Gespräch des Tages

Zahlungsverkehr - Eine Blickverengung des BGH in guter Absicht?

Eine Bank führte seit 2006 das Girokonto eines als Kapitalgesellschaft organisierten Versandhauses für unter anderem rechtsextreme Literatur. Für den Girovertrag galten die AGB-Banken vom Mai 2002, die in Nr. 19 der Bank das Recht zu jederzeitiger Kündigung unter Einhaltung einer angemessenen, die Belange des Kunden berücksichtigenden Frist (von mindestens sechs Wochen für laufende Konten) einräumten. Am 22. Juli 2009 teilte die Bank dem Unternehmen mit, dass sie sich aus grundsätzlichen Erwägungen nicht mehr in der Lage sehe, die Kontoverbindung aufrecht zu erhalten, und kündigte sie gemäß Nr. 19 der AGB zum 3. September 2009. Eine spezielle Begründung für die Kündigung nannte sie nicht; ihr vermutliches Motiv, die Nähe des Kunden zum rechten Szene, blieb unerwähnt. Das Unternehmen erhob Klage auf Feststellung des Fortbestands der Kontoverbindung. Das Landgericht und das Oberlandesgericht Bremen wiesen die Klage ab.

Auf die Revision der Klägerin bestätigte der Bundesgerichtshof*) zwar, dass das Kündigungsrecht der Bank zivil-, verfassungs- und europarechtlich hieb- und stichfest sei. Dennoch hob er das OLG-Urteil auf und verwies das Verfahren an das OLG zurück. Weit ausgreifend und den Sachverhalt bis ins Detail durchpflügend begründete der BGH, dass der Bank das ausgeübte Kündigungsrecht zustehe. Warum also trotz dieser eindeutigen Rechtslage die Kassation des OLG-Urteils? Die Lektüre der Urteilsgründe lässt vermuten, dass der BGH mit großem, auch formaljuristischem Aufwand allen, auch den fernstliegenden Ansatzpunkten vorbauen wollte, seine Entscheidung könne durch die politische Ausrichtung der Klägerin tangiert worden sein. Vermutlich hätte der BGH in einem politisch weniger "rechtslastigen" Prozessumfeld dem hier zum zentralen Punkt erhobenen (Neben-)Einwand der Klägerin, die Bank sei bei ihrer Kündigung nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen, nicht die gleiche Durchschlagskraft gegeben.

Das OLG hatte diesen Einwand mit dem durchaus einsichtigen Argument verworfen, auf den Nachweis der Vertretungsbefugnis komme es angesichts des Umstandes nicht an, dass die Bank mit ihrem Antrag auf Klagabweisung die Kündigung "bekräftigt und sie damit erneut ausgesprochen" habe. Der BGH meinte dazu, dass die Auslegung der Klag erwiderung als (erneute) Kündigung anerkannte Grundsätze der Auslegung verletze und mit ihrem klaren Wortlaut in Widerspruch stehe. Die Klagerwiderung habe sich nur mit der Wirksamkeit der Kündigungserklärung vom 22. Juli 2009 auseinandergesetzt; das zeige unmissverständlich(?), dass sie keine erneute Kündigung des Giroverhältnisses zum Ausdruck bringen wollte.

Der BGH hat bei seiner - unter den besonderen Umständen verständlichen - juristischen tour d'horizont aber möglicherweise außer Acht gelassen, dass die Klagerwiderung der Bank nicht nur im Hinblick auf eine darin enthaltene erneute Kündigung des Giroverhältnisses und/oder auf eine (wegen Terminüberschreitung unwirksame) Genehmigung der angeblich ohne Vertretungsmacht erklärten Kündigung vom 22. Juli 2009 zu prüfen war. Die Klagerwiderung implizierte nämlich die prozessuale und damit auch materiell-rechtliche Identifikation der Bank mit der früheren Kündigung und könnte daher schlicht auch als (nicht fristgebundene) konkludente Bestätigung der Bank gelten, dass ihre Kündigung vom 22. Juli 2009 in ordnungsmäßiger Vertretung erfolgt sei und daher für und gegen sie gelte. Den Urteilsgründen ist kein konkreter Sachvortrag über die angeblich fehlende Vertretungsmacht der unterzeichnenden Mitarbeiter zu entnehmen, auf die die Bank etwa unter Vorlage von Unterschriftsblättern oder Handelsregisterauszügen hätte replizieren können. Auch die Grundsätze zur Rechtsscheinvollmacht streiten für diese Lösung: Wäre der Klägerin von der Bank durch die gleichen Unterzeichner ein rechtlicher oder mate rieller Vorteil zugestanden worden, hätte sich die Klägerin erfolgreich auf den Rechtsschein der Unterzeichnervollmacht berufen können. Es ist kein Grund erkennbar, einen solchen Rechtsschein bei einer für den Empfänger nicht vorteilhaften Erklärung wie einer Kontenkündigung zu verneinen.

Die insoweit zu vermutende Blickverengung des BGH hat nun zur Folge, dass das OLG die Sache erneut verhandeln und letztlich unnötig formalistische Feststellungen zur Vertretungsmacht der unterzeichnenden Bankmitarbeiter treffen muss. Im Übrigen könnte das Urteilsergebnis auch zur Motivation für Dritte werden, die von ihrer Bank eine unvorteilhafte Erklärung bekommen haben, einfach deren ordnungsmäßige Vertretung zu bestreiten. Es wäre aber unsinnig, die Kreditinstitute (und darüber hinaus auch allen Unternehmen) bei jeder rechtsgeschäftlichen Erklärung zu einem speziellen Vertretungsnachweis zu zwingen. Im vorliegenden Fall ist überdies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu vermuten, dass die Kündigungserklärung tatsächlich von vertretungsberechtigten Mitarbeitern unterzeichnet worden ist. In solch brisantem Fall wäre ein Formfehler der Bank mehr als ungewöhnlich!

RA Dr. Claus Steiner, Wiesbaden

*) BGH Urteil vom 15. Januar 2013 - XI ZR 22/12 (abgedruckt in ZIP 2013 S. 304; NJW 2013 S. 1519; MDR 2013 S. 357)

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