Aufsätze

Bewährungsprobe für die Fair-Value-Bewertung in Zeiten der Finanzmarktkrise

Bis 1996 basierte die Konzernrechnungslegung der deutschen Kreditinstitute vor allem auf den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) und der Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute (RechKredV). Einzelabschlüsse und Konzernabschlüsse wurden nach gleichen Standards aufgestellt, die sich über viele Jahre, auch in Krisenzeiten grundsätzlich bewährt hatten. Die Abschlüsse der deutschen Kreditinstitute beruhten trotz zahlreicher Bilanzierungswahlrechte auf objektiven Wertansätzen und waren untereinander im Rahmen gleicher und stabiler Rechnungslegungskonventionen vergleichbar.

Eine prinzipienbasierte Rechnungslegung

Ein grundlegender Unterschied dieser Bilanzierungsregeln zu internationalen Standards, insbesondere zu den US-GAAP, bestand darin, dass sie kein kasuistisches Case Law waren, das für sich in Anspruch nimmt, in allen denkbaren Situationen durch konkrete Einzelfallregelungen adäquate Vorgaben zu machen. Das deutsche Rechnungslegungssystem ist vielmehr prinzipienbasiert, das heißt durch allgemein formulierte Grundsätze der Rechnungslegung gekennzeichnet, die im konkreten Einzelfall und der speziellen Situation - und damit auch in einer Krisensituation - sachgerecht auszulegen und anzuwenden sind.

Für die Auslegung dient unter anderem die einschlägige Kommentarliteratur, speziell für die Bankrechnungslegung insbesondere das Standardwerk "Rechnungslegung der Kreditinstitute", das 1994 in der ersten und 2004 in der zweiten Auflage erschienen ist (vergleiche Krumnow/Sprißler/Bellavite-Hövermann/Kemmer/Steinbrücker, Rechnungslegung der Kreditinstitute, Stuttgart 1994 sowie Krumnow/Sprißler und andere, Rechnungslegung der Kreditinstitute, 2. Auflage, Stuttgart 2004).

Für das Geschäftsjahr 1996 erstellte die Deutsche Bank als Vorreiter unter den Kreditinstituten in Deutschland ihren Konzernabschluss erstmals nach den International Accounting Standards (IAS). Die anderen börsennotierten deutschen Kreditinstitute folgten kurz darauf, nachdem das "Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen" (kurz: Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz) börsennotierten Unternehmen ab 1998 ermöglichte, einen Konzernabschluss nach IAS oder vergleichbaren internationalen Regeln mit befreiender Wirkung zu veröffentlichen. Die Hypovereinsbank entstand 1998 aus der Fusion der Bayerischen Vereinsbank und der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank und erstellte ihren ersten Konzernabschluss für dieses Geschäftsjahr nach IAS.

Die IAS waren seinerzeit ein überschaubares Regelwerk mit 32 Standards auf zirka 600 gedruckten Seiten, inklusive der branchenspezifischen Regelungen für Kreditinstitute in dem damaligen IAS 30 (vergleiche Bellavite-Hövermann/Prahl, Bankbilanzierung nach IAS, Stuttgart 1997). Zum Vergleich: Die heute unter dem Sammelbegriff International Financial Reporting Standards (IFRS) veröffentlichten Standards und Interpretationen umfassen zahlreiche Einzelregelungen auf insgesamt über 2 700 gedruckten Seiten - und durch die permanente Weiterentwicklung werden es ständig mehr.

Mehr Transparenz und erhöhte Vergleichbarkeit

Seit dem Geschäftsjahr 2007 sind alle kapitalmarktorientierten Unternehmen, also zum Beispiel auch alle Landesbanken verpflichtet, ihre Konzernabschlüsse nach IFRS zu veröffentlichen. Dabei haben die Landesbanken weit überwiegend die im Zuge der Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards gewährte Übergangsfrist voll ausgeschöpft, nur die Landesbank Berlin und die WestLB hatten bereits vorzeitig umgestellt.

Das Ziel der Umstellung auf die internationale Rechnungslegung der deutschen Kreditinstitute war vor allem, eine bessere Finanzmarktkommunikation durch mehr Transparenz und erhöhte internationale Vergleichbarkeit der Konzernabschlüsse zu erreichen. Insbesondere sah man erhebliche Fortschritte in der Bewertung von Handelsaktivitäten zum Zeitwert (Fair Value) unabhängig von der Ertragsrealisierung (IAS 25.19). Dagegen durften gemäß § 340c Abs. 1 i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB (mit Ausnahme von Portfolio-Verrechnungen) keine unrealisierten Erträge im Nettoergebnis aus Finanzgeschäften ausgewiesen werden.

Die strenge Auslegung dieser Vorschrift im deutschen Handelsrecht führte zu Ergebnissen, die weder True noch Fair, sondern schlicht Misleading waren (vergleiche Prahl, Bilanzierung von Financial Instruments - quo vadis?, in: Lange/Löw (Hrsg.), Rechnungslegung, Steuerung und Aufsicht von Banken, Wiesbaden 2004, Seite 211; Krumnow/Sprißler/Bellavite-Hövermann/Kemmer/Steinbrücker, § 340e HGB, Rn. 336, 318).

Kritik an der Zeitwertbilanzierung

Heute erstreckt sich die Fair-Value-Bewertung nicht nur auf den Handelsbestand, sondern auf weite Teile der Aktivseite der Bankbilanz sowie auf die eigenen Verbindlichkeiten. Sie ist in IAS 39 geregelt, ein separater Standard für die Bilanzierung und Bewertung von Finanzinstrumenten, der inklusive Anleitungen und Leitlinien zur Anwendung, Grundlage für Schlussfolgerungen und erläuternder Beispiele allein fast 400 gedruckte Seiten füllt.

Aber kann dieses monströse Regelwerk mit dem starken Drang zur Fair-Value-Bilanzierung überhaupt und speziell in der derzeitigen Krisensituation mit schlichtweg nicht mehr vorhandenen Märkten für teilweise große Bilanzbestände den Erwartungen an eine transparente, sachgerechte Abbildung der wirtschaftlichen Verhältnisse gerecht werden und dazu beitragen, entscheidungsnützliche Informationen bereitzustellen? Zweifel sind angebracht. Und schlimmer noch: Durch das starre Festhalten an der Fair-Value-Bewertung und die hohe, nicht steuerbare GuV-Volatilität drohen diese Standards letztlich sogar prozyklisch, krisenverstärkend zu wirken (vergleiche Pellens/Sal. Oppenheim, Fair-Value-Rechnungslegung verschärft Krise - Studie mahnt raschen Reformbedarf an, in: BZ vom 24. September 2008, Seite 5).

Die Fair-Value-Bewertung nach IFRS war in der Vergangenheit, das heißt schon in normalen Marktsituationen, Gegenstand heftiger Kritik. Diese bezog sich nicht nur auf die Bewertung der aktivierten Finanzinstrumente, sondern ebenso auf die Bewertung der Passivseite. So zeigen Baetge/Lienau, dass die Fair-Value-Bewertung auf der Passivseite bereits bei perfekten Märkten zu unzutreffenden Schlussfolgerungen über die Unternehmenssituation führen kann (vergleiche Baetge/Lienau, Fair Value auf der Passivseite der Bilanz?, in: Bieg/Heyd, Fair-Value-Bewertung in Rechnungswesen, Controlling und Finanzwirtschaft, München 2005, Seite 309 bis 331. Welches enorme Ausmaß diese Ergebniseffekte vor allem bei den großen angelsächsischen Instituten mittlerweile erreicht hat, zeigen Becker/Wiechens, Fair-Value-Option auf eigene Verbindlichkeiten, in: KoR 2008, Seite 625 bis 630).

Einen eindrucksvollen Beleg hierfür liefert der IFRS-Halbjahresfinanzbericht 2008 der Landwirtschaftlichen Rentenbank, die einen Bewertungsverlust in Höhe von rund 125 Millionen Euro allein durch die Bewertung eigener Verbindlichkeiten sowie den dazugehörigen Sicherungsgeschäften ausweisen musste. Dieser war ausschließlich auf verbesserte(! ) Refinanzierungskonditionen zurückzuführen, da hierdurch die zur Absicherung gegen schlechtere Konditionen abgeschlossenen Derivate an Wert verloren. Deutlich fällt der Kommentar aus: "Es stellt sich die Frage, wie mit diesen paradoxen Vorschriften den Investoren ein transparenterer Einblick in die Ertragslage eines Unternehmens verschafft werden soll. Die gemäß IFRS nötige Bilanzierung zum Zeitwert sorgt immer öfter für Verwirrung" (vergleiche BZ vom 28. August 2008, Seite 8).

Wenn hingegen der Fair Value nicht aus Preisen aus effizienten Märkten abgelesen und nur im Rahmen großer Ermessensspielräume ermittelt werden kann, ist eine Fair-Value-Bilanzierung (auf der Passivseite) nicht hinreichend zuverlässig, dadurch nicht entscheidungsnützlich und deshalb unbrauchbar (vergleiche Baetge/Lienau, Seite 328f.). Dies gilt nicht nur für die Passivseite, sondern auch für die Fair-Value-Bewertung aktivierter Finanzinstrumente bei nicht liquiden Märkten.

Zuordnung entscheidet

Die seit 2007 andauernde globale Finanzmarktkrise ist unter anderem gerade dadurch gekennzeichnet, dass es für zahlreiche Finanzinstrumente, insbesondere viele verbriefte, strukturierte Produkte keine funktionierenden Märkte mit nennenswerten Umsätzen mehr gibt. Dementsprechend existieren für diese Positionen häufig auch keine Marktpreise, die aus aktuellen Umsätzen abgeleitet und dann einer objektiven Bilanzierung nach IFRS zugrunde gelegt werden können. Die Auswirkungen dieses Dilemmas auf die Konzernabschlüsse von Kreditinstituten sind stark davon abhängig, welcher der vier möglichen Kategorien die entsprechenden Finanzinstrumente zugeordnet sind:

At Fair Value through Profit or Loss: in diese Kategorie fallen die Handelsbestände (Held for Trading) sowie die freiwillig erfolgswirksam zum Fair Value angesetzten Finanzinstrumente (Fair-Value-Option). Sie werden mit dem Marktwert bewertet, Marktwertveränderungen sind in der GuV zu berücksichtigen.

Available for Sale: die Finanzinstrumente in dieser Kategorie werden in der Bilanz ebenfalls mit Marktwerten ausgewiesen, Marktwertveränderungen werden aber nicht in der GuV, sondern direkt im Eigenkapital, in der sogenannten Neubewertungsrücklage erfasst, solange keine dauerhafte Wertminderung vorliegt (IAS 39.58 ff.).

Held to Maturity: dieser Kategorie werden die Finanzinstrumente zugewiesen, die bis zur Endfälligkeit gehalten werden sollen. Sie werden mit ihren fortgeführten Anschaffungskosten bilanziert, es sei denn, es ist eine Wertberichtigung aufgrund einer dauerhaften Wertminderung erforderlich.

Loans and Receivables: die Bilanzierung der Finanzinstrumente dieser Kategorie entspricht derjenigen der Kategorie Held to Maturity.

Bewertungsinkongruenzen

Derivate sind ausnahmslos erfolgswirksam zum Fair Value zu bilanzieren. Allein diese Regelung führt in Verbindung mit unzureichenden, äußerst restriktiven Hedge-Accounting-Vorschriften dazu, dass ökonomische Sicherungsbeziehungen häufig nicht in der Rechnungslegung abbildbar sind und demzufolge Bewertungsinkongruenzen entstehen, die ein verzerrtes Bild von der wirtschaftlichen Lage vermitteln.

Die Entscheidung über die Kategorisierung ist mit der erstmaligen Erfassung der Finanzinstrumente in den Büchern zu treffen und danach kaum noch revidierbar. Insbesondere ließ IAS 39.50 bislang keine Umkategorisierung von Beständen zu, die der ersten Kategorie zugeordnet wurden auch dann nicht, wenn die ursprüngliche Handelsabsicht zum Beispiel wegen ausgetrockneter Märkte gar nicht mehr umsetzbar war und deshalb dahingehend geändert wurde, dass diese Bestände nunmehr unter anderen Marktbedingungen bis zur Endfälligkeit gehalten werden sollen.

Die Portfolios, die durch die aktuelle Finanzmarktkrise besonders belastet sind, wurden von den frühen IFRS-Anwendern häufig entsprechend der ursprünglichen Handelsabsicht der Kategorie "At Fair Value through Profit or Loss" zugeordnet. Bei funktionierenden, liquiden Märkten ohne Preisverwerfungen war die entsprechende Bewertung zu Marktwerten sachgerecht, entsprach der Intention des Bilanzierenden und führte allenfalls zu einer geringen Ergebnisvolatilität.

In der aktuellen Krisensituation dagegen kommt es bei diesen strukturierten Finanzinstrumenten zu erheblichen Preisverwerfungen, die teilweise daraus resultieren, dass sich einzelne Institute aus Liquiditätsaspekten oder regulatorischen Gründen auch mit starken Preisabschlägen von Beständen trennen. Die Preise aus diesen in der Regel geringfügigen Umsätzen sind dann grundsätzlich als Marktwerte für die entsprechenden Positionen aller anderen Kreditinstitute heranzuziehen, es sei denn, es handelt sich um Notverkäufe, sogenannte Fire Sales (vergleiche Institut der Wirtschaftsprüfer - IDW -, Positionspapier des IDW zu Bilanzierungs- und Bewertungsfragen im Zusammenhang mit der Subprime-Krise, Dezember 2007, Seite 4).

Bewertung auf der Basis von Modellrechnungen

Die daraus resultierenden GuV- beziehungsweise Eigenkapitalbelastungen bei anderen Kreditinstituten können nun wiederum dazu führen, dass diese ihrerseits zum Handeln gezwungen sind und Bestände verkaufen müssen, obwohl dies aus rein ökonomischen Gründen nicht angezeigt oder sinnvoll wäre. Eine Spirale, die zu ständig sinkenden Marktwerten, hohen GuV-Ausschlägen und einer Wertvernichtung führt, die wirtschaftlich gar nicht begründet ist (vergleiche Bank of England, Financial Stability Report, April 2008, Seite 44).

Wie anders wäre es zu erklären, dass für viele Finanzinstrumente der erwartete Ausfall (Expected Loss) in der Regel erheblich niedriger ist als die aktuellen Bewertungsverluste aus der Fair-Value-Bilanzierung. Dies gilt zum Beispiel für Staatsanleihen vieler südeuropäischer Länder ebenso wie für strukturierte Wertpapiere, denen staatlich garantierte Kredite zugrunde liegen, wie die sogenannten Student Loans, also Darlehen an Studenten, die zu mindestens 97 Prozent durch die US-Regierung verbürgt wurden.

Die Verbriefung dieser Darlehen erfolgt über die Emission von Senior Tranchen sowie nachrangigen Wertpapieren, die in der Regel drei Prozent des zugrundeliegenden Sicherheitenpools umfassen. Tatsächlich sind Forderungsausfälle oder Ratingherabstufungen nicht bekannt, sodass die Senior Tranchen auch heute noch durchweg mit AAA geratet sind.

Der ursprünglich lebhafte Handel in diesen Papieren ist dennoch mit den US-Finanzinstituten, die in diesem Markt besonders engagiert waren, weitgehend zusammengebrochen. Die Papiere werden derzeit überwiegend auf der Basis von Modellrechnungen bewertet. Dabei haben sich die Spreads seit Jahresbeginn enorm ausgeweitet und erreichten per Ende September 2008 für lange Laufzeiten 250 bis 300 Basispunkte. Wohlgemerkt: USA-Staatsrisiko nahezu zu Junk-Bond-Preisen! Die hierdurch verursachte GuV-Volatilität von Student Loans, die als Handelsbestand kategorisiert wurden, ist in der Finanzmarktkommunikation kaum zu erklären, ein Verkauf der Papiere zur Vermeidung der GuV-Volatilität ökonomisch nicht sinnvoll und eine Umkategorisierung trotz der mittlerweile aufgegebenen Handelsabsicht war bislang nicht zulässig.

Um in einem solchen Fall die Gefahr der prozyklischen, krisenverstärkenden Wirkung internationaler Rechnungslegungsstandards zu vermeiden und eine sachgerechte, der (geänderten) Intention des Bilanzierenden entsprechende Berichterstattung zu ermöglichen, wurde bereits im Frühjahr 2008 vorgeschlagen, das Verbot der Umkategorisierung nach IAS 39.50 aufzuheben, wenn sich die Marktverhältnisse derart ändern und die neuen Halteabsichten nachvollziehbar begründet und dokumentiert werden (vergleiche Wirtschaftsprüfer reagieren auf Finanzkrise, IDW bringt neue Bewertungsregeln für Finanzinstrumente in die Diskussion - Flexiblere Umwidmung von Papieren angeregt, in: BZ vom 6. Mai 2008, Seite 11; Pellens/Sal. Oppenheim, Seite 5).

Will man entscheidungsnützliche Informationen bereitstellen, kann sich die Bewertung der Positionen zum Zeitpunkt der Umkategorisierung allerdings nicht an (nicht vorhandenen und daher) fiktiven Marktwerten orientieren, sondern muss auf Basis der diskontierten künftigen Zahlungsströme unter Berücksichtigung des erwarteten Verlustes erfolgen (vergleiche Olbrich/Bräsel, Inkonsistenzen der Zeitwertbilanzierung nach IFRS: Kritik und Abhilfe, in: DB 2007, Seiten 1 543 bis 1 548, hier Seite 1 548, die aber dennoch die Zweckmäßigkeit des Fair-Value-Accounting insgesamt infrage stellen). Das Gleiche sollte für die Umkategorisierung von Available-for-Sale-Beständen in die Kategorien Held to Maturity oder Loans and Receivables gelten.

Erleichterungen bei der Zeitwertbilanzierung

Angesichts der geänderten Halteabsicht ist die Entscheidungsrelevanz einer bewertungsinduziert hohen Volatilität für den Bilanzleser auch grundsätzlich kritisch zu hinterfragen. Mehr Flexibilität bei der Umkategorisierung erhöht dagegen die Aussagekraft der Abschlussinformationen. Darüber hinaus müssen bei nicht existierenden Märkten zur Ermittlung des Fair Values durch den Bilanzierenden Bewertungsmodelle herangezogen werden, deren Parameter weitgehend auf Schätzungen und (Veräußerungs-)Annahmen beruhen, die naturgemäß mit hohen Unsicherheiten behaftet sind und demzufolge die Entscheidungsnützlichkeit des Abschlusses infrage stellen.

Zudem unterscheiden sich die angewendeten Modelle, Schätzungen und Annahmen in der Praxis, was dem Ziel einer Vergleichbarkeit von Konzernabschlüssen entgegensteht. Die Umkategorisierung mit einer entsprechenden Bewertung kann demgegenüber die Subjektivität der Bewertung verringern und die Vergleichbarkeit der Abschlüsse erhöhen.

In den USA haben die Aufsichtsbehörden die Problematik in der sich dramatisch zuspitzenden Krise rasch erkannt und als Erste Anfang Oktober 2008 konsequent gehandelt. So sollen neue Leitlinien der SEC und des FASB den US-Finanzinstituten bestimmte Erleichterungen bei der Zeitwertbilanzierung ermöglichen, um dadurch Belastungen bereits in der Berichterstattung über das dritte Quartal 2008 abzufedern (vergleiche US-Aufseher lockern Zeitwertbilanzierung, in: BZ vom 2./3. Oktober 2008, Seite 5). Dem hat sich der International Accounting Standards Board angesichts der offensichtlichen Unzulänglichkeiten der bestehenden Standardregelungen insbesondere in Krisenzeiten mit Änderungen des IAS 39 und IFRS 7 angeschlossen. Bereits kurze Zeit nach ihrer Veröffentlichung wurden die Änderungen durch die EU-Kommission anerkannt.

Die Änderungen des IAS 39 sehen vor, dass in seltenen Ausnahmefällen Finanzinstrumente der Kategorie Held for Trading umgewidmet werden können in die Kategorie Held to Maturity, Loans and Receivables oder Available for Sale. Finanzinstrumente der Kategorie Available for Sale können nunmehr auch umklassifiziert werden in die Kategorie Loans and Receivables. Ein Wechsel in die Kategorie Held to Maturity war bislang bereits möglich, wurde aber in Anbetracht der damit verbundenen Restriktionen nur in seltenen Fällen in der Praxis angewendet.

Die Änderungen des IFRS 7 zielen neben einer Beschreibung der umklassifizierten Bestände und der Gründe für die Umklassifizierung insbesondere auf umfangreiche Angaben zu den Fair Values in den Notes. So wird gefordert, für die entsprechenden Finanzinstrumente die GuV- und Eigenkapitalauswirkungen der Umwidmung anzugeben und eine gesonderte Berichterstattung zu den Fair Values beziehungsweise den Fair-Value-Änderungen bis zur Ausbuchung der Bestände fortzusetzen. Die Änderungen können rückwirkend auf den 1. Juli 2008 angewendet werden.

Defizite bei der Ausgestaltung

Die Reaktion des IASB ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, da die Änderungen von IAS 39 und IFRS 7 in die richtige Richtung gehen. In ihrer Ausgestaltung sind sie jedoch noch unzureichend und laufen teilweise ins Leere.

So sind freiwillig zum Fair Value bewertete Aktiva (Fair-Value-Option) nach wie vor von der Umklassifizierung ausgenommen. Zwar gibt es bei diesen Beständen keine Änderungen in der Halteabsicht, jedoch gelten die Argumente hinsichtlich der Bewertungsfolgen in Krisenzeiten analog.

Die Fair-Value-Option wird angewendet, um das äußerst aufwendige Hedge Accounting und/oder das Abspalten eingebetteter Derivate zu vermeiden sowie eine Übereinstimmung von interner und externer Berichterstattung zu erreichen. Diese Vorteile werden allerdings durch die gegenwärtig horrenden Verwerfungen in der Bewertung überkompensiert. Eine Erfassung von derart verzerrenden Wertänderungen in der GuV ohne Vorliegen einer dauerhaften Wertminderung bei langfristig gehaltenen Finanzinstrumenten verbunden mit eher unzuverlässigen, indikativen Bewertungsparametern auf illiquiden Märkten konterkariert die Zielsetzung eines Abschlusses.

Unverändert bleibt auch der ausnahmslose Grundsatz, dass alle Derivate erfolgswirksam zum Fair Value zu bewerten sind. Dies ist beispielsweise relevant bei strukturierten Produkten, die neben dem Grundvertrag auch derivative Komponenten enthalten (sogenannte eingebettete Derivate).

Im Fall der Umklassifizierung eines solchen strukturierten Produktes sind die eingebetteten Derivate im Regelfall von dem Trägerinstrument abzuspalten und weiterhin erfolgswirksam zum Fair Value zu bilanzieren. Das führt dazu, dass die beabsichtigten Wirkungen der Umwidmung nicht eintreten können. Gleiches gilt für ökonomische Sicherungsbeziehungen, insbesondere Zinssicherungen.

In der Zielkategorie Held to Maturity ist aus nicht nachvollziehbaren Gründen - die Anwendung von Hedge Accounting unzulässig (IAS 39.79) mit der Folge, dass bei einer Umkategorisierung des Grundgeschäfts ökonomisch nach wie vor sinnvolle Sicherungsbeziehungen auseinandergerissen werden. Zwar ist das Grundgeschäft fortan nicht mehr zu Zeitwerten zu bilanzieren, das Sicherungsderivat aber gleichwohl und die einseitige Bewertung der Sicherungsderivate führt dann zu massiven und ökonomisch unsinnigen Ergebnisschwankungen.

Für die Zielkategorien Loans and Receivables sowie Available for Sale ist Hedge Accounting zwar möglich, jedoch nicht rückwirkend. Auch dies kann etwa bei gegenläufigen Zins- und Credit-Spread-Entwicklungen zur Folge haben, dass die Umklassifizierung folgenlos bleibt oder die Wirkungen sich sogar ins Gegenteil verkehren.

Komponenten-Ansatz

Die vom geänderten IFRS 7 geforderten, gesonderten Notes-Angaben für den Fall einer Umklassifizierung sind aus der Perspektive des IASB zwar nachvollziehbar, konterkarieren jedoch die Intention der Standardänderungen. Es bleibt dabei, dass die Bewertungen angesichts der verfügbaren Parameter und der völlig illiquiden Märkte nicht die tatsächlichen Werte widerspiegeln. Bei allem Verständnis für möglichst hohe Transparenz und die damit beabsichtigte Vertrauensbildung: sie kann nicht gefördert werden, indem die ohnehin bereits sehr umfangreichen Notes mit ökonomisch unsinnigen Zahlen und Angaben überfrachtet werden.

Vor diesem Hintergrund sollten die Erkenntnisse aus der aktuellen Finanzmarktkrise zu einer internationalen Diskussion mit dem Ziel führen, im Rahmen der Bewertung bei Marktverzerrungen von indikativen, überzeichneten Parametern abzugehen und stattdessen unternehmensinterne Schätzparameter anzusetzen, die sich an den zukünftig erwarteten Cash-Flows unter Berücksichtigung von dauerhaften Wertminderungen orientieren (vergleiche BaFin schließt Bilanzkosmetik aus, in: BZ vom 24. Oktober 2008, Seite 5). Eine derartige Interpretation der bestehenden Bewertungsregeln könnte zahlreiche Schwächen der derzeitigen Fair-Value-Bewertung nach IFRS mildern.

In diesem Zusammenhang kann auch auf den sogenannten "Komponenten-Ansatz" (Component Approach) hingewiesen werden, der ein weiterer wichtiger Schritt wäre, um die Probleme bei der Anwendung des IAS 39 grundlegend zu lösen. In einer Stellungnahme an das IASB führt der Zentrale Kreditausschuss aus, dass die Einführung des Komponenten-Ansatzes die Entscheidungsnützlichkeit für die Abschlussadressaten erhöhen und die Komplexität der gegenwärtigen Regelungen gleichzeitig reduzieren würde (Zentraler Kreditausschuss: Comments on the Discussion Paper "Reducing Complexity in Reporting Financial Instruments" vom 19. September 2008). Für einen Kredit oder eine verzinsliche Schuldverschreibung des Anlagebestandes würde dies etwa bedeuten, dass die Zins- und Währungsrisiken einer regelmäßigen, erfolgswirksamen Marktbewertung unterliegen, die Bonitätsrisiken angesichts der langfristigen Halteabsicht jedoch den Impairment-Regelungen entsprechend Berücksichtigung finden, das heißt, eine Wertberichtigung wird im Fall einer voraussichtlich dauerhaften Wertminderung vorgenommen.

Vereinfachung erwünscht

Mit der IDW-Stellungnahme zu Bilanzierungsfragen im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise sowie der anhaltenden Diskussion um die Aussetzung der Marktbewertung in zahlreichen Stellungnahmen und Positionspapieren von Verbänden und Institutionen, vor allem aber mit den Leitlinien der US-Aufsichtsbehörden zur Zeitwertbilanzierung in der Berichterstattung über das dritte Quartal 2008 und den Änderungen von IAS 39 und IFRS 7 wurde in den vergangenen Monaten nachhaltig auf die Finanzmarktkrise reagiert. Dies wäre so nicht erforderlich gewesen, wenn sich die internationalen Bewertungsstandards auch in der derzeitigen Krisensituation bewährt hätten. Insofern weisen diese Reaktionen sowie die noch anhaltenden Grundsatzdiskussionen zumindest auf (weiteren) Anpassungs- und Ergänzungsbedarf deutlich hin. Dabei müssen nicht alle Grundprinzipien der IFRS wie die Marktbewertung der Handelsbestände infrage gestellt werden.

Die Marktbewertung der Handelsbestände - die Betonung liegt auf Handel - ist nach wie vor sachgerecht und sollte da nicht angetastet werden, wo Handel in liquiden Märkten stattfindet. Vielmehr gilt es, die bestehenden Standards adäquat zu modifizieren, zum Beispiel durch eine Ausweitung der Umklassifizierungsmöglichkeit auch für freiwillig zum Fair Value bilanzierte Finanzinstrumente, eine sachgerechte Lösung für derivative Finanzinstrumente und die Einführung des Komponenten- Ansatzes. Grundsätzlich könnte die Entscheidungsnützlichkeit von Unternehmensabschlüssen deutlich erhöht werden, wenn geänderte Marktverhältnisse, die wirtschaftliche Betrachtung von steuerungsrelevanten Sachzusammenhängen sowie unternehmerische Entscheidungen in der Rechnungslegung nicht weiter ignoriert werden müssten.

Partieller Paradigmenwechsel

Vor diesem Hintergrund besteht unverändert das Postulat, eine grundlegende Überarbeitung des IAS 39 verbunden mit einem zumindest partiellen Paradigmenwechsel bei den Standardsettern anzugehen. Die Erfahrungen aus der Finanzmarktkrise zeigen eindeutig, dass die Zielsetzung des IASB, mittelfristig alle Aktiva und Passiva erfolgswirksam zum Fair Value zu bewerten, verfehlt ist.

Die Herausforderung wird zudem darin bestehen, das Regelwerk nicht gleichzeitig noch komplexer zu gestalten, sondern zu vereinfachen. Eine Weiterentwicklung in Richtung Case Law kann dem nicht gerecht werden (vergleiche Hoffmann/Lüdenbach, Die bilanzielle Abbildung der Hypothekenkrise und die Zukunft des Bilanzrechts, in: DB 2007, Seite 2213 bis 2219, hier Seite 2216; Lüdenbach/Hoffmann in Haufe IFRS Kommentar, 6. Auflage Freiburg 2008, § 1, Tz. 44 ff.).

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