von deutschen Banken
Produkte entwickelt, über die ein deutscher Anleger an der
Wertentwicklung von Hedgefonds teilhaben konnte. Bei diesen Produkten
handelte es sich vor allem um Hedgefonds-Zertifikate. Außerdem wurden
weitere indirekte Beteiligungsformen wie zum Beispiel Genussscheine
aufgelegt. Durch diese indirekten Beteiligungsformen konnte bereits
vor der Einführung des Investmentmodernisierungsgesetzes im Jahr 2004
ein beachtliches Marktvolumen erzielt werden. Ende 2003 wurde die von
deutschen Investoren in Hedgefonds-Produkte investierte Anlagesumme
auf rund 5 Milliarden US-Dollar geschätzt.5) Verglichen mit dem
Marktvolumen traditioneller Investmentfonds in Deutschland in Höhe von
1 155 Milliarden US-Dollar (Stand: Ende 2004) war das in Hegdefonds
investierte Anlagevolumen jedoch noch sehr gering.6)
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Mit dem Investmentmodernisierungsgesetz wurden im Januar 2004 die zur
Gründung und zum Vertrieb von Hedgefonds notwendigen Rahmenbedingungen
geschaffen. Deutsche Hedgefonds können entweder von
Kapitalanlagegesellschaften als "Sondervermögen mit zusätzlichen
Risiken" aufgelegt oder als "Investmentaktiengesellschaften" betrieben
werden. Sie dürfen Fremdkapital, Derivate und Leerverkäufe einsetzen.
Sowohl institutionellen Anlegern als auch Privatanlegern wird eine
direkte Beteiligung an Dach-Hedgefonds und Einzel-Hedgefonds (so
genannte Single-Hedgefonds) ermöglicht. Allerdings dürfen nur
Dachfonds, die das Geld der Investoren über mindestens fünf
Single-Hedgefonds streuen, öffentlich vertrieben werden.
Single-Hedgefonds können dagegen nur über eine Privatplatzierung
angeboten werden.
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Enttäuschte Erwartungen
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Von der deutschen Fondsindustrie wurde bereits für 2004 ein Absatz von
Hedgefonds in Milliardenhöhe erwartet. Allein die DWS Investment GmbH,
gemessen am Anlagevolumen die größte deutsche Fondsgesellschaft,
wollte 2004 Hedge-fonds-Produkte im Wert von 1 Milliarde Euro
verkaufen.7) Die Marktentwicklung blieb in Deutschland im Jahr 2004
jedoch zunächst hinter den Erwartungen zurück. Der angestrebte Umsatz
mit Hedgefonds in Milliardenhöhe wurde nicht erreicht. Zum 31.
Dezember 2004 betrug das Marktvolumen der nach den neuen gesetzlichen
Regelungen geschaffenen Single- und Dach-Hedgefonds im gesamten
deutschen Markt lediglich 916, 5 Millionen Euro (Abbildung 2).8)
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Auch im Jahr 2005 ist lediglich eine moderate Erhöhung der Nachfrage
zu beobachten. Zwar wurde zum 31. März 2005 mit einem Marktvolumen von
1 029,4 Millionen Euro erstmals die Milliardenvolumengrenze bei den
neuen Investment-Produkten überschritten, allerdings hat sich das
Marktvolumen dann im Laufe des Jahres 2005 nur auf 1,241 Milliarden
Euro erhöht. Insgesamt wurden zum 31. Dezember 2005 sieben
Single-Hedgefonds und 18 Dach-Hedgefonds angeboten. Neben diesen neuen
Produkten herrscht allerdings wie vor dem
Investmentmodernisierungsgesetz ein reger Handel mit
Hedgefonds-Zertifikaten und -Genussscheinen. Das Marktvolumen der
Hedgefonds-Zertifikate wird 2005 auf etwa 8 Milliarden Euro
geschätzt.9)
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Heterogenität, Komplexität und Intransparenz sind drei Eigenschaften
der Hedge-fonds-Branche, welche die Analyse und Beurteilung erschweren
und viele Investoren von einer Anlage in Hedgefonds abhalten. Dies
zeigt sich im besonderen Maße am Beispiel Deutschland, wo die
Entwicklung des Hedgefonds-Marktes bislang hinter den Erwartungen
zurückgeblieben ist.
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Dennoch wird in den nächsten Jahren eine weitere Zunahme der
Investitionen in Hedgefonds prognostiziert. Für den weltweiten
Hedgefonds-Markt wird das Marktwachstum von verschiedenen Autoren auf
10 bis 20 Prozent pro Jahr geschätzt.10) In Europa und speziell in
Deutschland wird dabei das Marktpotenzial als überdurchschnittlich
groß eingeschätzt.1) Beispielsweise geht die Beratungsgesellschaft
Mercer Oliver Wyman für den deutschen Markt von einer Verdoppelung des
Nachfragevolumens bis zum Jahr 2007 aus.12) Von daher ist auch in
Deutschland - ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau - mit sehr
hohen Wachstumsraten zu rechnen.

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