INSOLVENZ UND INKASSO

Der präventive Restrukturierungsrahmen und seine Konsequenzen für Banken

Dr. Alexandra Schluck-Amend, Foto: CMS

Grundsätzlich ist der präventive Ansatz der EU-Richtlinie zur vorinsolvenzlichen Restrukturierung begrüßenswert, so Alexandra Schluck-Amend. Bei der Umsetzung in nationales Recht innerhalb der nächsten zwei Jahre gelte es nun aber, die Interessen der Banken zu berücksichtigen. Insbesondere gilt das für mögliche Widersprüche zum Bankrecht, wenn nämlich vereinbarte Sicherheiten durch die Moratorien nicht mehr als risikoentlastend anerkannt werden. Red.

Am 10. Januar 2019 wurde die finale Fassung des Entwurfs der Richtlinie zum präventiven Restrukturierungsrahmen veröffentlicht. Dem vorangegangen waren Triloggespräche zwischen dem Europäischen Parlament, der EU-Kommission sowie dem Europäischen Rat. Die EU-Richtlinie verfolgt nicht nur das Ziel, Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten ein effizientes Restrukturierungsverfahren an die Hand zu geben, sondern dient auch der Schaffung einer Kapitalmarktunion. Innerhalb von zwei Jahren muss die Richtlinie nun in nationales Recht umgesetzt werden.

In Bezug auf die Richtlinie dürften die Interessen von Banken neben ihrer bestmöglichen Befriedigung vor allem darin liegen, ein möglichst effizientes Verfahren unter Einbeziehung vieler Gläubiger zugunsten einer wirtschaftlichen Sanierung zu erhalten. Der präventive Ansatz ist aus Bankensicht daher zu begrüßen. Ein kritischer Blick muss jedoch insbesondere auf die Vereinbarkeit mit dem europäischen Bankaufsichtsrecht und die Berücksichtigung der Interessen gesicherter Gläubiger geworfen werden.

Maßgebliche Unterschiede zum Insolvenzverfahren

Das wesentliche Instrument der neuen Richtlinie ist der sogenannte Restrukturierungsplan. Anders als das Insolvenzverfahren, dessen Eröffnung nach den Regelungen der Insolvenzordnung (InsO) an das Vorliegen von Insolvenzgründen (siehe § 17 ff. InsO) wie Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung geknüpft ist, sieht die Richtlinie als Eingangsvoraussetzung lediglich die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz ("likelihood of insolvency") vor. Im Gegensatz zum Insolvenzverfahren, das als Gesamtvollstreckungsverfahren alle Gläubiger betrifft, ist es beim Restrukturierungsplan möglich, dass nur bestimmte Gläubigergruppen in das Verfahren einbezogen werden. Nur für diese in ihrer Rechtsstellung Betroffene (Art. 2 Abs. 3) entfaltet der Restrukturierungsplan dann auch Bindungswirkung.

Ähnlich wie im Eigenverwaltungsverfahren der InsO ist vorgesehen, dass der Schuldner in der Regel die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen behält (Art. 5 Abs. 1).

Kopfmehrheit aus Bankensicht ungünstig

Inhaltlich ist der Restrukturierungsplan sehr offen und damit auch etwas unklar ausgestaltet (Art. 8 Abs. 1 lit. f.). Der Richtlinienentwurf sieht hier allgemein "Restrukturierungsmaßnahmen" vor. Hierunter können etwa eine Umschuldung, eine übertragende Sanierung oder auch ein Schulderlass fallen (vgl. Art. 1 Abs. 2).

Vorgesehen ist zudem eine Gruppenbildung gemäß Art. 9 Abs. 2 nach gemeinsamem Interesse. Hinsichtlich der Abstimmung über den Plan sieht die Richtlinie in ihrer finalen Fassung eine Summenmehrheit von 75 Prozent mit der Option, eine Kopfmehrheit einzuführen, vor. Selbstverständlich wäre die Einführung einer Kopfmehrheit jedoch aus Bankensicht ungünstig. Sofern das Ergebnis des Plans angegriffen wird, erfolgt eine gerichtliche Überprüfung des Plans. Im Fall einer Bestätigung, ist dieser für alle betroffenen Parteien bindend (Art. 14).

Rechtspositionen von Banken können vor allem im Rahmen des sogenannten klassenübergreifenden cram-downs, also einer Planbestätigung trotz fehlender Zustimmung in allen Gruppen, betroffen sein (Art. 11). Die finale Version der Richtlinie sieht hier neben einer absoluten Vorrangregel nun auch die Möglichkeit vor, eine relative Vorrangregel einzuführen. Bei der absoluten Vorrangregel muss eine ablehnende Klasse voll befriedigt werden, bevor eine nachrangige etwas erhalten kann. Die relative Vorrangregel hingegen sieht vor, dass eine abweichende Klasse ebenso günstig wie alle gleichrangigen und günstiger als alle nachrangigen Klassen gestellt werden muss.

Insbesondere die Gruppenbildung kann ein Ansatzpunkt für Missbrauch des Planinstruments sein. In den bisherigen Fassungen des Richtlinienentwurfs fehlte eine Regelung, die dem § 245 Abs. 2 Nr. 3 InsO entspricht. Die Möglichkeit, eine relative Vorrangregel einzuführen, ist deshalb zu begrüßen, da sie Missbrauch vorbeugt. Aufgrund des klassenübergreifenden cram-downs ist eine Beeinträchtigung der Rechtsposition von Gläubigern möglich, die sich in der Praxis zulasten der Banken auswirken könnte. Diese muss sich am Eigentumsrecht aus Art. 14 GG messen lassen.

Vollstreckungsschutz - Risiko für Banken

Art. 6 des Richtlinienentwurfs sieht eine Aussetzung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen "zur Unterstützung von Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan" (Moratorium) vor, die beim ersten Mal auf maximal vier Monate, für weitere Male auf maximal zwölf Monate begrenzt ist (Art. 6 Abs. 4, 7).

Aus Bankensicht misslich ist die Länge des Moratoriums mit Blick auf Art. 178 CRR (Kapitaladäquanzverordnung). Hiernach liegt ein sogenannter Non-Performing Loan vor, wenn die Verbindlichkeit des Schuldners mehr als 90 Tage überfällig ist.

Widerspruch zum Bankrecht

Zudem besteht für Banken das Risiko, dass die vereinbarte Kreditsicherheit gemäß Art. 194 Abs. 4 CRR nicht mehr als risikoentlastend anerkannt wird. Hier ist es der Richtlinie nicht gelungen, Gläubiger- und Schuldnerinteressen mit dem EU-Bankenaufsichtsrecht in Einklang zu bringen. Auch droht aufgrund der Länge des Moratoriums der Wertverlust von Mobiliarsicherheiten. Es kann jedoch eine Ausnahme für Gläubiger vorgesehen werden, für die die Aussetzung eine unangemessene Benachteiligung darstellen würde. Zudem gibt es die Möglichkeit von Ausgleichszahlungen.

Ebenfalls nicht im Interesse der Banken dürfte es liegen, dass während des Moratoriums gemäß Artikel 7 Abs. 1 die Pflicht des Schuldners, einen Insolvenzantrag zu stellen, ausgesetzt wird. Zudem sieht Art. 7 Abs. 4 und 5 Regelungen vor, die die Unzulässigkeit einer Erfüllungsverweigerung bei gegenseitigen Verträgen und sogenannter Lösungsklauseln enthält. Die Unterstützung einer Betriebsfortführung des Unternehmens ist aus Bankensicht zu begrüßen. Allerdings kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass Kreditlinien und revolvierende Kreditsicherheiten ebenso von der Regelung betroffen sind. Trotzdem ist positiv anzumerken, dass der finale Entwurf gemäß Art. 7 Abs. 5 lit. b und Erwägungsgrund 43 die Möglichkeit einräumt, Nettingvereinbarungen von Moratorien auszunehmen. Zudem ist noch zu erwähnen, dass gemäß Art. 16 f. Zwischenfinanzierungen unberührt bleiben sollen ("safe harbours").

Den Mitgliedsstaaten bleiben zwei Jahre, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Es bleibt abzuwarten, welchen Anwendungsbereich der präventive Restrukturierungsrahmen finden wird und wie sich der klassenübergreifende cram-down und die Moratorien in der Praxis auswirken werden. Um Missbrauch zu erkennen und vorzubeugen, sollten Gläubiger sich in formiert halten und beraten lassen. Zu begrüßen ist der präventive Ansatz der Richtlinie, der eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen zu berücksichtigen sucht. Bei der weiteren Umsetzung sollten die Interessen der Banken berücksichtigt werden.

Dr. Alexandra Schluck-Amend, Fachanwältin für Insolvenzrecht, Partnerin und Leiterin des Geschäftsbereichs Restructuring and Insolvency, CMS Hasche Sigle, Stuttgart
Alexandra Schluck-Amend , Partnerin, CMS Deutschland, Stuttgart

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