Aufsätze

Volatilität als neue Assetklasse

Seitdem sich die Turbulenzen an den Börsen ausgeweitet haben, rückt die Volatilität immer stärker ins Blickfeld von Anlegern und Investmentstrategen. Deutlich wird dies, wenn man die implizite Volatilität, also die von Marktteilnehmern erwartete Schwankungsanfälligkeit der Börsen, betrachtet. Lag dieser Wert für den Dow Jones Euro Stoxx 50 zum Beispiel 2005 noch auf einem Tiefstand von 12,5 Prozent, schnellte er im März 2008 auf 28 Prozent nach oben und bewegt sich aktuell in einer Spanne von 23 bis 27 Prozent. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Volatilität des S&P500 sowie des Nikkei, die seit 2005 von zwölf auf 26 Prozent beziehungsweise von 13 auf 29 Prozent gestiegen sind (Abbildung 1).

Starke Ausschläge des Stimmungsbarometers

Und auch künftig - so die Einschätzung der meisten Marktteilnehmer - ist sowohl mit höheren als auch mit stärker schwankenden Volatilitäten zu rechnen. Die Anleger sind infolge der durch die Subprime-Krise ausgelösten Verwerfungen an den Kapitalmärkten weiterhin nervös und gewichten Risiken tendenziell stärker. Das heißt: Auch im weiteren Jahresverlauf ist mit Überreaktionen an den Börsen zu rechnen. Insgesamt erwartet Crédit Agricole Asset Management im ersten Halbjahr 2008 zwar keine merkliche Abkühlung der US-Konjunktur, doch lassen sich negative Zahlen auch nicht ausschließen. Bestätigt wird die Erwartung einer globalen Konjunkturabkühlung durch zahlreiche Fundamentaldaten, wie zum Beispiel die merklich gesunkenen US-Immobilienpreise, ein nachlassendes Wachstum bei den Unternehmensgewinnen, die angespannte Lage am Kreditmarkt sowie inflationäre Tendenzen vor allem bei Rohstoffen. All diese Faktoren werden dafür sorgen, dass das Stimmungsbarometer weiterhin relativ stark ausschlägt.

Vor dem Hintergrund unsicherer Märkte und der wachsenden Nervosität der Akteure betrachten vor allem institutionelle Investoren Volatilität heute nicht mehr nur als Risikomaß, sondern als eigenständige Risikoklasse. Dafür sprechen zwei wesentliche Gründe: Erstens sind Volatilitätsbeimischungen wegen der negativen Korrelation zu Aktien und Credit Spreads geeignet, das Risiko-Rendite-Profil von Aktien- und gemischten Portfolios deutlich zu verbessern. Oder anders ausgedrückt: In Phasen, in denen die Märkte stark fallen, steigt die Volatilität sprunghaft an und kann somit zu einer idealen Absicherung von Portfolios führen. Zweitens bietet das aktuelle Marktumfeld gute Renditechancen für ausgewählte Volatilitätsstrategien (Abbildung 2).

Dass diese Strategien einen Aufschwung erfahren haben, liegt nicht zuletzt an der Weiterentwicklung der Derivatemärkte. So stehen Volatilitätsmanagern heute für die Umsetzung ihrer Strategien zahlreiche Instrumente zur Verfügung. Neben Optionsscheinen, Wandelanleihen, Variance-Swaps und Futures auf Volatilitätsindizes sind dabei vor allem Optionen interessant, da diese die Märkte gut abbilden und häufig sehr liquide sind. Um beispielsweise ein reines long-Aktienvolatilitätsinvestment zu erhalten, investieren Volatilitäts-Manager dabei in Optionen und sichern Aktien- und Zinsrisiken über Futures ab. Als Restgröße bleibt so die implizite Volatilität isoliert übrig (Abbildung 3).

Zwei Kategorien von Volatilitätsstrategien

Im Markt haben sich inzwischen zwei Kategorien von Volatilitätsstrategien etabliert: Erstens marktneutrale Absolute- Return-Ansätze und zweitens direktionale Strategien. Marktneutrale Ansätze können gezielt Arbitragemöglichkeiten von impliziten Volatilitäten innerhalb bestimmter Assetklassen oder Assetklassen-übergreifend nutzen. Dabei lassen sich ineffiziente Bewertungen zwischen verschiedenen Laufzeitsegmenten ein und desselben Indexes oder zwischen unterschiedlichen Indizes arbitrieren. Gerade aktuell bieten sich Managern im schwankungsanfälligen Marktumfeld viele Opportunitäten.

Dazu ein Beispiel: Gewöhnlich ist die 24-Monats-Volatilität des Dow Jones Euro Stoxx 50 höher als die der 12-Monats- Volatilität. Im September 2007 lagen diese beiden Werte jedoch nahezu auf dem gleichen Niveau. Dies eröffnet dem Vola-tilitäts-Manager die Möglichkeit, über Optionen 12-Monats-Volatilität zu verkaufen, 24-Monats-Volatilität zu kaufen und bei Normalisierung der Situation einen Gewinn zu vereinnahmen. So lange - wie derzeit - nur wenige Akteure mit ähnlichen Ansätzen auf den Optionsmärkten Arbitrage betreiben, entstehen hier attraktive Renditequellen (Abbildung 4).

Direktionale Ansätze basieren hingegen auf der Erkenntnis, dass die Volatilität zu ihrem langfristigen Durchschnittswert zurück tendiert - und zwar je stärker, desto weiter sie vom Durchschnitt entfernt notiert. Für den Dow Jones Euro Stoxx 50 liegt dieser langfristige Durchschnitt bei 25 Prozent, für den S&P500 bei 22,5 Prozent und für den Nikkei bei 26 Prozent. Liegt die Volatilität unter ihrem langfristigen Durchschnitt, kaufen die Manager folglich Volatilität. Notiert sie darüber, gehen sie short. Im Grunde ist dies nichts anderes als die Anwendung des einfachen Prinzips "kaufe billig - verkaufe teuer". Hier ist teils zu beobachten, dass Handelsstrategien von Investmentbanken die Gegenposition eines direktionalen Volatilitätsmanagers aufbauen, da unterschiedliche Ziele verfolgt werden (Abbildung 5).

Gewichtungsmatrizen

Um nicht nur von großen Volatilitätsschwankungen, sondern auch vom Oszillieren der Märkte zu profitieren, sind zusätzlich Gewichtungsmatrizen sinnvoll. Mit dieser kann die Strategie in Abhängigkeit von der Höhe der Volatilität unterschiedlich stark gewichtet werden. Liegt die Volatilität des Dow Jones Euro Stoxx 50 beispielsweise bei 14,5 Prozent, kauft Crédit Agricole Asset Management Volatilität mit dem Faktor drei. Das heißt, dass sich der Wert des Fonds bei einer angenommenen Steigerung der Volatilität um 1,5 Prozentpunkte um 4,5 Prozent erhöht. Beim Überschreiten der 15-Prozentgrenze wird die Gewichtung auf den Faktor zwei reduziert. Fällt die Volatilität nun wieder von 16 auf 14,5 Prozent zurück, performt der Fonds in der Summe mit einem Plus von 1,5 Prozent. Über dem längerfristigen Volatilitätsdurchschnitt geht CAAM gestaffelt bis zum Faktor zwei short. Im Vergleich zu einfachen Volatilitätsindizes, bei denen der Anleger eins zu eins an der Volatilitätsentwicklung partizipiert und beim genannten Beispiel in der Summe keinen Gewinn erzielt hätte, ist dies gerade im aktuellen Marktumfeld ein wichtiger Strategiebaustein für längerfristige Volatilitätsanleger (Abbildung 6).

Standen Volatilitätsstrategien in Phasen stetig steigender Märkte aufgrund geringerer Renditemöglichkeiten im Schatten, hat sich das Bild aktuell gewandelt: Insbesondere professionelle Dachfondsmanager und institutionelle Anleger zählen derzeit zu den aktivsten Volatilitäts-Investoren.

Im Fokus steht dabei, die Performance von Portfolios zu glätten, ohne auf Renditechancen zu verzichten. Unterstützt wird die Umsetzung der Ansätze durch das neue Investmentgesetz mit seinen ausgeweiteten Anlagemöglichkeiten sowie die Dynamik der Derivatemärkte, die zudem die Liquidität für UCITS-III-Fonds sicherstellen.

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