Aufsätze

Responsible Engagement Overlay - Revolution oder überflüssige Modeerscheinung in der SRI-Welt?

Socially Responsible Investing (SRI), also die Berücksichtigung
ethischer, sozialer und ökologischer Kriterien, stand noch vor einigen
Jahren in Deutschland kaum auf der Agenda institutioneller Investoren.
Nach den Skandalen um Enron, Worldcom und Parmalat hat sich dieses
Bild jedoch gewandelt. Mit der Insolvenz von Enron verloren nicht nur
tausende Menschen ihren Job, sondern auch ihre Pensionsansprüche.
Innerhalb kürzester Zeit stürzte der Aktienkurs von Enron von 90
US-Dollar auf 0,26 US-Cent je Aktie. Der Zusammenbruch des
Telekommunikations-Riesen Worldcom ging als der bislang größte
Insolvenzfall in die US-Wirtschaftsgeschichte ein.
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Diskussion um Nachhaltigkeit
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Die Tatsache, dass Vorstände ihrer unternehmerischen Verantwortung
nicht nachkamen und interne Kontrollen ebenfalls versagten, führte zu
Konsequenzen. In den USA wurde nach dem Skandal um Enron 2002 der
"Sarbanes-Oxley-Act" im USamerikanischen Recht verankert, der Manager
für die von Ihnen unterschriebenen Bilanzen haftbar macht und eine
strengere Kontrolle der Rechnungslegung vorsieht. Auch auf
europäischer Ebene wurde man diesen Anforderungen gerecht: Dem
Beispiel Großbritanniens und anderer Länder folgend, wurde in
Deutschland am 26. Februar 2002 von einer eigens gegründeten
Regierungskommission der "Deutsche Corporate Governance Kodex"
verabschiedet. Dieser Kodex soll die in Deutschland geltenden Regeln
der Unternehmensleitung undüberwachung und deren Einhaltung für
nationale und internationale Investoren, transparenter machen. Er wird
von einer eigens gegründeten Regierungskommission jährlich überprüft
und angepasst.
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Eines haben die Bilanzskandale ganz klar gezeigt: Aufsichtsrechtliche
Bemühungen um eine bessere und transparentere Unternehmensführung sind
bei Weitem nicht ausreichend. Aktionäre sollten von ihrem Recht
Gebrauch machen, aktiv auf eine verantwortungsbewusste
Unternehmensführung hinzuwirken.
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In Deutschland ist seit einiger Zeit eine zunehmende Nachfrage nach
Anlagen mit Nachhaltigkeitskriterien zu beobachten. Diese haben sich
bereits als Ansatz im Risikomanagement etabliert, da sie den
Shareholder Value einer Investition langfristig schützen und erhöhen.
Gerade Pensionsfonds realisieren zunehmend, dass aktives Eintreten für
Nachhaltigkeit, also Corporate Governance sowie soziale, ethische und
ökologische Belange, keinen Widerspruch zu einem konventionellen,
rendite- und risikoadjustierten Asset Management darstellen, sondern
diesem zuträglich sind.
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Deutscher Markt noch im Entwicklungsstadium
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Nach einem Report der Eurosif (European Social Investment Forum) liegt
das Anlagevolumen von nachhaltig verwalteten Portfolios
institutioneller Investoren in Europa bei 336 Milliarden Euro (2003
Report). Der deutsche Markt befindet sich mit einem geschätzten
Volumen von rund drei Milliarden Euro (Eurosif, 2003 Report) im
Vergleich zu den USA mit einem geschätzten Volumen von 1 744
Milliarden Euro (US SIF, 2003 Report) noch im Entwicklungsstadium.
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In Großbritannien sind Pensionsfonds seit 1999 rechtlich dazu
verpflichtet darzulegen, ob und in welchem Umfang soziale, ethische
und ökologische Kriterien berücksichtigt werden. In Deutschland hat
man mit der siebten Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes VAG
die geltende Nachhaltigkeitsberichtspflicht für Pensionskassen,
Pensionsfonds und Versicherungen ausgeweitet. Gleichzeitig folgte auch
eine Präzisierung der Transparenzpflicht. Nach der Novellierung des
Paragrafen 115 Abs. 4 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) heißt es:
"Der Pensionsfonds muss die Versorgungsberechtigten grundsätzlich
schriftlich bei Vertragsschluss sowie jährlich schriftlich darüber
informieren, ob und wie er ethische, ökologische und soziale Belange
bei der Verwendung der eingezahlten Beiträge berücksichtigt".
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Dies gilt gemäß Paragraf 118 b (1) auch für Pensionskassen und nach
Paragraf 10 a Abs. 1 in Verbindung mit Anlage D Abschnitt III Abs. 2
b, cc auch für Versicherungen. Diese Gesetzesänderung ermöglicht es
Versorgungsberechtigten einer Pensionskasse, Druck auszuüben und auf
die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien zu bestehen. Diesem Druck
werden sich Pensionskassen- und Einrichtungen künftig nur schwer
entziehen können.
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Screeningmodelle versus Engagement
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Es kann für Unternehmen teuer werden, die
Corporate-Governance-Standards nicht einzuhalten und auf Risiken in
den Bereichen Ethik, Umwelt und Soziales nicht zu achten. Abgesehen
von möglichen Imageschäden binden Rechtsstreitigkeiten, Beseitigung
von Umweltschäden und Schadensersatzleistungen nicht nur
Managementkapazitäten, sondern verursachen auch Kosten. Ein
Unternehmen, dem fragwürdige Praktiken vorgeworfen werden und das in
Rechtsstreitigkeiten verwickelt ist oder strafrechtlich verfolgt wird,
riskiert seinen Marktzugang und die Rekrutierung geeigneter
Mitarbeiter.
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Wer hingegen den Ruf genießt, gute Arbeitsbedingungen zu bieten,
sichert sich die Loyalität und Produktivität seiner Mitarbeiter und
stärkt das Vertrauen der Öffentlichkeit. Das wiederum sichert den
Erfolg der Marke und festigt die Beziehungen zu Kunden und
Regulierungsbehörden. Es lohnt sich also, Nachhaltigkeitsaspekte zu
berücksichtigen: Sie ermöglichen es, Risiken zu reduzieren und bieten
langfristig Chancen im Bereich der Produkt- und Serviceinnovation.
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Die Implementierung nachhaltiger Kriterien wurde in der Vergangenheit
überwiegend mit Hilfe von SRI-Screeningmodellen durchgeführt. Anhand
vorher definierter Negativkriterien werden Unternehmen, die im
Konflikt zu ethischen, sozialen oder ökologischen Standards stehen,
vom Inves-titions-Universum ausgeschlossen. Eine Variante des
Screeningmodells ist das so genannte "Best-in-Class"-Prinzip. Dabei
werden nur die am wenigsten bedenklichen Unternehmen innerhalb einer
Branche selektiert.
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Im aktiven Dialog mit den Unternehmen
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Der Best-in-Class-Ansatz wird mit Ausschlusskriterien wie
beispielsweise der Rüstungs- oder Tabakindustrie kombiniert. Bei
diesem Ansatz werden jedoch Unternehmen mit einer fundamental guten
Bewertung und/oder Indexschwergewichte oft nicht im Anlageportfolio
berücksichtigt, da sie den SRI-Kriterien nicht entsprechen. In der
Konsequenz kann das zu einer unausgewogenen Ausrichtung des Portfolios
führen. Zudem erfolgt durch den reinen Ausschluss von Aktien kein
direktes Signal an die betroffenen Unternehmen. Konstruktiver wäre ein
Dialog mit den Unternehmen, bei dem der Investor aktiv auf
Verbesserungen hinwirken kann.
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Ein weiterer Aspekt ist, dass Screeningmodelle aufgrund
regulatorischer Einschränkungen nicht immer eingesetzt werden können.
In Schottland beispielsweise ist die Anwendung von SRI-Kriterien in
den LGPS-Regulatorien (Local Government Pension Scheme)
vorgeschrieben. Allerdings ist es öffentlichen Organen wie etwa dem
Aberdeen City Council nicht erlaubt, das Screeningmodell bei der
Aktienauswahl anzuwenden. Um dieses Problem zu lösen, wurde 1998 ein
"Shareholder-Engagement-Ansatz" mit der Bezeichnung Responsible
Engagement Overlay (REO) entwickelt.
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Erfahrungen mit dem Engagement-Ansatz
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Diese Overlay-Strategie nutzt den Einfluss durch Aktienbesitz, um auf
eine verbesserte Performance in den Bereichen Corporate Governance,
Umwelt und Soziales (ESG) hinzuwirken. Sie besteht aus drei
Komponenten: der Ausübung von Stimmrechten auf Hauptversammlungen, dem
direkten Dialog mit dem Management zur Verbesserung der Corporate
Governance, sowie dem Dialog über die Risiken aus den Bereichen
Umwelt, Ethik und Soziales. Die Ausübung der Stimmrechte kann auf
Wunsch auch im Namen des Kunden erfolgen. F&C beispielsweise bietet
den Service sowohl als Ganzes als auch für die einzelnen Komponenten
an.
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Dieser Engagement-Ansatz schließt keine einzelnen Aktien von einer
Investition aus, sondern sucht einen aktiven, konstruktiven Dialog mit
den Unternehmen, deren Anteile ein Aktionär hält. Bei
Hauptversammlungen beispielsweise werden die Stimmrechte aus
Direktinvestitionen der vertretenen Investitionen so gebündelt und
genutzt, dass Unternehmen sich universellen SRI- und Corporate
Governance Standards annähern.
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Führt dieser aktive Dialog aber zu tatsächlichen und nachhaltigen
Fortschritten im Unternehmen? Das Aberdeen City Council war einer der
ersten Kunden und hat mit diesem Ansatz in den letzten Jahren gute
Erfahrungen gemacht. Mit einem Vermögen von rund 1,4 Milliarden Euro
und 45 000 Mitgliedern ist der Pensionsfonds der Stadt Aberdeen der
drittgrößte in Schottland. Der aktive Dialog mit den Unternehmen ist
ein wichtiger Baustein innerhalb des Investmentprozesses und liefert
einen wertvollen Mehrwert.
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Ein Grund dafür ist ohne Zweifel die Komplexität der Themengebiete aus
den Bereichen Corporate Governance, Ethik, Umwelt und Soziales.
Verbesserungen nachhaltig herbeizuführen, ist allerdings ein
langwieriger Prozess und nicht mit einer einmaligen
Stimmrechtsausübung auf der Hauptversammlung zu vergleichen. Bereits
vor einer Hauptversammlung wird ausgelotet, welche Meinung der
Vorstand eines Unternehmens zu den definierten SRI-Kriterien hat. Der
Schlüssel zum Erfolg liegt in der Bündelung der Stimmrechte, da es
mitunter für einzelne Pensionsfonds schwierig ist, mit den Unternehmen
in einen Dialog zu treten. Die Kritik der sozialverantwortlichen
Investoren wird von den Unternehmen ernst genommen und Investoren
verleihen ihrem Engagement eine größere Ernsthaftigkeit jenseits
kurzlebiger Kampagnen. Darüber hinaus hilft der Engagement-Ansatz,
Risiken in den Kundenportfolios aufzuzeigen und zu reduzieren, die von
traditionellen Fondsmanagern nicht unbedingt identifiziert werden. Die
Stadt Aberdeen nutzt diese Informationen, um Investmententscheidungen
der Fondsmanager zu hinterfragen und in einen Dialog über die
Berücksichtigung der potenziellen Risiken im Investmentprozess
einzutreten.
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Erfolge dokumentiert
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Im Jahr 2005 stimmte F&C auf 3 164 Hauptversammlungen bei über 29 374
Hauptversammlungsanträgen undgegenanträgen in 50 verschiedenen Ländern
ab. Im Rahmen des Engagement-Ansatzes wurden insgesamt 834 Unternehmen
kontaktiert. Die Fälle, bei denen der aktive Dialog Ziele erreicht
hat, werden als "Meilensteine" gekennzeichnet, zusammengefasst und
bewertet, um so den Effekt auf den Shareholder Value und den Einfluss
von F&C auf die Entscheidung des Unternehmens zu dokumentieren. 2005
konnten insgesamt 257 Meilensteine verzeichnet werden. Im Vorjahr
waren es lediglich 93 Unternehmen, bei denen Resultate verbucht werden
konnten.
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Als Beispiel kann die HSBC Bank aus dem Portfolio des
Aberdeen-Pensionsfonds angeführt werden, die aufgrund der Anregungen
ihr ökologisches Risikomanagement umfassend verbessert hat. Hierzu
zählt beispielsweise die Einführung eines Maßstabs sozialer und
umwelttechnischer Belange bei der Projektfinanzierung in der
Industrie, der so genannten "Equator Principles".
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Die Kunden werden quartalsweise in detaillierten Auswertungen über die
Ergebnisse der Engagement-Aktivitäten unterrichtet. Die Stadt Aberdeen
schätzt diese Transparenz und sieht dies als elementaren Bestandteil
in der Vermögensverwaltung des Pensionsfonds an. So können die
Mitglieder der Pensionspläne im Detail ersehen, was der REO-Ansatz für
sie leistet. Die Tatsache, dass der Pensionsfonds Risiken aus den
Bereichen Corporate Governance, Ethik, Umwelt und Soziales proaktiv
adressiert, wird von den Mitgliedern ebenfalls positiv aufgenommen.
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SRI- und Corporate-Governance-Richtlinien werden sich in Zukunft
weiter etablieren und eingehalten werden. Dafür werden nicht zuletzt
rechtliche Rahmenbedingungen sorgen. Institutionelle Kunden erkennen
zunehmend, dass die Berücksichtigung von nachhaltigen Kriterien sich
langfristig positiv auf die Wertentwicklung auswirken kann, wie
Marktstudien empirisch belegen. "Eine gute Corporate Governance
beschert Unternehmen auch eine gute Entwicklung des Aktienkurses",
äußerte sich im Frühjahr der Chief Executive des Indexanbieters FTSE,
in einem Interview. "Mittlerweile hat sich die Erkenntnis
durchgesetzt, dass eine schlechte Corporate Governance zu einem
geringeren Unternehmenswert führt"
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Kombination aus Screeningmodell und Engagement-Ansatz
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Über den Engagement-Ansatz wird zusätzlich auf eine nachhaltige
Verbesserung hinsichtlich ethischer, sozialer oder ökologischer
Risiken bei den Unternehmen hingewirkt. Beim Screeningmodell ist dies
nicht möglich, da der aktive Dialog mit den Unternehmen fehlt. Jedoch
können Investoren durch individuelle ethische Präferenzen,
beispielsweise durch den Ausschluss von Tabak- oder Rüstungsindustrie,
ihre Anlageentscheidungen treffen. Möglich ist auch eine Kombination
aus Screeningmodell und Engagement-Ansatz. Die Pensionseinrichtung von
PGGM in den Niederlanden filtert nach Ausschlusskriterien - Aktien aus
der Rüstungsindustrie fallen durch das SRI-Raster - widmet sich aber
besonders auch dem aktiven Dialog.
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Unternehmen nachhaltig von innen heraus zu verbessern und nicht zu
ignorieren, ist das langfristige Ziel - nicht nur zum Nutzen
institutioneller Investoren und deren Kunden, sondern auch für die
nachhaltige Entwicklung von Umwelt und Gesellschaft.

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