ALTERSVORSORGE

"Verunsicherung durch einen radikalen Systemwechsel muss vermieden werden" / Interview mit Claudia Andersch

Claudia Andersch, Foto: R + V

Die nächste Bundesregierung sollte das Thema Alterssicherung unbedingt angehen, sagt Claudia Andersch - ideologiefrei und in Zusammenarbeit mit der Assekuranz. Ein radikaler Systemwechsel würde dabei die Verunsicherung der Bürger nur noch weiter verstärken. Staatlich geförderte Vorsorgeprodukte sollte es nach Einschätzung von Claudia Andersch auch weiterhin geben. Für Riester allerdings sieht sie ohne weitere Anpassungen keine Zukunft. Für die Zukunft der Lebens- und Rentenversicherung ist ihr dagegen nicht bange, da sie mit der Absicherung biometrischer Risiken punkten kann. Red.

Frau Andersch, lange schon drückt sich die Politik um Weichenstellungen in Sachen Alterssicherung - gesetzliche Rente, aber auch Förderung der privaten Vorsorge - herum. Wie sehr hat die Ungewissheit bezüglich künftiger Rahmenbedingungen der Vorsorge in Deutschland geschadet?

Ungewissheit und Unsicherheit sind immer schlechte Ratgeber, gerade wenn es um wichtige Dinge wie die eigene finanzielle Zukunftsplanung geht. Die Bundesbürger erwarten aber zu Recht ein klares Signal beim Thema Altersvorsorge. Angesichts von weiter anhaltenden Null- und Negativzinsen sowie steigender Lebenserwartung müssen Politik und Versicherer die Menschen gemeinsam motivieren, mehr vorzusorgen. Dazu muss eine konkrete Eigenvorsorge anstelle der verbreiteten Versorgungsmentalität gefördert werden.

Welche Erwartungen haben Sie an die neue Bundesregierung?

Dass viele Aspekte in der Altersvorsorge dringend reformbedürftig sind, ist ja nichts Neues und war völlig zu Recht als fester Bestandteil im Koalitionsvertrag verankert - politisch passiert ist in dieser Richtung allerdings nichts. Die nächste Regierungskoalition sollte unbedingt gemeinsam mit der Versicherungswirtschaft die Themen ideologiefrei angehen, also die gesetzliche Rente sowie die private und die betriebliche Altersvorsorge perfekt aufeinander abstimmen.

Oberstes Ziel muss es sein, das wachsende Risiko von Altersarmut zu reduzieren. Hierzu sollten vorrangig Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die gesetzliche Sicherung durch eine bessere Verbreitung der privaten und der betrieblichen Altersvorsorge exakt auf den individuellen Bedarf zugeschnitten ergänzen. Das geht am besten Hand in Hand mit den Versicherern und ihrer ausgewiesenen und durch unabhängige Institute bestätigten Beratungs-, Kapitalanlage-, Risikoabsicherungs- und Verrentungskompetenz.

Was würde es aus Sicht der Lebensversicherer bedeuten, wenn die neue Bundesregierung ein mehr oder weniger staatlich organisiertes Vorsorgeprodukt auf den Weg bringen würde?

Verstärkte Verunsicherung in der Bevölkerung, etwa durch einen radikalen Systemwechsel in der Altersvorsorge, muss unbedingt vermieden werden! Ein reiner Staatsfonds ist aus unserer Sicht daher keine Alternative.

Der Staat müsste völlig neue Strukturen und Kompetenzen aufbauen, wie sie die Versicherer schon seit Langem haben. Auch muss der Staat erst einmal unter Beweis stellen, ob er ein wirtschaftlich erfolgreicherer Akteur ist als private Unternehmen. Weiterhin müsste erst ausreichend Kapital angespart werden, bis ein solches Produkt seine Wirksamkeit entfalten könnte. Es gilt deshalb vielmehr, das Vertrauen der Menschen in die bestehenden drei Säulen der Altersvorsorge in Deutschland zu erhalten und deutlich zu stärken.

Länger als andere Anbieter hat die R + V auch an klassischen Garantiekonzepten in der Lebensversicherung festgehalten, jetzt aber doch den Wechsel im Angebotsportfolio vollzogen. Weshalb?

Klassische Garantiekonzepte sind im aktuellen Zinsumfeld mit langen Ansparphasen und geringen Renditeaussichten verbunden. Für potenzielle Kunden ist das zusehends unattraktiv. Wir setzen stattdessen vermehrt auf Produkte, die eine höhere Flexibilität in der Kapitalanlage ermöglichen und eröffnen den Kunden die Möglichkeit, stärker an den Entwicklungen der Kapitalmärkte zu partizipieren. Die Risikobereitschaft unserer Kunden ist natürlich individuell sehr unterschiedlich - dem werden wir mit einem breiten Spektrum an Produkten gerecht.

Liegt die gestiegene Nachfrage nach Produkten mit weniger Garantien, aber dafür mehr Renditechancen daran, dass diese die Kunden wirklich überzeugen - oder teilweise auch daran, dass immer weniger "klassische" Garantien angeboten werden?

Wir möchten für unsere Kunden ein starker und vor allem verlässlicher Partner in der Altersvorsorge sein. Daher legen wir großen Wert darauf, zu verstehen, was die Kunden bewegt, und beziehen sie schon in der Produktentwicklung aktiv mit ein. Bei unserer Produktfamilie Safe + Smart haben wir so beispielsweise gemeinsam ein Produkt entwickelt, bei dem die Kunden selbst flexibel Umschichtungen zwischen sicher verzinstem und chancenorientiert angelegtem Kapital vornehmen. So können die Kunden auf Wunsch ihr Sparverhalten und ihre Risikobereitschaft innerhalb ihres bereits abgeschlossenen Produktes anpassen und aktiv steuern. Mit Produkten dieser Art sind wir am Markt sehr erfolgreich und erleben viel positive Resonanz.

Sind die neueren Produktgenerationen erklärungsbedürftiger und damit schwerer zu verkaufen?

Natürlich enthalten unsere neueren Produkte im Vergleich zu einer klassischen Lebensversicherung Bausteine, die es vorher so nicht gab. Eine individuelle Beratung ist daher sehr wichtig, um die Kunden mit den neuen Möglichkeiten vertraut zu machen. Es ist essenziell, dass sie verstehen, was sie gekauft haben. Dazu ist es sehr wichtig, dass die integrierten Services für Kunden einfach zugänglich, direkt handhabbar und erlebbar sind.

Brauchen die Genossenschaftsbanken dafür mehr oder andere Unterstützung als bisher?

Die Zeiten des reinen Produktverkaufs sind schon lange vorbei. Gefragt sind heute ganzheitliche Lösungen und passgenaue, bedarfsgerechte Beratung für die jeweilige Lebenssituation - also beispielsweise Berufsstart, Familiengründung oder die Planung des Ruhestandes. Das bieten wir unseren Kunden in unserem genossenschaftlichen Beratungsansatz und unterstützen unsere Vertriebspartner dabei bestmöglich.

Wie tot ist - ohne weitere Anpassungen - die Riester-Rente?

Wir befürworten ausdrücklich staatlich geförderte Vorsorgeprodukte wie die Riester-Rente. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen hat das Produkt ohne Anpassungen aus meiner Sicht allerdings keine Zukunft mehr, da es für potenzielle Kunden zu unattraktiv wird.

Welchen Stellenwert kann und wird die Lebensversicherung künftig noch in der privaten Altersvorsorge der Bundesbürger haben? Ist die Dominanz des Produkts, wie wir sie in Deutschland früher hatten, endgültig vorbei?

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir durch den Wandel der Lebens- und Rentenversicherungsprodukte hin zu höheren Renditechancen allen potenziellen Kunden zeitgemäße Möglichkeiten für ihre Altersvorsorge bieten können. Eine Lebens- beziehungsweise Rentenversicherung gehört meiner Ansicht nach auch künftig als zentraler Baustein zum Vorsorge-Portfolio dazu. Denn sie bietet weiterhin eine Kombination mehrerer unschlagbarer Vorteile: eine planbare lebenslange Rente, ein Garantieniveau nach Wahl und die finanzielle Absicherung bei Todesfall und gesundheitsbedingtem Verlust der Arbeitskraft.

Gerade die letztgenannten Absicherungsmöglichkeiten gegen sogenannte biometrische Risiken spielen durch das gestiegene Gesundheitsbewusstsein in der Gesellschaft eine immer größere Rolle und sollten bei der individuellen Lebens- und Vorsorgeplanung keinesfalls außer Acht gelassen werden.

Claudia Andersch , Vorsitzende des Vorstands , R+V Lebensversicherung AG, Wiesbaden

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