Aufsätze

Zertifikate: Neue Provisionsmodelle und mehr Transparenz in der Beratung

Keine andere Forderung hat man in den vergangenen Jahren häufiger gehört als die nach mehr Transparenz in der Zertifikatebranche. Anlegervereinigungen, das Bundesministerium für Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), fast jeder Journalist hat im Sinne des Anlegerschutzes für mehr Transparenz plädiert. Bankkunden bringen die strukturierten Produkte, die es hierzulande zu einer 105 Milliarden Euro starken Alternative zu Investmentfonds geschafft haben, fälschlicherweise sogar direkt in Verbindung mit der Finanzkrise. Im Dezember 2007 fand diese ihren Ursprung in dem Platzen der nordamerikanischen Immobilienblase. Der Ruf nach mehr Transparenz durch Verbraucher und Politik schallt nun so laut wie nie zuvor.

Kennzahlen und Informationen vorhanden

Die Zertifikate-Emittenten und auch der Deutsche Derivate Verband (DDV) haben ihrerseits eine Menge getan, um dieser Forderung gerecht zu werden. Schon früh hat die Zertifikateindustrie erkannt, dass sie nur dann nachhaltig erfolgreich sein kann, wenn sie Anleger-Service groß schreibt und für einen transparenten Markt sorgt. Schließlich kann im Wettbewerb der Emittenten nur derjenige bestehen, der seine Kunden mit sinnvollen Services und guten Informationen versorgt - und damit eine hohe Transparenz bietet.

Mit dem Ziel, sich durch Transparenz vom Wettbewerb abzugrenzen, haben Emittenten viele Kennzahlen und Informationen zu ihren Produkten veröffentlicht. Zu Zertifikaten und Optionsscheinen lässt sich eine Vielzahl von Daten für Anleger bereitstellen. Man könnte sagen, dass Zertifikate nur dann kompliziert sind, wenn man sich nicht mit ihnen befasst. Wohl auch aus diesem Grund gibt es kaum ein anderes Finanzprodukt, für das so viele Informationen bereitgestellt werden wie für verbriefte Derivate. Die Palette reicht von Produktbroschüren und Termsheets über Anleger-Akademien, Seminartouren und Handbüchern bis zu didaktisch bestens aufbereiteten Websites und kleinen Software-Applikationen, mit denen sich potenziell geeignete Produkte leichter denn je finden lassen.

Mit detaillierten Produktratings und der Einstufung in Risikoklassen können Anleger bereits heute bewerten, ob Zertifikate zu ihrem jeweiligen Risikoprofil passen. Emittenten wie HSBC Trinkaus trauen sich sogar an das Allerheiligste und veröffentlichen die gehandelten Stückzahlen der börslichen und außerbörslichen Umsätze, um der Öffentlichkeit zu zeigen wie liquide Zertifikate sind.

Allerdings sind die vielen Informationen und die Kennzahlen, die die Emittenten zur Verfügung stellen, höchst unterschiedlich und teilweise anspruchsvoll. Mithin erfordert es Zeit und Geduld, die dargestellten Informationen zu verstehen und korrekt zu interpretieren. Damit ist die Datenflut zugleich Segen und Fluch der Zertifikatebranche, denn wie die angegebenen Daten zusammenhängen und welche Aussagen sie beinhalten können, ist manchmal nur den Experten ersichtlich.

Mehr noch: Die Anbieter fürchten bei einer mitgelieferten Interpretation mancher Kennzahlen potenzielle Haftungsrisiken. Denn die meisten Emittenten verstehen sich selbst als Produktlieferant, der keinerlei Beratung übernimmt - die Empfehlung und Entscheidung für ein bestimmtes Wertpapier soll dem Berater oder dem Anleger selbst überlassen werden.

Provisionen bis zu 200 Basispunkten

Schließlich meint Transparenz nicht nur die "Durchsichtigkeit" von Dingen, sondern vielmehr die "Verständlichkeit". Somit darf Transparenz nie ein Selbstzweck sein, sondern muss immer dem Verständnis dienen - bei Zertifikaten und Optionsscheinen vor allem dem Verständnis durch den Berater und den Anleger. Dies gelingt nur, wenn beide Gruppen die benötigten Informationen erstens perfekt aufbereitet erhalten und zweitens auch in der Lage sind, diese zu verstehen. Diese beiden Punkte erheben also einen gewissen Anspruch an die genannten Gruppen. Sie sollen die wirtschaftliche Funktionsweise eines Wertpapiers verstehen und Produkte verschiedener Anbieter miteinander vergleichen können.

Aus Sicht eines Beraters oder Vermögensverwalters fördert ein monetärer Anreiz natürlich den Ehrgeiz, sich mit der durchaus nicht immer trivialen Materie zu beschäftigen. An dieser Stelle treffen zwei Trends zusammen: Einerseits werden immer weniger komplexe Strukturen vertrieben, die Verbraucher beziehungsweise Anleger möchten einfache Wertpapiere, die sie verstehen können. Genau diese Produkte gibt es am Derivatemarkt zuhauf: Über 200000 börsengehandelte Aktienanleihen, Index-, Discount- und Bonus-Zertifikate werden angeboten (Quelle: Börse Stuttgart, April 2010).

Doch andererseits wurden in der Vergangenheit genau für diese ohnehin transparenten und börsengehandelten Wertpapiere nahezu keine Provisionen durch die Emittenten angeboten. Wie sollten also Kunden auf diese sinnvollen und verständlichen Wertpapiere aufmerksam gemacht werden? Inzwischen hat sich der Markt entwickelt und einige Anbieter bieten attraktive Provisionsmodelle auf genau diese börsengelisteten Zertifikate an: mit sogenannten "Sekundärmarktprovisionen". Einige Emittenten erstellen wöchentlich oder monatlich oder auf Nachfrage eine ausgiebige Liste mit Anlagezertifikaten, für die sich einmalige Provisionszahlungen bei oft unterjährigen Laufzeiten vereinnahmen lassen. Die Spanne der möglichen Zahlungen bewegt sich ungefähr und je nach Basiswert, Laufzeit und Marktlage im Bereich von 50 bis 200 Basispunkten.

Automatische Abrechnung

Auch der Prozess der tatsächlichen Zahlung an den Beratenden hat sich verbessert. Noch im Frühsommer 2009 war die einzig effiziente Möglichkeit für den Verkauf eines Zertifikates an einen Kunden, an "seine" Provisionen zu kommen, indem direkt eine Rechnung an den Emittenten gestellt wurde. Diese immer noch gelebte Praxis hat eine elegante Alternative erhalten: Mit einem großen deutschen Wertpapierabwickler* hat sich bereits heute eine Transaktionsbank gefunden, welche allen an sein Abwicklungsangebot angeschlossenen Banken eine automatische Abrechnung anbietet.

Das System, welches möglicherweise auch für andere Anbieter im Markt für Wertpapierservices interessant sein könnte, funktioniert für das Beratungsinstitut ähnlich wie eine Kreditkartenzahlung für einen Konsumenten: So wie ein Konsument unmittelbar mit seiner Kreditkarte bezahlen kann, erhalten angeschlossene Beratungsinstitute innerhalb einer vierwöchigen Zeitspanne ohne weiteres Zutun ihre Provision durch den Abwickler; die eigentliche Zahlung der Provision durch den Emittenten an den Abwickler erfolgt kumuliert ebenfalls auf monatlicher Basis. Die Emittenten möchten mit diesem für sie gebührenpflichtigen Modell den Vertrieb der börsengelisteten Anlagezertifikate ankurbeln. Fakt ist, dass alle Beteiligten davon profitieren würden, auch und vor allem der Endkunde: Er würde möglicherweise erstmals der Anlagealternative Zertifikat begegnen.

Doch im Wertschöpfungsprozess bleibt das Prinzip klar: Berater brauchen Provisionen und Kunden brauchen die Aufklärung über diese Provisionen. Beratungsinstitute müssen nunmehr in den umfangreichen Dokumentationen unter vielen anderen Details auch Angaben über die Provision tätigen. Vermutlich werden auch die Emittenten hier zukünftig offensiver und die für den Endkunden entstehenden Kosten unmittelbar in einem Fact Sheet ähnlichen Blatt veröffentlichen. Zu diesen Kennzahlen zählen beispielsweise Angaben zu einem Ausgabeaufschlag, einer jährlichen Managementgebühr, einer Vertriebsprovision und auch zum Spread des Zertifikates. Das ist zwar mit Investitionen verbunden, aber technisch grundsätzlich längst möglich. Damit würden diese Angaben gegenüber den Beratern, Endkunden und allen Wettbewerbern bekannt gemacht. Alles wäre transparent und eine der Kernforderungen der Verbraucherschützer erfüllt - ohne einen einzigen Verlierer.

Mehr Unterstützung für Beratungsdokumentation

Die aktuelle Finanzkrise hat zudem gezeigt, dass nicht die Masse an Informationen entscheidend für das Maß an Transparenz ist. Deshalb sind gerade in diesen Tagen wahrnehmbare Initiativen in Gang gesetzt worden, die für Berater und Anleger neue Standards schaffen: eine Produktklassifizierung des DDV, die flächendeckende Einführung des Value-at-Risk (VaR) und einer Risikoklassifizierung für Derivate sowie eine Einigung auf einheitliche Begriffe zur Beschreibung der Produkte seien an dieser Stelle beispielhaft genannt. Bürokratischer Unsinn? Nun, vieles erfüllt seinen Zweck und schafft Mehrwert.

Die Vereinheitlichung von Produktbezeichnungen und die damit verbundene Einführung einer Produktklassifikation Ende 2009 ist so ein Beispiel. Mit der sogenannten "Derivate Liga" haben sich die Emittenten auf einheitliche Namen für die im Markt befindlichen Zertifikate geeinigt. So hat sich die Bezeichnung für Express-Zertifikate durchgesetzt (zum Beispiel anstelle von Relax) und eigene, von den Emittenten geschaffene Namen werden für Neuemissionen derselben Art der Vergangenheit angehören. Mit der Definition einzelner Fachbegriffe für Produktmerkmale lassen sich zudem in Zukunft die Angaben einzelner Emittenten besser vergleichen. Ein Beispiel: Was bisher bei dem einen Anbieter "Kursschwelle" oder "Schwellenkurs" hieß und bei dem anderen Emittenten "Sicherheitslevel" oder "Protectniveau", soll nun bei allen als "Barriere" bezeichnet werden. Daraus lässt sich dann der "Abstand zur Barriere" herleiten, sodass Worte wie "Sicherheitspuffer" oder "Risikopolster" der Vergangenheit angehören werden. So finden Anleger und Berater die erforderlichen Informationen leichter, weil sie sich nicht erst durch einen Dschungel von Begriffen durchkämpfen müssen.

Konstruktion der Produkte ist wichtig

Die neuen Beratungsprotokolle sowie die Änderung des Verjährungsrechts rücken neben der Risikoaufklärung vor allem die Qualität der Anlageberatung in den Vordergrund. Für die richtige Erfüllung der im Wertpapierhandelsgesetz formulierten Anforderungen ist neben anderen Aspekten für die Berater auch eine gute Kenntnis über die Konstruktion der Produkte und ihre Chance-Risiko-Struktur notwendig. Insofern muss die Zertifikatebranche noch stärker als bisher neben den Anlegern vor allem auch die Berater in den Fokus rücken und den Service für Berater rundum verbessern: Denn gerade weil die Branche anstrebt breitere Anlegerkreise zu erreichen, ist eine intensive Aufklärung notwendig. Denn wer nicht genau weiß, wie sich Zertifikate im Auf und Ab der Kapitalmärkte verhalten, kennt auch die damit verbundenen Risiken nicht.

Das kann nicht im Interesse des Anlegers, seines Beraters und damit letztlich auch nicht im Interesse des Emittenten sein. Mit maßgeschneiderten Beraterseminaren, Webinaren und vor allem gelungenen Produktportraits unterstützen Emittenten den Vertrieb in den Bankfilialen. Einzigartig sind in Deutschland in diesem Zusammenhang die Echtzeit-Produktportraits für Anlagezertifikate von HSBC Trinkaus. Neben einer allgemeinen Produktbeschreibung mit den Stammdaten und Kennzahlen des Zertifikats wird das Verhalten des Produktes in einem positiven, neutralen und einem negativen Szenario beschrieben, in denen jeweils aktuelle Kennzahlen des ausgewählten Zertifikates betrachtet werden.

Kompliziert nur bei oberflächlicher Betrachtung

Darüber hinaus werden die Chancen und Risiken des entsprechenden Zertifikates erläutert. Eine Echtzeit-Grafik des Auszahlungsprofils und ein tabellarischer Renditevergleich zwischen Zertifikat und Basiswert geben Überblick über die Wirkung des Produktes. Eine Rubrik "Kosten" befindet sich in der Umsetzung. In solchen Produktportraits sind bereits viele der vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) für die Produktinformationsblätter (PRIB) geforderten Informationen enthalten.

Das Fazit ist klar: Die Stärke der Industrie liegt darin, die verfügbaren Informationen offen zu kommunizieren. Das wird viel Vertrauen zurückgewinnen, welches in der Finanzkrise der letzten Jahre aufgebraucht wurde. Das gilt für Berater ebenso wie für private Anleger.

* Die mit ihrem Hauptsitz in Frankfurt am Main ansässige Deutsche Wertpapier-Service Bank bietet mit ihrem Produkt WP2 ein Abrechnungssystem für Sekundärmarktprovisionen an.

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