Leitartikel

Was wäre, wenn ...?

Es war einmal! So beginnen, wer weiß es nicht, die allermeisten der von den beiden Hanauer Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm so fein gesammelten und überlieferten Märchen. Leider ist dieser Einsteig ausschließlich retrospektiv, was für Märchensammlungen sicherlich angebracht ist, für mögliche Zukunftsbetrachtungen dagegen keinesfalls ausreicht. Nach vorne gerichtet müsste es daher richtiger Weise heißen: Was wäre, wenn ...?

Was wäre, wenn die Postbank, derer die Mutter Post überdrüssig geworden scheint, an die Allianz verkauft wird. Der Münchener Versicherungskonzern hätte damit sicherlich sofern gewünscht - die dringend erforderliche Verstärkung seiner Banktochter Dresdner Bank. Auch wenn natürlich der Retailarm der "Beraterbank" bei weitem nicht das Problem darstellt - er hat im abgelaufenen Geschäftsjahr ein Rekordergebnis eingefahren, währenddessen die kapitalmarktnäheren Kollegen der Investmentbank einmal mehr einen schmerzlichem Verlust zu beklagen hatten. Investmentbanking nach den Risikovorstellungen eines Versicherers zu betreiben ist halt ein schwierige Sache. Doch das könnte mit einer Aufspaltung der Dresdner Bank und des Verkaufs des Whole Sale und Investmentbanking-Bereichs leicht gelöst werden. Nur wer kauft's? Der Retailriese Postbank würde für die Allianz dagegen einen wunderbaren neuen Vertriebsweg für viele feine Lebens-, Unfall-, Kfz- oder Schadensversicherungen bedeuten. 14,5 Millionen Adressen, sicherlich mit manchen müden und wenig aktiven Kunden darunter, aber sicherlich auch mit nicht all zu vielen Überschneidungen zu den bei der Dresdner Bank untergekommenen Bundesbürgern - welch ein Festmahl für die Generalvertreter.

Was wäre aber, wenn gar nicht die Allianz, sondern, wie in Frankfurter Maklerkreisen gemunkelt, gar die Deutsche Bank zum Zuge käme. Dann hätte der Branchenprimus endlich wie im Investmentbanking weltweit auch im Privatkundengeschäft auf dem Heimatmarkt einen standesgemäßen Marktanteil, mit dem sich leben und arbeiten lässt. Dann hätte Deutschland endlich den immer wieder vor allem von Politikern gewünschten nationalen Champion. Dass die

Deutsche mittlerweile auch mit den Retailkunden umgehen kann, hat sie in den vergangenen Jahren nachhaltig bewiesen. Stabile Erträge von jeweils mehr als einer Milliarde Euro und Investitionen in Norisbank und Berliner Bank sprechen für sich. Und großes Lob nicht nur aber auch für die Deutsche ist es natürlich, wenn der stellvertretende Vorstandsvorsitzende einer großen Sparkasse aus Süddeutschland sagt, es seien nicht mehr die Direkten mit ihren Kampfkonditionen, die ihm Kopfzerbrechen bereiten, sondern die Großbanken mit den kostenlosen Girokonten und Rund-um-Sorglos-Paketen. Sollte die gute alte Kontoverbindung als der Anknüpfungspunkt für alle weiteren Marketingaktivitäten rund um den Kunden etwa doch noch nicht völlig ausgedient haben beziehungsweise von den Rosinenpickern zerhackt worden seien? Man hört und staunt.

In beiden Fällen - Allianz wie Deutsche Bank - würden die Commerzbank und auch ausländische Institute als potenzielle Käufer auf der Strecke bleiben. Die Commerzbank hätte die Postbank zwar sicherlich auch gerne, und sie würde auch ganz gut zu den Gelben passen: Könnte man sich so doch wieder ein klein wenig schwerer und damit unübernehmbarer machen und könnte man so doch die Abhängigkeit vom Immobiliengeschäft wieder ein Stück weit reduzieren. Und für jeden Ausländer würde die Postbank natürlich den großen Schritt in den schwierigen, umkämpften und verteilten deutschen Retailmarkt bedeuten. Allerdings scheint dieses Szenario derzeit politisch am wenigsten durchsetzbar - auch wenn hier sicherlich der beste Preis zu erzielen wäre. Aber man liest schon die Schlagzeilen im deutschen Boulevard: "Oma Erna und Opa Heinz - vom

Finanzministerium verhökert, nun müssen sie noch Englisch lernen". Das traut sich noch keiner der Berliner Hauptverantwortlichen. Außer natürlich, der amtierende Deutsche- Bank-Chef Josef Ackermann schafft es doch noch, dank wechselnden, aber stets klugen Äußerungen zu wirtschaftspolitischen Schwerpunkten quasi als "Selbstheilung" dem schnöden Bankerleben zu entkommen und in Berlin Karriere zu machen. Beste Kontakte werden ihm ja nachgesagt.

Und was hieße das alles für die Postbank selbst? Nichts Gutes. Im einen, wie im anderen, wie im dritten Fall drohen deutliche Einschnitte, bei Personal wie bei Filialen. Denn egal ob Dresdner/Allianz, ob Deutsche oder ob Commerzbank, die Überschneidungen sind gewaltig, die Doppelarbeiten immens, die Integration unglaublich aufwändig. Negativ betrachtet drohen Massenentlassungen, positiv gesehen winken "beträchtliche Synergiepotenziale im dreistelligen Millionenbereich". Dass ein Ausländer den Bonner da natürlich lieber wäre, ist selbstverständlich, würden die Einschnitte doch deutlich kleiner ausfallen. Aber dass das Regiertwerden wahrlich auch kein Zuckerschlecken ist, man sieht und spürt es stets im italienischen München. Für Post-bank-Chef Wolfgang Klein wäre vermutlich die Allianz/Dresdner die beste Lösung, zeigen sich im grünen Hause doch deutlich bessere Karrierewege als vergleichbar bei Deutscher oder Commerzbank. Aber vielleicht gelingt es der Postbank ja doch noch, den neuen Postchef Appel von den Vorzügen des guten alten Bankgeschäfts zu überzeugen?

Was wäre, wenn die Bayerische Landesbank, kurz Bayern-LB, weitere sagen wir drei bis fünf Milliarden auf ein keineswegs sorgenfreies Wertpapier- und Kreditportfolio abschreiben muss und dieses dann nicht mehr als praktische Neubewertungsrücklage verbucht würde, sondern tatsächlich gewinnmindernd durch die Gewinn- und Verlustrechnung laufen würde? Es wäre zum einen sicherlich das Ende des in Bayern ohnehin so ungeliebten Doppels an der Parteispitze und Günter Beckstein würde voll und ganz zum Nachfolger des ehemaligen Alleinregenten Edwin Stoiber. Und es wäre zum anderen sicherlich das Signal für eine schnelle Einigung mit den Württembergern, denn bevor man nach Norden schaut hält der Süden doch zusammen. Dann wären auch eventuelle Kommunal-, Landtags- und sonstige Wahlen kein ernstzunehmender Hinderungsgrund - es lebe die Süddeutsche Landesbank.

Und was wäre, wenn die BaFin-Sonderprüfung in Hannover zeigen würde, dass die Norddeutsche Landesbank keineswegs mehr auf solidem Fundament steht, die abenteuerlichen Handelsaktivitäten und natürlich auch die anhaltende Finanzkrise doch tiefere Furchen im eigentlich gut bestellten Acker hinterlassen hat? An Alleinstellungsmerkmalen mangelt es der Bank des scheidenden Vorstandschef Hannes Rehm seit der Absage der Den Norske Bank hinsichtlich mancherlei Joint Ventures und Kooperationen ohnehin. Es bliebe der ratlose Blick in die Runde: Im Norden kochen die Kieler ihr eigenes Süppchen und passen vom Geschäftsmodell auch gar nicht mehr zu einer ordentlichen Landesbank. Im Westen ringt die WestLB bislang erfolglos mit

Altlasten - politischen wie wirtschaftlichen - und fällt damit als möglicher Partner ebenso aus, wie im Süden die Helaba, die wirtschaftlich stabil, jedoch ohne mehrheitsfähige Regierung und unter neuer Führung sicherlich erst einmal den eigenen Weg gehen möchte. Es bliebe als naheliegende und wahrscheinlich auch beste Lösung nur ein Zusammenschluss mit den Berlinern. Und dem dürfte sich auch ein Sparkassenpräsident nicht ernsthaft in den Weg stellen, könnte das doch sogar eine Lösung für Düsseldorf darstellen. Alles Banane?

Was wäre, wenn sich DZ und WGZ nicht zu einer Fusion drängen lassen würden? Gar nicht so schlimm wär's, denn es würde sich eigentlich nichts ändern. Zwar würden weiterhin Synergiepotenziale ungenutzt bleiben, würden weiterhin notwendige Konsolidierungsmaßnahmen beispielsweise bei Rechenzentren oder Hypothekenbanken nicht stattfinden, doch für die vielen Volks- und Raiffeisenbanken müssen zwei Zentralbanken nicht zwangsläufig von Nachteil sein. Bekanntlich belebt Konkurrenz das Geschäft! Und die schwierige Ertragslage aufgrund der unbefriedigenden Zinssituation wäre auch von einer einzigen Zentralbank nicht nachhaltig verbesserbar, hier sind die Platzbanken mit innovativen Vertriebskonzepten genauso gefordert wie die immer noch zahlreichen Verbände, vernünftige vertriebsunterstützende Programme zu entwickeln. Auf Verbandsebene läuft der Konsolidierungsprozess unabhängig von Zentralbankfragen, glücklichweise, denn so wird der Abstimmungsprozess, der zweifelsfrei seine Vorteile hat, hoffentlich weniger langwierig.

Was wäre, wenn die Finanzkrise anhält, sich vielleicht gar verschärft und damit noch weitere Opfer in Übersee fordert, während deutsche Banken und Sparkassen weiterhin relativ gut - relativ! - durchkommen? Dann würden Zentralbanken erkennen, dass das Fluten von Märkten mit Liquidität auch spürbar und nachhaltig negative Effekte haben kann. Dann würden internationale Organisationen und längst nicht mehr allmächtige Analysten einsehen, dass ein ordentliches Maß an Wettbewerb einem Markt keineswegs nur schadet und dass die Dreiteilung des deutschen Bankensystems durchaus ein Vorteil ist. Dann würden Politiker einsehen, dass sie zum Banker nicht taugen - in vorderster wie in hinterer Front - und auch keine Banken für strukturpolitische Zwecke (miss-)brauchen. Dann würden die IKB liquidiert und die KfW unter neuer Führung in den Markt entlassen. Dann würden internationale "Accounting Boards" vom Zwang zu einer mark-to-market-Betrachtung ablassen und zu einer eher glättenden Bilanzierung zurückkehren, die Reservenbildung und Saldierung zulässt. Das wiederum würden die Kapitalmärkte danken, denen viele unliebsame Überraschungen erspart blieben, die sich nach einiger Zeit und mit einer Erholung wieder ins Positive umkehren und wiederum zu Verzerrungen führen würden.

Was wäre, wenn dies nicht die Ausgabe vom 1. April wäre? P. O.

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