Aufsätze

Verschärfte Bankenregulierung und die Konsequenzen für regional tätige Sparkassen

Das Prinzip ist einfach und erschließt sich nicht nur Experten: Eine faire und dauerhaft konzipierte Versicherung setzt voraus, die Risiken klar zu definieren und den unterschiedlichen Risikoträgern so individuell wie möglich zuzuordnen. Es ist sogar für Laien nachvollziehbar, dass ein gesunder 30-Jähriger für eine Krankenversicherung ein geringeres Risiko darstellt als ein 80-Jähriger. Und in Regionen mit besonders hohen Unfallzahlen wird die Prämie für die Kfz-Haftpflicht höher ausfallen, als in Gegenden mit weniger Schadenfällen. Werden hingegen alle über einen Kamm geschoren, entsteht der sogenannte Moral-Hazard-Effekt. Menschen oder Unternehmen sind geneigt, höhere Risiken einzugehen, wenn sie sich weitgehend und unabhängig von der eigenen Risikobereitschaft abgesichert fühlen.

Differenzierte Betrachtung erwünscht

Auch die notwendigen Konsequenzen aus der Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 erfordern eine differenzierte Betrachtung der recht facettenreichen Risikostruktur innerhalb der Finanzbranche. Sicher kommt es nicht von ungefähr, dass viele Kunden in schwierigen Zeiten vor allem den Sparkassen und Genossenschaftsbanken vertrauen. Die sprichwörtliche Kundennähe, die lokale Verankerung der Institute und die optimale Absicherung der Spareinlagen bilden solide Grundlagen für dieses Vertrauen. Dank der Institutshaftung mussten sich Kunden der Sparkassen noch nie um ihre Einlagen sorgen, geschweige denn haben sie jemals auch nur eine D-Mark oder einen Euro verloren. Gleiches gilt für die Genossenschaftsbanken.

Es hätte also Sinn gemacht, bei der Umsetzung einer verschärften Bankenregulierung, die als Prophylaxe gegen ähnlich gravierende Krisen im Grundsatz natürlich von den Sparkassen begrüßt wird, an Bewährtem festzuhalten und dort den regulatorischen Hebel anzusetzen, wo tatsächlich systemrelevante Bankenrisiken bestehen.

In Sippen-Haftung

Die Sparkassen haben die Finanzkrise nicht verursacht. In dieser Hinsicht besteht weitreichender Konsens von den Aufsichtsbehörden über die Politik bis zu den vielen Millionen Kunden dieser Institute. Gleichwohl werden sie mit in (Sip-pen-)Haftung genommen. Dies zeigt sich in vielerlei Hinsicht, exemplarisch seien an dieser Stelle die Neuregelung der Einlagensicherung, die Bankenabgabe und Basel III genannt.

Wie erwähnt, hat sich die Institutshaftung der Sparkassen über Jahrzehnte hinweg bewährt. Das wird nicht zuletzt von den Kunden wahrgenommen und geschätzt. Selbst in stürmischen Zeiten konnte und kann man auf seine Einlagen bei den Sparkassen zählen. Zum 1. Januar 2011 trat auf Initiative der Europäischen Union eine Neuregelung der Einlagensicherung in Kraft. Seither gilt eine Obergrenze von 100000 Euro pro Kunde. Im Insolvenzfall einer Bank soll der Kontoinhaber innerhalb von 20 Tagen sein Geld erhalten. Was die Höhe der Einlagensicherung angeht, bedeutet dies für deutsche Kunden eine Verschlechterung gegenüber der bisherigen Regelung.

Mithaftung für systemrelevante Risiken

Kunden von Sparkassen und Genossenschaftsbanken können darauf vertrauen, dass ihre Einlagen praktisch in vollem Umfang abgesichert sind. Zudem weist die Institutshaftung einen weiteren nicht zu unterschätzenden Vorteil auf. Sollte eine Sparkasse in Schwierigkeiten geraten, können die anderen Institute der Gruppe schnell handeln, sodass psychologische Kollateralschäden, wie sie nach dem medienwirksamen Zusammenbruch einer Bank nahezu unvermeidbar sind, verhindert werden.

Das aus eigener Finanzkraft getragene Sicherungssystem der Sparkassen findet sich im Rahmen der neuen Anforderungen nicht wieder. Zwar hat die Europäische Union die Sparkassen von der Neuregulierung der Einlagensicherung ausgenommen, jedoch ist auf nationaler Ebene bislang nicht absehbar, ob auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken in das Sicherungssystem einzahlen müssen. Sollte dies der Fall sein, würden die Sparkassen Jahr für Jahr mit erheblichen Summen belastet.

Alle über einen Kamm - diese Devise lag wohl der Einführung der Bankenabgabe zugrunde. Mit ihr übernehmen die Institute die Kosten des systemischen Risikos des Kredit- und Handelsgeschäfts. Die Mittel sollen in einen Stabilisierungsfonds fließen, der bei künftigen Bankenkrisen einspringen wird - so weit, so logisch. Nun stimmte der Deutsche Bundestag im vergangenen November aber einer Bankenabgabe zu, die für alle Institute gilt.

Höhere Risiken zulasten der Primären

Das heißt: Auch die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken zahlen in den Krisenfonds, obwohl deren systemisches Risiko anerkanntermaßen gering ist. Die Bankenabgabe entfernt sich daher vom an und für sich wünschenswerten Verursacherprinzip und gleicht einem teuren Umlageverfahren. Mit anderen Worten: Banken mit systemischen Risiken können somit teilweise zulasten der Sparkassen höhere Risiken eingehen, um entsprechende Erträge zu erzielen.

Die Sparkassen leisten mit ihren Abgaben gezwungenermaßen dem eingangs beschriebenen Moral-Hazard-Prinzip Vorschub. Ausgerechnet Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die sich dank ihres spezifischen Geschäftsmodells in der Krise als stabil erwiesen haben, müssen sich nun am Krisenfonds beteiligen. Zwar führen Investmentbanken mit riskanten Geschäften einen höheren Beitrag ab, das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Sparkassen mit ihren Zahlungen in den Fonds gegebenenfalls für systemrelevante Bankenrisiken haften müssen, die sie gar nicht zu vertreten haben.

Belastung für das Kreditgeschäft

Überdies birgt die Bemessungsgrundlage für die Bankenabgabe potenzielle Nachteile für Sparkassen und genossenschaftliche Geldinstitute. Die Höhe orientiert sich an den Passiva der jeweiligen Bank, abzüglich Eigenkapital und Kundeneinlagen. Bis zehn Milliarden Euro zahlt das Institut jährlich 0,02 Prozent in den Krisenfonds, von zehn bis 100 Milliarden Euro müssen 0,03 Prozent abgeführt werden, bei mehr als 100 Milliarden Euro steigt die Abgabe auf 0,04 Prozent. Insgesamt darf die Abgabe 15 Prozent des Jahresgewinns nicht übersteigen. Der Bundesfinanzminister beziffert das Aufkommen aus der Bankenabgabe auf rund 1,2 Milliarden Euro per annum.

Es liegt in der Logik dieser Bemessungssystematik, dass Banken mit eingeschränktem Kreditgeschäft auch eine niedrigere Abgabe zu entrichten haben. So könnten im Extremfall zum Beispiel passivlastige Direktbanken eine geringere Abgabe zahlen als die Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit ihrem traditionellen Mittelstandsgeschäft. Ein solcher Effekt wäre kontraproduktiv und kaum vermittelbar. Wenn zuvor wortreich über eine sogenannte Kreditklemme - die es in dieser Form zumindest aus Sicht der Sparkassen nicht gegeben hat - geklagt wurde, ist es nicht nachvollziehbar, dass über die Bankenabgabe nun das mittelständische Kreditgeschäft tendenziell Nachteile für das Geldinstitut bergen soll.

Schließlich wird durch die Bankenabgabe ein erhöhter Anreiz geschaffen, bestimmte Positionen aus der Bilanz zu nehmen und zum Beispiel zu verbriefen. Denn dadurch sinkt die Bemessungsgrundlage.

Bankenabgabe als Bestandteil der Kalkulation

Die Sparkassen im Allgemeinen und die Nassauische Sparkasse im Besonderen werten eine angemessene Beteiligung der Geldinstitute an künftigen Risiken grundsätzlich zwar positiv - gerade vor dem Hintergrund der umfassenden staatlichen Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise. Gleichwohl wäre es schlüssig und gerecht, wenn eben jene Institute vorsorgten, die entsprechende Risiken in sich tragen.

Nun aber, da die Bankenabgabe in der skizzierten Form auf den Weg gebracht wurde, haben sich alle Banken und Sparkassen in Deutschland dieser Herausforderung zu stellen. Wie vermutlich alle anderen Institute wird die Nassauische Sparkasse die Bankenabgabe zum Bestandteil ihrer Kalkulation machen. Salopp ausgedrückt: Die Sparkasse muss die Bankenabgabe schlicht hinzuverdienen.

Schließlich überzeugt auch Basel III nicht eben durch ein hohes Maß an Differenzierung. Nach Lage der Dinge wird in diesem Zusammenhang letztlich wohl nicht nach den spezifischen Risiken der Kreditinstitute unterschieden, die sich aus deren Größe und der Art der Geschäfte ergeben. Beim Aufbau von Eigenkapital für Sparkassen besteht grundsätzlich das Problem, dass Zuführungen zum Kernkapital nur durch Gewinnthesaurierung oder Stille Einlagen realisiert werden können. Im Unterschied dazu haben Großbanken die Möglichkeit, sich am Kapitalmarkt mit frischem Geld zu versorgen und somit ihr Eigenkapital entsprechend den Basel-III-Kriterien auszubauen.

"Unverhältnismäßig"

Schon aus historischen Gründen nimmt sich die Eigenkapitaldecke der Sparkassen vergleichsweise dünn aus. Schließlich war die Zahlungsfähigkeit dieser Institute früher stets durch die kommunalen Träger gewährleistet. Bekanntlich wurde diese Gewährträgerhaftung zum 18. Juli 2005 abgeschafft. Seither sind die Sparkassen auf sich gestellt. Schon die zurückliegenden Basel-Vorgaben erwiesen sich für viele Sparkassen als Herausforderung, doch haben sie es letztlich geschafft diese Hürden zu nehmen. Heute stehen sie auf einer guten Basis, um auch die künftigen Anforderungen zu bewältigen.

Insgesamt nehmen sich die verschärften Bankenregulierungen aus Sicht der Sparkassen unverhältnismäßig aus. In ihnen spiegeln sich die Lehren aus der Finanzkrise nur sehr eingeschränkt wider. Indessen müssen sich die Sparkassen diesen neuen Herausforderungen stellen und in einem schwieriger gewordenen Umfeld erfolgreich agieren. Dazu zählt nicht zuletzt das hohe Maß an Vertrauen, das die Kunden während der Finanzkrise ihren Sparkassen entgegenbrachten zu festigen und weiter auszubauen.

Vertrauen entscheidet

So wichtig schärfere Regulierungen zur Krisenprävention sein mögen, mehr noch als gesetzliche Auflagen und Abgaben entscheidet das Vertrauen über die Stabilität des Finanzsystems. Das aber lässt sich nicht in Paragrafen fassen oder mit Hilfe von EU-Richtlinien herstellen. Es ist eine Frage der sehr persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen der Kunden.

Abschließend sei die Feststellung erlaubt: Ohne Sparkassen und Genossenschaftsbanken wäre der Vertrauensschwund der Verbraucher in ihre Geldinstitute in den Monaten der Finanzkrise vermutlich markanter ausgefallen.

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