Crif rechnet mit möglicher Verschuldungswelle in Deutschland

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Die Privatinsolvenzen sind in Deutschland im Jahr 2022 gesunken. Insgesamt gab es im vergangenen Jahr 96 231 private Insolvenzen. Das entspricht einem Rückgang um 11,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (109 031). So lauten die zentralen Ergebnisse aus dem CRIF „Schuldenbarometer 2022“.

Der starke Anstieg der Insolvenzen im Jahr 2021 (plus 93,6 Prozent auf Jahressicht) hat sich damit aktuell umgekehrt. Das deutliche Plus an Privatinsolvenzen im Jahr 2021 war im Wesentlichen ein Nachholeffekt, da viele Privatpersonen ihre Insolvenzanträge im Jahr 2020 zurückgehalten hatten, um von der Gesetzesreform profitieren, die das Restschuldbefreiungsverfahren von sechs auf drei Jahre verkürzt hat.

Diese Besonderheit hat dazu geführt, dass die Privatinsolvenzen im Jahr 2021 besonders stark angestiegen sind. Der Basiswert für das Jahr 2021 ist dementsprechend hoch und sodass die prozentuale Veränderung des Jahres 2022 fällt mit minus 11,7 Prozent verzerrt ausfällt. Interessant ist deshalb der Vergleich der Privatinsolvenzen mit dem Jahr 2019 – also vor der Gesetzesreform und vor Corona. Dieser Vergleich zeigt das aktuell hohe Niveau der Privatinsolvenzen. Denn im Vergleich zu 2019 die privaten Insolvenzen 2022 um 10,8 Prozent angestiegen (2019: 86 838 Fälle). 

 „Durch die weiter steigenden Kosten ist eine Verschuldungswelle in Deutschland möglich. Wenn die Kosten stark steigen, wird es für Personen, die schon bislang am Existenzminimum leben, schwierig. Gerade für finanz- und einkommensschwache Haushalte wird sich die finanzielle Lage zuspitzen – auch weil die finanziellen Reserven durch Einbußen in der Corona-Pandemie aufgebraucht worden sind. Wirtschaftliche Krisen wirken sich dabei mit einer gewissen Verzögerung auf die Verbraucher aus. Da in den Insolvenzstatistiken vor allem die Vergangenheit abgebildet wird, werden die Folgen durch die erhöhten Kosten vor allem ab 2023 einen Einfluss auf die Insolvenzzahlen haben. Positiv ist zu bewerten, dass viele Bundesbürger derzeit eine hohe Sparmotivation aufgrund von wirtschaftlicher Unsicherheit oder Zukunftsängsten haben“, kommentiert CRIF Deutschland Geschäftsführer Dr. Frank Schlein die aktuelle Situation. 

Der Informationsdienstleister CRIF geht auf Jahressicht 2023 von erneut bis zu 100 000 Privatinsolvenzen in Deutschland aus. Dabei müssen Personen, die eine Privatinsolvenz anmelden, dabei keinesfalls hoch verschuldet sein. Ein Großteil der Betroffenen hat in der Gesamtsumme Schulden von knapp unter 10 000 Euro, die mittlere Schuldenhöhe liegt derzeit unter 18000 Euro.

Bundesweit gab es 2022 im Durchschnitt 116 Privatinsolvenzen je 100 000 Einwohner. Die nördlichen Bundesländer Deutschlands verzeichnen im Vergleich zu den südlichen Bundesländern mehr private Insolvenzen. Bremen führt die Liste mit 188 Insolvenzfällen je 100 000 Einwohner an, gefolgt von Hamburg mit 167 und Niedersachsen mit 154 Insolvenzfällen. Deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegen zudem die Länder Schleswig-Holstein (141), Mecklenburg-Vorpommern (139) sowie Nordrhein-Westfalen und das Saarland (je 132). Am wenigsten Privatinsolvenzen verzeichneten Bayern (74 Fälle je 100 000 Einwohner), Baden-Württemberg (83) und Thüringen (97). Absolut gesehen stehen Nordrhein-Westfalen (23 684 Fälle), Niedersachsen (12 333) und Bayern (9 773) an der Spitze der Insolvenzstatistik.

Die stärkste Veränderung bei den Privatinsolvenzen verzeichnete Bremen mit einem Rückgang um 23,4 Prozent, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern mit 18 Prozent weniger Insolvenzen und dem Saarland mit einem Rückgang um 17,5 Prozent. Baden-Württemberg wies einen Rückgang um 15,7 Prozent auf, während Niedersachsen einen Rückgang um 14,3 Prozent und Bayern um 13,9 Prozent verzeichneten. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gab es jeweils auch einen zweistelligen Rückgang der privaten Insolvenzen um 13,3 Prozent bzw. 13,1 Prozent. Hessen hatte mit einem Rückgang um 2,1 Prozent die geringste Veränderung im Jahresvergleich.

Ein verändertes Bild ergibt sich, wenn man die aktuellen Zahlen mit dem Jahr 2019 – also vor der Gesetzesreform und vor Corona – vergleicht. In diesem Vergleich der Jahre 2019 und 2022 gab es den deutlichsten Anstieg in Hamburg mit einem Plus von 23,2 Prozent. Deutliche Anstiege verzeichneten auch Hessen (plus 22,3 Prozent), Baden-Württemberg (plus 18,6 Prozent), Bremen (plus 17,8 Prozent) und Sachsen (plus 16,2 Prozent).

Insgesamt meldeten 2022 14.907 Personen, die 61 Jahre und älter sind, Privatinsolvenz an. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist dies ein Anstieg um 1 Prozent. Allerdings sind die Fallzahlen im Vergleich zum Jahr 2019 bei älteren Bundesbürgern um 57,3 Prozent angestiegen. „Für viele Senioren reichen Einkommen oder Rente nicht mehr aus - sie müssen eine Privatinsolvenz anmelden", sagt Dr. Frank Schlein. Auch die Zahl der Seniorinnen und Senioren, die auf Grundsicherung angewiesen sind, weil ihre Rente nicht reicht, steigt kontinuierlich an. Im Jahresvergleich von September 2021 zu September 2022 stieg die Zahl um 12 Prozent. „Durch die weiterhin hohe Inflation und die Energiekrise erwarten wir in der Altersgruppe 61 Jahre und älter auch 2023 steigende Insolvenzzahlen“, so Schlein. 

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