Eigenheimfinanzierung

Das Ende korrekter Effektivzinsangaben bei Verbraucherkrediten?

Zum 1. September 1985 wurde die erste Verordnung zur Effektivzinsberechnung im damaligen § 4 Preisangabenverordnung (PAngV) erlassen. Seit dieser Zeit wurden immer wieder Veränderungen vorgenommen, die Berechnungen sind nun im § 6 PAngV und § 6a) PAngV plus Anhängen festgehalten.

Die letzten Änderungen fanden zum 11. Juni 2010 und zum 1. Januar 2013 statt. Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurde in Deutschland endlich die Effektivzinsformel den international gebräuchlichen Methoden AIBD/ISMA angepasst und die alte Effektivzinsformel, die auch als Sparbuchmethode oder Sparbuchformel bezeichnet wird, eliminiert.

Juristischer und ökonomischer Effektivzins

Die alte Methode führte auch mathematisch zu obskuren Ergebnissen. Bankintern wurde immer nach der Methode AIBD/ISMA gerechnet, extern wurde damals den Vorschriften des alten § 4 PAngV in den Kreditverträgen Genüge getan. Gerechnet wird nun weltweit nach der gleichen Methode, nur die Einflussfaktoren, die in der Berechnung berücksichtigt werden müssen, sind national unterschiedlich und ändern sich auch innerhalb unseres Landes permanent.

Daher gibt es seit dem 1. September 1985 einen juristischen und einen ökonomischen Effektivzins in Deutschland. Das lässt sich sehr leicht an der Ausschaltung und Einbeziehung von Kontoführungsgebühren in die Effektivzinsrechnung darstellen.

Vom 1. September 1985 bis zum 11. Juni 2010 durften die Kontoführungsgebühren, die durch die Inanspruchnahme eines Kredites veranlasst wurden, nicht in der Effektivzinsrechnung berücksichtigt werden. Ab dem 11. Juni 2010 müssen sie per neuer gesetzlicher Vorschrift eingebunden werden. Begründungen für den offensichtlichen Sinneswandel wurden nicht geliefert.

Neue Definitionen

Die Methode der einseitigen und unzureichenden Ausrichtung auf die juristischen Einflussfaktoren des § 6 und 6a) PAngV ist als juristische Effektivzinsrechnung zu bezeichnen. Die ökonomische Effektivzinsrechnung umfasst alle Kosten, die mit einem Darlehen zusammen anfallen, bis das Darlehen zurückgezahlt oder die vereinbarte Restschuld erreicht ist.

Zum 11. Juni 2010 wurde anstelle des Nominalzinssatzes mit fester Zinsbindung der gebundene Sollzinssatz eingeführt, der darauf hinweist, dass der Sollzins für eine bestimmte Laufzeit des Kreditvertrages gebunden ist. Dadurch wird die Transparenz eines Kreditvertrages weder erhöht noch vermindert.

Ob der Sollzins für die gesamte Laufzeit oder nur für einen bestimmten Zeitabschnitt gilt, ist erst nach sorgfältigem Vertragsstudium mühsam zu erkennen.

Ferner wurde die Bezeichnung Nettodarlehensbetrag eingeführt. Nach etlichen Irritationen in der Branche wird darunter nun die Auszahlung eines Kredites verstanden. Abgeschafft wurde die Pflichtangabe des Bruttodarlehens (auch als Bruttodarlehensbetrag oder Darlehenssumme bezeichnet), von dem bekanntlich die Rate mit Zins und Tilgung über den Sollzins berechnet werden. Für diese intransparente Haltung des Gesetzgebers, die keinem nützt, ist keine Begründung zu erkennen.

Abschaffung des anfänglich effektiven Jahreszinses

Bis zum 11. Juni 2010 musste bei Krediten, bei denen ein damals fester Nominalzins für einen Teil der Laufzeit des Kredites angegeben wurde, der anfänglich effektive Jahreszins genannt werden.

Damit wurde dem Kreditnehmer verdeutlicht, dass der feste Nominalzins nur für eine bestimmte Zeit fest oder gebunden vereinbart wurde. Diese Angabe wurde zum 11. Juni 2010 ersatzlos gestrichen, was neuen legalen Effektivzinsmanipulationen Raum gab. Das wird an folgenden Beispielen erläutert.

Herr Weber nahm zum 31. Juli 2012 einen Kredit zu seiner Immobilienfinanzierung mit einer Laufzeit von 25 Jahren bei der Gamma-Bank auf, da mit 65 Jahren der Kredit abbezahlt sein soll.

Die Konditionen lauten wie folgt:

Nettodarlehensbetrag: 100 000,00 Euro

Auszahlungskurs: 100 Prozent

Gebundener Sollzins für zehn Jahre: 3,00 Prozent

Tilgungssatz bezogen auf 25 Jahre: 2,69 Prozent

Rate am Monatsende: 474,22 Euro

Zins- und Tilgungsverrechnung: sofort

Restschuld nach zehn Jahren 68 667,18 Euro anfänglich effektiver

Jahreszins: 3,04 Prozent (bis zum 11. Juni 2010 vorgeschrieben

Unterstellte Prolongation alt (bis 31. Dezember 2012 erlaubt) mit Folgesollzinssatz von 2,0 Prozent

Die Gamma-Bank behauptet, dass sie die Anschlussfinanzierung zu 1,0 Prozent über den derzeitigen Refinanzierungszins von 1,0 Prozent variabel darstellen kann.

Das würde bedeuten:

angenommener Sollzins

für die restlichen 25 Jahre: 2,00 Prozent

179 Monatsraten: 441,88 Euro

1 Schlussrate: 441,73 Euro

Restschuld nach 25 Jahren: 0,00 Euro

gesamter effektiver Jahreszins über 25 Jahre (bis 31. Dezember 2012 erlaubt): 2,71 Prozent

Gesamtbetrag der Zahlungen: 136 444,65 Euro

Der Effektivzinssatz konnte gesetzlich abgesichert bis zum 31. Dezember 2012 so manipuliert werden, ohne dass sich "effektive" Folgen für das Institut ergaben. Bei der Abschaffung des anfänglich effektiven Jahreszinses wurde "vergessen" zu regeln, wie denn nun in der Prolongationszeit weiter gerechnet werden sollte. Leider hatten etliche Kreditinstitute es nötig, diese Gesetzeslücke auszunutzen.

Prolongation mit vorgegebenem Folgezinssollzinssatz

Nach der Anlage zu § 6 PAngV II letzter Satz j) muss seit dem 1. Januar 2013 der Sollzinssatz genannt werden, "der sich aus dem Wert des vereinbarten Indexes oder Referenzzinssatzes zum Zeitpunkt der Berechnung des effektiven Jahreszinses ergibt". Im Beispiel ist also mindestens der Sollzinssatz von drei Prozent oder mehr zu verwenden. Die Berechnungen zeigen dann folgende Ergebnisse:

angenommener Sollzins

für die restlichen 15 Jahre: 3,00 Prozent

179 Monatsraten: 474,22 Euro

1 Schlussrate: 470,35 Euro

Restschuld nach 25 Jahren: 0,00 Euro

gesamter effektiver Jahreszins über 25 Jahre (ab 1. Januar 2013): 3,04 Prozent

Gesamtbetrag der Zahlungen: 142 262,13 Euro

Es ist sehr erfreulich, dass der Gesetzgeber sich selbst korrigiert hat. Denn er hatte selbst erst zum 11. Juni 2010 diese Effektivzinsmanipulation ermöglicht. Aber wie heißt es doch: Judex non calculat - der Richter (Jurist) kann nicht rechnen.

Bearbeitungsgebühren bei Ratenkrediten

Das Thema der Einrechnung von Bearbeitungsgebühren ist trotz des Urteils vom OLG Dresden mit dem Aktenzeichen 8 U 562/11 noch nicht vom Tisch. Die Chemnitzer Sparkasse hatte ihre Revision vor dem BGH dazu zurückgezogen. Die Problematik wird an folgendem Beispiel erläutert.

Zu Silvester 2013 erschien eine Anzeige der Alpha-Bank mit folgenden Daten:

Privatkredit*)

Monatliche Rate: 89,00 Euro

Nettodarlehensbetrag: 5 000,00 Euro

Effektiver Jahreszins: 7,99 Prozent

Gebundener Sollzins per annum: 6,85 Prozent

Bearbeitungskosten: 3,0 Prozent

Laufzeit: 72 Monate

Berechnung entspricht dem repräsentativen Beispiel: Das Angebot gilt bis zum 31. März 2013 *) Bonität vorausgesetzt

Diese Daten kann man auch wie folgt darstellen:

Nettodarlehensbetrag: 5 000,00 Euro + Bearbeitungskosten 3,0 Prozent 150,00 Euro

Bruttodarlehensbetrag: 5 150,00 Euro

Auszahlungskurs damit: 97,087379 Prozent

Auszahlung: 5 000,00 Euro

Gebundener Sollzins über: 6 Jahre

Monatlich nachschüssige Rate: 89,00 Euro

das ergibt:

Effektiver Jahreszins: 8,89 Prozent

Gesamtbetrag der Zahlungen 6 408,00 Euro

Ratenhöhe bei einem Effektivzins von 7,99 Prozent 86,96 Euro

Gesamtbetrag der Zahlungen 6 261,12 Euro

Ersparnis mit 7,99 Prozent

Effektivzins 146,88 Euro

Gemäß dem § 494 Abs. 3 BGB müsste die Ratenhöhe auf 86,96 Prozent angepasst werden, wenn im Verbraucherkreditvertrag die Preisangabe mit 7,99 Prozent Effektivzins genannt worden wäre. Damit hätte der Verbraucher eine Ersparnis von 146,88 Euro erreicht

In der Effektivzinsrechnung werden in das Vergleichskonto nur einbezogen: Der Auszahlungsbetrag von lediglich 5 000 Euro und die 72 genannten nachschüssigen Monatsraten. Damit ist die Effektivzinsangabe der Alpha-Bank in der Werbung falsch. Nun behauptet das Institut, dass die Bearbeitungsgebühren auf die Laufzeit verteilt werden. Ein finanzmathematischer Beweis wird über ein Vergleichskonto jedoch nicht angetreten. Die Bank wurde über die abweichende Meinung in der Effektivzinsrechnung informiert. In einem vergleichbaren Fall war eine Beschwerde über eine ähnliche Effektivzinsrechnung der Alpha-Banka an die BaFin gerichtet, doch wurde nichts "Effektives" veranlasst.

Das Bundesjustizministerium folgt der Auffassung (siehe Guter Rat 1/2013, Seite 14 ff). Ein ähnliches Angebot von einem anderen Kreditinstitut wurde abgemahnt und zahlte daraufhin 220 Euro. Als Fazit kann festgehalten werden: Die Sanktionen des § 6 PAngV greifen nicht. Die BaFin hat anscheinend keine Kontrollsoftware, und falsche Effektivzinsangaben bleiben für die Banken folgenlos. Wenn vor Gericht geklagt wird, werden Vergleiche geschlossen, um ein BGH-Urteil zu vermeiden.

Bearbeitungsgebühren bei Immobilienfinanzierungen

Im Februar 2013 erschein folgende Anzeige der Alpha-Bank in verschiedenen Medien:

Gebundener Sollzins: 1,99 Prozent

Nettodarlehensbetrag: 100 000 Euro

Laufzeit/Volltilgung: 25 Jahre

Bearbeitungskosten: 500 Euro

Monatliche Rate: 425,53 Euro

Effektiver Jahreszins: 2,05 Prozent

Ferner folgender Text: "Repräsentatives Beispiel Immobilienerwerb mit monatlicher Tilgung; Stand: siehe Text Finanzierungsbedarf bis maximal 50 Prozent des Kaufpreises, nur für Neugeschäft.

Zusätzlich fallen noch Kosten im Zusammenhang mit der Bestellung der Grundschulden an, wie Notarkosten, Kosten der Sicherheitenbestellung (zum Beispiel für das Grundbuchamt) sowie Gebäudeversicherung."

Für die Analysen werden folgende Daten ergänzt:

Bruttodarlehensbetrag: 100 500,00 Euro

Auszahlungskurs: 99,502488 Prozent

Auszahlung = Nettodarlehensbetrag: 100 000,00 Euro

Bei einer Laufzeit von 25 Jahren, einem Bruttodarlehensbetrag von 100 500 Euro ergeben sich bei einem durchgehenden Sollzins von 1,99 Prozent folgende Ergebnisse:

299 nachschüssige Monatsraten à 425,53 Euro

1 Schlussrate 407,86 Euro

Summe Zinsen: 27 141,33 Euro

Tilgungen: 100 500,00 Euro

Effektiver Jahreszins: 2,05 Prozent

Bei einer Laufzeit von fünf Jahren über die gebundene Sollzinsdauer ergibt sich Folgendes:

60 monatlich nachschüssige Raten à 425,53 Euro

Restschuld nach fünf Jahren: 84 183,16 Euro

Summe Zinsen: 9 214,96 Euro

Summe Tilgungen: 16 316,84 Euro

Effektiver Jahreszins: 2,12 Prozent

Gesamtbetrag der Zahlungen: 25 531,80 Euro

Die Bearbeitungskosten sind hier voll in die Effektivzinsberechnung von fünf Jahren eingeflossen. Von der Alpha-Bank wurde ein identisches Angebot über einen Bruttodarlehensbetrag von 50 000 Euro mit sonst gleichen Konditionen gemacht. Eine Nachfrage bezüglich der Erstattung von anteiligen Bearbeitungskosten nach fünf Jahren, wenn ein Wechseln zu einem anderen Kreditinstitut vorgenommen würde, ergab per mündlicher Auskunft, dass keine Erstattung vorgesehen sei. Die Bearbeitungsgebühren seien nun einmalig verbraucht. Im angebotenen Vertrag wurden zur Verrechnung der Bearbeitungsgebühren in der Effektivzinskalkulation und einer anteiligen Erstattung bei einer möglichen Prolongation mit einer anderen Bank keine Aussagen getroffen.

Die Alpha-Bank hat hier weiter eine Gesetzeslücke ausgenutzt. Die Effektivzinsrechnung mit 2,05 Prozent kann als rechtswidrig erachtet werden. Wenn die Bearbeitungskosten über die gesamte Laufzeit verteilt werden, dann müssen die anteiligen Bearbeitungsgebühren bei Prolongationen anteilig, hier 400 Euro (entsprechend 80 Prozent), erstattet werden, wenn diese in die Effektivzinsrechnung über die gesamte Laufzeit, wie im dargestellten Fall vorgenommen, einfließen. Es handelt sich hier um das früher sogenannte Disagiosplitting, bei dem die Bearbeitungskosten anteilig bei Prolongationen erstattet beziehungsweise fortgeführt wurden. Die Alpha-Bank dürfte eine gerichtliche Auseinandersetzung auf diesem Gebiet verlieren. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum für einen kurzfristigen, optischen Marktvorteil das Risiko kommender juristischer Auseinandersetzungen eingegangen wird.

Folgerungen

An Die Deutsche Kreditwirtschaft, dem Nachfolger des Zentralen Kreditausschusses, geht die Empfehlung, einheitliche interne und gesetzeskonforme Regelungen zu der Behandlung von Bearbeitungsgebühren in der Effektivzinsrechnung und den Kreditverträgen zu treffen. Nur so ließe sich verhindern, dass sich Gerichte des Themas annehmen, was höchstwahrscheinlich mit Imageschäden für die einzelnen Institute und nicht zuletzt für die gesamte Branche verbunden wäre. Die Berechnungen können beim Autor unter info[at]prof-bockholt[dot]de angefordert werden.

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