Schwerpunkt: Risiko und Rendite

Neue Regulierungsvorhaben bei der bilanziellen Bewertung von Immobilien

Regulatorische Eingriffe sind häufig die Folge aufgetretener Störungen des Marktes, die erkannt wurden und nach Möglichkeit behoben werden sollen. Die Tatsache, dass bis zum Inkrafttreten der Neuerungen oftmals ein längerer Zeitraum verstreicht, mag man mit Blick auf die schnelle Entwicklung der Märkte bedauern. Allerdings kann es durchaus von Vorteil sein, wenn Notwendigkeit und Umfang regulatorischer Maßnahmen mit dem nötigen Abstand beurteilt werden können.

Sowohl die Finanzmarktkrise als auch die zunehmende Bedeutung der Zeitwertermittlung bei Immobilien haben es national und international notwendig gemacht, über eine Fortentwicklung der bestehenden Regelwerke zu Bilanzierung und Bewertung nachzudenken. Diese über einen längeren Zeitraum diskutierten und fortentwickelten Standards liegen nun vor.

Das International Accounting Standards Board (IASB) hat mit IFRS 13 "Fair Value Measurement" einen neuen Standard zur Fair-Value-Bewertung veröffentlicht. Und auch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat mit dem Standardentwurf "Grundsätze zur Bewertung von Immobilien" (IDW ES 10) Vorgaben definiert, nach denen Wirtschaftsprüfer Immobilien bewerten oder die sie als Grundlage für die Beurteilung von Immobilienbewertungen heranziehen sollen. Beide Werke zielen auf einer Erhöhung der Transparenz und Nachvollziehbarkeit sowie auf eine bessere Vergleichbarkeit der vermittelten Informationen ab. Die wesentlichen Neuerungen beider Standards werden im Folgenden kurz dargestellt und mit Blick auf die Wirkung für die Praxis beleuchtet.

IFRS 13 - Fair Value Measurement

Die International Financial Reporting Standards haben sich über mehr als zwei Jahrzehnte entwickelt, wurden ergänzt und überarbeitet. Dadurch waren die Definitionen zur Fair-Value-Bewertung auf verschiedene Standards verteilt und es fehlte an einem einheitlichen und klar verständlichen Rahmenwerk. Vor diesem Hintergrund hat sich das IASB zum Ziel gesetzt, Leitlinien und Definitionen in einem einzigen Standard zusammenzufassen, sodass eine einheitliche Vorgehensweise vorgegeben wird. Dies ist Voraussetzung für eine Verbesserung der Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Bewertung.

Der überarbeitete IFRS 13 soll ab dem 1. Januar 2013 die Grundlage für die Fair-Value-Ermittlungen in den IFRS bilden. Der Regelungsbereich beschränkt sich nicht auf die Immobilienbewertung, vielmehr werden sämtliche Fragen der Fair-Value-Bewertung - also auch von Finanzinstrumenten oder aber die Ermittlung für Zwecke des Impairments - geregelt.

Kern jeder bilanziellen Bewertung ist die normgerechte Zuordnung eines Geldbetrags zu einem Bewertungsobjekt. In den IFRS ist der hierfür maßgebliche Bewertungsmaßstab der Fair Value, der nun als "the price that would be received to sell an asset or transfer a liability in an orderly transaction between market participants at the measurement date" definiert wird.

Vom Wert zum Preis

Der Fair Value bestimmt sich damit anhand des Preises am Markt bei Veräußerung des Assets in einer gewöhnlichen Transaktion zwischen unabhängigen Marktteilnehmern (exitprice). Die begriffliche Verschiebung vom Wert hin zum Preis muss dabei mit Blick auf den internationalen Kontext des Standards gesehen werden, in dem nicht überall analog deutscher betriebswirtschaftlicher Übung eine scharfe Trennung zwischen Wert und Preis existiert. Für Immobilienbewertungen ist davon auszugehen, dass im Regelfall keine Änderung des Bewertungsergebnisses aus der abweichenden Definition resultieren wird.

Mit Blick auf die Verbesserung der Nachvollziehbarkeit und Transparenz fordert IFRS 13 eine besondere Sorgfalt in der Auswahl des maßgebenden Marktes für die Ableitung des Fair Value. So soll das Management grundsätzlich den Hauptmarkt identifizieren, an dem eine mögliche Transaktion stattfinden würde.

Auswahl des geeigneten Marktes

Dieser Markt bestimmt sich anhand des größten Transaktionsvolumens und der größten Marktaktivität für das Bewertungsobjekt. Sofern der Hauptmarkt nicht identifizierbar ist, gibt es weitere Vorgaben in der Ableitung des maßgeblichen Marktes. Damit adressiert IFRS 13 aktiv die Frage der Auswahl des maßgeblichen Teilmarktes für die Bewertung.

Zielsetzung des Standards ist dabei nicht die Einschränkung der Sachverständigenentscheidung, so sind beispielsweise alle Bewertungsverfahren (Vergleichswert, Ertragswert und Sachwert) - sofern im Einzelfall geeignet - zur Ermittlung des Fair Value zulässig. Gleichzeitig müssen in einer Bewertung nach IFRS 13 soweit wie möglich am Markt beobachtbare Informationen in der Bewertung Verwendung finden. Die Verpflichtung zur Verwendung von marktbeobachtbaren Daten führt zu einer Objektivierung der Inputparameter und damit auch zu einer höheren Vergleichbarkeit und Transparenz.

IFRS 13 unterscheidet die verwendeten Inputparameter in drei Level nach absteigender Beobachtbarkeit am Markt. Um der eingeschränkten Transparenz bei Verwendung von nicht am Markt beobachtbaren Daten entgegenzuwirken, sieht der Standard entsprechend einen steigenden Umfang an Anhangangaben bei sinkender Marktnähe der Inputinformationen vor.

Am Markt beobachtbare Daten

Neben der grundsätzlichen Vereinheitlichung der Leitlinien zur Fair-Value-Bewertung werden auch wesentliche Bewertungsprinzipien explizit definiert. So findet erstmals der sogenannte "Highest and best use" explizite Erwähnung in die Fair-Value-Ermittlung nach IFRS. Wenn im Ausnahmefall auch eine andere als die bestehende Nutzung die beste Nutzungsmöglichkeit des Vermögenswerts verkörpert, so ist diese für die Bewertung zu berücksichtigen, allerdings nur dann, wenn sie finanziell machbar, rechtlich zulässig und tatsächlich möglich ist.

Eine Verpflichtung zu einer extensiven Suche nach dem "Highest and best use" sieht der Standard aber nicht vor. Damit wird dieses Prinzip vor allem in Ausnahmefällen - beispielsweise bei Entwicklungsgrundstücken oder sehr untypischen Nutzungen im Vergleich zur Umfeldnutzung - zur Geltung kommen.

In welchem Umfang die Neuregelungen tatsächlich wahrnehmbare Wirkung auf die Bewertungspraxis nach sich ziehen, wird erst die Erfahrung der nächsten Monate zeigen. Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Immobilienwerte im Jahresabschluss allein durch die Neuerung des Standards verändern, schließlich soll der Fair Value nach wie vor die Einschätzung unabhängiger Marktakteure abbilden. Dennoch kann es sein, dass im Einzelfall Prozesse überdacht und die Verwendung von geeigneten Inputparametern auf den Prüfstand gestellt werden.

Für die Unternehmen der Immobilienwirtschaft bietet der neue Standard auch die Möglichkeit, ihre Berichterstattung im Jahresabschluss an die gestiegenen Erwartungen des Marktes hinsichtlich Transparenz und Nachvollziehbarkeit anzupassen. Schließlich ist auch im Vergleich zwischen verschiedenen Immobilienunternehmen ein wichtiger Aspekt der Kapitalmarktkommunikation eine transparente und nachvollziehbare Erläuterung der Bewertung und Wertentwicklung der Immobilien des Portfolios.

Aber nicht nur auf internationaler Ebene wurden Standards zur Bewertung überarbeitet. Auch auf nationaler Ebene hat man erkannt, dass die gestiegene Bedeutung des Fair Value eine verbesserte Berichterstattung über die Prüfung von Bewertungen erfordert.

IDW ES 10 - "Grundsätze zur Bewertung von Immobilien"

In der Folge hat das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) mit dem Standardentwurf "Grundsätze zur Bewertung von Immobilien" (IDW ES 10) Vorgaben definiert, nach denen Wirtschaftsprüfer sowohl Immobilien bewerten als auch Immobilienbewertungen im Rahmen ihrer Prüfungen beurteilen sollen.

Der vorliegende Entwurf beschränkt sich allerdings nicht auf die Beurteilung von Fair-Value-Bewertungen nach IFRS, sondern gilt auch für handelsrechtliche Immobilienbewertungen sowie für Bewertungen infolge unternehmerischer Initiativen wie dem Kauf oder Verkauf von Immobilien.

Am 13. April 2012 haben der Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) sowie der Immobilienwirtschaftliche Fachausschuss (IFA) den IDW ES 10 verabschiedet. Der Entwurf wurde zwischenzeitlich in den IDW Fachnachrichten (Heft 8/2012) veröffentlicht. Die Kommentierungsfrist endet am 31. Januar 2013.

Nur Rahmen für eigene fachgerechte Lösung

Der IDW ES 10 liefert dem Wirtschaftsprüfer eine Grundlage für die Bewertung beziehungsweise die Beurteilung von Bewertungen, entlässt ihn allerdings nicht aus der Verantwortung, die im Einzelfall geeignete Lösung zu finden. Der Standardentwurf ersetzt nicht die bilanziellen Normen, sondern verweist vielmehr explizit auf die für die Bilanzierung von Grundstücken und Gebäuden geltenden spezifischen Rechnungslegungsvorschriften in HGB und IFRS.

So wird betont, dass jeder Sachverhalt eine eigene fachgerechte Problemlösung verlangt. Die im Standardentwurf kodifizierten Grundsätze legen lediglich den Rahmen fest, in dem die im Einzelfall geeignete, eigenverantwortliche Lösung liegen soll.

Liegenschaften und Immobilienunternehmen

Beachtenswert ist, dass IDW ES 10 eine klare Unterscheidung zwischen der Bewertung von Immobilien und der Bewertung von Immobilienunternehmen vornimmt. Beide können das Objekt einer Bewertung darstellen. Während die Immobilie - gegebenenfalls nach handelsrechtlichen Vorschriften getrennt in Grundstück und Gebäude - als Bewertungsobjekt in den Anwendungsbereich des IDW ES 10 fällt, gilt dies nicht für Immobilienunternehmen. So stellt IDW ES 10 klar, dass "Immobilienunternehmen [...] unabhängig vom Bewertungsanlass nach den Grundsätzen des IDW S 1 i.d.F. 2008 bewertet" werden. Dies ist eine wesentliche Feststellung, sieht man doch mit Blick auf die Praxis beispielsweise im Fall von Kommanditgesellschaften häufig eine am Wert der Einzelimmobilien und nicht am Unternehmenswert im Sinne des IDW S 1 orientierte Bewertung.

Während damit bei Grundstücken, Gebäuden und auch bei Immobilienportfolios (soweit es nicht als Unternehmen zu betrachten ist) die Grundsätze der Immobilienbewertung gelten, muss sich die Bewertung von Immobilienunternehmen und Beteiligungen daran - insbesondere auch, aber nicht nur im Fall von Ein-Objekt-Gesellschaften - an den Grundsätzen der Unternehmensbewertung orientieren.

Grundsätzlich gilt, dass sich die Vorgehensweise jeder Wertermittlung nach dem zugrunde liegenden Bewertungszweck richtet. Entsprechend sieht der Standardentwurf vor, dass sich abhängig vom Bewertungsanlass Unterschiede in den Grundsätzen der Bewertung ergeben. Unterschieden wird hierbei in transaktionsbezogene, rechnungslegungsbezogene und sonstige Bewertungsanlässe.

Während bei den transaktionsbezogenen Anlässen kein bindendes Normensystem zugrunde liegt und entsprechend die Freiheitsgrade in der Bewertung höher sind - so besteht keine Bindung an den Einzelbewertungsgrundsatz - rekurriert der Standard für die Bewertung im Bereich der rechnungslegungsbezogenen Sachverhalte auf den Kontext der Vorschriften des HGB beziehungsweise der IFRS. Bewertungsobjekt und Aggregationsebene der Bewertung werden hierbei, genau wie die einschlägigen Bewertungsmaßstäbe, durch die Rechnungslegungsnormen vorgegeben.

Die Wahl des geeigneten Bewertungsverfahrens - genannt sind im Standard ertragsorientierte Verfahren sowie Vergleichswert- und Marktwertverfahren - hängt wiederum vom Bewertungszweck respektive Bewertungsanlass ab. IDW ES 10 geht bei der Beschreibung der Verfahren sowohl auf die in der ImmoWertV normierten Verfahren als auch auf die nicht normierten Verfahren der internationalen Bewertungspraxis ein. Dabei wird nicht versucht, ein neues Grundlagenwerk zur Immobilienbewertung zu verfassen, vielmehr werden die wesentlichen Aspekte der Verfahren dargestellt, was insbesondere vor dem Hintergrund der später geforderten Nachweis- und Dokumentationspflichten gesehen werden kann.

Spezialitäten

Auf ausgewählte Themen der Praxis geht der Standard näher ein. Hierbei wird sowohl die Frage der Bewertung von Spezialimmobilien beleuchtet als auch die Frage der Berücksichtigung von öffentlicher Förderung bei der Bewertung von Wohnimmobilien thematisiert. Gerade das letztere Thema ist sicherlich vor dem Hintergrund der Bewertung zum Jahresabschluss und einer etwaigen Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert im Sinne der handelsrechtlichen Vorschriften von großem Interesse.

Von besonderer Bedeutung für die Praxis dürften jedoch die Anforderungen an die Berichterstattung und die Dokumentation des Bewertungsergebnisses sein. Der IDW ES 10 definiert den Inhalt und Umfang der notwendigen Berichterstattung über die Bewertung von Immobilien und schafft damit die Grundlage für eine vergleichbare und transparente Berichterstattung über die Bewertung von Immobilien. Durch die Bindung des Berufsstands in Fragen der Prüfung respektive Beurteilung von Immobilienbewertungen könnte sich hieraus auch auf andere Marktteilnehmer eine faktische Wirkung entfalten, was mit Blick auf die Sicherstellung einer Mindestqualität der Bewertungsgutachten zu begrüßen ist.

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