Gespräch des Tages

Persönliches - Zum Tod von Paul Wieandt

Wenn ein Unternehmen und dabei erst recht eine Bank einen Sanierer braucht, ist meistens schon viel Schlimmes passiert: Ein Vorstand hat aus Unvermögen, aus Ehrgeiz und manchmal auch einfach durch unglückliche Umstände erhebliche Ressourcen verwirtschaftet. Ein Aufsichtsrat hat nichts begriffen, eine Familie hat sich endlos zerstritten, ein Betriebsrat hat die Arbeitsplätze der Gegenwart auf Kosten der Zukunft konserviert - und manches mehr. Wenn dann - endlich - jemand wie Paul Wieandt gerufen, berufen wird, ist zwar vieles aber doch noch nicht alles zu spät gewesen. Denn der Vorzug des Sanierers und zugleich sein gewaltiger Vorteil gegenüber allen Betroffenen ist es eben, nur wenig Rücksicht auf den angehäuften Unrat samt verbundenen Unredlichkeiten nehmen zu müssen.

Sanierer dürfen nicht allein "schlecht" nennen, was schlecht ist, sondern sogar noch etwas mehr. Das sichert ihnen den Ruf der Rücksichtslosigkeit, wenigstens einer gewissen Härte zu - schadet ihrem Ansehen aber nicht, weil sie damit eher auf Seiten ehrenwerter Gläubiger als auf Seiten nicht unschuldiger Schuldner stehen. Dennoch gründet der Ruhm wirklich großer Sanierer anders als der von puren Insolvenzverwaltern nicht darauf, einen Betriebshof erst besenrein zu machen und dann die Hallen von Produktionsvermögen zu leeren. Sondern die Qualität des Sanierers wird an seiner Fähigkeit gemessen, die Chancen des Falles von seinen Risiken zu befreien. Genau dies hat Paul Wieandt hervorragend verstanden. Und der Chronist meint, von ihm bei der Mainzer Landesbank und dann erst recht bei der BfG das längst so modische Wort von der "Restrukturierung" zum ersten Mal in dieser Häufigkeit vernommen zu haben.

Wieandts berufliche Karriere ist von einer - für einen Banker faszinierenden Vielseitigkeit gewesen. Er hat den Öffentlichen Banken gedient, den gemeinwirtschaftlichen und den privaten. Und weil man das wusste, wuchs mit jedem Fall, den man ihm übertrug, das Vertrauen in sein Branchenwissen. Dabei zierte den gestandenen Pfälzer mitnichten stets rücksichtsvolle Höflichkeit. Er konnte herzhaft grob werden, durchaus auch mit Ansätzen zum Recht-haben-wollen. Meistens hatte er Recht. Es wäre spannend geworden, wenn er einst die Bank für Gemeinwirtschaft über die Versicherungsgruppe Aachen-München nicht allein zum ersten echten mitteleuropäischem Allfinanzbetrieb hätte machen können, sondern diesen dann auch noch in eine französisch-italienische Multinationalität hätte einbringen dürfen. Aber vielleicht war dies selbst für ihn zuviel des Aufbaus in zu kurzer Zeit.

Die Sparkassen verdanken Wieandt als klugem Schlichter im vorderen Hintergrund gerade die Lösung der mehr "gesellschaftlichen" als materiellen Probleme rund um die Frankfurter Sparkasse. Dass die halbfreie Kasse heute fast geräuschlos als nette S-Tochter der Helaba funktionieren darf, ist sein letzter großer Verdienst. Paul Wieandt starb am 20. März im Alter von nur 71 Jahren. K. O.

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