Gespräch des Tages

Stresstest - Zweifelhafter Arbeitsnachweis

Wie ernst kann man eine Untersuchung über die zukünftige Risikotragfähigkeit von Banken nehmen, die eine Umschuldung Griechenlands und anderer europäischer Problemländer weitestgehend ausklammert? Nicht allzu ernst! Das ist spätestens klar, seitdem kurz nach Veröffentlichung der Ergebnisse des EU-weiten Bankenstresstests durch die europäische Aufsichtsbehörde EBA die Staats- und Regierungschefs ein weiteres Hilfspaket für die Hellenen mit einem kräftigen Schuldenschnitt beschlossen haben. Natürlich kann man über die zugrundeliegenden Annahmen eines solchen Verfahrens, bei dem die Überlebensfähigkeit bei Eintreten extremer Schocks gemessen werden soll, immer streiten und natürlich kann man es niemals allen recht machen. Doch ist die Annahme eines Konjunktureinbruchs in Deutschland von mehr als vier Prozent verbunden mit einer flachen Zinskurve aufgrund eines kräftigen Zinsanstiegs wirklich sinnvoller, als eine stärkere Berücksichtigung der Souvereign-Risks in den europäischen Peripherie-Staaten? Die Märkte haben hier so ihre eigene Meinung. Nach Bekanntgabe der Stresstest-Ergebnisse, bei dem acht Banken - darunter keine aus Deutschland - durchfielen, sank der Banken-Stoxx leicht. Anders die Reaktionen nach dem zweiten Rettungspaket für Griechenland. Der Bankenindex Griechenlands stieg bis zum Börsenschluss um fast acht Prozent, der Stoxx-Index aller europäischen Bankwerte legte um vier Prozent zu. In Deutschland gewannen die Papiere der Commerzbank an einem einzigen Nachmittag fast zehn Prozent an Wert, die Aktie des Branchenprimus Deutsche Bank legte um gut drei Prozent zu.

Warum also so ein Stress? Die deutsche Bankenaufsicht hält auch einen solchen Test dennoch für sinnvoll - selbst dann, wenn er betontermaßen keine neuen Eindrücke für die Aufseher generieren konnte. Denn echtem Erkenntnisgewinn steht gerade die Veröffentlichung der Ergebnisse im Wege, die als Arbeitsnachweis für die neugeschaffene Bankenaufsichtsbehörde EBA und die Beruhigung der verunsicherten Volksseele so bedeutsam zu sein scheint. "Stresstests sind ein sehr wichtiges Instrument für die Bankenaufsicht, nicht die Veröffentlichung der Ergebnisse", so Sabine Lauten-schläger-Peiter, Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank. Sie zieht aber dennoch auch positive Dinge heraus: Die nun vorhandene Transparenz habe eine neue Qualität und ermögliche sehr detaillierte Einblicke in die Risikopositionen der Banken für Investoren wie die interessierte Öffentlichkeit sowie die "charmante Möglichkeit" zur Bildung von Peer-Groups je nach Geschäftsfeldern über ganz Europa hinweg, was wiederum für die Beaufsichtigung von Nutzen sein kann. Das gilt auch bei allen Mängeln. Für einen solchen Test müssen irgendwann Stichtage gesetzt und Definitionen herangezogen werden, die nationale Besonderheiten oder Ähnliches nicht berücksichtigen können. Von daher ist die Vergleichbarkeit der Ergebnisse immer eingeschränkt.

Für die deutschen Banken wird nun trotzdem hoffentlich etwas Ruhe einkehren und vielleicht wird das Urteil manch internationaler Gremien künftig etwas milder und ausgewogener ausfallen, wenn sie sich zum Bankenplatz Deutschland äußern. Schließlich haben die Institute ihre Widerstandsfähigkeit einmal mehr unter Beweis gestellt und gezeigt, dass die Bemühungen zum Aufbau von Eigenkapital und der Reduktion von Risikoaktiva nicht nur nachhaltig vorangetrieben werden, sondern auch fruchten. Das gilt nach Aussagen der deutschen Aufsichtsbehörden auch oder gerade für die Hessische Landesbank Helaba, die aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über die Behandlung ihrer stillen Einlagen eine Veröffentlichung über die EBA kurzfristig zurückzog. Raimund Röseler, der neue und tüchtige Bankenaufsichtschef der BaFin, hätte es jedenfalls gerne gesehen, wenn die Helaba trotz der Streitigkeiten ihre Ergebnisse im offiziellen Rahmen und nicht separat veröffentlicht hätte. Denn schließlich könne anhand der vorliegenden Zahlen jeder sehen, dass die stillen Einlagen bereits in der Bank seien, der Beschluss zur Umwandlung in hartes Kernkapital getroffen sei und die Umsetzung nun rasch erfolgen werde. Die BaFin habe jedenfalls "keinen Anlass zu Zweifeln".

Zweifel bleiben dagegen an der EBA und ihren Tests. Erst recht, wenn man überlegt, dass Institute einfach zurückziehen und sich nicht überprüfen lassen können. Schöne Aufsichten sind das.

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