Interview

Redaktionsgespräch mit Jörg Ambrosius - "Europa erlebt innerhalb des Konzerns gerade einen bedeutenden Auftrieb."

State Street wird in den USA als systemrelevante Bank eingestuft, ist aber zumindest in Europa längst nicht so im Fokus der Öffentlichkeit wie die anderen großen amerikanischen Banken? Woran liegt das?

Dass State Street als systemrelevant eingestuft wird, resultiert aus unserer Marktstellung im globalen Verwahrgeschäft. In diesem Segment zählen wir weltweit zu den vier großen Anbietern. Als es im Zuge der Stabilisierungsmaßnahmen in den USA darum ging, das Geld aus dem TARP-Programm zu verteilen waren wir einer der Empfänger, obwohl wir nicht um Kapitalunterstützung gebeten hatten und bekanntlich auch als Erste wieder zurückgezahlt haben. Damals hat man die vier großen Custodians allesamt als systemrelevant eingestuft, wobei Citi und JP Morgan ganz andere Risikoprofile haben als die Spezialinstitute State Street und Bank of New York Mellon.

Welche Bedeutung hat das Verwahrgeschäft für State Street?

Der Geschäftsbereich Global Services, den ich auch hier in Deutschland und einigen angrenzenden Ländern vertrete, ist eindeutig das Kerngeschäft unseres Hauses. Er wurde im Zuge einer strategischen Neuausrichtung in den vergangenen 30 Jahren kontinuierlich ausgebaut und ist mittlerweile für etwa 80 Prozent der Konzernumsätze und der Konzernerträge verantwortlich.

Seit wann ist Ihr Haus am Markt und welche Schwerpunkte hatte es ursprünglich?

Historisch betrachtet ist unser Haus mit seinem Hauptsitz in Boston schon seit 1792 am Markt und hat zunächst mit Schiffsfinanzierungen begonnen, wie es noch heute an dem Klipper in unserem Logo ersichtlich ist. Später haben wir in den USA über viele Jahrzehnte als Universalinstitut die komplette Bankpalette angeboten, bevor die Bank vor rund 40 Jahren ihre Strategie geändert hat. Seither konzentrieren wir uns ganz auf das Administrationsgeschäft und das Asset Management.

Zunächst war auch diese Strategie ganz klar auf den Heimatmarkt USA ausgerichtet. Dort ist State Street über die Jahre insbesondere im Bereich der Fondsadministration, sprich als Depotbank im deutschen Sinne, zum Marktführer aufgestiegen. Die Berechnung der Fondspreise der amerikanischen Publikumsfonds beispielsweise ist nach wie vor eine Domäne mit einem Marktanteil an den veröffentlichten Fondspreisen in den USA von etwa 40 Prozent. In Deutschland liegen wir im Publikumsfondsgeschäft bei 14 Prozent der Marktanteile.

Wann kam State Street nach Deutschland und Europa?

In Deutschland sind wir schon seit 1970 vertreten, zunächst als reines Repräsentationsbüro, um Kunden aus den USA, die in Europa investiert haben vor Ort unsere Services zu bieten. 1996 hat State Street in Deutschland dann erfolgreich die Depot-bank-Lizenz beantragt und ist seither als Vollbank unterwegs. Zum Marktführer wurden wir hierzulande im Jahre 2003 mit dem Kauf des Global Custody und des Depotbankgeschäfts der Deutschen Bank. Treiber dieser globalen Transaktion war indes ganz klar die Anfang der neunziger Jahre eingeleitete Expansionsstrategie in Europa. Auch europaweit sind wir damit zur führenden Depotbank aufgestiegen.

Wie ist das Geschäft in Europa organisiert?

Seit 1990 haben wir das Geschäft in Europa durch Akquisitionen und organisch sehr stark ausgebaut. Das gilt insbesondere für die sechs europäischen Kernmärkte Deutschland, Schweiz, Frankreich, Italien, Niederlande und UK. Hinzu kommen die beiden Offshore Standorte Luxemburg und Irland, in denen wir große Kapazitäten aufgebaut haben. Und ein wichtiger Schritt - nicht nur in Italien, sondern im Europageschäft insgesamt - war im Jahre 2010 der Erwerb des globalen Custody und Depotbankgeschäftes der Intesa Sanpaolo. In all diesen Ländern haben wir uns ganz bewusst dafür entschieden, den Markt operativ vor Ort und nicht mit reinen Repräsentationsbüros zu bearbeiten. Dieser Antritt hat sich außerordentlich bewährt und zum Geschäftserfolg der vergangenen Jahre geführt. Die lokalen Anforderungen sind nach wie vor sehr speziell. Um Geschäft zu generieren, muss ein Anbieter sehr genau verstehen, wie seine Kunden, die zum großen Teil aus dem Asset-Management-Bereich kommen, unter der jeweiligen lokalen Gesetzgebung agieren.

Wer steuert das Europageschäft?

Das läuft zweigeteilt. Von der Legal-Enti-ty-Seite her betreiben wir aus Deutschland heraus auch das Geschäft in Österreich, der Schweiz und Italien. Mit Blick auf Italien haben wir uns dabei im Zuge der Übernahme des Geschäftes von Intesa Sanpaolo gegen eine Niederlassung der deutschen Einheit entschieden. Stattdessen wurde vom Verkäufer eine Bank übernommen, die zu 100 Prozent der deutschen Bankeinheit und von dort gesteuert wird.

Diese Lösung hat für die State Street Bank in Deutschland den positiven Effekt einer signifikanten Erhöhung des Eigenkapitals. Nach dem sukzessivem Aufbau unserer Kapitalposition in den vergangenen Jahren sind wir damit in Deutschland weltweit zur am zweitstärksten kapitalisierten Einheit im gesamten Konzern geworden. Mit mehr als 1,3 Milliarden Euro an haftendem Eigenkapital in Deutschland heben wir uns ganz klar von allen Mitbewerbern im Depotbankgeschäft ab. Das trägt nicht nur den jetzigen, sondern bereits den zukünftigen Anforderungen an eine Depotbank Rechnung, wie sie den Regulatoren vorschwebt. Von dieser guten Kapitalbasis erhoffen wir uns besonders nach der erfolgreichen Bewältigung der Finanzkrise in den Augen vieler institutioneller Kunden, aber auch der Investoren in Publikumsfonds, Vorteile am Markt.

Wo liegen ihre weiteren europäischen Aktivitäten?

Neben der deutschen Einheit mit ihren Zuständigkeiten für die Nachbarländer betreiben wir noch eine große Einheit in UK. Und nicht zuletzt sind wir jeweils in Frankreich und in Luxemburg mit einer Bank vertreten. Stark ausgebaut haben wir schließlich das Geschäft in Luxemburg mit knapp 1000 Mitarbeitern und in Irland mit etwa 2500 Beschäftigten.

Was versprechen Sie sich von diesen Offshore-Standorten?

Viele Kunden erwarten heute ein Angebot von Onshore- und Offshore-Vehikeln aus der gleichen Hand mit dem gewohnten Service. Unsere starke Position in Irland und in Luxemburg versetzt uns in die Lage, unabhängig von regulatorischen und steuerlichen Aspekten sehr flexibel und weitgehend standortneutral arbeiten zu können. Wenn Kunden ihre Fonds bei Änderung der Rahmenbedingungen von onshore nach offshore repatriieren oder umgekehrt, können wir dies mit unserem Service-Modell sehr effizient unterstützen. Kunden aus den USA schätzten bisher vornehmlich den Standort Irland, während die Kunden aus kontinentaleuropäischen Ländern eine Präferenz für Luxemburg haben. In Italien, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, gibt es eine steuerliche Benachteiligung von Fonds, die erst zur Jahresmitte abgeschafft wird und möglicherweise den massiven Trend, Assets von Italien nach Luxemburg zu verlagern, stoppen könnte. Hierzulande werden auch teilweise Fonds aus Luxemburg wieder ganz bewusst nach Deutschland verlagert.

Werten Sie solche Entwicklungen generell als ein Zeichen für eine abnehmende Bedeutung der Standorte Luxemburg und/oder Irland?

Das mag der Tendenz nach richtig sein, trifft aber für die Investmentbranche nicht in vollem Maße zu. Sowohl in Luxemburg als auch in Irland gibt es für Fonds nach wie vor regulatorische Vorteile bei der Fondsgestaltung und mit Sicherheit auch auf der steuerlichen Seite. Wie die BVI-Statistik zeigt, hat das bis in die Gegenwart hinein Anreize geschaffen, in den beiden Ländern viele neue Fonds aufzulegen. Allerdings ist dieser Trend nicht mehr so stark ausgeprägt wie vor der Krise. Vom Volumen her entfällt nach wie vor ein großer Anteil auf die Offshore-Standorte, insofern müssen wir hier wie dort gut aufgestellt sein.

Welches Gewicht hat Europa in der Geschäftsstrategie von State Street?

Europa erlebt innerhalb des Konzerns gerade einen bedeutenden Auftrieb. So sind von den Mitarbeitern mittlerweile 7500 von 28000 in Europa tätig. Vor zehn Jahren war das entsprechende Verhältnis 2000 zu 25000 Mitarbeiter. Eine ähnliche Entwicklung zeigt die Ertragsseite. Zurzeit erwirtschaftet der Konzern schon rund 40 Prozent seiner Erträge außerhalb der USA. Und das dürfte sich mit dem Wechsel an der Konzernspitze so fortsetzen. Der neue CEO Joseph (Jay) L. Hooley hat ausdrücklich das Ziel ausgegeben, das Geschäft außerhalb der USA in den nächsten fünf Jahren mehr als zu verdoppeln.

Lässt sich diese Verlagerung organisch schaffen?

Nein, sicher nicht, wir sind deshalb dabei, den europäischen und den asiatischen Markt genau nach Akquisitionsmöglichkeiten anzuschauen. Unser Geschäft ist nach wie vor sehr stark IT-getrieben und lebt von Skaleneffekten. Jeder Anbieter ist gezwungen, jedes Jahr signifikante Beträge in die IT zu investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben beziehungsweise die Technologieführerschaft zu verteidigen. Auf der anderen Seite erwarten die Kunden, lokal bedient zu werden und lokale Ansprechpartner zu haben.

Wie erfolgt die Kapitallenkung im Gesamtkonzern? Werden Sie in Europa und Deutschland möglicherweise an die Leine gelegt? Welche Freiheit haben Sie in solch einem Konzern, der international agiert?

Es ist das erklärte Konzernziel Nummer eins, das Geschäft in Europa und Asien innerhalb der nächsten Jahre zu verdoppeln. In diesem Sinne sind die Investitionen ganz klar international fixiert. Zudem hat der Konzern ein starkes Signal gegeben, indem er den Vice

Chairman Joseph Antonellis ganz bewusst in Europa stationiert hat. Entscheidungen, auch über Investitionen, können damit zum größten Teil hier vor Ort getroffen werden, ohne sich in eine globale Warteschleife einreihen zu müssen. Insofern sind die unternehmerischen Freiheiten gemessen an der Vergangenheit sehr viel größer geworden. Wir haben angesichts der vorhandenen kritischen Masse die Kapazitäten und viele Freiheiten, kundenspezifische Anforderungen schnell und direkt umzusetzen. Das schätzen auch die Kunden.

Auch im Vergleich zu dem Wachstumsmarkt Asien?

Ja, Europa ist von den absoluten Volumina und zurzeit noch sehr viel größer. Stichwort Deutschland: Wie viele Mitarbeiter hat State Street hier und welche Ambitionen gibt es auf mittlere Sicht?

Zurzeit betreiben wir in Deutschland mit mehr als 800 Mitarbeitern an den drei Standorten - München, Frankfurt und Köln - hauptsächlich das Depotbank- und das Verwahrgeschäft. Zusätzlich registrieren wir eine sehr starke Nachfrage im Outsorcing in der Asset Management Industrie. Große Asset-Management-Häuser denken verstärkt darüber nach, Teile ihres Middle- und Back-Offices auszulagern. Das ist ein Bereich, in dem wir uns hierzulande sehr früh positioniert haben.

Global haben wir sogar einen dominierenden Marktanteil von 60 Prozent des outgesourcten Geschäftes - mit einigen sehr prominenten Kunden wie Pimco, Axa Asset Management oder Lazard Asset Management. Auch in den nächsten Jahren erwarten wir auf diesem Feld ein starkes Wachstum, weil sich viele Asset Manager zunehmend auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und nicht auf die Administration.

Gilt das am Ende selbst für die großen vier in Deutschland?

Zurzeit betreiben die Union Investment, die DWS sowie die Allianz und die Deka-Bank in der gemeinsamen Gesellschaft Dealis dieses Geschäft zum größten Teil zwar noch in-house. Aber auch in Häusern dieser Größenordnung wird unseres Erachtens über das Thema Outsourcing nachgedacht. Denn die Finanzkrise hat klar gezeigt, wie anfällig die GuV bei einer drastischen Änderung der Volumina reagiert. Dieser Teil des Risikos lässt sich verlagern, indem man fixe in variable Kosten verwandelt.

Und dann gibt es da noch einen nicht zu unterschätzenden Spezialfall. Wenn große Häuser outsourcen, die selbst wiederum an der Marktkonsolidierung in der Asset-Ma-nagement-Branche partizipieren wollen, kann man die Integrationsaufgabe auf der Abwicklungsseite zu einem Fall für den Insourcer machen.

Wie ist das gemeint? Können Sie ein Beispiel geben?

Ganz einfach, wenn ein großer Asset Manager einen anderen kauft, kann es sinnvoll sein, durch ein Outsourcing die technische Integration in die Hände eines Insourcers zu legen. Im Endeffekt ist damit ein Unternehmen wie State Street dafür verantwortlich, dass die Integration erfolgreich abgewickelt wird. Wir als Insourcer arbeiten an dieser Stelle mit ganz anderen Skaleneffekten und profitieren von den Rahmenbedingungen.

Sie spielen auf neue Auflagen der Regulatoren an?

Ja, wir gehen von einer massiven Zunahme der regulatorischen Anforderungen aus. Die Regulierungsflut wird die Branche zu sehr intensiven Investitionen zwingen. Und es bleibt abzuwarten, wie der Markt damit umgeht - nicht nur die Asset Manager, sondern auch die Depotbanken. Auch dort wird seit vielen Jahren die Konsolidierung herbeigeredet, die aber de facto noch nicht stattgefunden hat. Unter dem Regulierungsdruck muss viel Geld investiert werden, um Dinge, die bis jetzt manuell gemacht worden sind, in die Systeme zu integrieren oder neue Systeme zu implementieren. Im Zweifel erfordert das besser ausgebildete und damit teurere Mitarbeiter. Und spätestens damit stellt sich für viele Asset Manager oder Depotbanken die Frage, ob sich dieser Business Case auf Dauer rechnet oder nicht doch der richtige Zeitpunkt für ein Outsourcing oder einen Verkauf des Geschäftes gekommen ist.

Wie beurteilen Sie die Chancen Ihres Hauses auf Outsourcing-Mandate in der Gruppe unterhalb der ganz Großen?

Auch unter den kleineren Häusern haben sich einige strategisch für die eigene Administration entschieden, weil sie die Fertigung komplett im Hause haben wollen. Für diese Boutiquen gibt es sicher auch in Zukunft eine Daseinsberechtigung. Um wirklich Erfolg zu haben, muss seitens des Outsourcers eine strategische Entscheidung getroffen werden, sich von bestimmten Aktivitäten zu trennen, weil diese nicht mehr dem Kerngeschäft entsprechen. Nur dann gibt es den positiven Nebeneffekt, fixe in variable Kosten umzuwandeln, an Skaleneffekten zu partizipieren und durch Verlagerung zukünftiger Investitionen auf den Insourcer die Managementkomplexität zu reduzieren.

Am stärksten unter Druck sehe ich das mittlere Segment. Diese Häuser stehen vor der Frage massiv zu investieren, um bei den Skaleneffekten wenigstens annähernd mitspielen zu können und sind gleichwohl dem ständigen Druck neuer Regulierungen ausgesetzt, die ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährden. Letzteres hat das Depotbank-Rundschreiben der BaFin Ende vergangenen Jahres deutlich gezeigt.

Welche Punkte dieses Rundschreibens werden aus Ihrer Sicht entscheidend für die Marktentwicklung sein?

Der eine Knackpunkt ist die geforderte tägliche Prüfung der Anlagegrenzen. Die zweite wesentliche Vorgabe ist die klare Funktionstrennung zwischen KAG und Depotbank. Die entsprechenden Aktivitäten sind jetzt sowohl systemseitig als auch auf Managementebene klar zu trennen. Das wurde im Rundschreiben ganz klar und ohne jeden Interpretationsspielraum geändert. Die Fondsbuchhaltung muss künftig unterschiedlich geführt werden, und in der Geschäftsführung darf es keine personellen Überschneidungen geben. State Street war schon immer nach diesen künftigen Ansätzen im deutschen Recht aufgestellt und muss sich folglich nicht umstellen.

Was heißt das für die Branche und die Wettbewerbslage?

Einige Häuser werden dadurch signifikante Investments in Systeme und Führungspersonal tätigen müssen, die uns letztlich neue Kunden bringen können. Welche Regularien drohen auf europäischer oder globaler Ebene?

Mit Blick auf Europa und auch weltweit bestimmen in erster Linie UCITS-IV/V und die AIFM-Richtlinie die künftige Marktinfrastruktur. Aber auch das von der EZB vorangetriebene System Target-2-Securities könnte, wenn es denn umgesetzt wird, die Gewichte verschieben. Speziell mit UCITS-IV wird eindeutig der europäische Wettbewerb eröffnet. Wer nur auf dem kleinen Spielfeld Deutschland agieren kann, wird in dem viel größeren europäischen Markt nicht wettbewerbsfähig bleiben.

Was erwarten Sie konkret von UCITS-IV und welche Auswirkungen hat das auf Ihr Haus?

Künftig können auf einem einheitlichen europäischen Markt Master-Feeder-Fondsstrukturen aufgebaut und Produkte europaweit vertrieben werden. Ferner können aus einem Fondsland europaweit für andere EU-Länder Leistungen erbracht werden, sei es in der Fondsadministration oder Depotbankdienstleistungen. Inwieweit das praktikabel ist und so umgesetzt wird, muss sich zeigen, aber das Rahmenwerk eröffnet zweifellos Marktchancen und birgt gleichzeitig Risiken. Wir selbst können das alles gelassen angehen, indem wir einerseits unsere lokalen

Leistungen weiter über unsere lokalen Einheiten anbieten, soweit das von den Kunden gewünscht wird. Und auf der anderen Seite sind wir auch auf Wettbewerber vorbereitet, die eine Luxemburger Fondspalette installieren, die sie europaweit vertreiben möchten.

Wie sieht das bei der AIFM-Richtlinie aus?

Auch die AIFM-Richtlinie, die auf die alternative Investmentseite ausgerichtet ist und beispielsweise die Anforderungen für geschlossene Fonds regelt, wird erhebliche Auswirkungen auf den deutschen Markt haben. Dass die Assets in Geschlossenen Fonds künftig nach einem speziellen Verfahren verwahrt werden müssen, wird in Bereichen wie den Schiffs- oder Immobilienfonds zu massiven Verschiebungen führen.

Für State Street bietet diese Richtlinie generell gute Geschäftsmöglichkeiten, weil aus unserer Sicht Alternative Investments signifikant zunehmen werden und wir in diesem Geschäftsfeld stark investiert haben. Speziell in den stark wachsenden Segmenten Private Equity Fonds und Real Estate Fonds haben wir mit Mourant einen Administrations-Spezialisten akquiriert und gehören mit unserer Expertise in diesem Bereich zu den wenigen Anbietern am Markt, die überhaupt als Depotbanken oder als Insourcer agieren können. Ob die Geschäfte in Alternativen Investments über deutsche oder über Luxemburger Vehikel laufen werden, ist momentan noch nicht absehbar. Wir könnten das Geschäft aber über beide Standorte betreiben.

Gibt es weitere Produkt- und/oder Dienstleistungsvarianten, von denen Sie sich in Deutschland und Europa besondere Wachstumsimpulse versprechen?

Es gibt im Moment über den Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) sehr intensive Bestrebungen der deutschen Investmentbranche, auch in Deutschland das Vehikel des Pension Pooling zu etablieren. Es geht dabei um die Möglichkeit, über die regionalen und nationalen Grenzen hinweg Assets verschiedener Pensionseinrichtungen in einem Vehikel zu poolen, um dabei Skaleneffekte zu kreieren. Bisher gibt es auf diesem Geschäftsfeld einen klaren Vorteil für Luxemburg und die Niederlande. Wir selbst sehen uns als einer der Vorreiter. Zusammen mit der DB Advisors haben wir für die Pensionsfonds der Deutschen Bank ein multinationales Pooling-Vehikel etabliert. Dieses wird jetzt auch für andere Investoren geöffnet. Künftig gibt es dort auch für andere Unternehmen die Möglichkeit, multinationale Pensionspläne zu poolen. Das hat zum Beispiel für einen in den USA ansässigen internationalen Konzern den Vorteil, nicht in jedem Land seine lokale Pensionsadministration vorhalten zu müssen, sondern er kann mit solch einem Vehikel von Luxemburg und künftig hoffentlich auch von Deutschland aus den gesamten europäischen Markt abzudecken.

Profitieren Sie bei solchen und ähnlichen Neuerungen auch von dem Know-how Ihres Hauses in den USA? Und wenn ja, haben Sie einige Beispiele dafür?

In der Tat kamen in der Vergangenheit viele unserer Produkte erst einmal in den USA zum Einsatz und können dann in Deutschland und Europa direkt oder modifiziert übernommen werden. Das gilt beispielsweise für den stark expandierenden Derivate-Bereich. Wenn die globale State-Street-Plattform die Produkte unserer Kunden in den USA bedienen kann, kann diese Lösung sofort nach Deutschland und Europa importiert werden.

Ein weiteres Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist das Collateral Management, das ebenfalls sehr schnell aus den USA nach Deutschland und Europa kam. Seit wir durch die Lehman-Krise, das Kontrahentenrisiko als echtes Risiko erlebt haben, wird nahezu jedes Geschäft mit Sicherheiten unterlegt.

Unsere Aufgabe besteht darin, auf neutraler Basis für unsere Kunden sicherzustellen, dass die hinterlegten Sicherheiten mindestens dem Exposure gegenüber einer Gegenpartei entsprechen. Sollte dies nicht der Fall sein, sorgen wir dafür, dass die Gegenpartei weitere Sicherheiten zur Verfügung stellt, um bis zu dem vereinbarten Besicherungsgrad immer eine Übersicherung zu gewährleisten. Im Bedarfsfall können wir diese Sicherheiten bei Ausfall der Gegenpartei zugunsten unserer Kunden verwerten, sodass diese ohne Verluste aus dem Geschäft herauskommen. Der deutsche Kunde kann dabei selbstverständlich erwarten, dass er von uns aus Frankfurt heraus in deutscher Sprache mit deutschem Reporting beraten wird.

Wie viele Insourcing-Projekte kann man gleichzeitig machen? Kann das für ein Haus Ihrer Größenordnung Engpässe geben?

Man kann in der Tat Geschäft nur so schnell an Bord nehmen, wie man es auch bewältigen kann. Vor einigen Jahren hatten wir vorübergehend damit zu kämpfen, das neu gewonnene Geschäft - zum Beispiel mit Axa und Lazard - erst einmal aufnehmen zu müssen. Derzeit haben wir aber genügend Kapazitäten zur Verfügung und können am Markt sehr aktiv agieren.

Auch für Akquisitionen im eigentlichen Sinne, sprich Italien, kann man nicht unbegrenzt Transaktionen parallel bewältigen. Wir haben allerdings in der Vergangenheit standardisierte Prozesse entwickelt, um Lift Outs oder Akquisitionen sehr effizient abzuarbeiten. Dabei muss das Tagesgeschäft selbstverständlich reibungslos weiterlaufen und ist von dem eigentlichen Integrationsprojekt zu unterscheiden. Der Kunde erwartet zu Recht am Tag eins nach Lift Out mindestens genauso gut bedient zu werden wie am Tag davor.

In den Integrationsprojekten sammelt man parallel dazu mit jeder weiteren Akquisition Erfahrungen, die bei künftigen Transaktionen helfen. Enorm wichtig sind dabei der Umgang und die Integration von neuen Mitarbeitern, sprich: die kulturelle Integration. Bei all diesen Dingen zehren wir inzwischen von einem enormen Erfahrungsschatz. Nicht zuletzt die Deutsche-Bank-Akquisition war dabei ein wichtiger Meilenstein, der uns gerade im europäischen Raum enorm geholfen hat.

Stichwort Daten- oder Kundenschutz: Welche Rolle spielt das in ihrem Geschäft?

Ganz eindeutig eine große Rolle, aber sie ist heute nicht dringlicher als früher. Wir unterliegen als deutsche Vollbank der deutschen Aufsicht und erfüllen natürlich alle Anforderungen des deutschen Gesetzgebers.

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