bankassurance + allfinanz

Altersvorsorge im Wahlkampfdonner

Mit ihrer Warnung vor einer großen Zahl an Menschen, denen die Altersarmut droht, hat Bundesarbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen die Republik aufgeschreckt. Die vorgelegten Zahlen mögen der Realität nicht ganz gerecht werden, da sie nur die Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen, nicht aber Sonstiges wie Erbschaften, Riester-Verträge, private Lebens- oder Rentenversicherungen, Wohneigentum und was die Menschen sonst noch "auf der hohen Kante" haben. Dennoch ist wieder einmal deutlich geworden: Wer irgend kann, sollte unbedingt privat vorsorgen.

Ein regelrechter Ansturm auf Beratungstermine zum Thema ist gleichwohl nicht zu erwarten. Denn die Problematik an sich ist den Verbrauchern längst bewusst. Das zeigt der vom Deutschen Institut für Altersvorsorge in Köln (DIA) vierteljährlich vorgelegte Deutschland-Trend-Vorsorge schon seit langem. In sofern hält sich der Mehrwert der Information in Grenzen.

Der jüngsten Umfrage des DIA zufolge gingen im zweiten Quartal dieses Jahres 71 Prozent der Bundesbürger (und damit ebenso viele wie 2009) davon aus, ihren Lebensstandard im Alter senken zu müssen. 39 Prozent bezeichneten ihre Vorsorge als ausreichend, 35 Prozent bekannten sich zu fehlender Vorsorge, wollen oder können aber derzeit nicht mehr tun. Der Anteil derer, die zwar nicht ausreichend vorgesorgt haben, hier aber in den nächsten zwölf Monaten Maßnahmen ergreifen wollen, lag im zweiten Quartal 2012 bei 26 Prozent. Er ist seit dem dritten Quartal 2011 von damals 33 Prozent, dem bisherigen Spitzenwert, kontinuierlich gesunken.

Nachlassende Abschlussbereitschaft für Riester-Verträge

Auch der Blick auf die Zahl der Riester-Verträge, wie sie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlicht, zeigt seit 2008 eine offenbar nachlassende Abschlussbereitschaft. Wurden 2007 noch 2,71 Millionen neue Verträge abgeschlossen, waren es 2008 nur noch 1,39 Millionen Verträge, und auch in den drei folgenden Jahren sanken die Abschlusszahlen weiter auf nur noch 971 000 neue Verträge im vergangenen Jahr. Im laufenden Jahr dürfte die Bilanz noch schwächer ausfallen: Im ersten Halbjahr wurden ganze 262 000 Riester-Verträge neu abgeschlossen. Vermutlich spiegelt sich hier die allgemeine Verunsicherung der Bürger wider. Ordentlich gewachsen ist zuletzt nur noch der Wohn-Riester mit 195 000 Neu-Abschlüssen in diesem Jahr, also fast Drei Vierteln des gesamten Neugeschäfts.

Dass besonders die Riester-Angebote der Assekuranz so stark an Zuspruch verloren haben (nur noch 32 000 Neu-Verträge im ersten und ganze 2 000 im zweiten Quartal 2012) steht auf einem ganz besonderen Blatt. Gut möglich, dass die Vertriebe nicht allzu heftig die Werbetrommel gerührt haben, vermutlich mit dem Segen der Anbieter. Denn angesichts der vergleichsweise geringen Volumina der Riester-Verträge sind diese Angebote nach wie vor nicht allzu lukrativ - und in einem Umfeld, in dem die Assekuranz ohnehin Mühe hat, die zugesagte Rendite für Lebens- und Rentenversicherungen überhaupt zu erwirtschaften, dürfte sich das Interesse an Riester-Versicherungen bei Anbietern wie Vertrieben gleichermaßen in Grenzen halten.

Doch auch beim Kunden gibt es vermutlich Vorbehalte. Die gesetzliche Anhebung des Mindestalters für die Auszahlung der Rente seit Beginn dieses Jahres mag zum geringen Riester-Neugeschäft der Assekuranz ebenso beigetragen haben wie die kräftige Absenkung des Garantiezinses.

Riester oder bAV?

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft hofft hier ganz offensichtlich auf eine Trendumkehr und mahnt eine Steigerung der Attraktivität der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge an. Dies hat sich auch Ursula von der Leyen auf die Fahne geschrieben. Sollte ihr Entwurf Gesetzesreife erlangen, könnte ein Boom an Kleinstverträgen die Folge sein: Denn zum einen könnten Geringverdienter dann schon Verträge mit einem Mindestbeitrag von fünf Euro pro Monat abschließen, zum anderen soll die Zuschussrente an eine solche Eigeninitiative gebunden sein. Die SPD will vor allem die betriebliche Altersvorsorge ausbauen. Bei jedem Arbeitnehmer sollen demnach zwei Prozent des lohnsteuerpflichtigen Brutto in einen Beitrag zur "Betriebsrente plus" umgewandelt werden, die von der Deutschen Rentenversicherung eingezogen wird, maximal dürfen es sechs Prozent sein. Zusätzlich sollen aus Steuermitteln pauschal 400 Euro pro Jahr überwiesen werden. Zu dieser staatlich geförderten betrieblichen Altersvorsorge gezwungen werden soll freilich niemand: Es soll ein Widerspruchsrecht geben.

Dieses Modell der SPD könnte durchaus auf Gegenliebe bei den Verbrauchern stoßen. Eine freiwillige zusätzliche Alters vorsorge jedes Erwerbstätigen hat zwar gegenüber der automatischen Mitgliedschaft mit Widerspruchsrecht einen Zustimmungsvorsprung von zehn Prozentpunkten. Der am 23. Juli veröffentlichten DIA-Studie zufolge finden jedoch nur 39 Prozent der Bundesbürger ein Mitgliedschaftsmodell mittelmäßig oder schlecht, 37 Prozent bewerten es als gut, 24 Prozent sogar als sehr gut oder ausgezeichnet. Das Widerspruchsrecht wird dabei als wichtig eingestuft - was aber nicht heißen muss, dass ein hoher Teil der Beschäftigten davon tatsächlich Gebrauch machen würde.

Wie sich die in beiden Entwürfen vorgesehenen Zusatzbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung auf die Abschlussbereitschaft für Angebote der Finanzwirtschaft auswirken würde, muss letztlich offen bleiben. Der GDV rechnet vor, dass dadurch Beitragszahler mit Riester-Eigen vorsorge bei gleicher Beitragsleistung schlechter gestellt würden als solche, deren Arbeitgeber Zusatzbeiträge leistet. Ein Argument für die private Vorsorge wäre das nicht.

Abschlussentscheidungen in Wartestellung

Gebracht hat die neuerliche Vorsorgediskussion also vor allem eins: neue Unsicherheit. Klar ist einstweilen nur, dass die Politik vermutlich alle drei Säulen der Altersvorsorge in der einen oder anderen Form überarbeiten wird. Angesichts der von allen politischen Gruppierungen benannten Brisanz der Thematik täten die Parteien gut daran, sich möglichst rasch auf eine gesetzliche Regelung zu einigen. Stattdessen versuchen sie sich nun im Hinblick auf die Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres mit ihren jeweiligen Konzepten innenpolitisch zu profitieren. Die Vorsorgefrage verkommt zum Wahlkampfthema.

Im Ergebnis dürfte es noch gut ein Jahr dauern, bis klar ist, was künftig wie gefördert ist und welche Form der eigenen Vorsorge sich für wen lohnt oder auch nicht. Für die Finanzdienstleister entfällt damit ein wesentliches Vertriebsargument für Vorsorgeprodukte, ein Großteil der Verbraucher wird Abschlussentscheidungen erst einmal aufschieben. Denn jeder Euro kann bekanntlich nur einmal ausgegeben werden. Wer also nicht weiß, ob künftig Riester oder bAV die günstigere Alternative sein wird, wird im Zweifelsfall gar nichts unternehmen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X