Interview

Redaktionsgespräch mit Andreas Brodtmann "Der Beratungsvertrag wird in zwei Jahren Marktkonsens sein."

Wie sind die Aufgaben und Zuständigkeiten im Partnerkreis der Berenberg Bank verteilt?

Die Bank hat seit dem Wechsel von Joachim von Berenberg-Consbruch in den Verwaltungsrat vor rund eineinhalb Jahren drei persönlich haftende Gesellschafter (phG). Claus-G. Budelmann (62) ist seit 1965 in der Bank und seit 1988 phG. Er kommt ursprünglich aus dem kommerziellen Bankgeschäft und hat über mehr als eine Generation insbesondere das Auslandsgeschäft aufgebaut. Als Galionsfigur in Hamburg nimmt er aber selbstverständlich auch Private-Banking-Aktivitäten wahr und ist sehr umfassend in die Bereiche Akquisition, Kundenkontakt und Repräsentation der Bank eingebunden.

Dr. Hans-Walter Peters (52) hat seine Wurzeln im Wertpapiergeschäft. Neben seiner seit vielen Jahren bestehenden Verantwortung für das institutionelle Asset Management sowie den Handel kümmert er sich in den letzten zehn Jahren verstärkt um das Private Banking. Guido M. Sollors (43) verantwortet die Bereiche Marktfolge, IT, Controlling, Risikomanagement und Organisation.

Dass seit dem 1. Januar dieses Jahres drei neue Partner dazugekommen sind, zeigt die langfristige Planung des Generationenübergangs. Die Bank orientiert sich in dieser wichtigen Frage traditionell nicht extern, sondern gibt intern den Mitarbeitern eine Chance, die sich verdient gemacht haben. Hendrik Riemer (39) und Graeme Davies (40) sind seit 18 beziehungsweise fünf Jahren in der Bank und kommen beide aus dem Investment Banking. Sie haben den Bereich Capital Markets komplett neu strukturiert und erfolgreich ausgebaut. Gerade im Small- and Midcap-Research, im Trading und im Brokerage ist Berenberg ja nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa sehr prägnant und wahrnehmbar. Zusammen mit Hans-Walter Peters verantworte ich selbst im Tagesgeschäft die gesamte Leitung und Organisation des Private Banking, einschließlich des Aufbaus der Auslandsstützpunkte.

Sitzt die Führungsriege noch am Stammsitz Hamburg oder lässt sich das in der heutigen Zeit nicht mehr durchhalten?

Bis vor wenigen Jahren wurde Berenberg als reine Hamburger Privatbank wahrgenommen, die ausschließlich in Norddeutschland und international tätig ist. Der Standort Hamburg ist nach wie vor sehr zentral und exzellent, jedoch hat sich durch die mittlerweile 14 Standorte im In- und Ausland die geographische Geschäftsaufteilung verschoben. Dass heute schon mehr als die Hälfte unserer Pri-vate-Banking- Berater außerhalb Hamburgs im Einsatz ist, mag diese Neuausrichtung unterstreichen, wenngleich der Partnerkreis mit Ausnahme von Graeme Davies mit Hauptsitz London, nach wie vor in Hamburg ansässig, aber natürlich sehr viel auf Reisen ist.

Auch wenn Dinge wie Private Banking, Family Office und Vermögensverwaltung im Sinne gut strukturierter Abläufe organisatorisch stark aus Hamburg geführt werden, ist auf den großen Freiraum unserer Niederlassungsleiter zu verweisen. Das Kundengeschäft einschließlich der Veranstaltungsverantwortung liegt unserem Selbstverständnis nach eindeutig vor Ort. Im Gegenzug fordern wir eine hohe Verlässlichkeit ein.

Wer sind die drei weiteren Kommanditisten neben der Familie von Berenberg-Gossler sowie der Norddeutschen Landesbank? Und welchen Einfluss üben diese insgesamt auf die strategische Ausrichtung der Bank?

Die drei weiteren Kommanditisten sind Jan Philipp Reemtsma, Fürst Fürstenberg und die belgische Holdinggesellschaft Compagnie Mobilière & Foncière du Bois Sauvage. Alle Kommanditisten sind reine Investoren, die keinen Einfluss auf das operative Geschäft ausüben.

Gilt das auch für die Familie Beren- berg-Gossler und für die Nord-LB?

Ja, die operative Führung der Geschäfte ist hundertprozentig bei den Partnern. Aber das schließt natürlich nicht aus, dass wir mit der Nord-LB vertrauensvoll kooperieren, etwa in der Schiffsfinanzierung, dem Kreditgeschäft und im Private Banking.

Die Gesellschafter geben doch ähnlich wie bei der Aktiengesellschaft sicher eine Richtung vor ...

Natürlich informieren wir unsere Gesellschafter regelmäßig über den Geschäftsverlauf und tauschen uns über strategische Pläne und Maßnahmen aus. Da es über die grundsätzliche Ausrichtung jedoch einen Grundkonsensus gibt, müssen die Gesellschafter nicht befürchten, dass Berenberg eine unerwünschte Richtung einschlägt. Aber es muss doch Mechanismen geben, um die strategische Ausrichtung zu steuern und zu kontrollieren?

Soweit die Dinge rückwirkend überschaubar sind, hat es nie eine gravierende Diskrepanz zwischen Verwaltungsrat und Partnern über die Geschäftsausrichtung gegeben. Das mag auch daran liegen, dass die Berenberg Bank sehr kontinuierlich ihrer Geschäftspolitik in den Bereichen kommerzielles Geschäft, Wertpapiergeschäft, institutionelles Asset Management und natürlich Private Banking treu geblieben ist. Dabei wird die strategische Richtung bei Berenberg nicht ausschließlich von den Partnern vorgegeben, sondern über all die Jahre kamen auch von den Mitarbeitern viele nützliche Impulse. Sie sind sogar aufgefordert, unternehmerisch zu denken und neue Geschäftsfelder zu entwickeln. Falls so entstandene Produkte und Dienstleistungen in das Konzept passten, hat die Bank sie stets mitgetragen und gefördert.

Welche besonderen Bedingungen haben Berenberg auf Kurs gehalten?

Es ist nicht zuletzt gesunder Menschenverstand, der den Erfolg der letzten Jahre möglich gemacht hat. Wir haben immer auf organisches Wachstum gesetzt und unsere Ressourcen gezielt für den Ausbau unseres eigenen Geschäftes eingesetzt, anstatt kleinere Banken zu kaufen und mühsam integrieren zu müssen. So können wir uns voll und ganz auf den Kunden konzentrieren. Und das zahlt sich aus.

Zudem sehen wir unser Geschäft immer sehr langfristig. Sprunghaftes Ändern von Geschäftsmodellen ist nicht mit unserer Unternehmenskultur vereinbar.

Gibt es dafür Beispiele?

Vor einigen Jahren haben wir in der Geschäftsleitung über ein Projekt diskutiert, das eine Expansion des Private Bankings nach Osteuropa und Russland vorsah. Trotz verlockendem Konzept und aller Einsicht in die guten Erfolgsaussichten war uns seinerzeit das Risiko zu hoch und die Sache damit entschieden. Der Luxus, es sich leisten zu können, etwas möglicherweise Aussichtsreiches nicht zu machen, bewahrt auch vor entscheidenden Fehlern. Generell ist es so, dass wir ein Geschäft nicht tätigen, wenn einer der phGs damit "Bauchschmerzen" hat.

Geben die Kommanditisten Eigenkapitalrenditen vor, die sie bringen müssen?

Nein, aber Eigenkapitalrenditen vor Steuern von 52,5 Prozent wie im vergangenen Jahr geben sicherlich keinen Anlass zur Beanstandung.

Gibt es eine Seelenverwandtschaft zu anderen Privatbankiers? Pflegen die Gesellschafter enge Kontakte oder betrachtet man sich als Wettbewerber?

Es bestehen exzellente Kontakte untereinander. Die unabhängigen Privatbankiers in Deutschland sind gut beraten, sich nicht in aller erster Linie als Wettbewerber zu sehen. Dafür ist der Kuchen zu groß und die Marktanteile jedes Einzelnen sind zu klein. Für alle Privatbankiers hat es eine schlechte Wirkung, wenn andere Fehler machen und ins Gerede kommen.

Wie läuft die Interessenvertretung der Privatbankiers? Gibt es über den BdB hinaus noch weitere Möglichkeiten, die gemeinsamen Interessen mit anderen Privatbankiers zu bündeln?

Nein, das forcieren wir nicht. Spezielle Lobbyarbeit wird von Berenberg nicht betrieben. Wir sind nicht so vermessen, Rahmenbedingungen gestalten zu wollen. Politisch wollen wir ja gar nicht auftauchen. Aber die Führungskräfte sind gut genug vernetzt, um gegebenenfalls ihre Interessen zu artikulieren. Einzelthemen wie beispielsweise bei MiFID werden zum Teil unter den jeweiligen Juristen der Privatbankiers besprochen.

Was versteht die Berenberg Bank unter Private Banking? Mit welcher Klientel strebt die Bank Geschäftsbeziehungen an, und wen überlässt sie bewusst der restlichen Kreditwirtschaft?

Die Berenberg Bank startet aktiv ihr Private Banking bei Kunden ab einer Größenordnung von 500 000 Euro. Wir haben schon darüber nachgedacht, diese Einstiegsschwelle nach oben anzuheben, weil unsere neuen Kunden im Durchschnitt eher drei Millionen Euro anlegen. Letztlich haben wir es aber dabei belassen, denn wir wollen unser Brot- und Buttergeschäft nicht durch vermeintliche Arroganz gefährden. Berenberg hat sich als Privatbank immer von unten nach oben bewegt. Wenn Kunden, die wir kennen, mit 100 000 Euro auf uns zu kommen, sind wir uns bestimmt nicht zu schade, deren Geld zu managen.

Nach oben ist das Geschäft natürlich offen. Die Bank entwickelt sich in den letzten Jahren sehr erfolgreich in das Segment von Kunden mit 50 und auch 100 Millionen Euro und steht damit häufig vor der Frage, wo die Grenze zwischen Private Banking und Private Wealth Management zu ziehen ist. Da Berenberg in den Betreuungs- und Beratungsprozessen schon traditionell den Ansatz der gesamthaften Vermögensberatung verfolgt, sind die Übergänge einfach fließend. Mit dem ganzheitlichen Vermögensmanagement, das mit dem im eigenen Haus entwickelten Sigma-Ansatz umgesetzt wird, lässt sich meist eine gute Lösung finden.

Es wird so viel von Family Office als besonders edler Disziplin gesprochen, aber ist die Zahl der entsprechenden Mandate in Deutschland nicht sehr übersichtlich?

Dem Kundensegment, das die meisten Banken Family Office nennen, nähern wir uns ab einem Vermögen von 20 Millionen Euro, wobei auch hier die Grenzen für bestimmte Dienstleistungen fließend sind. Ein Multi-Depot-Controlling beispielsweise bieten wir auf Wunsch auch unseren Kunden mit zehn Millionen Euro. Die ganz umfassende Dienstleistung des Family Office mit einer Optimierung des Beratungsprozesses erfolgt dann in unserer Tochtergesellschaft Berenberg Private Capital.

Auch wenn wir für unser Family Office erfreulich viele Mandate gewinnen, generiert dieses Geschäftsgebiet natürlich weniger Wachstum als das Private Banking insgesamt. Ab einer Größenordnung von 100 oder 200 Millionen Euro, so muss man an dieser Stelle im Auge behalten, kann man schon an den Aufbau eines eigenen Family Offices denken. Gleichwohl muss eine Bank wie Berenberg das Family Office im Rahmen eines gesamthaften Private Wealth Management ohne jeden Zweifel anbieten. Aber wir werden uns nie von einer Privatbank in ein reines Family Office entwickeln.

Wie viele Geschäftsbeziehungen hat Ihre Bank im Private Wealth Management?

Die Größenordnung liegt bei 5 000, wobei die Anzahl wirklich großer Volumina geringer ist.

Welche Kriterien entscheiden die Wettbewerbsfähigkeit im Private Wealth Management?

Ein entscheidendes Kriterium ist die Kontinuität und Verlässlichkeit in der Geschäftspolitik. Unsere Kunden nehmen sehr wohl wahr, wer heute in neue Geschäftsfelder hineingeht und bald wieder hinaus, wer Strategien ändert und wo Gesellschafter wechseln. Bei Berenberg sind die Betriebszugehörigkeiten ebenso wie die Kundenbeziehungen extrem langfristig und zum

Teil über Generationen aufgebaut. Mit dieser Kontinuität bei Personal- und Strategieentwicklung können sich die Mitarbeiter auf ihre Kunden konzentrieren und natürlich auch auf ihre eigene Karriere im Haus.

Darüber hinaus sind wir sehr vorsichtig bei der Entwicklung eigener Produkte. Das bewerten die Kunden ausgesprochen positiv, und man darf gespannt sein, wie sich mit MiFID an dieser Stelle der Markt entwickelt. Wir haben zwar eigene Produkte, wie die Dachfonds und sehr erfolgreiche Osteuropafonds, in denen die Kunden gerne mal ein halbes Prozent ihres Vermögens anlegen wollen. Aber Berenberg versucht eben nicht, die Kunden massiv mit eigenen Rentenfonds oder den eigenen Aktienfonds zu "beglücken".

Eine Berenberg Bank kann es sich aufgrund ihrer schlanken Struktur und dem begrenzten eigenen Produktspektrum einfach erlauben, in sehr großem Maße im Interesse des Kunden zu denken. Das können einige Wettbewerber nicht von sich behaupten, geschweige denn nachmachen.

Wen spürt die Berenberg Bank im Private Banking als die wahre Konkurrenten?

Wir stehen sicher im Wettbewerb mit den deutschen Privatbankiers; die deutschen Großbanken hingegen merken wir zurzeit nicht entscheidend. Insbesondere bei den größeren Tickets sind die Schweizer Großbanken UBS/Sauerborn und Credit Suisse sehr aktiv und betreiben einen ungeheuren Werbeaufwand zur strategischen Eroberung des Marktes. Beide treten derzeit sehr aggressiv auf und versuchen Volumen und vielleicht noch einen Namen in Deutschland zu kaufen. Und dann sind da international noch die Schweizer Privatbanken, die wir in Deutschland aber kaum spüren. In Beauty Contests trifft man hierzulande neben UBS und Credit Suisse auch Sal. Oppenheim, die BHF Bank und hin und wieder Julius Bär.

Haben Schweizer Banken Ihrer Wahrnehmung nach im Private Wealth Management einen Vorteil, quasi einen Vertrauensbonus im Wettbewerb?

Die UBS und die Credit Suisse haben zu Recht gute Namen. Aber alle Schweizer Banken versuchen das angesehene Label "Schweizer Private Banking" ins Ausland zu transportieren und in Deutschland anzubieten. Es könnte sich als Fehler erweisen, in Düsseldorf, Hamburg oder sonst wo Teams einzukaufen, die unter dem Dach der Mutterhäuser in Deutschland deutsches Private Banking anbieten. Letztendlich könnte man das ebenso gut vom Bankenplatz Zürich aus vermarkten, denn man spürt in Deutschland nach wie vor ein Bedürfnis zur Diversifizierung nicht nur der Anlageklassen, sondern auch der Domizile des Geldes.

Wie ist es mit den Amerikanern, etwa Goldman Sachs?

Die meisten sehen wir derzeit überhaupt nicht am deutschen Markt. Goldman Sachs hingegen ist in der Tat bei Kundenportfolios von zehn Millionen Euro aufwärts sehr aktiv. Dass sich die kostenintensive Akquisitionsphase mit teurem Marketing lohnt, wage ich freilich zu bezweifeln. Die nächste Korrekturphase wird viele Wettbewerber wieder umdenken lassen und uns die Chance eröffnen, gute Leute zu gewinnen.

Haben Häuser Ihrer Größenordnung im Private Banking gegenüber internationalen Konzernen mit großem Produkt-Know-how überhaupt eine Chance?

Die Vielzahl der internationalen Standorte ist gelegentlich ein Vorteil der großen Banken gegenüber den kleinen. Deshalb führen die meisten Kunden bei uns auch nicht ihr einziges Konto. Wer über 20 Millionen Euro im Portfolio hat, der will von einer Großbank im Zweifelsfalle vielleicht die Wohnung in New York finanziert haben oder bei einem privaten Immobilien-Deve-lopment-Projekt im Mittleren Osten unterstützt werden. Bei solchem Bedarf ist es natürlich vorteilhaft, Geschäftsbeziehungen zu einer Bank mit weltweiter Präsenz zu unterhalten. Damit können und wollen wir gar nicht konkurrieren. Aber ausschließlich bei solchen internationalen Banken mit eigenem Produktspektrum will die überwiegende Zahl der potenziellen Kunden auch nicht sein. Deswegen gibt es mit den Großbanken durchaus auch ein symbiotisches Miteinander, das ganz gut funktioniert.

Was ist mit den neuen Märkten im Wealth Management in Asien oder auch Russland? Überlässt die Bank dieses Feld freiwillig anderen Häusern?

Berenberg hat sein nationales und auch internationales Private Banking bis vor vier Jahren komplett aus Hamburg heraus betrieben. Im Jahre 2003 haben wir dann klar analysiert, dass man das nicht mehr ausschließlich aus Deutschland heraus anbieten kann. Zum einen ist Hamburg kein internationaler Private-Banking-Standort. Wieso soll ein Kunde aus Madrid genau dort sein internationales Bankenkonto unterhalten, wenn er nicht gerade einen Bezug zu dieser Stadt hat. Zum Zweiten hat auch das Liften des Bankgeheimnisses sicher keine internationalen Kunden und Konten nach Deutschland geführt.

Folglich haben wir 2003 unser internationales Private Banking nach Zürich verlagert. Von dort aus sind wir beispielsweise sehr stark in Lateinamerika vertreten. Das ist eine der größten Wachstumsregionen, weil dort Diskretion im Vordergrund steht und die Angst vor politischen Unsicherheiten. Sehr stark wachsen wir auch im Schifffahrtsgeschäft, insbesondere im Segment der internationalen Reeder. Hier kommt die größte Kundengruppe aus Griechenland. Bedeutende Zuwächse registrieren wir ferner in Mitteleuropa und im Mittleren Osten. In Russland hingegen halten wir uns mit aktiver Akquisition sehr zurück.

Wie beurteilen Sie im Private Banking den Wettbewerb von unten, beispielsweise die Ambitionen im Sparkassensektor? Nehmen Sie das überhaupt ernst?

Hohen Respekt habe ich vor vielen Sparkassen, die in ihren Geschäftsgebieten in den Regionen sehr kontinuierlich und über Jahrzehnte hinweg ihr Geschäft gemacht haben. Und dazu gehört auch - nennen wir es nicht Private Banking - die Wertpapierberatung. Das ist aber keine wirkliche Konkurrenz zu unserem Haus, sondern oft die Basis für eine Zusammenarbeit. Etwa 40 Sparkassen bieten in Kooperation mit uns Vermögensverwaltungsdienstleistungen für ihre Kunden an.

Wie sieht es mit den Landesbanken aus?

Zumindest bei einem dieser Häuser darf man schmunzeln. Wer erst sein Private Banking aufgibt, um sich jetzt in der Hochphase wieder zu entscheiden, diesen Weg zu gehen, macht genau die strategischen Kehrtwenden, die die Kunden genau registrieren.

Wie läuft die Geschäftsanbahnung im Private Banking und im Private Wealth Management? Wird das in den Niederlassungen gemacht oder geht man raus zum Kunden?

Berenberg ist immer aktiv auf potenzielle Kunden zugegangen und hat nie auf sie gewartet. Es ging und geht dabei freilich nicht darum, im Sinne von Frühstücks- und Golfdirektoren der beste "Buddy" unserer Kunden zu werden; es geht vielmehr darum, über eine geschäftliche Partnerschaft das gegenseitige Vertrauen zu gewinnen.

Wir profitieren heute sehr stark von dem dezentralen Netz an Niederlassungen und von einer sehr aktiven Geschäftsleitung, die sich selbst in der Akquisition engagiert. Und natürlich führen uns auch die herausragenden Platzierungen, etwa im Fuchs-briefe-Test und dem Elite-Report, neue Kunden zu. In den letzten zwei Jahren haben wir ein Wachstum der Assets under Management in der Größenordnung zwischen 20 und 25 Prozent per annum erzielt, und auch dieses Jahr sieht es wieder danach aus, als würden wir das halten können.

Trotz guter Kapitalmarktentwicklung liegen wir mit der tatsächlichen Neuakquisition deutlich über dem Branchendurchschnitt von derzeit rund fünf Prozent. Wir planen langfristig mit 15 Prozent Wachstum, erreichen aber tatsächlich 25 Prozent, ohne dabei aggressiv zu sein.

Stichwort Produktpolitik: Wie bleibt Berenberg an dieser Stelle konkurrenzfähig? Kann man die notwendige Produktpalette für das Private Wealth Management in der gewünschten Schnelligkeit und Flexibilität einkaufen - etwa strukturierte Lösungen?

Ganz gewiss, das macht man teilweise Inhouse oder auch mit Partnern. Dadurch hat Berenberg beispielsweise im Segment der Alternativen Investments tendenziell einen Wettbewerbsvorteil. Unsere Kunden haben in Deutschland im Schnitt zwischen zehn und 20 Prozent davon in ihren Portfolios.

Gerade strukturierte Produkte von langfristig erfolgreichen Anbietern lassen wir durch Dritte, wie etwa Rabobank oder ABN Amro, als Indexzertifikate strukturieren und bei der BaFin registrieren. Top-performende Alternative Investments können wir somit aufgrund unserer Unabhängigkeit mit einem Wettbewerbsvorteil anbieten, auch wenn wir daran gewiss nicht den Löwenanteil verdienen.

Gibt es weitere Produktspezialitäten der Berenberg Bank?

Ja, neben den erwähnten Top-Drittprodukte im Segment Alternative Investments sind da zum einen das Segment der Small und Midcaps. Berenberg hat in Europa den am besten performenden Small & Midcap Fonds. Dessen Research wird aus unseren regionalen Niederlassungen in Deutschland, London, Paris und Mailand gemacht.

Aus unserer Repräsentanz in Edinburgh heraus managen schottische Fondsmanager diesen sehr erfolgreichen Fonds unseres Hauses. Eine weitere Spezialität sind European Emerging Markets, speziell Griechenland, Ungarn, der Balkan und das Baltikum. Zum Dritten haben wir einen hervorragenden Aktien-Selektionsprozess entwickelt, den wir seit fast vier Jahren sehr weitgehend bei unseren institutionellen und privaten Vermögensverwaltungen einsetzen. Auf Basis eines quantitativen Modells werden dabei unterbewertete Aktien in den verschiedenen Indizes ausgewählt. Das alles sind neben unserer normalen Vermögensverwaltung sehr starke Wachstumstreiber mit hohem eigenem Produkt-Know-how.

Werden die Kunden unruhiger? Ist selbst im Private Wealth Management eine größere Wechselbereitschaft zu sehen?

Berenberg hat zum Glück keine substanziellen und systematischen Abgänge zu verzeichnen, auch wenn es natürlich schon mal Kontenschließungen gibt. Wie man am Wachstum unserer Assets under Management sieht, ist diese Zahl gegenüber den Kontoeröffnungen sehr gering.

Festzustellen sind freilich erhebliche Änderungen der Erwartungen und Bedürfnisse von Kunden im Laufe eines Börsenzyklus, auf die eine Bank reagieren muss. Der Kunde, der 2000 absolut aktienorientiert war und eine Rendite von zehn bis 20 Prozent per annum erzielen wollte, hat im Jahre 2003 die Parole Total Return ausgegeben natürlich zum falschen Zeitpunkt, wie wir mittlerweile alle wissen. Und heute fragt er, wieso in den letzten Jahren die Quote an Alternativen Investments und/oder Aktien so niedrig war.

Es ist also gerade in unserem Geschäft sehr wichtig, im Dialog mit dem Kunden sehr zeitnah die Änderungen seiner Erwartungen einzufangen und mit der Portfolioausrichtung darauf zu reagieren.

Wir selbst geben den Kunden in den rollierenden Beratungsgesprächen mindestens alle zwölf Monate eine Markteinschätzung mit unseren Renditeerwartungen für Aktien, Renten, Alternative Investments und anderen Varianten, um den Blick für den Zusammenhang zwischen Depotstruktur und Risiken zu schärfen. Haben Sie im Private Wealth Management feste Kooperations- oder Servicepartner?

Wir leisten uns keinen eigenen Kunstberater, und wenn diffizile rechtliche Spezialfragen im Ausland geklärt werden müssen, bedarf es ebenfalls schon eines guten renommierten Netzwerkes, über das wir selbstverständlich verfügen. Einen Großteil dessen, was Berenberg unter Private Banking versteht, decken wir selbst ab - beispielsweise das M&A, soweit das bei Priva-te-Banking-Kunden gefragt ist.

Gibt es im Wealth Management Beratungsdienstleistungen, für die von den Kunden bezahlt werden muss? Oder lässt sich das am Markt nicht durchsetzen? Das ist ein sehr interessantes Thema, das insbesondere im Rahmen der Einführung von MiFID zum Ende dieses Jahres mit aller Wucht auf den deutschen Private-Banking-Markt zukommen wird. Die Banken müssen künftig bekanntlich auch in Beratungsverträgen und nicht nur bei der Vermögensverwaltung das Dienstleistungsverhältnis abstecken.

Bisher hat der Kunde bekanntlich für die vermeintlich einfachere Dienstleistung Vermögensverwaltung bezahlt und für die wahrscheinlich komplexere Lösung Beratung nicht. Im Moment sind alle Banken noch in der Entwicklungsphase und lassen nicht so recht durchblicken, wie sie das zu handhaben gedenken.

Persönlich glaube ich, dass der Beratungsvertrag in zwei Jahren Marktkonsens sein wird. Es wird sich eine Trennung in die Bereiche Deportführung, Beratung, Kontoführung und Festgelder durchsetzen. Dafür wird man einen Satz anbieten, der höher sein wird als die heutige Depotführungsgebühr. Und dann werden Kunden bei den Transaktionskosten die Möglichkeit haben, zwischen Pauschalmodellen und der Einzelabrechnung zu wählen oder gar zwischen Performancevarianten.

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