Baufinanzierung

Aus für den Widerrufsjoker?

Zum Jahresende haben Verbraucherschützer und Anwälte in Sachen Baufinanzierungsverträge noch einmal zum Angriff geblasen. Sie raten Eigenheimbesitzern, ihre zwischen 2002 und 2010 abgeschlossenen Kreditverträge auf fehlerhafte Widerrufsbelehrungen zu prüfen und eventuelle Fehler dazu zu nutzen, alte Darlehen zu widerrufen, um teure Altverträge in günstigere neue umzuwandeln. Denn die Zeit, diesen sogenannten "Widerrufsjoker" zu nutzen, scheint begrenzt.

Bis zum 21. März 2016 muss die EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden. Und es hat den Anschein, als werde der Gesetzgeber - auf Initiative des Bundesrats hin - das Widerrufsrecht für Immobiliendarlehen nicht nur für Neuverträge ab dem 20. März 2016, sondern auch für davor geschlossene Darlehen zu beschränken. Spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes soll dem Gesetztesentwurf zufolge, über den derzeit im Rechtsausschuss beraten wird, das Widerrufsrecht für zwischen Herbst 2002 und Juni 2010 geschlossene Verträge erlöschen. Mit der Möglichkeit des ewigen Widerrufs, wann immer das dem Kunden gelegen kommt, wäre es dann vorbei - zu Recht.

Sicher ist es richtig, dass Kunden nach Abschluss eines Vertrags in eindeutiger Form über ihr Widerrufsrecht informiert werden müssen. Unklare Formulierungen dürfen sich hier nicht zum Nachteil des Kunden auswirken. Das muss aber nicht zwangsläufig ein Freibrief dafür sein, bis in alle Ewigkeit nach günstigeren Rahmenbedingungen zu suchen und den Vertrag dann zu widerrufen. Schließlich muss man nach einer gewissen Vertragslaufzeit davon ausgehen können, dass der Kunde mit der ursprünglich getroffenen Vereinbarung nicht nur im Moment der Unterschrift, sondern auch noch danach einverstanden war. Und dann muss es auch für die Anbieter Rechtssicherheit geben können - getreu dem alten Grundsatz "pacta sund servanda".

Natürlich ist es für Eigenheimfinanzierer verlockend, sich eine neue Finanzierung zu Rekord-Niedrigzinsen zu suchen und unter Berufung auf Formfehler einen teuren Altvertrag zu widerrufen, um dadurch ihre Finanzierung deutlich günstiger darzustellen, als es zum Zeitpunkt des Erwerbs möglich war. Wer das aber so tut, wie es Verbraucherschützer und vor allem Anwälte (im wohlverstandenen Eigeninteresse) tun, der handelt unredlich. Dass bestimmte Produkte oder Dienstleistungen zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise günstiger zu haben sind als zum Zeitpunkt des Kaufs, gehört nun einmal zum Risiko jeglicher Transaktionen.

Das empfindet offenbar auch ein Großteil der Kunden so. Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass ein Teil der Kreditnehmer trotz der breiten Berichterstattung in den Medien von dem "Widerrufsjoker" nichts wusste, hätten sonst vermutlich weitaus mehr Kunden von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Wenn der Gesetzgeber nun tatsächlich das Widerrufsrecht beschränken sollte, dann ist er damit nicht nur der Bankenlobby auf den Leim gegangen, die "die Gunst der Stunde genutzt" hat, "um sich eines erheblichen Kostenrisikos zu entledigen", wie es Andreas M. Lang von der Rechtsanwaltskanzlei Nieding + Barth formuliert. Sondern er trägt auch einem natürlichen Rechtsempfinden vieler Menschen Rechnung.

Gleichzeitig käme der Gesetzgeber damit auch seiner Verantwortung gegenüber dem ohnehin schon gebeutelten Kreditgewerbe nach. Wenn Banken, Sparkassen oder auch Bausparkassen ständig fürchten müssen, eine unkalkulierbare Zahl von Verträgen aufgrund von weit zurückliegenden Formfehlern rückabwickeln zu müssen, dann trägt das sicher nicht zum Erhalt der Stabilität der Branche bei. Sollte man die aufs Spiel setzen, nur damit einige Kunden einen "Gewinn durch Widerruf" einstreichen können, wie es Finanztest im Oktober 2015 formulierte? Red.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X