Gespräch des Tages

Regulierung - Immer auf die Großen?

Dass die deutsche Bankenaufsicht in ihrer historisch gewachsenen Arbeitsteilung zwischen BaFin und Bundesbank bei der hiesigen Kreditwirtschaft gehörigen Respekt genießt, ist nichts Neues. Es deckt sich gewiss auch mit dem politischen und gesellschaftlichen Grundkonsens, wenn die zuständigen Aufsichtsinstanzen und die beaufsichtigten Banken die nötige Distanz wahren. Eine Kuschelatmosphäre war an dieser Stelle nie erwünscht. Vielmehr können konstruktive Reibungen mit kontroversen Diskussionen zwischen den Beteiligten dem gemeinsamen Ziel stabiler Finanzmärkte nur förderlich sein. Geändert hat sich seit der Finanzkrise allerdings allem Eindruck nach die Frequenz der Aufregung. Institute, die zu einer Sonderprüfung gebeten oder zur Mitarbeit an einer aufsichtsrechtlichen Untersuchung aufgefordert wurden, waren gewiss auch früher nicht hellauf begeistert. Sie haben aber meist den damit verbundenen (Zusatz-)Aufwand getragen und allenfalls im Stillen ihr Missfallen geäußert. Heute werden solche Konfliktlinien zwischen der Kreditwirtschaft und Aufsicht im Wochen- wenn nicht gar im Tagesrhythmus öffentlich.

Seit Beginn des angelaufenen Jahres fühlen sich insbesondere die größeren Institute im Ringen um das richtige Augenmaß der Regulierungsvorgaben besonders betroffen. So wird beispielsweise die Deutsche Bank gleich mit zwei Prüfungsprojekten in Verbindung gebracht. Während die Belastungen für die Frankfurter Großbank durch die von der European Banking Authority (EBA) eingeforderte Vorlage von Sanierungsplänen immerhin dadurch begrenzt werden, dass der politische Meinungsbildungsprozess in dieser Sache schon weit gediehen ist und das Institut sowohl der BaFin als auch den zuständigen US-Behörden in ähnlicher Weise Auskunft geben musste, hat die ebenfalls kolportierte Aufforderung zur Ermittlung der Auswirkungen einer Umsetzung der Vorschläge der Liikanen-Kommission eine andere Dimension. Wenn die BaFin dazu Aufklärung verlangt, bedeutet diese Simulation je nach Detaillierungsgrad einen hohen Aufwand in einem frühen Stadium der Überlegungen. Selbst wenn aus den politischen Konsultationen zwischen Deutschland und Frankreich anlässlich des 50. Jahrestages des Élysée-Vertrages Gedanken zur Prüfung eines Trennbanksystems zu hören waren und sich eine Sympathie für den Liikanen-Report auch in der Neujahrsansprache der BaFin-Präsidentin zum Presseempfang widerspiegelt, ist die hiesige Aufsicht mit einem solchen Ansinnen zulasten einzelner Banken der politischen Entwicklung eher voraus. Die EU-Kommission hat jedenfalls ihre Schlussfolgerungen aus dem Liikanen-Report noch nicht konkretisiert.

Nun mögen Beobachter mit Blick auf die Deutsche Bank entgegenhalten, dass sich das Institut gegenüber solchen unkalkulierbaren finanziellen Belastungen aus Regulierungsfolgen insofern schadlos hält, als es ganz nüchtern und eigennützig Gegenmaßnahmen betreibt, die nur bedingt im Sinne der Aufsicht liegen. So wurden kürzlich wieder Collateralized Debt Obligations an den Markt gebracht, die maßgeblich bei Hedgefonds Interesse fanden. Auch wenn man diese Transaktion sicher nicht als Versuch einer Wiederbelebung des hochriskanten Verbriefungssegmentes betrachten sollte, sondern eher als nüchternes Kalkül des Instituts zur Risikoreduzierung und Eigenkapitalstärkung, offenbart es doch die Interessengegensätze. Auf der einen Seite versucht die Bank, ihr Non-Core-Operations-Portfolio wie angekündigt bis Ende März 2013 von 135 Milliarden Euro auf 90 Milliarden Euro abzubauen - auch mit dem Risiko einer weiteren rufschädigenden Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Und auf der anderen Seite wissen BaFin und andere Aufsichtsbehörden nur zu gut, dass mit solchen Ausweichtransfers von systemischen Risiken aus dem Bankensektor in den schwach oder gar nicht regulierten Markt eigentlich keine Sicherheit gewonnen wird. Entsprechend klar und deutlich hat Elke König darauf hingewiesen, dass die Regulierung im Bankensektor nur dann ihre volle Wirkung entfalten kann, wenn auch der sogenannte Schattenbankensektor "endlich international umfassend reguliert und beaufsichtigt" wird. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist derzeit leider nicht ersichtlich.

Eine tendenziell stärkere Belastung der größeren Institute wird sich indes auch unter einer europäischen Aufsicht kaum vermeiden lassen. Denn im Konsultationsprozess wird man auf Simulationsrechnungen nicht verzichten können. Und dabei werden mit Blick auf Deutschland die Deutsche Bank ebenso wie die Landesbanken und die genossenschaftlichen Zentralinstitute kaum ausgespart werden können. Wie stark die kleineren Institute betroffen werden, wird wesentlich davon abhängen, mit welchen regulatorischen Regeln die Verbünde von den Aufsichtsinstanzen letztlich als Risikogemeinschaft eingestuft werden, wie mögliche Klumpenrisiken eingeschätzt werden, welche Auswirkungen dem Niedrigzinsumfeld beigemessen werden und welche Anforderungen die Aufsicht an tragfähige Geschäftsmodelle stellen wird.

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