Frage an ...

... Thomas Richter - "(Wozu) Braucht die deutsche Fondsbranche die Standorte Luxemburg und Irland (noch)?"

Um es vorwegzunehmen: Ja, wir brauchen sie noch. Die Werkbank der deutschen Investmentfondsbranche geht über die Bundesgrenzen hinaus. Dies gilt insbesondere für Wertpapier-Publikumsfonds. Mit knapp 570 Milliarden Euro machen sie ein Drittel des verwalteten Vermögens der BVI-Mitglieder aus. Anfang der neunziger Jahre lag der Anteil von in Deutschland aufgelegten Wertpapierfonds noch bei rund 90 Prozent. Zehn Jahre später waren es zwei Drittel. Heute stammen fast die Hälfte der Assets der in Deutschland verkauften Wertpapierfonds aus Luxemburg und sieben Prozent aus Irland.

Wettbewerbsdruck dramatisch erhöht

Was sind die Ursachen dieser Entwicklung? Die Harmonisierung des europäischen Regelwerkes für Investmentfonds hat den Wettbewerbsdruck dramatisch erhöht. Luxemburg stellte sich auf diese Entwicklung schnell ein. Dank einer fortschrittlichen, innovationsfreundlichen Gesetzgebung konnten dort Investmentfonds frühzeitig aufgelegt werden, die den Bedürfnissen der Anleger gerecht wurden und mit der Entwicklung der Wertpapiermärkte Schritt hielten. So wurden zum Beispiel Geldmarktfonds seit Ende der achtziger Jahre in Luxemburg zugelassen, in Deutschland erst Mitte der neunziger Jahre. Noch länger dauerte es bei Garantiefonds. Seit Anfang der neun ziger Jahre konnten in Luxemburg entsprechende Produkte mit garantierter Auszahlung aufgelegt werden. Hierzulande sind Garantiefonds erst seit wenigen Jahren rechtlich möglich; das deutsche Steuerrecht behindert ihre Auflegung bis heute. Auch bei Dachfonds wartete Deutschland zunächst die EU-Harmonisierung ab, bis es 1998 deren Auflage erlaubte.

Die Beispiele zeigen, dass der deutsche Gesetzgeber die hiesigen Anbieter lange Zeit in einem rigiden Korsett belassen hatte auch aus falsch verstandenen Anlegerschutzvorstellungen heraus. Der deutsche Anleger sollte "geschützt" werden vor den Möglichkeiten, die der Kapitalmarkt ihm bot.

Schnellere Genehmigung

Die Anleger wollten jedoch diese Art Schutz nicht und verlangten nach Produkten, die ihnen Sicherheit und Teilhabe an den Chancen der Wertpapiermärkte ermöglichten. Also stellten deutsche Fondsgesellschaften sie über Tochtergesellschaften in Luxemburg her und verkauften sie in Deutschland. Damit sicherten sich die Anleger die Vorzüge der Investmentfonds, das heißt Risikostreuung, staatliche Aufsicht und insolvenzgeschütztes Sondervermögen, und mussten nicht auf weniger regulierte Produkte ausweichen. Große ausländische, allen voran amerikanische Fondsgesellschaften konzentrierten ihre Produktpalette gleich auf Luxemburg, von wo aus sie diese dann nach ganz Europa vertreiben konnten. Hinzu kam, dass Luxemburg früh den Wert einer schnell handelnden, praxisnahen Aufsicht erkannt hatte. Während in Deutschland die Genehmigung eines komplexeren Publikumsfonds früher einige Monate dauern konnte, waren es in Luxemburg nur wenige Wochen.

Angesichts dieser Entwicklung ist zu hören, die Branche sei mit ihren Publikumsfonds nach Luxemburg abgewandert. Doch was heißt Abwanderung? Um etwaigen Missverständnissen klar entgegenzutreten: Die deutschen Kapitalanlagegesellschaften (KAG) haben zwar Luxemburg als Auflegungsstandort genutzt und werden dies auch weiterhin tun, sie haben aber nicht ihre Produktion dorthin verlegt. Denn Fondsmanagement, Produktentwicklung sowie Vertrieb, also der personalintensive Kern des Geschäftes einer KAG sind und waren größtenteils in Deutschland ansässig. Hinzu kommen zahlreiche Dienstleister, die eng mit der Investmentfondsbranche verknüpft sind, wie zum Beispiel Wirtschaftsprüfer, Anwälte, Agenturen und Vertriebe. Direkt bieten die Fondsgesellschaften rund 15000, indirekt 300000 bis 400000 Arbeitsplätze in Deutschland. Anders als in anderen Branchen hat nicht die Produktion das Land in Richtung anderer Standorte verlassen, und nur die Verwaltung ist in Deutschland geblieben. Es war eher umgekehrt; zumeist haben deutsche KAGs administrative Funktionen in Luxemburg aufgebaut.

Ein "Fondsmanagementstandort"

KAGs administrieren in Deutschland aufgelegte Wertpapier-Publikumsfonds mit einem Vermögen von knapp 250 Milliarden Euro. Die Anlageentscheidung verantworten sie hingegen für Wertpapier-Publikumsfonds - unabhängig vom Absatzmarkt - im Umfang von gut 470 Milliarden Euro. Deutschland ist somit ein "Fondsmanagementstandort". Aber nicht nur das das Wachstum der Master-KAGs unterstreicht das Potenzial als Auflagestandort. So werden die Bedürfnisse insbesondere kleinerer Fondsboutiquen aufgegriffen und entsprechende Investmentfonds für Vermögensverwalter in Deutschland aufgelegt.

Erweitert man den Blickwinkel auf die 44 Offenen Immobilien-Publikumsfonds mit 85 Milliarden Euro sowie das institutionelle Geschäft in Form der knapp 3900 Spezialfonds mit über 800 Milliarden Euro, so wird deutlich, dass hierzulande "typisch deutsche" Produkte mit enormer Bedeutung für den Standort existieren. Diese Produkte - allen voran die Spezialfonds dürfen daher durch anstehende Regulierungen wie die Umsetzung der AIFM-Richtlinie nicht gefährdet werden. Die Politik darf auch steuerliche Aspekte nicht aus dem Auge verlieren. Luxemburg hätte ohne die Einführung der Zinsabschlagsteuer in Deutschland im Jahre 1993 und entsprechende Vorzüge für ausländische thesaurierende Rentenfonds nicht seine heutige Bedeutung erlangt.

Bisweilen Überregulierung

In den vergangenen Jahren sind auch wieder deutlich mehr Wertpapier-Publikumsfonds in Deutschland aufgelegt worden, denn der deutsche Gesetzgeber hat die Rahmenbedingungen für Investmentfonds im Zuge der Finanzmarktförderungsgesetze 1998 und 2002 schrittweise verbessert. Auch das Anfang 2004 in Kraft getretene Investmentmodernisierungsgesetz sowie das Investmentänderungsgesetz im Jahr 2007 zielten darauf ab, den Auflagestandort Deutschland attraktiver zu gestalten mit Erfolg. Dank der gesetzlichen Neuerungen und einer effizienten, unbürokratischen Aufsichtspraxis der BaFin mit deutlich beschleunigten Genehmigungsprozessen entsteht heute fast jeder zweite neue Wertpapierfonds in Deutschland.

Wenn die regulatorischen Rahmenbedingungen des Fondsstandorts Deutschland nun wettbewerbsfähig sind, brauchen wir dann noch Luxemburg?

Bei allen Fortschritten hierzulande ist Luxemburg als Teil der Werkbank für den hiesigen Absatzmarkt längst etabliert. Die KAGs haben dort eingespielte Prozesse für die Auflage ihrer Produkte geschaffen. Insgesamt werden in Luxemburg aufgelegte Produkte in 58 Ländern verkauft. Und Luxemburg arbeitet weiter daran, seine komparativen Vorteile als "Auflageland" beizubehalten. Unter dem Vorsitz von Finanzminister Luc Frieden ist das Großherzogtum zum Beispiel eine öffentlich-private Partnerschaft mit der Luxemburger Vereinigung der Finanzindustrie namens "Luxembourg for Finance" eingegangen, um das Image des Finanzstandorts zu fördern.

Und was macht Deutschland? Der deutsche Gesetzgeber hat mit fachkundiger Unterstützung des Bundesministeriums der Finanzen den hiesigen Fondsstandort in den vergangenen Jahren wettbewerbsfähig gemacht. Doch droht das Pendel politisch zurück in die andere Richtung zu schlagen. Nach Liberalisierung und Modernisierung heißt es nun Deliberalisierung und bisweilen Überregulierung. Um dem entgegenzuwirken, wäre eine funktionierende Finanzplatzinitiative hilfreich.

Seit der Finanzkrise wird Finanzdienstleistern Misstrauen entgegengebracht. Auch Investmentfonds, die weder für die Ursachen der weltweiten Krise verantwortlich sind noch ihren Anlegern Totalverluste in Form von Insolvenzen des Anbieters beschert und schon gar keine staatlichen Hilfen erhalten haben. Dabei ist der Investmentfonds bereits heute das transparenteste und am intensivsten regulierte Finanzprodukt. Das ist gut so, denn der hohe Regulierungs- und Aufsichtsmaßstab grenzt unsere Investmentvermögen klar von anderen Anlageprodukten ab. Als Asset Manager sind wir Treuhänder unserer Anleger. Daher entwickelt die Branche den Anlegerschutz stetig weiter. Neben Wohlverhaltensrichtlinien und Leitbild sei hier auch die in Gründung befindliche Ombudsstelle genannt.

Nachholbedarf bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge

Deutschland ist aufgrund seiner Bevölkerungszahl, der hohen Sparquote und des enormen Nachholbedarfs bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge ein sehr attraktiver Markt für Investmentfonds. Alle Prognosen gehen von weiter hohen Wachstumsraten aus. Dagegen ist unklar, in welchem Umfang die Bundesrepublik als Investmentstandort von diesem Wachstum profitieren wird. Entscheidend wird sein, dass Regulierungen mit Augenmaß vorgenommen und Kosten- und Nutzenüberlegungen sowie die wettbewerbspolitische Dimension innerhalb Europas nicht ausgeblendet werden. Nicht nur die Anbieter stehen dabei im Wettbewerb, sondern auch die Finanzstandorte und damit letztlich deren Regulatoren.

Es ist nicht ersichtlich, dass der deutsche Gesetzgeber den eingeschlagenen positiven Kurs der vergangenen Jahre ändert. Insbesondere die große Bedeutung der Investmentfonds für die Altersvorsorge ist ein überzeugendes Argument für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen des deutschen Fondsstandorts. Der Wettbewerb mit Standorten wie Luxemburg und Irland kann seiner Weiterentwicklung dabei nur dienlich sein.

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