Gespräch des Tages

Landesbanken - Die hungrigen Münchener

Auf dem Titelbild des Vortragsmanuskripts zur Bilanz 2006 der Bayerischen Landesbank, München, schaut der sicherlich kluge junge Mann die nachdenkende junge Frau etwas fragend an: Wohin geht der Weg in die volle Rekonvaleszens? Die jeweils hälftige Tochter des bayerischen Staates und der bayerischen Sparkassen hat für das letzte Geschäftsjahr durchaus ordentliche Zahlen geschrieben und wird dies aller Voraussicht nach auch für 2007 tun können. Die Phase der "Restrukturierung", für die man vor ein paar Jahren den Württemberger Werner Schmidt zum mächtigen Aufräumen ins Haus holte, wirkt abgeschlossen. Schmidt hat den dankbaren Eigentümern eine ziemlich runderneuerte Bank bauen können, die ihm so und jetzt ganz spürbar auch selbst gefällt.

Aber - und dies ist ebenfalls spürbar, sich "nur" zurück in den Markt melden zu können, reicht auch dieser Landesbank nicht. Sie wirkt, und so sehen es Betroffene sehr wohl selbst, hungrig: Man will zeigen, vielleicht sogar ein wenig demonstrieren, dass man wieder Kraft für Weiteres, Neues, Zukünftiges besitzt. Das mag so sein müssen, wenn die nächsten Biegungen des Weges der immer noch zu vielen deutschen Landesbanken unmöglich alle nur nebeneinander laufen können. Die leisen Vorbehalte jedoch, die der Beobachter sich zu bewahren wagt, heißen: Hat es vielleicht München, gerade München, ein bisschen zu eilig? Ist die Bank wirklich rundum gesund genug, um Expansion in (fast) alle Himmelsrichtungen zu leben? Werner Schmidt bejaht dies kräftig. Zugleich aber passt er sehr gut auf, die reichhaltigen neuen Unternehmungen nicht nach Selbstzweck der Landesbank aussehen zu lassen, sondern sie stets und unentwegt als "Win-Win-Situation der Sparkassen-Finanzgruppe Bayern" zu apostrophieren. Ob Corporate Finance mit M&A und Real Estate Structuring, ob Stützpunkte von Montreal über Moskau bis Tokio, alles soll S-Bayern dienlich sein.

Mit nachhaltiger Befriedigung schildert der Vorsitzende freilich vor allem die Entwicklung in einem Geschäftsbereich der Landesbank, der ureigenster Inhalt von Sparkassenexistenz ist - im Retail. Davon besitzt München von altersher die Baufinanzierer und Landesboden (Labo) als unmittelbare Unternehmensteile. Vor allem jedoch ist es die Deutsche Kreditbank AG, Berlin, deren direktes Consumer Banking schwergewichtig in Ostdeutschland, aber durchaus auch deutschlandweit zu schönsten Hoffnungen berechtigt. Wenn die DKB ihre Privatkunden weiter alljährlich verdoppelt, müsste sie Ende des Jahrzehnts die Million erreichen. Draußen heißt Retail nach dem Scheitern der Übernahme von Österreichs Bawag vorzugsweise MKB Bank, Budapest, "als Brückenkopf für die Verbreiterung der konzernweiten Retailbasis in aussichtsreichen Märkten Mittel- und Osteuropas". In Bulgarien hat MKB dafür die Unionbank gekauft, in Rumänien die Romexterra Bank.

Der (gut gebaute) Geschäftsbericht 2006 nennt bei den Segmenten ein Betriebsergebnis von 405 Millionen Euro für Retail. Das entsprach rund 30 Prozent des Gesamtergebnisses der Landesbank mit 1,375 (im Vorjahr 1,363) Milliarden Euro. Nur noch das Firmenkundengeschäft lieferte mit 803 Millionen Euro wesentlich mehr ab. Falls man das Segment "Finanzinstitutionen/öffentliche Hand" als Zentralbankgeschäft der Girozentrale bezeichnen dürfte (was sie energisch ablehnt), hätte man damit noch 186 Millionen Euro verdient. Die Retailzahlen von den Instituten her aufgegliedert schreiben 28,1 Prozent der DKB zu, 18,8 Prozent der LBS, 25,2 Prozent der Labo und immerhin schon 18,7 Prozent der MKB. Die Landesbanken als ausgeprägte Retailkonzerne? Das wird die S-Strukturfrage nicht leiser machen.

Die Strukturzahlen der Bilanz 2006 sind keine ungewöhnlichen. Der Zinsüberschuss von 1,906 (1,968) Milliarden Euro überdeckt den Verwaltungsaufwand von 1,556 (1,444) glatt, der Anstieg der Provisionen gleicht die Abgänge beim Zins im Wesentlichen aus. Die Volatilität sei bei den von 40 auf 149 Millionen Euro gestiegenen Finanzgeschäften grundsätzlich nicht ausgeprägt. Der RoE erreicht 17,9 nach 15,4 Prozent. So ganz vergleichbar ist aber wieder nicht alles. Die "Einmaleffekte" werden deshalb fast überall erwähnt. Vielleicht fällt jemandem einmal ein besseres Wort für diese dauernden Bestandteile modernen Bankwesens ein. K. O.

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