Gespräch des Tages

Spanien - Hauch von Euro-Feindschaft

Ob es wohl an der natürlichen Rivalität auf dem Fußballfeld lag, dass Spanien in der letzten Woche vor Beginn der Europameisterschaft in den deutschen Medien so kritisch gesehen wurde? Die Zuspitzung der Stimmung an den Kapitalmärkten mit spürbar verschärften Konditionen für die Kapitalbeschaffung des spanischen Staates auf Seite 1 einer Wirtschaftszeitung als "Offenbarungseid" zu betiteln und in vielen anderen Medien mit ähnlich abweisenden Kommentaren zu belegen, trägt mindestens ebenso stark zur Verunsicherung der Märkte bei wie die aktionistischen Vorschläge von der Bankenunion oder die einseitig nützlichen Ratschläge aus London und Washington. Zwar hat die spanische Regierung einräumen müssen, sich an den Kapitalmärkten nur noch zu enorm belastenden Konditionen neues Geld beschaffen zu können. Und man muss auch nicht über die letztlich dem Platzen der Immobilienblase geschuldeten Eigenkapitalprobleme gewisser Teile der spanischen Bankenlandschaft und über die strukturellen Defizite der spanischen Wirtschaft mit ihrer enormen Jugendarbeitslosigkeit debattieren. Aber mit seiner Verschuldungsquote von 68,5 Prozent hat das Land - trotz deren vergleichsweise schnellem Anstieg - etwas vorzuweisen, das viele Kritiker in ihren Ländern erst mal wieder erreichen müssen.

Insofern hat am zweiten Juni-Wochenende das Krisenmanagement der europäischen Finanzminister und die Einsicht der spanischen Regierung, die Möglichkeiten des EFSF in Anspruch zu nehmen, durchaus funktioniert. Es wäre nur schön gewesen, wenn sich die differenzierte Sichtweise der Politiker, die dem Problem der Kapitalisierung der spanischen Banken mit einem individuellen Hilfspaket und den einschlägigen Auflagen für Beihilfen an die dortigen Banken begegnet sind, auch im Vorfeld schon in der öffentlichen Betrachtung widergespiegelt hätte. Was für Spanien als individuelle Hilfestellung richtig gewesen sein mag, kann freilich im Falle Italiens mit einer Staatsverschuldung von 120,1 Prozent nicht angewendet werden.

Hoffentlich spitzt sich die Lage nicht schon im Verlauf der emotionsgeladenen Fußball-Europameisterschaft noch einmal zu. Frühestens im Halbfinale, also Mitte der letzten Juniwoche, kann die deutsche Fußballnationalmannschaft übrigens auf Italien oder Spanien treffen. Aber bis diese Begegnung ansteht, könnte nach der neuerlichen Parlamentswahl leicht schon wieder Griechenland das dringlichere Thema von Politik und Medien sein.

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