Kreditwesen aktuell

Ermittlung bilanzieller Fair Values anhand der Discounted Cash-Flow-Methode

Kapitalmarktorientierte Unternehmen erstellen ihren Konzernabschluss nach den International Financial Reporting Standards (IFRS). Insbesondere Banken, die entweder durch Eigen- und/oder Fremdkapital die Kapitalmärkte in Anspruch nehmen, bilanzieren nach diesem Standard. In den IFRS ist die Fair-Value-Bewertung stärker verankert als in der deutschen Rechnungslegung HGB und kann insbesondere in Zeiten extremer Marktverwerfungen eine nicht gewollte prozyklische Wirkung entfalten. In diesem Zusammenhang wurden erstmals für das 3. Quartal 2008 verbindliche Änderungen und Auslegungen der IFRS veröffentlicht.

Änderungen und Auslegungen von Bilanzierungsvorschriften

Die am 13. Oktober 2008 vom IASB verabschiedete - und durch die Verordnung (EG) Nr. 1004/2008 vom 15. Oktober 2008 in europäisches Recht übernommene - Änderungen zu IAS 39 und IFRS 7 "Reclassification of Financial Assets" eröffnet dem Bilanzierenden die Möglichkeit, gemäß einer geänderten Managementintention umzugliedern, sodass die Finanzinstrumente zukünftig nicht mehr einer Fair-Value- Bilanzierung unterliegen.

Die Fair Values sind in den Notes anzugeben. Voraussetzung für die Anwendung dieser neuen Vorschrift ist, dass der Markt des umzugliedernden Finanzinstrumentes zum Umgliederungszeitpunkt inaktiv ist (Umgliederung in Loans and Receivables).

Unabhängig von der Umgliederungsthematik stellt sich jedoch die Frage, wie der Fair Value in inaktiven Märkten zu ermitteln ist. Konkret ist offen, wie Bewertungsparameter zu ermitteln sind, bei denen beobachtbare Ausprägungen sehr stark von Marktverzerrungen gekennzeichnet sind.

Dieser Thematik nimmt sich das IDW mit seinem Schreiben an das IFRIC vom 27. Oktober 2008 an und erläutert seine Auslegung bezüglich der Ermittlung des Abzinsungssatzes für Barwertberechungen gemäß IAS 39. Die Veröffentlichung des IASB Expert Advisory Panels vom 31. Oktober 2008 enthält hierzu Leitlinien.

Anwendbarkeit auf Bankbuchbestände

Ein möglicher Anwendungsfall für die Inanspruchnahme der genannten gesetzlichen Änderungen des IASB bezüglich der Umgliederung stellen zum Beispiel strukturierte Kreditprodukte dar, bei denen sich die Managementintention aufgrund der Subprime-Krise geändert hat. Einen weiteren Anwendungsfall stellen nicht-strukturierte Asset-Klassen des Bankbuchs der Kategorie Available for Sale dar. Hierbei handelt es sich gerade bei Kapitalsammelstellen um vergleichsweise große Volumina in konservativen, nicht-strukturierten Anlageklassen wie Staatsanleihen, Pfandbriefe und Anleihen von Banken und Unternehmen hoher Bonität.

Diese Papiere waren der vollen Marktvolatilität mit ihren prozyklischen Wirkungen ausgesetzt, da diese Bestände bisher selbst bei inaktiven Märkten mit indikativen Marktpreisen anstatt mit dem DCF-Verfahren ermittelten Werten bilanziert wurden. Die Fair-Value-Veränderung ist in der Neubewertungsrücklage zu zeigen und verändert dadurch die Höhe des IFRS- und gegebenenfalls auch die des aufsichtsrechtlichen Eigenkapitals.

Zentrale Fragestellungen

Im Rahmen der Diskussion um die Fair-Val-ue-Bewertung auf nicht aktiven Märkten stellen sich zwei zentrale Fragen: erstens die nach einer passenden Interpretation des unbestimmten Rechtsbegriffes "aktiver Markt" als Eingangsvoraussetzung für die Bewertung gemäß Modell und nach der bilanziellen Behandlung von Finanzinstrumenten bei Verschwinden eines ursprünglich vorhandenen aktiven Marktes im Laufe der Zeit. Und zweitens: Was ist bei der Anwendung des DCF-Verfahrens - insbesondere in Zeiten starker Marktverwerfungen - unter "am Markt beobachtbaren Parameter" zu verstehen?

Interpretation des Begriffes "aktiver Markt"

Im Einklang mit entsprechenden FASB- und IASB-Positionen stellt das IDW-Schreiben dar, dass sich "neben anderen Faktoren die Inaktivität eines Marktes für ein bestimmtes Finanzinstrument insbesondere in Form einer erheblichen Ausweitung der von Brokern genannten Geld-Brief-Spannen (das heißt nur indikative Preise) zum einen und durch einen deutlichen Rückgang des Handelsvolumens im Vergleich zur Vergangenheit zum anderen" zeigt.

Für die Wertpapiere der genannten Asset-Klassen haben sich die aus den indikativen Kursen erkennbaren Geld-Brief-Spannen im Zuge der Finanzmarktkrise signifikant ausgeweitet. In zahlreichen Fällen werden keine Handelsumsätze festgestellt; in anderen Fällen ist eine erhebliche Verringerung der Handelsumsätze im historischen Vergleich zu beobachten. Die Märkte für diese Anleihen und Pfandbriefe sind daher inaktiv beziehungsweise illiquide.

Interpretation der Formulierung "am Markt beobachtbare Parameter"

Sind die Eingangsvoraussetzungen für die Anwendung der DCF-Methode im Rahmen der Fair-Value-Bewertung nachgewiesen, stellt sich nun die Frage, mit welchen Parametern die Cash-Flows zu diskontieren sind. Grundsätzlich gilt, dass am Markt beobachtbare Parameter bei der Modellierung berücksichtigt werden müssen.

Das IDW-Schreiben stellt klar, dass sich der Diskontierungssatz aus drei Komponenten zusammensetzt: dem "risikofreien Basiszinssatz, dem Zuschlag für das Kreditrisiko (Credit Spread) und einer Restgröße, die bei den betrachteten Produkten im Wesentlichen aus einem Aufschlag für das Liquiditätsrisiko (Liqudity Spread)" bestehen dürfte und im Folgenden als Liquiditätsspread bezeichnet wird.

Unstrittig ist, dass bei Diskontierung der Cash-Flows die ersten beiden genannten Komponenten am Markt erkennbar sind und daher in die Modellierung mit einfließen. Anders ist es aber beim Liquiditätsspread. Gemäß IDW-Schreiben ist dieser auf inaktiven Märkten nicht beobachtbar, weil er weder von Brokern oder Preisserviceagenturen quotiert wird noch indirekt aus Transaktionspreisen abgeleitet werden kann.

Zuletzt beobachtbarer Liquiditätsspread als Ausgangspunkt

In Analogie zum IAS 39. AG78 stellt das IDW-Schreiben weiterhin dar, dass in den Fällen, in denen der Liquiditätsspread auf dem Markt nicht mehr zu beobachten ist, als Ausgangspunkt der zuletzt auf einem aktiven Markt beobachtbare Liquiditätsspread heranzuziehen ist. Falls Hinweise für eine nachfolgende Veränderung des Liquiditätsspreads vorliegen, ist dieser anzupassen.

Klare Anzeichen eines inaktives Marktes

Für nicht-strukturierte High-Grade-Finanzanlagen der Kategorie LAR beziehungsweise AFS (Staats-, Banken- und Unternehmensanleihen sowie Pfandbriefe) ist nach Ansicht der Postbank der Fair Value gemäß IAS 39. AG74 ff. anhand einer DCF-Bewertungsmethode zu ermitteln, da zum 30. September 2008 beziehungsweise bereits davor in vielen Fällen klare Anzeichen eines inaktiven Marktes vorlagen. Die Differenz zwischen Bid-Ask-Spannen sowie die Bund- und Swap-Kurve sind hier deutlich auseinandergelaufen und das Transaktionsvolumen ist stark zurückgegangen.

Übergang zu einer Fair-Value-Ermittlung erforderlich

Die aktuelle Entwicklung zeigt in allen Punkten, dass seit Anfang des Jahres 2008 keine normalen Marktverhältnisse vorliegen. Dies erfordert den Übergang zu einer Fair-Value-Ermittlung, zum Beispiel über ein Verfahren prognostizierter Cash-Flows (Credit-DCF-Verfahren). Hierbei erfolgt eine Berechnung der um das Kreditrisiko adjustierten Cash-Flows und Diskontierung mit Abzinsungsfaktoren abgeleitet aus den am Markt beobachtbaren Faktoren, das heißt aktuelle risikolose Bund-Kurve und "normale" Liquiditätsspreads nach Asset-Klassen. Dabei entspricht der normale Liquiditätsspread dem am Markt beobachtbaren Liquiditätsspread ohne Marktstörung.

Bei der Ermittlung des Fair Values anhand des Credit-DCF-Verfahrens wird beim Diskontierungssatz bezüglich des Liquiditätsspreads der normale Liquiditätsspread plus eines Aufschlages berücksichtigt, der die aktuelle Marktentwicklung berücksichtigt. Der Aufschlag ergibt sich aus einem prozentualen Anteil der Differenz zwischen dem am Bewertungsstichtag am Markt beobachtbaren Liquiditätsspread und dem normalen Liquiditätsspread.

Der Vorteil bei der Bewertung der betrachteten Finanzinstrumente mittels Bewertungsmodell und der beschriebenen Herleitung der Spreadaufschläge besteht darin, dass die so ermittelten Preise tendenziell eher Transaktionspreise im Sinne des IAS 39 darstellen als die indikativen Kurse, da zu den indikativen Kursen weitgehend keine relevanten Umsätze stattfinden.

Die Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

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