Aufsätze

Publikumsfonds und Institutionelles Fondsgeschäft wachsen stärker zusammen

Das Jahr 2005 war eines der besten Jahre in der Geschichte der
deutschen Fonds. Die Fondsanleger erzielten über alle Vermögensklassen
hinweg positive - und teilweise sehr beachtliche - Renditen, die
Mittelzuflüsse der Branche summierten sich auf 82,1 Milliarden Euro,
und das verwaltete Fondsvolumen erreichte mit 1 160 Milliarden Euro
eine neue Rekordmarke. Davon waren Ende Dezember 2005 rund 545
Milliarden Euro in Publikumsfonds und etwa 645 Milliarden Euro in
Spezialfonds angelegt. Weitere 158 Milliarden Euro wurden im Rahmen
der Finanzportfolioverwaltung für institutionelle Anleger verwaltet.
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Publikumfonds für Institutionelle
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Summa summarum sammelten die Publikumsfonds in 2005 mit 41,7
Milliarden Euro mehr als sechsmal so viel neue Mittel ein wie im
Vorjahr (6,5 Milliarden Euro). Dabei hat sich eine markante
Entwicklung gezeigt, die mehr als in den Jahren zuvor die Absatzlage
der Publikumsfonds geprägt hat: Viele Institutionelle Anleger - das
sind in erster Linie Kreditinstitute, Versicherungen, Unternehmen,
Altersvorsorgeeinrichtungen, Stiftungen, Sozialversicherungsträger,
Verbände sowie Private Organisationen ohne Erwerbszweck wie Vereine,
Gewerkschaften, Parteien und Kirchen - haben über ihr hohes Interesse
für Spezialfonds hinaus, denen in 2005 rund 40,4 Milliarden Euro neue
Anlagemittel zuflossen, eine bemerkenswerte Nachfrage nach
Publikumsfonds gezeigt.
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Diesen Trend erschließen sich die Fondsgesellschaften vor allem mit
speziellen Anteilklassen ihrer Publikumsfonds, den so genannten
I-Shares. "Bei Institutionellen ist Going Public angesagt" hat deshalb
eine deutsche Wirtschaftszeitung getitelt. Auch diese Entwicklung hat
somit dazu beigetragen, dass die bisherigen Grenzen zwischen
Retailgeschäft und dem Institu- tional-Sektor bei Asset Managern, die
seit einigen Jahren bereits tendenziell aufbrechen, sich ein gutes
Stück weiter geöffnet haben.
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Der kräftige Nachfrageschub bei Publikumsfonds von institutioneller
Seite hat nicht nur Auswirkungen auf den Absatz und das
Produktsortiment der Fondsgesellschaften. Er hat auch erhebliche
Implikationen auf die Art und Weise, wie heute das Geschäft in den
Fondsgesellschaften gesteuert wird und ist zugleich eine der zentralen
Herausforderungen für das künftige Geschäft und den Markterfolg.
Institutionelle Anlegerkreise unterscheiden sich von dem
Anlegersegment der Privatinvestoren teilweise erheblich. Neben den
spezifischen Anlagebedürfnissen Institutioneller Anleger, die in
erster Linie individuelle Lösungsansätze erfordern, sind umfassende
rechtliche und regulatorische Anforderungen zu beachten. Dies geht
einher mit wesentlich tiefer gehenden Informationsanforderungen,
einschließlich der üblichen Betreuungsmuster sowie der Daten- und
Reportingqualität.
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Differenzierung, Kosten und Performance
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Was macht vor diesem Hintergrund Publikumsfonds für Institutionelle
Anleger so attraktiv, wenn der charakteristische Vorteil der
Spezialfonds, derer sie sich für ihre zweckgebundenen und freien
Mittel bedienen, doch gerade in seinem hochgradig individuellen
Lösungsansatz liegt?
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Laut einer Umfrage des Analysehauses Südprojekt nennen 97 Prozent der
befragten institutionellen Anleger höhere
Diversifizierungsmöglichkeit, 62 Prozent Kostengründe, 48 Prozent eine
akzeptable Performanceerwartung und ebenfalls 48 Prozent einen
schnelleren Portfoliomanagerwechsel als Grund für die Wahl von
Publikumsfonds als Vehikel für ihre Anlagemittel, lediglich 38 Prozent
der befragten Institutionellen Anleger geben Bewertungs- und
Transparenzgründe an.
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Aus einer Studie der Telos GmbH von Anfang 2006 werden ebenfalls in
erster Linie die Diversifizierungsmöglichkeiten genannt. Die meisten
Institutionellen Anleger, so heißt es dort, würden nicht über die
notwendigen Anlagemittel verfügen, um allein mittels Spezialfonds die
kompletten globalen Marktmöglichkeiten abzudecken.
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Zudem erschweren es die niedrigen Zinsen an den Rentenmärkten und die
hohen Volatilitäten an den Aktienmärkten den institutionellen
Investoren, die entsprechend ihrer Liability-Struktur erforderlichen
Renditeziele zu erreichen. Sie suchen deshalb gezielt nach
Zusatzerträgen, indem sie zusätzlich zu ihrem Kerninvestment in wenig
oder unkorrelierte Anlagealternativen investieren. Eine Strategie, die
als Core-Sa-tellite-Investment deshalb im Markt aktuell eine
vieldiskutierte Rolle spielt und dabei das Interesse institutioneller
Anleger stärker auf Publikumsfonds fokussiert hat: Das
Standardinvestment wird über einen Spezialfonds abgedeckt, mit
Publikumsfonds werden um das zentrale Anlagethema zusätzlich
Satelliten integriert. Diese Funktion übernehmen meist Publikumsfonds,
die einen unkomplizierten Zugang zu speziellen Assetklassen
ermöglichen und so in breit diversifizierten Portfolios risikomindernd
wirken.
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Publikumsfonds als Satelliten
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Publikumsfonds ergänzen also eine bestehende Anlagestrategie über
einen Spezialfonds. Während ein Spezialfonds sehr viel direkter auf
die individuellen Bedürfnisse eines Anlegers zugeschnitten werden
kann, lassen sich - auch bei kleineren Anlagevolumina - mit
Publikumsfonds attraktive Sonderthemen in Spezialitäten- und
Nischen-Sektoren, beispielsweise Emerging Markets oder Rohstoff-Fonds,
vergleichsweise flexibel abbilden. Ist eine Anlagestrategie nicht den
Erwartungen gemäß erfolgreich, marktbedingt nicht mehr Erfolg
versprechend oder haben sich die Anlagebedürfnisse des Anlegers
geändert, lässt sich der mit Publikumsfonds abgedeckte Teil der
Anlagestrategie schnell und unbürokratisch neu ausrichten. Im
Gegensatz zu einer sehr aufwendigen Auflösung oder Gründung eines
Spezialfonds kann ein Publikumsfonds jederzeit gekauft oder verkauft
werden.
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Diese Flexibilität der Publikumsfonds hat beispielsweise den Einsatz
von I-Shares von Publikumsfonds beim Depot-A-Geschäft von
Kreditinstituten befördert. Auch Modelle der betrieblichen
Altersvorsorge, die einen wichtigen Zukunftsmarkt im Institutionellen
Geschäft darstellen, können mit Publikumsfonds problemlos
implementiert werden.
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Einfluss der International Financial Reporting Standards (IFRS)
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Der Asset-Topf wächst durch die regelmäßigen Einzahlungen erst im
Laufe der Jahre an, eine andere Lösung als ein Publikumsfonds wäre zu
teuer und der administrative Aufwand unverhältnismäßig hoch. Allein
die Gründung eines Spezialfonds erfordert einen aufwendigen Prozess:
die Festlegung der Anlagerichtlinien, das Genehmigungsprozedere durch
die Aufsichtsbehörde, Prüfungskosten, Depotbankgebühren,
Berichterstattung und die Organisation des Erstinvestments.
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Ein weiterer Auslöser des gestiegenen Interesses institutioneller
Anleger für Publikumsfonds war die Verpflichtung aller
kapitalmarktorientierten Unternehmen bis zum Jahr 2005 ihre
Bilanzierungsmodelle auf die neuen internationalen
Rechnungslegungsvorschriften, die International Financial Reporting
Standards (IFRS), umzustellen. Unternehmen, die nach US-GAAP
bilanzieren sowie Unternehmen, die den Kapitalmarkt nur für die
Emission von Fremdkapitaltiteln nutzen, müssen bis 2007 auf die neuen
Standards ausgerichtet werden.
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Dies gilt damit auch für viele Eigner eines Spezialfonds. Eine der
daraus resultierenden wesentlichen Konsequenzen ist, dass Spezialfonds
in der Bilanz des Anlegers gegebenenfalls zu konsolidieren sind, die
einzelnen Vermögensgegenstände des Fonds also in die Bilanz des
Anlegers aufzunehmen sind, mit allen aufwendigen Konsequenzen,
beispielsweise beim Controlling. Bislang - in der HGB-Bilanz - war
keine Konsolidierung nötig. Die Anteile an Fonds wurden als
eigenständige Wertpapiere ausgewiesen.
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Mit institutionellen Anlageklassen an Publikumsfonds lassen sich unter
bestimmten Voraussetzungen die aufwendigen Konsolidierungspflichten
nach IFRS für die dazu verpflichteten Unternehmen in der Regel
vermeiden. Im Gegensatz zum Spezialfonds kann nämlich davon
ausgegangen werden, dass der einzelne Anleger in einem Publikumsfonds
keinen beherrschenden Einfluss auf das Sondervermögen ausüben kann,
was ansonsten eine Konsolidierungspflicht bewirken würde. Der Investor
muss dabei formal einzig sicherstellen, dass er unter der Anlagegrenze
von 50 Prozent in einem Fonds bleibt. Er sucht deshalb in erster Linie
Publikumsfonds mit einem großen Volumen, um als Großinvestor überhaupt
nicht erst in die Nähe dieser Grenze zu geraten.
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Auch bei der Fondsgesellschaft selbst ergeben sich nicht unerhebliche
Skalen- und Synergieeffekte. Und dies nicht allein im Kompetenzfeld
Portfolio-Management, das sich in die drei Bereiche Produktmanagement
undentwicklung, Research und Fondsmanagement sowie Order-Management
und Handel gliedert. Auch in weiteren Bereichen kann auf gemeinsame
Fazilitäten zurückgegriffen werden. Zum Beispiel im Vertrieb lassen
sich die Aufgaben sinnvoll bündeln: produktbezogene Kundenbetreuung,
Reporting, Vertriebsunterstützung und selbst Marketing lassen sich
unter einem Dach organisieren.
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Die anspruchsvollen Anforderungen institutioneller Anleger haben
ohnehin bewirkt, dass viele Erfahrungen aus dem Management
institutioneller Mandate auch in das Management von Publikumsfonds
einfließen, insbesondere bei jenen Gesellschaften, die als so genannte
Integrierte Asset Manager Spezialfonds und Publikumsfonds unter einem
Dach managen. Ein aktuelles Beispiel sind das Alpha-Porting und
moderne Wertsicherungskonzepte, die zunächst im institutionellen
Geschäft zum Einsatz kamen, dann aber auch in Produkte für den
Privatanleger transferiert wurden.
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Kleinere Losgrößen, Diversifikation, Flexibilität, aber auch Vorteile
bei der Rechnungslegung sind also - auf einen Nenner gebracht - die
offensichtlichen Gründe, weshalb sich institutionelle Anleger für
Publikumsfonds entscheiden. Dieser Trend wird sich auch in Zukunft
fortsetzen. Eine breite Produktpalette im Publikumsfondsbereich wird
deshalb auch über die Positionierung einer Fondsgesellschaft im
institutionellen Geschäft entscheiden, da sich beide Geschäftsfelder
zunehmend ergänzen.
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Und das Interesse der institutionellen Anleger an Publikumsfonds adelt
gewissermaßen die Fondsidee, die noch vor wenigen Jahren gerade bei
professionellen Anlegern eher als Anlagevehikel "second best"
kategorisiert wurde. Publikumsfonds haben das Spektrum und die
Möglichkeiten im institutionellen Geschäft erheblich erweitert. Aus
dem Spezialfondsgeschäft heraus kamen aber auch wesentliche Impulse
für die Publikumsfonds, von denen deren Anleger profitieren.
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Aussicht auf neue Impulse
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Schätzungen gehen davon aus, dass Publikumsfonds heute etwa fünf
Prozent eines typischen Portfolios eines institutionellen Anlegers
ausmachen. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer einer Befragung des
Analysehauses Südprojekt haben aber bereits signalisiert, dass sie
ihre Engagements in Publikumsfonds aufstocken wollen. Auf längere
Sicht könnte sich der Anteil der Publikumsfonds demnach auf rund 20
Prozent erhöhen, was nicht nur ein proportional starkes Wachstum
bedeuten würde, sondern auch das ertragsmäßige Gewicht bei den
Anbietern verändern würde.
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Publikumsfonds als integriertes Produkt-Modul
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Zwar gelten für den Vertrieb institutioneller Anteilsklassen an
Publikumsfonds erweiterte Anforderungen als für normale
Publikumsfonds, aber seine Flexibilität, seine Transparenz und der
mittlerweile erreichte hohe Standard beim Management machen den
Publikumsfonds durchaus zu einer sehr attraktiven Anteilsklasse für
das Segment der Institutionellen Anleger. Dies lässt noch innovative
Entwicklungen erwarten, denn der Markt ist noch längst nicht
vollständig entwickelt. Absolute-Re-turn-Strategien, Portable
Alpha-Ansätze und moderne Zertifikate-Strategien werden ebenso noch
stärker als bisher Berücksichtigung finden wie der
Core-Satellite-Gedanke.
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Panta rhei: Alles fließt - und so wie sich das Asset Management allein
im zurückliegenden Jahrzehnt ständig und mit stürmischen Schritten
entwickelt hat und wie sich die beiden bis vor wenigen Jahren noch
eigenständigen Fondswelten mittlerweile auf sich zubewegen, benötigt
man eigentlich keine prophetische Gabe, um den Publikumsfonds als
integriertes Produkt-Modul in der Anlagestrategie eines
institutionellen Anlegers sowohl als taktische als auch als
strategische Ergänzung der Anlagestrategie weiter wachsende Bedeutung
zu attestieren. Auch daraus dürfte der Stellenwert dieser Gattungen
weiter wachsen. Immerhin zeigt sich an der Entwicklung im
institutionellen Geschäft, dass sich Spezialfonds und Publikumsfonds
in diesem Geschäftsfeld gegenseitig ideal ergänzen, also der Erfolg
des einen Segments keineswegs zulasten des anderen Segments geht - es
sind somit tatsächlich nachhaltige Synergien zu erwarten.

Dr. Markus Weber , Geschäftsführer , Ingenico Payment Services GmbH
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