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Bearbeitungsgebühren: BGH-Urteil beschädigt Rechtssicherheit

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Die BGH-Urteile zur Unzulässigkeit von Bearbeitungsgebühren bei Konsumentenkrediten und zur Verjährungsfrist von Rückforderungsansprüchen sind aus Sicht des Bankenfachverbandes in mehrfacher Hinsicht unbillig. Gegenüber den Banken, weil durch die rückwirkende Änderung bisheriger BGH-Rechtsprechung hohe Kosten auf die Kreditwirtschaft zukommen; gegenüber den Kunden, weil sie durch die Urteile in unterschiedlicher Weise begünstigt oder benachteiligt werden, je nachdem, ob sie Bearbeitungsgebühren gezahlt haben oder nicht oder wann sie dagegen vor Gericht gezogen sind. Das Vertrauen in die Rechtsprechung wie auch das der Kunden in die Banken ist durch die Urteile weiter beschädigt worden. Und für die Kunden werden die Kredite dadurch eher teurer als billiger. Red.

Stellen Sie sich vor, Sie fahren jeden Tag auf Ihrem Weg zur Arbeit durch eine geschlossene Ortschaft und halten stets vorschriftsmäßig Tempo 50 ein. Eines Tages erklärt die oberste Verkehrsbehörde die Straße zur Tempo-30-Zone - und zwar rückwirkend für die letzten zehn Jahre. Sie erhalten daraufhin einen Bußgeldbescheid, der besagt, dass Sie wegen Geschwindigkeitsüberschreitung eine Strafe zahlen müssen - und zwar ebenfalls rückwirkend für die letzten zehn Jahre.

Rückwirkungsverbot, Vertrauensschutz und Rechtssicherheit gehören zu den Grundprinzipien des Rechtsstaates. Der BGH hat diese Grundsätze mit seinen Urteilen zur Unzulässigkeit von Bearbeitungsgebühren bei Verbraucherdarlehen vom 13. Mai 2014 und insbesondere mit den darauffolgenden Urteilen zur Verjährung von Rückforderungsansprüchen vom 28. Oktober 2014 massiv erschüttert. Er hat dadurch aber nicht nur das Vertrauen der Banken in die Rechtsprechung, sondern in ungerechtfertigter Weise auch das Vertrauen der Kunden in die Banken weiter beschädigt.

Unbillig gegenüber den Banken

Die BGH-Urteile sind nicht billig, und zwar in dreifacher Weise. Erstens sind sie für die Banken im umgangssprachlichen Sinne nicht billig gewesen, denn sie haben die Banken eine Menge Geld gekostet. Die Urteile sind aber auch im Rechtssinne nicht billig, das heißt nicht ausgewogen und nicht gerecht. Sie sind unbillig sowohl gegenüber den Banken als auch, was auf den ersten Blick verwundern mag, gegenüber den Kunden.

Auf den Punkt gebracht geht es um eine einfache, von jedem nach seinem eigenen Gerechtigkeitsgefühl zu beantwortende Frage: Laut BGH hat sich die Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der Bearbeitungsgebühren erst im Laufe des Jahres 2011 bei den Oberlandesgerichten herausgebildet. Vor Ende des Jahres 2011 war den Kreditkunden deshalb nach Meinung des BGH wegen der bis dahin gegebenen unsicheren Rechtslage die Erhebung von Rückforderungsklagen gegen die Banken nicht zumutbar. Warum müssen aber die Banken die Unzulässigkeit von Bearbeitungsgebühren ab dem Jahre 2004 gegen sich gelten lassen und die Gebühren rückwirkend für die letzten zehn Jahre zurückerstatten?

Diese unterschiedliche Behandlung kann ein - gegen Banken nicht voreingenommener - billig und gerecht Denkender schwerlich verstehen. Denn hätten die Banken die Änderung der Rechtsprechung in der Zeit vor 2011 erkennen können oder wäre ihnen diese Erkenntnis zumindest zumutbar gewesen, dann hätten sie sicherlich die Berechnung von Bearbeitungsgebühren eingestellt und die Bearbeitungskosten in den Zins einkalkuliert. Dann hätten die Kunden denselben Preis für den Kredit bezahlt und den Banken wäre rückwirkend kein Schaden entstanden. Hätte der BGH dagegen für die Banken und die Kreditkunden die gleichen Maßstäbe angelegt und wenigstens entschieden, dass nur die ab dem Jahre 2011 entgegen der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte - von einzelnen Banken - noch erhobenen Bearbeitungsgebühren zurückzuerstatten sind, müsste das jeder billig und gerecht Denkende verstehen und für gerechtfertigt ansehen.

BGH hat Bearbeitungsgebühren bis 2014 anerkannt

Richtigerweise hätte der erkennende Senat des BGH sogar eingestehen müssen, dass er selbst nicht nur in seiner "älteren" Rechtsprechung, sondern in ständiger Rechtsprechung bis zuletzt Bearbeitungsgebühren gebilligt hat. Folglich hat er in Wirklichkeit seine eigene Rechtsprechung erst im Mai 2014 korrigiert.

Angesichts einer solchen jahrelangen Fehlentwicklung und zuletzt offenkundiger Widersprüchlichkeit zur OLG-Rechtsprechung hätte der BGH im Mai 2014 auch die Möglichkeit gehabt, die Unzulässigkeit von Bearbeitungsgebühren nur mit Wirkung für die Zukunft auszusprechen. Dass der BGH fähig ist, solche Urteile in Zukunft zu fällen, hat derselbe Senat bei einer ähnlich verworrenen Rechtsprechung vor kurzem mit seinem Urteil zur Offenlegung von verdeckten Innenprovisionen (in Abgrenzung zu Rückvergütungen) bei der Anlageberatung bewiesen (Urteil vom 3. Juni 2014, XI ZR 147/12).

Im konkreten Fall wollte sich aber offenbar der Vorsitzende Richter des Senats, der schon vor diesen Urteilen von den Medien zuweilen als "Bankenschreck" tituliert wurde, an seinem letzten Verhandlungstag noch ein Denkmal setzen. Wahrlich ein Urteil, das zum Denken mal Anlass geben sollte, und zwar nicht nur den Banken, sondern allen Rechtsbetroffen, auch der Justiz.

In der Tat haben Gerichte aller Instanzen die Berechnung von Bearbeitungsgebühren über Jahrzehnte hinweg gebilligt. Auch der BGH hat in unzähligen Urteilen Bearbeitungsgebühren nicht nur unbeanstandet gelassen, sondern ausdrücklich gebilligt. Und das nicht nur, wie es der BGH darstellt, in der "älteren Rechtsprechung", sondern noch in einem Urteil vom 5. April 2011 (XI ZR 201/09), als die ersten missbilligenden OLG-Urteile schon bekannt waren, und in einem Urteil vom 29. November 2011 (XI ZR 220/10), zu einem Zeitpunkt also, in dem sage und schreibe schon acht OLG-Urteile vorlagen, welche die Zulässigkeit verneint hatten.

Widersprüche und Kunstgriffe des BGH

Richtig ist, dass sich im Laufe des Jahres 2011 eine einheitliche Rechtsprechung mehrerer Oberlandesgerichte herausgebildet hat. Das erste OLG begann die neue missbilligende Rechtsprechung am 4. August 2010, das letzte OLG gab seine bis dahin vertretene billigende Meinung am 13. Oktober 2011 auf. Nach Auffassung des BGH beginnt die dreijährige Verjährungsfrist allerdings erst mit dem Schluss des Jahres 2011 zu laufen, weil dem Darlehensnehmer erst Ende 2011 eine Rückforderungsklage zumutbar war, das heißt nicht schon mit dem ersten OLG-Urteil im Jahre 2010 und selbst noch nicht mit dem letzten OLG-Urteil am 13. Oktober 2011.

Dabei ist das Datum Ende 2011 für Banken und Verbraucher von enormer Bedeutung: Hätte der BGH im Einklang mit seiner bisherigen Verjährungsrechtsprechung für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist (Zumutbarkeit einer Klage) an das erste OLG-Urteil oder auch nur an das letzte OLG-Urteil (konkretes Verkündungs- beziehungsweise Veröffentlichungsdatum) angeknüpft, wären am 28. Oktober 2014, dem Tag der Verkündung seiner Verjährungsurteile, alle bis zum 31. Dezember 2010 entstandenen Rückforderungsansprüche schon verjährt gewesen.

In diesem Falle wäre das Rückforderungsvolumen für die Banken überschaubar gewesen, weil die meisten Banken die Berechnung von Bearbeitungsgebühren ab dieser Zeit eingestellt hatten.

Verfassungsrechtlich bedenklich

In Abweichung von seiner bisherigen Verjährungsrechtsprechung hat der BGH im vorliegenden Fall aber nicht an das konkrete Ereignis angeknüpft, welches die Zumutbarkeit der Klageerhebung ausgelöst hat, sondern hat die Verjährungsfrist erst mit dem Ende des Jahres 2011 beginnen lassen und damit den Darlehensnehmern noch die beiden Monate November und Dezember 2014 eingeräumt, Rückforderungsansprüche geltend zu machen, und zwar rückwirkend für die letzten zehn Jahre. Mit diesem "Kunstgriff" hat der BGH de facto die übliche 3-jährige Verjährung ausgehebelt und die 10-jährige Verjährung zur Geltung gebracht.

Diese rückwirkende Rechtsprechungsänderung ist verfassungsrechtlich bedenklich. Übertragen auf andere Sachverhalte führt diese Art der Rückwirkung zu einer enormen Rechtsunsicherheit für alle am Rechtsverkehr Beteiligten. Kein Betroffener kann sich mehr auf die ständige Rechtsprechung des obersten deutschen Zivilgerichts verlassen. Kein potenzieller Bereicherungsschuldner kann sich mehr auf den Beginn der gesetzlichen dreijährigen Verjährungsfrist verlassen, wenn nicht eine wie auch immer geartete "gefestigte OLG-Rechtsprechung" (im vorliegenden Fall von acht Oberlandesgerichten) besteht. Es stellt sich die Frage, wie viele übereinstimmende OLG-Urteile vorliegen müssen, damit einem potenziellen Anspruchsteller in einem Rechtsstaat eine Klage zumutbar ist.

Unbilligkeit gegenüber den Kunden

Die Kreditkunden haben durch die Rückerstattung der Bearbeitungsgebühren rückwirkend einen ungerechtfertigten Vorteil erhalten. Der Kredit war nicht fehlerhaft oder überteuert. Die Kunden haben den Kredit genau in der gewünschten Qualität und zu den ausgesuchten Konditionen erhalten. Dabei spielte es keine Rolle, ob es ein Kredit mit oder ohne Bearbeitungsgebühren war. Vergleichsmaßstab der Kunden waren nie die Bearbeitungsgebühren. Ausschlaggebend war immer der effektive Jahreszins, in den die Bearbeitungsgebühren stets eingerechnet wurden.

Bei den Bearbeitungsgebühren handelte es sich deshalb nicht um unbillige Zusatzkosten. Die in den Medien verwendeten Begriffe wie "den Kunden über den Tisch gezogen", "in die Tasche gegriffen", "abkassiert", "eigene Kosten auf den Kunden abgewälzt" sind in höchstem Maße populistisch und nicht gerechtfertigt.

Selbstverständlich muss jeder Käufer die Herstellungskosten eines Produktes einschließlich der Bearbeitungskosten im Preis mitbezahlen. Dies ist ein ganz normaler wirtschaftlicher Vorgang und ist auch laut BGH nicht unzulässig. Nach Auffassung des BGH ist es nur unzulässig, bei Verbraucherdarlehen die Bearbeitungskosten per AGB gesondert zu bepreisen. Der BGH meint, beim Darlehen gebe es nur einen Einheitspreis in Form des Zinses.

Kosten bleiben Kosten

Für die Kreditnehmer werden die Kredite infolge dieses vom BGH verordneten Einheitspreises allerdings nicht billiger. Sie zahlen die Bearbeitungskosten jetzt mit dem nach Auffassung des BGH einzig zulässigen Preis, dem Sollzins. Der effektive Jahreszins bleibt derselbe, mit oder ohne Bearbeitungsgebühren.

Vielmehr wird sich der effektive Jahreszins für alle Kreditnehmer sogar erhöhen. Aufgrund des Wegfalls der Bearbeitungsgebühren erhalten Banken im Falle der vorzeitigen Beendigung des Kredits ihre bereits zu Beginn entstanden Bearbeitungskosten nicht mehr erstattet. Um die Ertragsverluste ausgleichen, die aufgrund der gesetzlich zulässigen jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit zu erwarten sind, werden die Banken gezwungen sein, diese Kosten von vornherein für alle Kredite in den Zins einzukalkulieren. Diejenigen Kunden, die ihre Kredite bis zum Ende der vertraglich vorgesehenen Laufzeit zurückzahlen, werden daher auch die Kosten tragen müssen, welche diejenigen Kunden verursachen, die ihren Kredit vorzeitig ablösen.

Nicht alle Kunden profitieren

Wie bereits ausgeführt, haben die Kunden rückwirkend für die Jahre 2004 bis 2010 vom BGH eine ungerechtfertigte Preisreduzierung erhalten, allerdings nur diejenigen, die sich noch nicht gegen die Bearbeitungsgebühren vor Gericht gewehrt hatten. Diejenigen Kunden aber, welche schon vor dem Jahre 2011, zu einem Zeitpunkt also, als ihnen eine Klage gegen die Banken nach Auffassung des BGH noch gar nicht zumutbar war, vor Gericht gezogen waren, wurden mit ihren Ansprüchen von den meisten Gerichten abgewiesen. Diese Kunden, die sich also gewehrt hatten, wurden von den Gerichten - aus heutiger Sicht des BGH - über Jahre hinweg mit Fehlurteilen bedacht und benachteiligt.

Aber auch viele Kreditkunden, die gar keine Bearbeitungsgebühren gezahlt haben, fühlen sich im Vergleich zu jenen Kreditkunden benachteiligt, die Rückerstattungen erhalten haben. Sie argumentieren, dass sie denselben Effektivzinssatz gezahlt hätten wie bei Krediten mit Bearbeitungsgebühren. Sie verlangen von den Banken, welche die Bearbeitungskosten schon frühzeitig eingestellt und stattdessen in den Sollzins einkalkuliert hatten, deshalb die fiktiven Bearbeitungskosten zurück und wollen genauso gestellt werden wie Kunden, bei denen die Bearbeitungskosten gesondert bepreist wurden und die jetzt nachträglich einen Rückforderungsanspruch erhielten. Paradox oder recht und billig?

Zum Autor

Peter Wacket, Geschäftsführer, Bankenfachverband e.V., Berlin

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