Digitalisierung

Der "digitale Spielplatz" - mehr als nur Spielerei

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Im Juli dieses Jahres hat die Kreissparkasse Göppingen in ihrer Zentrale einen "digitalen Spielplatz" eröffnet, in dem sich Kunden und Mitarbeiter mit neuen Technologien vertraut machen können. Manches dabei ist Spielerei, es gibt aber durchaus Anwendungsbeispiele mit Bezug zum Bankgeschäft. Eingebettet ist der digitale Spielplatz in ein Gesamtprojekt Digitalisierung, bei dem es auch darum geht, die digitale Fitness der Mitarbeiter zu erhöhen, ein Umdenken im Unternehmen zu erreichen und letztlich langfristig Arbeitsplätze zu sichern. Red.

Digitalisierung ist ein Megatrend, der unseren Alltag heute und noch mehr in der Zukunft in hohem Maße prägt. Sie tangiert alle Lebensbereiche und kaum einer kann sich ihr entziehen. Damit müssen wir uns einfach beschäftigen. Das heißt für die Sparkassen: Es gilt, jederzeit mit den eigenen Leistungen Teil der täglichen Lebenswelt der 50 Millionen Kunden zu sein und - wie es die Markenbotschaft ihres neuen Werbeauftritts treffend ausdrückt - ihnen mit ihren Angeboten helfen, ihr Leben einfacher zu gestalten.

Schon jetzt sind die Sparkassen mit zwei Milliarden Online-Kundenkontakten jährlich die größte Online-Bank Deutschlands. Auf über 40 Millionen Sparkassen-Cards machen es intelligente Chips möglich, modernste Zahlungsverfahren und andere Bankdienstleistungen anzubieten. 4,5 Millionen aktive Nutzer machen die Sparkassen-Apps zu den erfolgreichsten mobilen Banking-Anwendungen. Deshalb sind die Sparkassen als Treiber der Entwicklungen in der digitalen Transformation.

Technische Neuheiten erleben

Vor dem Hintergrund dieser zweiten großen Veränderungswelle an der Schnittstelle zum Kunden in der Finanzbranche - die erste brachte ab den siebziger Jahren die Selbstbedienungsterminals - stellte sich für den Vorstand der Kreissparkasse Göppingen die Frage, wie das Haus den Weg in die digitale Welt aktiv beschreitet. Schnell war klar: Es sollten keine sogenannten Innovationsfilialen eingerichtet werden, in denen nicht der Mensch, sondern Technikautomaten die Hauptrolle spielen. Vielmehr sollten Kunden gemeinsam mit den Mitarbeitern die technischen Neuheiten, nicht nur auf die Bankenbranche begrenzt, erleben.

In dem amerikanischen Unternehmen NCR, vom Hersteller von Geldausgabeautomaten zum weltweit führenden Anbieter von Omnichannel-Lösungen gereift, fand sich ein Partner, der eine Lösung anbot: Das Konzept des "Innovation Experience Room" passte hervorragend zu unserem modernen Kundenzentrum in der Göppinger Zentrale. Diese wertet durch die architektonischen Lösungen eines Neubaus und die Komplettsanierung des Sparkassenhochhauses das Göppinger Stadtquartier um den Bahnhof erheblich auf. Es bietet den Kunden eine helle, futuristisch anmutende Filiale, in der bewusst genügend Raum für Präsentationen und andere Aktionen vorgesehen ist - nun eben für die Digitalisierung.

Bewusst eine deutsche Bezeichnung

Für die Regionalsparkasse galt: Das Projekt muss eine deutsche Bezeichnung bekommen. Deswegen fiel die Entscheidung ganz bewusst für "Digitaler Spielplatz", denn mit diesem Namen soll der Charakter des Ausprobierens betont werden, das Spielerische im Vordergrund stehen und Berührungsängste genommen werden.

Diesen Digitalen Spielplatz hat NCR als dreiteiligen Raum aus Pappe auf ungefähr 60 Quadratmetern aufgebaut. Darüber hinaus betreuen ihn die Experten von NCR auch über die Einführungsphase hinaus mit Beratungs- und Technologieleistung.

Virtueller Rundgang durch Immobilien

- Im sogenannten Gadgets Corner können Interessierte Virtual-Reality-Brillen ausprobieren und zum Beispiel Achterbahn (oder alternativ auch etwas Ruhigeres) fahren oder im eigenen 3-D-Gemälde herumklettern. 3-D-Brillen, ähnlich dem Google-Cardboard, ermöglichen beispielsweise den Rundgang durch eine Immobilie.

- Ganz begeistert sind die Besucher des Digitalen Spielplatzes von der 3-D-Druck-Technik. Sie können zusehen, wie der Drucker ein kleines rotes Schwein, alternativ einen Chip für den Einkaufswagen oder einen Kreisel, herstellt.

- Ebenfalls Spaß bringt der Magic Mirror. Er "erkennt", wer vor ihm steht, und charakterisiert diese Person mit witzigen Sprechblasen. Ausgereift wird diese Technik irgendwann ermöglichen, Informationen oder auch Werbung zielgruppengenau zuzuspielen.

- In einem anderen Bereich stehen Bildschirme und Smartphones bereit. Dort können sich Kunden anhand von Testkonten Online-Banking oder die Nutzung der Sparkassen-Apps erklären lassen. Informiert wird hier auch über Paydirekt, neue NFC-Technologien oder weitere Dienstleistungen.

Eigener Testbereich für Mitarbeiter

Der dritte Teilbereich steht den Mitarbeitern zur Verfügung, die sich dort zu Besprechungen treffen, Workshops abhalten oder Schulungen zur "digitalen Fitness" besuchen.

Damit die Kunden öfter wiederkommen, sieht das Konzept des Innovation Room vor, die Gadgets regelmäßig auszutauschen. So freuen wir uns schon auf Gummibärle aus dem Lebensmitteldrucker. Und demnächst soll gezeigt werden, was Drohnen so alles leisten können.

Zunächst soll der Digitale Spielplatz bis Juni 2017 stehen bleiben - mit der Option auf Verlängerung. Wie technische Trends anschließend präsentiert werden sollen - zum Beispiel in einer neuen Filiale oder in einer mobilen Lösung -, wird derzeit im Haus diskutiert. Auf jeden Fall bot kürzlich ein Tag der offenen Tür mit großem Erfolg die Möglichkeit, einige Gadgets in einer unserer Geschäftsstellen zu zeigen, um etwas "Appetit" auf den Digitalen Spielplatz in der Zentrale zu machen.

Mitarbeiter als Botschafter

Betreut wird der Digitale Spielplatz von zehn Mitarbeitern aus den unterschiedlichsten Markt- und Stabsbereichen der Sparkasse, die sich aufgrund ihrer hohen Technikaffinität und ihrer Neigung, ihr digitales Wissen weiterzugeben, auf die Stellenausschreibung beworben haben. Alle Kollegen haben eine spezielle Schulung der NCR-Experten besucht und verwenden etwa 20 Prozent ihrer Arbeitszeit darauf, die Besucher - Einzelpersonen genauso wie angemeldete Gruppen und Schulklassen - durch den Kreativraum zu führen. Allen gemeinsam ist die hohe Motivation.

Ihre Erfahrungen aus ihrer Tätigkeit im Digitalen Spielplatz geben sie an ihren angestammten Arbeitsplätzen in den Filialen oder Abteilungen mit Begeisterung weiter. So fungieren sie als wichtige Botschafter der Digitalisierung zu den Kunden wie auch ins eigene Haus.

Mit dem Engagement in Sachen Digitalisierung ist auf der einen Seite natürlich auch die Überlegung verbunden, wie sich Arbeitsplätze erhalten lassen. Trotz des Technikhypes ist und bleibt der wichtigste Erfolgsfaktor die Beziehung zwischen Berater und Kunde.

Auch qualitative Aufgaben werden sich verändern

Klar ist aber auch: Die Mitarbeiter müssen sich damit auseinandersetzen, dass sich im Zuge der Digitalisierung auch qualitative Aufgaben verändern werden. Kunden bewegen sich intensiv in der digitalen Welt, sind informierter, dennoch ist der Erklärungsbedarf hoch - die Anforderungen an die Berater werden also steigen: als Lotsen durch die digitale Finanzwelt.

Auf der anderen Seite verknüpft die Sparkasse Ideen aus einem anderen Projekt mit den Neuerungen der Digitalisierung, um der Frage nachzugehen, wie eine Regionalsparkasse die Präsenz in der Fläche durch zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten ihrer Filialen halten kann. Nur ein Beispiel und noch Zukunftsmusik: das Betreiben von Sharing Communities.

Projekt Digitalisierung

Bevor die Idee des Digitalen Spielplatzes intensiv verfolgt wurde, war die Kreissparkasse in Sachen Digitalisierung bereits gut unterwegs.

2015 war ein umfassende Projekt Digitalisierung aufgelegt worden, mit der Zielsetzung, die digitale Kompetenz im Unternehmen aufzubauen, digitale Präsenz und damit Kompetenz in den relevanten Social-Media-Kanälen zu zeigen sowie die Effizienz in den Prozessen durch den Einsatz neuer Technologien zu steigern.

Nebenbei laufen einige Maßnahmen der Digitalisierung bereits in der Linie wie der Beraterchat, OSPlus Neo, die kanalübergreifende Plattform mit identischer Oberfläche für Kunde und Berater, oder das elektronische Postfach. Mit der Internetfiliale 6 ist seit kurzem ein Webauftritt verfügbar, der das Endgerät erkennt.

Als Entwicklungen aus dem Projekt heraus wurde im Laufe dieses Jahres Wlan in den Filialen zur Verfügung gestellt und die sogenannte Good-App auf freiwilliger Basis eingeführt. Nach dem "Bring-your-own-Device"-Prinzip ist es den Mitarbeitern mit dieser Anwendung möglich, auf ihre geschäftlichen E-Mails, den Kalender und die auf Lotus Notes hinterlegten Kontakte zuzugreifen. Von den rund 1 100 Mitarbeitern haben bisher etwa 300 diese App auf ihre privaten Tablets oder Smartphones heruntergeladen.

Die Sparkasse erwartet davon keine ständige Erreichbarkeit, sondern sie will die Arbeitswelt komfortabler gestalten, indem von unterwegs oder von zu Hause aus gearbeitet werden kann. Dies schafft die Möglichkeit, Leistung künftig stärker über Inhalt und Ergebnisse zu beurteilen. Wo diese erbracht werden, ist zweitrangig. Ich gebe gern zu: Das bedeutet auch ein Umdenken bei manchen Führungskräften und eine Veränderung der Unternehmenskultur.

Digitale Fitness der Mitarbeiter erhöhen

Der große Bereich "Learning and Working Smarter" hat zum Ziel, die digitale Fitness der Mitarbeiter zu erhöhen. Nach dem Blended-Learning-Konzept wurden Schulungsinhalte gemäß unterschiedlichen Vorkenntnissen erarbeitet und Erklärvideos integriert, die ebenfalls im Projekt erstellt wurden. Diese Webinar-Reihen sind in diesem Herbst angelaufen.

Außerdem werden gerade Webmeetings mit Expertenzuschaltung pilotiert. Dazu wurden Mitarbeiter als Webinar-Trainer beziehungsweise Moderator von Webkonferenzen ausgebildet.

Mittlerweile hat die Kreissparkasse neben der Ausbildung und der Immobilien-Wohnbau auch als Gesamthaus einen Facebook-Auftritt. Weitere Aktivitäten auf sozialen Medien wie Instragram oder Youtube sind "nice to have", werden aber noch diskutiert. Kurz vor der Einführung stehen die Videolegitimation und Funktionalität Fotoüberweisung in der Sparkassen-App.

Workshops für Firmenkunden in Planung

In dieses Gesamtprojekt hat sich auch der Digitale Spielplatz eingereiht und wurde von den Verantwortlichen des Hauses gemeinsam mit dem Kooperationspartner NCR gut vorbereitet. Schon wenige Wochen nach der Eröffnung Anfang Juli ist klar: Der Spielplatz ist ein Erfolgsmodell. Nicht nur Kunden, Stadtbummler oder Schüler in der Mittagspause erobern die digitale Welt, auch Unternehmen sowie andere Sparkassen und Banken aus ganz Süddeutschland haben sich bereits vor Ort informiert, wie wir die Digitalisierung unseren Kunden näherbringen.

Ausgehend von den Erfahrungen mit dem technologischen Wandel laufen nun Planlungen, gemeinsam mit den Trendscouts von NCR Firmenkunden in Workshops Know-how zur Verfügung zu stellen, damit diese technologischen Trends in die eigene Unternehmensentwicklung adaptiert und entsprechende Businessmodelle kreiert werden können. Die Sparkasse will dabei nicht nur ihre Räumlichkeiten und Beratungsleistungen zur Verfügung stellen, sondern die Wirtschaft im Kreis Göppingen nachhaltig fördern.

Ich bin froh, dass wir den Digitalen Spielplatz in der Kreissparkasse Göppingen haben, denn so bekommen wir die Notwendigkeit der Digitalisierung vor Augen geführt und ich weiß nicht, ob wir uns mit diesem Zukunftsthema so intensiv beschäftigen würden, wenn wir nicht tagtäglich mit der neuen Technik ganz real konfrontiert würden.

Zum Autor Dr. Hariolf Teufel, Vorsitzender des Vorstands, Kreissparkasse Göppingen

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