Gespräch des Tages

Sparkassenorganisation - Interessenausgleich in NRW?

Dass sich manche Personalentscheidungen und damit verbunden strategische Weichenstellungen ganz anders entwickeln als das in der Übergangszeit von der Nominierung bis zum Amtsantritt den Anschein hat, lässt sich einmal mehr an dem seit Beginn dieses Jahres fungierenden Präsidenten des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes (RSGV) aufzeigen. Hatte man Michael Breuer angesichts dessen politischer Vorgeschichte als Landtagsabgeordneter sowie als Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Regierung seines Parteifreundes Jürgen Rüttgers von vornherein eine regierungsfreundliche Linie im Umgang mit der Landespolitik unterstellt, so erweist sich diese Vermutung als korrekturbedürftig. Die Interessenvertretung der nordrhein-westfälischen Sparkassenangelegenheiten liegt jedenfalls keineswegs mehr oder weniger allein bei den westfälisch-lippischen Sparkassen unter ihrem Präsidenten Rolf Gerlach.

Was sich gegen Ende der Amtszeit von Breuers Vorgänger Karlheinz Bentele schon angedeutet hatte, setzt sich vielmehr sehr zum Erstaunen mancher Beobachter unter dem neuen RSGV-Präsidenten fort. Im Zuge der Diskussionen um das neue Sparkassengesetz wie auch in der Prüfung und Beurteilung der Optionen für die Risikoabschirmung und die strategische Neuausrichtung der WestLB sind die beiden großen Sparkassenverbände in NRW in vielen wichtigen Sachfragen erstaunlich eng zusammengerückt. Und je mehr die WestLB in die Schlagzeilen geraten ist und sich die Linie der Düsseldorfer Landesregierung in der Landesbankenkonsolidierung als Sackgasse und Fehleinschätzung erwies, umso stärker konnte sich die Sparkassenbasis des ganzen Bundeslandes nach außen als überraschend geschlossene Einheit bei der Abarbeitung der anstehenden Aufgaben präsentieren. Das reicht bis hin zu den Eindrücken bei den Pressegesprächen. War es in den vergangenen Jahren immer mal wieder sinnvoll, sowohl die Jahresberichterstattung des RSGV als auch des WLSGV zu besuchen, um mehr oder gravierende Interessenunterschiede zwischen dem von vergleichsweise wenigen Großsparkassen geprägten Rheinland (insgesamt 34 Institute mit zusammen knapp 158 Milliarden Euro Bilanzsumme) und dem eher kleinteilig aufgestellten Verband in Westfalen-Lippe auszuloten (insgesamt 76 Institute mit einer Bilanzsumme von gut 110 Milliarden Euro), so gab es diesmal hier wie dort eigene Akzente, aber keine hörbaren Disonanzen.

Es ist zwar gewiss nur eine Beobachtung am Rande. Aber die Konvergenz zwischen den beiden großen Sparkassenverbänden in NRW reichte in diesem Jahr bis zum organisatorischen Ablauf der Pressegespräche (jeweils dienstagabends, zunächst mit ausführlichen Stellungnahmen offensiver und selbstbewusster Präsidenten sowie der anschließenden Möglichkeit zur Abrundung der Lagebeurteilung durch Hintergrundgespräche). Wie immer sich das Verhältnis der beiden S-Verbände im Zuge der landespolitisch gewollten Fusion in den kommenden Monaten auch entwickeln wird, gibt es eindeutige Signale und Willensbekundungen aus Düsseldorf und Münster, die eigenen Angelegenheiten doch bitteschön in der eigenen Organisation zu regeln und keine landespolitischen Vorgaben geschweige denn Weisungen zu benötigen. Anders als es im Verlauf des zweiten Halbjahres 2007 zeitweilig den Anschein hatte, ist jedenfalls die Landespolitik aus den Positionierungsübungen der WestLB eindeutig geschwächt und die der Sparkassenbasis sichtbar gestärkt hervorgegangen.

Das neue Selbstbewusstsein dokumentiert sich bis in die jüngsten Tage hinein auch in den Personalentscheidungen für die WestLB. Insbesondere mit der Bestellung gleich zweier namhafter stellvertretender Vorstandsvorsitzenden demonstriert Michael Breuer, dass er und die Sparkassenorganisation NRW trotz des erklärten Restrukturierungskurses und der Abkehr von einer Stand-Alone-Lösung für die WestLB soweit wie möglich eine gestaltende Rolle einnehmen wollen. Das beginnt mit vier klaren Vorstellungen zum Sparkassengesetz in NRW: Die Sparkassen lehnen eine Vertikalisierung ab, und sie wollen nicht in der Bilanz von Kommunen auftauchen. Stammkapital passt aus ihrer Sicht nicht zu öffent-lich-rechtlichen Instituten. Und RSGV wie WLSGV wenden sich gegen eine Verbändefusion per Gesetz. Klare Ansagen gibt es darüber hinaus für den Handlungsbedarf auf Sparkassenseite bei der strategischen Aufstellung und der Marktbearbeitung im Altersvorsorgegeschäft und beim Internetvertrieb. Unschwere Prognose: Die Sparkassenorganisation in NRW wird ihre Interessenlage innerhalb der bundesweiten Gruppe auch künftig deutlich artikulieren.

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