Aufsätze

Kreditrisiko von Sparkassen in Abhängigkeit vom regionalen Standort und geschäftspolitischen Variablen

Ob globalisierte Finanzmärkte in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung die optimale Allokation von Kapital bedingen, ist gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzkrise fraglich. Effizienzgewinne, die eine global-räumliche Arbeitsteilung rechtfertigen, sind in der Finanzwirtschaft nur eingeschränkt zu erkennen. Räumliche Nähe und Kenntnis der lokalen Märkte scheinen sich auszuzahlen, was die Krisenfestigkeit deutscher Sparkassen und Genossenschaftsbanken demonstriert.1) Allerdings können regional begrenzte Bankenmärkte auch Nachteile aufweisen: Denn wenn eine Funktion globaler Finanzmärkte die Diversifizierung von Kreditrisiken ist, so ist es naheliegend, dass Banken mit geografisch begrenzten Märkten Gefahr laufen, dass ihre Kreditportfolios, mit der regionalen Wirtschaftsstruktur korrespondierend, relativ homogen zusammengesetzt sind, was zu einer zu starken Risikoklumpung führen kann.2)

Aufgrund der Abhängigkeit von nationalen oder regionalen Konjunkturzyklen besteht für regionalorientierte Banken das Risiko der Instabilität. Zentral ist auch die Gefahr, dass Finanzintermediäre in wirtschaftlich schwachen Regionen auf Dauer nur unzureichende Gewinne erwirtschaften können. Da gerade bei den Sparkassen und den Kreditgenossenschaften Eigenkapital überwiegend aus thesaurierten Gewinnen gebildet wird, wäre dies besonders im Hinblick auf die in Zukunft geltenden verschärften Eigenkapitalunterlegungsvorschriften (gemäß Basel III/ CRD IV) problematisch.3)

Der empirische Zusammenhang zwischen regionalökonomischer Situation der Geschäftsgebiete und dem betriebswirtschaftlichen Erfolg regionalorientierter Finanzintermediäre wurde bis heute nur selten betrachtet (Christians 2010; Gärtner 2008; Tischer 2011).4) Flächendeckend hat Gärtner (2008) für alle Kreise und kreisfreien Städte Deutschlands erstmals 2007 anhand der Sparkassen empirisch getestet, ob regionalorientierte Banken in schwachen Regionen erfolgreich sein können. Weitere Studien, wie die von Christians (2010)5) für die Genossenschaftsbanken und Sparkassen mit Fokus auf ostdeutsche Regionen und Conrad (2010)6) in Bezug auf Alterung und Abwanderung der Wohnbevölkerung, folgten.

Neues Forschungsfeld "Raum und Banken"

Anknüpfend an diese Arbeiten haben die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und das Institut Arbeit und Technik in Gelsenkirchen einen Datensatz erstellt, um eine Hypothesen generierende empirische Auswertung im Hinblick auf mögliche Einflussfaktoren auf die Kreditrisikoquoten und Kreditportfolios von regionalen Banken vornehmen zu können. Das Vorhaben soll eine Lücke in dem sehr neuen Forschungsfeld "Raum und Banken" schließen und helfen, die Ursachen für den Erfolg regionaler Banken zu verstehen. Da die demografische Entwicklung in vielen Regionen Deutschlands in den nächsten Jahrzehnten zu teilweise erheblichen Einbußen bei den Ertragspotenzialen führen kann,7) ist es zentral, zu erfahren, ob gerade diese Regionen einem überproportionalen Kreditrisiko ausgesetzt sind. Sollte dies der Fall sein, so wären die Rentabilitätsperspektiven für die in diesen Regionen ansässigen Banken prekär - mit den entsprechenden negativen Rückwirkungen auf die mittelständische Wirtschaft und Stabilität regionaler Banken.

Die zugrunde liegende Hypothese lautet, dass unter Berücksichtigung der aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen die Kreditrisikoquote (notleidende Kreditquote) von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Hierzu zählen neben den Managementeinflussgrößen, also der Qualität des Kreditrisikomanagements, der Strenge der Kreditprüfung durch die Festlegung eines hohen "Cut-off-point" ("Risikoappetit"), den vom Institut gewählten Zielkundengruppen sowie dem Grad an Branchendiversifikation, auch der regionalwirtschaftliche Kontext. Zum Letzteren würde beispielsweise die demografische Entwicklung, das Wachstum des regionalen BSP, die Insolvenzquote, die Bautätigkeit, die Wettbewerbsintensität, die Markteintritts- und -austrittsdynamik, die Arbeitslosenquote und nicht zuletzt das Einkommens- und Wohlstandsniveau und dessen Entwicklung zählen.

Gemäß § 125 SolvV gilt ein Schuldner als ausgefallen, wenn eines von zwei Ereignissen eingetreten ist. Der erste Teil der Ausfalldefinition umfasst Situationen, "in denen das Institut konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass der Schuldner seine Zahlungsverpflichtungen aus der Kreditgewährung nicht vollständig erfüllen kann, ohne dass es auf Maßnahmen wie die Verwertung von gegebenenfalls vorhandenen Sicherheiten zurückgreift. Hierbei reicht es aus, dass das Institut eine derartige Situation für 'wahrscheinlich' hält."9) Der zweite Teil der Ausfalldefinition ist eingetreten, wenn der Schuldner mit einem wesentlichen Teil seiner Gesamtschuld aus Kreditgewährung über mehr als 90 aufeinanderfolgende Kalendertage überfällig ist. Die Quote der notleidenden Kredite wird anhand der Division der Gesamtinanspruchnahme aus notleidenden Krediten und in Verzug geratenen Krediten (mit Wertberichtigungsbedarf) und des Volumens der Kredite, Zusagen und anderen nicht derivativen außerbilanziellen Aktiva10) errechnet.

In Abbildung 1 wird die Häufigkeitsverteilung der Quote der notleidenden Kredite gesamt für alle einbezogenen Sparkassen (n= 345), also alle Sparkassen, für die 2010er-Daten vorlagen und deren Bruttoforderungen von den Wertpapieren einwandfrei zu trennen waren, dargestellt. Bei einer Standardabweichung von 1,82 Prozent beträgt der Mittelwert 3,02 Prozent.

Um die Daten zur Erklärung der Kreditrisikoquote einer ersten Regionalbetrachtung zu unterziehen, wurden die Landkreise (im Sinne einer Clusterbildung) nach Ost- und Westdeutschland (OD/WD), nach Kreistypen und nach (Bevölkerungs-)Schrumpfungs- und Wachstumsregionen getrennt. Die politische Teilung Deutschlands löste im Osten des Landes tiefgehende Systembrüche aus. Nach der Wiedervereinigung wurden die Sparkassen der ehemaligen DDR aus der Staatsbank herausgelöst und mit Unterstützung der westdeutschen Sparkassen wieder in die bestehende Sparkassenorganisation eingegliedert. "Bis heute befinden sich die Geschäftsgebiete ostdeutscher Sparkassen überwiegend in strukturschwachen Regionen. Überdies gab es in Ostdeutschland in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine auch Sparkassen negativ tangierende Immobilienkrise."11) Auch zwanzig Jahre nach der Wende besitzen die ostdeutschen Sparkassen im Vergleich zu den westdeutschen Instituten im Durchschnitt eine stärkere Präsenz der Sparkassen in ihren Regionen. In diversen früheren Untersuchungen erbrachte im Übrigen eine getrennte Ost-West-Betrachtung zur Rentabilitäts- und Bilanzstrukturentwicklung der Regionalbanken einen erheblichen Erklärungswert. 12)

Ähnliche Einflüsse auf das Kreditrisiko wie bei der Unterscheidung nach den Bundesländergruppen OD und WD kann man vermuten, wenn der Standort - differenziert nach "Agglomeration" im Vergleich zur "ländlichen beziehungsweise verstädterten" Region - als Erklärungsfaktor herangezogen wird.13) Denn der Wettbewerb, die Marktanteilsverhältnisse, die Größenstrukturen und Produktivitätskennziffern sowie die Kundensolvabilität und das Kundenverhalten dürften in diesen Regionaltypen unterschiedlich sein, sodass schon aus dieser Grobeinteilung der Kreise erste Hinweise im Hinblick auf das Kreditrisiko der Sparkassen zu erwarten sind.

Neben der Differenzierung nach OD/WD und nach Kreistypen soll als dritte Clustergruppe die nach demografischen Gesichtspunkten gewählt werden.14) Dabei werden nur die westdeutschen Bundesländer betrachtet, weil die ostdeutschen Landkreise in ihrer Mehrzahl durch Schrumpfung geprägt sind. Die westdeutschen Landkreise werden unterteilt in solche, deren Bevölkerung zwischen 2000 und 2009 schrumpfte beziehungsweise wuchs.

Die Mittelwerte der Regionalcluster können aus Abbildung 2 entnommen werden. Signifikanztests zwischen den Sparkassen in OD und WD weisen hochsignifikante Unterschiede in den Mittelwerten zwischen beiden Regionen nach. Die Mittelwerte der Risikoquoten zwischen den Kreistypen in WD liegen dagegen nicht so weit auseinander. Im Hinblick auf die Unterscheidung nach schrumpfenden/ wachsenden Regionen in WD sind die Unterschiede im Mittelwert auf dem 99-Prozent-Niveau signifikant.

Auswertung der Teilkomponenten der Risikoquote

Das der Erklärung zugrundeliegende Modell basiert auf der Überlegung, dass sich das Kreditportfolio einer Regionalbank im Wesentlichen aus vier Segmenten zusammensetzt, die unterschiedliche Ausfallwahrscheinlichkeiten besitzen. Zieht man die vier Schuldnergruppen heran, nämlich Privatkunden, Firmenkunden, Kreditinstitute sowie die öffentliche Hand, so lässt sich die Quote der notleidenden Kredite, wie nachstehend abgebildet, aus der Multiplikation der notleidenden Kreditquote der jeweiligen Schuldnergruppen mit den jeweiligen Kreditportfolioanteilen der Gruppen am Gesamtkreditportfolio der Sparkasse ermitteln (siehe Beispiel in Tabelle 1).

Die Quote notleidender Kredite ist für Kreditinstitute ebenso wie für die öffentliche Hand (im Normalfall) Null. Die durchschnittliche Quote der notleidenden Kredite (PD) für Privatkunden (Nichtselbstständige und Selbstständige) beträgt 2,84 Prozent, die der Unternehmenskunden (Firmenkunden) 5,47 Prozent. Insgesamt beträgt die Quote notleidender Kredite (für n=29015)) 2,81 Prozent. Die über das Modell errechneten Werte weichen wegen Rundungsdifferenzen nur relativ wenig davon ab (2,84 Prozent). Der Privatkundenanteil an den Bruttoforderungen beträgt 56,6 Prozent, der entsprechende Unternehmenskundenanteil 22,6 Prozent. Der Anteil der risikoarmen Kundengruppen (KI und ÖH und andere) beläuft sich auf 20,9 Prozent.

Das Modell wurde leicht umformuliert: Anstatt die Anteile an Privat- und Firmenkunden getrennt zu behandeln, wurden nun zwei Kennzahlen gebildet: Zum einen der Anteil der Kredite an Privat- und Unternehmenskunden am gesamten Kreditportfolio und zum anderen das Verhältnis von Privatkundenkrediten zu Unternehmenskundenkrediten. Durch die zuerst genannte Größe wird der Anteil des Geschäfts mit generell zu erwartenden Kreditausfällen angezeigt. Die zuletzt genannte Kennzahl soll hingegen den Anteil des eher risikoärmeren Privatkundengeschäfts im Verhältnis zum eher risikoreicheren Unternehmenskundengeschäft widerspiegeln.

Die notleidende Kreditquote gesamt ("Risikoquote") setzt sich somit also aus vier Komponenten zusammen:

- Notleidende Kreditquote Privatkunden (Wirtschaftlich Unselbstständige und Selbstständige).

- Notleidende Kreditquote Unternehmen.

- Privat- und Unternehmenskredite im Verhältnis zum Gesamtbetrag Forderungen (= P+U/Buchkredite und Zusagen).

- Privatkunden- im Verhältnis zu den Unternehmenskundenkrediten (= P/U).

Mit Hilfe einer multivariaten Regressionsanalyse (n= 290) konnte nachgewiesen werden, dass die beiden Quoten a) der notleidenden Kredite des Privat- wie auch b) der notleidenden Kredite des Unternehmenskundengeschäfts einen etwa gleich großen Erklärungsbeitrag für die Erklärung der Risikoquote gesamt ("Notleid_Q_Ford") (Standardisiertes Beta: 0,64 und 0,59) liefern,16) während die beiden Kreditportfoliovariablen zwar jeweils ebenfalls einen Einfluss ausüben, dieser aber in beiden Fällen geringer war (Standardisiertes Beta: 0,23 und -0,11).17) Die Vorzeichen waren jeweils plausibel.

Die ostdeutschen Sparkassen wiesen - wie gezeigt - eine durchschnittlich signifikant höhere Gesamtrisikoquote auf als die westdeutschen Sparkassen. Das Gleiche gilt für die beiden Risikoquoten der Segmente Privatkunden (OD: 5,04 Prozent; WD: 2,6 Prozent) und Unternehmenskunden (OD: 7,86 Prozent; WD: 5,2 Prozent). Im Hinblick auf die Kreditportfoliovariablen ist festzustellen, dass die ostdeutschen Sparkassen einerseits deutlich signifikant geringere Anteile an Privat- und Firmenkrediten an den Buchkrediten aufweisen (65,8 Prozent zu 80,6 Prozent), gleichzeitig aber einen ähnlich hohen Anteil Privatkunden in Relation zu den Firmenkunden (284 Prozent zu 286 Prozent) besitzen (n: für OD= 29; WD= 260). Das bedeutet, dass die Sparkassen aus OD bei deutlich höheren Risikoquoten ihrer Kundengruppen ein konservativeres Kreditportfolio in Bezug auf den Anteil an Privat- und Firmenkrediten in Relation zu den Buchkrediten besitzen.

In der Abbildung 3 werden die Mittelwerte der Risikoquoten und Kreditportfoliovariablen in WD (n= 260) getrennt nach den Kreistypen betrachtet. Die höheren Werte bei den jeweiligen Kundengruppen-Risikoquoten sind bei den verstädterten/ ländlichen Kreisen (n= 146) gegenüber den Agglomerationen (n= 114) zu beobachten. Im Hinblick auf mögliche Unterschiede bei den Risikoquoten der Kundengruppen in WD fällt der signifikant größere Wert bei den Sparkassen der demografisch schrumpfenden Regionen (n= 139) im Privatkundensegment (3,02 Prozent zu 2,12 Prozent) und (schwach signifikant) im Unternehmenskundensegment (5,71 Prozent versus 4,64 Prozent) im Verhältnis zu den in den wachsenden Regionen (n= 120) auf. Die Kreditportfolios unterschieden sich zwischen den Sparkassen in schrumpfenden und wachsenden Regionen hingegen nicht signifikant.

Verknüpft man für die westdeutschen Bundesländer die beiden Clustervariablen Kreistyp_2 (verstädtert/ländlich versus agglomerativ) und Demografie (schrumpfend versus wachsend) so erkennt man: Die höchsten Quoten sowohl für Private als auch für Unternehmen wurden in den verstädtert/ländlichen Kreisen in den schrumpfenden Regionen (3,6 Prozent Private; 8,28 Prozent Unternehmen) gemessen. Die geringsten Quoten für beide Kundengruppen sind in den wachsenden Regionen der verstädterten/ländlichen Kreise (2,01 Prozent Private; 4,38 Prozent Unternehmen) zu beobachten.

Korrelationsanalyse

Bevor auf die multivariate Regression eingegangen wird, sollen die Korrelationen zwischen den Risikoquoten beziehungsweise den Kreditportfoliovariablen einerseits und ausgewählten Variablen der Bilanzstruktur sowie den externen Regionalvariablen Bevölkerungsentwicklung und verfügbares Einkommen pro Kopf dargestellt und analysiert werden. Die Analyse wird getrennt für alle Sparkassen sowie für die Agglomerationen und den verstädterten/ländlichen Regionen vorgenommen. Wie aus der Korrelationsmatrix in Tabelle 2 zu entnehmen ist, korreliert die Wachstumsrate der Bevölkerung (2000 bis 2009) signifikant negativ mit der Risikoquote gesamt (r=-,39**), wie auch mit den Risikoquoten der Kundengruppen Privatkunden (r=-,50**) und Unternehmenskunden (r=-,22**). Die Zusammenhänge zur Einkommenshöhe-Variablen sind, obwohl ebenfalls vom Vorzeichen her negativ, dagegen deutlich schwächer ausgeprägt.

Die Bevölkerungsrate (siehe Tabelle 3) weist einen gleichgerichteten signifikanten Zusammenhang zur Kreditportfoliovariablen P+U auf (r=,35**). Zur zweiten Kreditportfoliovariablen (P zu U) allerdings besteht keine messbare Beziehung (r=,04). Die Korrelationsmatrix gibt darüber hinaus auch Aufschluss über weitere Zusammenhänge zwischen den Geschäftsstrukturen der Sparkassen und den beiden Regionalvariablen.

Wie in Tabelle 3 dargestellt, besitzen die Sparkassen größere Anteile an Kundenforderungen, wenn sie in wachsenden Regionen beziehungsweise in "wohlhabenderen" Regionen ihr Geschäftsgebiet haben (r=,41**/,31**), während korrespondierend dazu ihr Einlagenüberhang (zur Bilanz summe) abnimmt (r=-,48**/-,36**). Sparkassen, die geringe Anteile an Privat- und Unternehmenskrediten beziehungsweise hohe Anteile an Kundenforderungen zur Bilanzsumme aufweisen, besitzen erwartungsgemäß ein konservativeres Risikoaktivaportfolio (gemessen an dem Anteil ausstehenden Forderungsbeträgen mit Risikogewichten kleiner/gleich 50 Prozent an der Gesamtsumme der ausstehenden Forderungsbeträge gemäß Standardansatz). Die nach diesem Indikator eingestuften konservativeren Sparkassen sind tendenziell in den schrumpfenden beziehungsweise einkommensschwächeren Regionen zu finden.

Sparkassen in wachsenden beziehungsweise "wohlhabenderen" Regionen weisen tendenziell auch höhere Anteile an grundpfandrechtlich gesicherten Krediten an den Kundenforderungen auf (r=,24**/,32**). Dort, wo der Anteil an Privat- und Unternehmenskrediten an den Buchkrediten beziehungsweise der Anteil der Privatkundenkredite im Verhältnis zu den Unternehmenskundenkredite hoch ist, ist auch tendenziell der Anteil an grundpfandrechtlich gesicherten Krediten hoch (r=,26** beziehungsweise r=,28**). Letzteres bedeutet, dass die Sparkassen mit größeren Anteilen an Privatkundenkrediten im Verhältnis zu den Unternehmenskrediten auch tendenziell größere Anteile an grundpfandrechtlich gesicherten Krediten aufweisen. Die herangezogene Wettbewerbsvariable "Sparkassenbeschäftigtenanteil im Geschäftsgebiet"18) (nicht in Tabelle dargestellt) zeigt negative Korrelationen zur Bevölkerungsentwicklungsvariablen (r=-,42**). Dies bedeutet, dass die Sparkassen dort tendenziell mit Beschäftigten (relativ zu den anderen Wettbewerbern Genossenschaftsbanken und restliche Banken) stärker vertreten sind, in denen die Bevölkerung weniger stark wächst beziehungsweise stärker zurückgeht. Die nächste Korrelationsmatrix (Tabelle 4) zeigt darüber hinaus hochsignifikante Werte zwischen der Wachstumsrate der Bevölkerung ebenso wie zwischen der Einkommensvariable und der Zinsertragsspanne im Kreditgeschäft (jeweils r=,30**). Sparkassen mit einem höheren Anteil an Kundenforderungen an der Bilanzsumme (r=,88**) beziehungsweise an Privat- und Unternehmenskrediten an den Kundenforderungen + Zusagen (r=,49**) erwirtschaften höhere Zinsertragsspannen im Kreditgeschäft.

Sparkassen mit einem ambitionierteren Kreditportfolio P+U und größeren Anteilen Kundenforderungen zur Bilanzsumme besitzen tendenziell eine bessere bilanzielle EK-Ausstattung (r=,30** beziehungsweise r=,22**).

Als Zwischenfazit ist zu sagen, dass Sparkassen, die in schrumpfenden Regionen ihr Geschäftsgebiet besitzen, nach der bivariaten Betrachtung tendenziell ein weniger risikobehaftetes Kreditportfolio P+U aufweisen, allerdings auch einen geringeren Anteil an grundpfandrechtlich gesicherten Krediten, gleichwohl höhere Kreditrisikoquoten gesamt sowie eine geringere Kreditzinsertragsspanne (jedoch eine höhere Zinsspanne und einen höheren Einlagenüberschuss) als solche, die in wachsenden Regionen ihr Geschäftsgebiet haben.

Im Hinblick auf die Zusammenhänge in den verstädterten/ländlichen Regionen zwischen der Bevölkerungsentwicklung einerseits und den Risikoquoten andererseits, ergeben sich zur oben gemachten Beobachtung keine wesentlichen Differenzen: Die Korrelationen sind jeweils stark negativ, das heißt Sparkassen in den verstädterten/ländlichen Regionen besitzen bei abnehmender Bevölkerung höhere Risikoquoten. Die Institute weisen in den schrumpfenden Regionen tendenziell geringere Anteile an P+U-Kundenkrediten (r=,45**) auf. Im Hinblick auf das Verfügbare Einkommen pro Kopf zeigen sich ähnlich hohe Korrelationen wie bei allen Sparkassen.

Dort wo die Sparkassen einen hohen Beschäftigungsanteil haben, also tendenziell in den von Bevölkerungsrückgängen stärker betroffenen Regionen (r=-,48**), und in den weniger wohlhabenden Gebieten (r= -,28**), haben sie von der Tendenz her höhere Risikoquoten, geringere Kredit-P+U-Anteile (r=-,26**), einen geringeren Kundenforderungsanteil an der Bilanz summe (r=-,25**) sowie einen geringeren Anteil grundpfandrechtlich gesicherter Kredite (r=-,19*). Sie sind mithin dort stärker im Kreditersatzgeschäft engagiert. Weiterhin fällt auf, dass die Beschäftigungsanteile (Wettbewerbsindikator) mit dem Spareinlagenanteil positiv korrelieren (r=,21*).

Abschließend werden die Agglomerationen betrachtet. Die signifikanten Beziehungen sind in den Agglomerationen erheblich weniger und dann auch schwächer als bei den verstädterten/ländlichen Kreisen. Auffällig ist aber wieder der Zusammenhang zwischen den Risikoquoten und der Bevölkerungswachstumsrate (negativ). In den wohlhabenderen Regionen haben die Sparkassen auch in den Agglomerationen einen größeren Privat- und Unternehmenskundenanteil als in den weniger wohlhabenderen Regionen (r=,24**).

Aus den bisherigen Analysen kann festgehalten werden, dass die Risikoquoten und die Kreditportfoliozusammensetzung univariat relativ stark mit regionalen Effekten (Demografie und Wohlstand), wenn auch zum Teil differenziert zwischen Agglomerationen und verstädterten/ländlichen Regionen zusammenhängen.

Erklärungsfaktoren für die Kreditrisikoquote

Bei Betrachtung der Risikoquote als abhängiger Variable in den getesteten Regressionsmodellen fällt auf (siehe Tabelle 5 mit dem Beispiel eines Modells; r²=,216; F=6,88**; d.f.=11; n= 286), dass hier die Bevölkerungsentwicklung signifikant ist und den stärksten Einfluss ausübt, und zwar dergestalt, dass die Quote notleidender Kredite bei abnehmender Bevölkerung ansteigt. In diesem Modell haben der Kreistyp sowie die lokale Marktstruktur, gemessen als Beschäftigungsanteil der Sparkassen beziehungsweise der Kreditbanken, keinen signifikanten Einfluss auf die Risikoquote. Allerdings deutet der signifikante negative Regressionskoeffizient für die OD/WD-Dummy-Variable an, dass ostdeutsche Sparkassen - wie bereits bekannt - höhere Risikoquoten besitzen. Schwach positiv signifikant ist auch die "Wohlstandsvariable" (Verfügbares Einkommen pro Kopf). Dies könnte mit der spezifischen Siedlungsstruktur im Westen Deutschlands zusammenhängen, da dort einige schrumpfende Regionen auf Ag glomerationen (zum Beispiel Ruhrgebiet) fallen und Agglomerationen höhere verfügbare Einkommen aufweisen als Vergleichsräume.

Die Ergebnisse dieses linearen Regressionsmodells, in dem Regionalvariablen als auch Kontrollvariablen einbezogen wurden, bestätigen noch einmal, dass "die Region" auf die Risikoquote gesamt einen nicht unbedeutenden Einfluss ausübt. Danach nimmt die Risikoquote gesamt tendenziell zu, wenn eine negative Bevölkerungsentwicklung vorherrscht und die Sparkasse in einem ostdeutschen Bundesland lokalisiert ist. Einen großen Einfluss übt erwartungsgemäß auch das Kreditportfolio dergestalt aus, dass eine Sparkasse mit höheren Anteilen an risikobehafteten Krediten (Privat- und Unternehmenskunden) tendenziell auch eine höhere Risikoquote besitzt. Gegenläufig zur Kreditrisikoquote wirkt die Eigenkapitalquote, das heißt risikobehaftetere Sparkassen haben tendenziell geringere EK-Quoten. Der schwach signifikante positive Einfluss der Zinsertragsspanne im Kreditgeschäft könnte ein schwaches Indiz dafür sein, dass es den Sparkassen (in Grenzen) gelingt, die höheren Quoten an notleidenden Krediten im Kreditzins weiterzugeben. Keinen Einfluss hat in diesem Modell die Produktivitätsvariable ("Bilanzsumme pro Mitarbeiter") - die gleichzeitig aufgrund der hohen Korrelation als Größenvariable dient. Auch der Anteil der grundpfandrechtlich gesicherten Kredite an den Kundenforderungen zeigt keinen signifikanten Einfluss (Tabelle 5).

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass regionale Variablen in den verschiedenen Regressionsmodellen zur Erklärung der Risikoquoten für die Kundengruppen Private und Unternehmen wie auch für die Kreditportfoliozusammensetzung - die hier nicht alle diskutiert werden können - zwar in unterschiedlichem Ausmaß, aber fast regelmäßig signifikante und im Wesentlichen auch ökonomisch plausible Vorzeichen aufweisen. Besonders hervorzuheben ist, dass die Zugehörigkeit zu Ostdeutschland sowie die Bevölkerungsentwicklung überwiegend signifikante Zusammenhänge sowohl zu den Kreditrisikoquoten als auch zu den Kreditportfolio-Variablen anzeigen. Geschäftspolitische Variable übten vor allem im Zusammenhang mit der Erklärung der Kreditportfolio-Kennzahlen einen relativ starken Einfluss aus. So konnte vor allem der Anteil der grundpfandrechtlich gesicherten Kredite an den Kundenforderungen (Baukredite) als Einflussfaktor sowohl auf die Höhe der Privat- und Firmenkundenkreditanteile als auch auf die Relation Privat- zu Firmenkundenkredite nachgewiesen werden.

Zum Abschluss soll noch einmal auf die Bedeutung des Standortes Ostdeutschland hingewiesen werden: Im Hinblick auf den Kreditrisikostatus konnte festgestellt werden, dass die ostdeutschen Sparkassen eine signifikant höhere durchschnittliche Gesamtrisikoquote als die westdeutschen Sparkassen aufweisen. Das Gleiche gilt für die beiden Risikoquoten der Segmente Privatkunden und Firmenkunden. Im Hinblick aber auf die Kreditportfoliovariablen konnte festgestellt werden, dass die ostdeutschen Sparkassen signifikant geringere Anteile Privat- und Firmenkundenkredite an den Buchkrediten besitzen. Das bedeutet, nach dieser Portfoliokennzahl besitzen die Sparkassen aus OD ein konservativeres Portfolio. Da der statistische Einfluss der Variablen Privat- und Firmenkundenkredite zu Buchkredite auf die Risikoquote nachweisbar war, lässt sich eine aktive oder passive Risikonivellierungsstrategie also recht gut nachweisen.

Fußnoten

1) Vgl. Gärtner, S., Regionen und Banken: Gedanken im Lichte der Krise, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 2/2011, S. 153 ff.; ZEW (2013): Risikoübernahme im Bankensektor: Unterscheiden sich Sparkassen und Genossenschaftsbanken von Geschäftsbanken? In: http://www.s-wissenschaft.de/ dokumente/Wissenscha_130318134525.PDF (Abruf: 23. August 2013).

2) Zirka 80 Prozent ihrer Kredite vergeben die Sparkassen und Kreditgenossenschaften im Durchschnitt innerhalb der Region, die durch die Ortskennzahl angegeben wird. Vgl. Kötter, M./Wedow, M., Finance and Growth in a bank-based economy: Is it quantity or quality that matters?, Diskussionsbeitrag 02/2006, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main, http://www.econstor.eu/bitstream/10419/19750/1/2 00602dkp_b.pdf (Abruf: 6. Oktober 2013).

3) Vgl. zum Beispiel Schätzle, D., Die Auswirkungen der neuen Eigenkapitalanforderungen nach Basel III - Eine Analyse empirischer Studien, Arbeitspapiere des Instituts für Genossenschaftswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, April 2012.

4) Gärtner, S., Ausgewogene Strukturpolitik: Sparkassen aus regionalökonomischer Perspektive, Berlin; Christians, U., (2010): Langfristige Analyse der Bilanz- und Erfolgsentwicklung. In: Christians, U.; Hempel, K. (Hrsg.): Unternehmensfinanzierung und Region. Finanzierungsprobleme mittelständischer Unternehmen und Bankpolitik in peripheren Wirtschaftsräumen. Hamburg; Tischer, M., Effizienzmessung im Sparkassensektor am Beispiel regionaler Cluster, Sternenfels.

5) Der Erfolg ostdeutscher Kreditinstitute, Berlin.

6) Banking in schrumpfenden Regionen, Hamburg.

7) Vgl. hierzu den Sammelband Juncker, K./Nietert, B. (Hrsg.), Demographic Banking. Demographische Entwicklung als Herausforderung für Kreditinstitute, Frankfurt am Main 2010.

8) Die Besicherungspolitik zählen wir nicht dazu, weil sie keinen Einfluss auf die notleidende Kreditquote ausübt.

9) Daun, in: Boos, K.-H./Fischer, R./Schulte-Mattler, H. (Hrsg.), Kreditwesengesetz, Kommentar, 3. Aufl., München 2008, S. 1871.

10) Kredite und Zusagen im Kundengeschäft sind ein Teilbetrag des Gesamtbetrages der Forderungen (Bruttokreditvolumen nach § 19 I KWG). Die weiteren Teilbeträge sind Wertpapiere und Derivate des Adressenrisikos.

11) Thierry, D., Eine empirische Analyse der Marktdisziplinierung deutsche Sparkassen, Wiesbaden 2009, S. 142.

12) Vgl. zum Beispiel Böve, R., Spezialisierungsvorteile und -risiken im Kreditgeschäft, Wiesbaden 2009, S. 119.

13) Vgl. Böve, R., a.a.O., 2009, S. 180.

14) Vgl. hierzu Conrad, A., Banking in schrumpfenden Regionen. Auswirkungen von Alterung und Abwanderung auf Regionalbanken, Working Paper No. 94, Universität Rostock, 2008; Burgstaller, J., Banks in disadvantaged areas, in: Kredit und Kapital, 2012, S. 51 ff.

15) Aus unterschiedlichen Gründen (insbesondere wegen fehlender 2010er Offenlegungsberichte, wegen differierender Berichtsformate zwischen den Instituten unterschiedlicher Regionalverbände und ungleicher Behandlung der Zuordnung von wirtschaftlich Selbstständigen) mussten diverse Bereinigungen vorgenommen werden, sodass sich die Stichprobe in Bezug auf die Angaben zu notleidenden Krediten auf 290 von 429 Sparkassen (in 2010) = (67,5 Prozent) reduzierte.

16) Die Korrelationen sind jeweils mit r > ,7** sehr hoch (siehe Tabelle 2).

17) Signifikante Beziehungen waren zwischen den beiden Kreditportfoliovariablen und der Risikoquote gesamt (r= ,021 beziehungsweise -,047) auch univariat nicht zu erkennen. Ebenso konnte zwischen den beiden Kreditportfoliovariablen mit r= ,02 keine signifikant positive oder negative Beziehung gemessen werden. Zwischen den Risikoquoten des Privatkundengeschäfts einerseits und des Unternehmenskundengeschäfts andererseits wurde eine hochsignifikant positive Korrelation gemessen (r= ,25**) (siehe Tabelle 2).

18) Dieser Indikator dient zur Messung der regionalen Bankenwettbewerbssituation. Da auf regionaler Ebene keine unmittelbaren Daten über den Bankenwettbewerb vorliegen, haben wir einen Indikator gebildet, bei dem wir auf Grundlage von Daten der Bundesagentur für Arbeit jeweils den Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten für Sparkassen, Kreditgenossenschaften und die Kreditbanken berechnet haben (siehe dazu auch Christians, U./ Gärtner, S. (2014): Einfluss regionaler Bankenmärkte auf dezentrale Banken: Demographie, Bankenwettbewerb und Kreditportfolio: Inst. Arbeit und Technik. Forschung Aktuell, Nr. 02/2014). Quelle: http://www.iat.eu/forschung-aktuell/2014/fa2014-02.pdf (Abruf: 5. Juni 2014)

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