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Versorgungsauftrag und Erträge

In der marktwirtschaftlichen Ordnung greift der Staat in vielfacher Weise in das Marktgeschehen und damit direkt oder indirekt in den Wettbewerb ein. Dauerhaft ist dies geboten, wenn Marktversagen verhindert werden soll, temporär, wenn - wie aktuell - Krisen abgemildert werden sollen. Will man in Deutschland an dem Grundsatz der einheitlichen Lebensverhältnisse angesichts der unterschiedlichen Wirkungen der demografischen Entwicklung auf die Regionen auch nur annähernd festhalten, muss sich die Regionalpolitik der Bedeutung des hiesigen Drei-Säulen-Bankensystems, das lange Zeit sehr umstritten war, vergewissern.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Beziehungen zwischen der Ausgestaltung eines Bankensystem einerseits und der regionalen Entwicklung andererseits ließ lange auf sich warten. Insbesondere ist die Frage zu klären, ob und inwieweit die Versorgung von Finanzdienstleistungen in peripheren und/oder strukturschwachen Räumen gewährleistet werden kann und ob dies überhaupt vor dem Hintergrund alternativ möglicher effizienterer Ressourcenallokation gesamtwirtschaftlich sinnvoll ist. In den letzten Jahren aber wurden nun zu dem vernachlässigten Themenkomplex eine Reihe von Studien angefertigt (insbesondere Wengler, M. O. 2006; Piper, C. 2005; Schiele, M. 2008; Neuberger, D. und andere 2008).1)

Auch das Buch von Stefan Gärtner widmet sich dieser Thematik. Dabei stellt er die Frage in den Mittelpunkt, inwiefern Sparkassen die Rolle eines zentralen Akteurs zur Umsetzung einer von ihm vorgeschlagenen ausgewogenen Strukturpolitik zukommen kann. Unter "ausgewogener Strukturpolitik" versteht er eine auf Wachstum und Ausgleich setzende Strukturpolitik. Deren Leitbild folgend sollten nicht mehr alle Räume ökonomisch prioritär entwickelt werden. Eine Basisversorgung im Sinne öffentlicher Daseinsvorsorge (und zu ihr werden auch Bankdienstleistungen gezählt) und soweit beeinflussbar auch im Bereich ökonomischer Infrastrukturen, wäre allerdings flächendeckend aufrechtzuerhalten (Seite 284). Aufgrund ihrer kommunalen Bindung und ihres Besitzes an tiefen und vielfältigen regionalen Informationen kann gerade den Sparkassen bei der Bildung von Regionalinitiativen und Netzwerkbildung eine besondere Rolle zukommen.

Dass auch in Deutschland mit einer gut funktionierenden Volkswirtschaft die Existenz eines breiten öffentlich-rechtlichen Kreditinstitutssektors erforderlich sei, wird oft bestritten, wird aber von Gärtner mit Hilfe mikroökonomischer Jahresabschlussdaten sowie ihrer Verknüpfung mit regionalökonomischen Daten auf Kreistypenebene überzeugend und (anhand von Fallstudien) sehr anschaulich gezeigt. Seine Ergebnisse weisen nach, dass Sparkassen insbesondere wegen des Regionalprinzips und ihres öffentlichen Auftrags - sowohl in städtischen Agglomerationen, einschließlich der zum Teil mit erheblichen Entwicklungsdefiziten behafteten Stadtteile, in sehr peripheren Regionen und nicht zuletzt in strukturschwachen Räumen die kreditwirtschaftliche Versorgung sicherstellen.

Gerade strukturschwache Räume sehen sich aufgrund der demografischen Entwicklung, hervorgerufen durch Geburtenrückgang und Abwanderung, immer stärker dem Problem ausgesetzt, ihr Versorgungsleistungsniveau aufrechtzuerhalten. Die Analysen von Gärtner zur Ertragssituation der Sparkassen ergeben nun, dass diese in schwachen und peripheren Räumen genauso erfolgreich sein können, wie in wohlhabenden städtischen Räumen. Diese Erkenntnis ist von wesentlicher Bedeutung, denn wären Sparkassen in regionalen Krisenkreisläufen verhaftet, könnten sie in schwächeren Räumen weniger für die regionale Entwicklung tun. Langfristig würden sie dann sicherlich in ihrer Existenz bedroht sein.

Gärtner weist darauf hin, dass Sparkassen zwar die Möglichkeit haben, zum regionalen Wachstum und zum Ausgleich beizutragen, dies aber nicht bedeutet, dass jede Sparkasse dieser Aufgabe auch hinreichend nachkommt. So appelliert er an die Sparkassen, ihren regionalwirtschaftlichen Nutzen selbstbewusster zu kommunizieren und dabei eine dauerhafte Verpflichtung einzugehen, sich für den Standort zu engagieren. Insbesondere weist Gärtner zu Recht darauf hin, dass Sparkassen Konzepte entwickeln müssen, "die Antworten darauf finden, wie Institute in stark schrumpfenden Räumen, in denen ein bestimmtes Maß an wirtschaftlicher Aktivität und Bevölkerungsdichte unterschritten wird, ihren Versorgungsauftrag erfüllen, die regionale Entwicklung unterstützen und gleichzeitig dauerhaft ausreichende Erträge erwirtschaften können." (Seite 287). Die hierfür richtigen geschäftspolitischen Maßnahmen, die über das reine Absenken des Kostenniveaus hinausgehen, zu finden, wird die Aufgabe der Institute und ihres Verbandes in den nächsten Jahren sein.2)

Prof. Dr. Uwe Christians, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

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