Aufsätze

Bankorganisatorische Aspekte der IFRS

Im Zuge der Finanzmarktkrise ist die Zeitwertbilanzierung finanzieller Vermögenswerte wiederholt in die Kritik geraten. Zurückzuführen ist dies auf weitgehend illiquide Märkte für verbriefte Kreditforderungen und die daraus resultierende Problematik, verlässliche Marktpreise als Grundlage für die Bewertung abzuleiten. Im Rahmen der Rechnungslegung nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) kommt dem sogenannten Fair Value Accounting, das heißt der Bewertung zu beizulegenden Zeitwerten, eine herausragende Bedeutung zu. Kapitalmarktorientierte Kreditinstitute müssen ihren Konzernabschluss auf der Grundlage der IFRS erstellen.

Abbildung finanzieller Vermögenswerte

Die Zeitwertbilanzierung gehört im Rahmen der IFRS zu denjenigen Sachverhalten, die im Gegensatz zur handelsrechtlichen Rechnungslegung neben dem Rechnungswesen ein Einbeziehen weiterer Organisationseinheiten erfordern. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der Umfang der offen zu legenden Informationen weitaus größer ist als beim handelsrechtlichen Jahresabschluss. Zum anderen sind für die Bewertung oftmals auch solche Informationen notwendig, über die das Rechnungswesen in der Regel nicht verfügt. Aus diesem Grunde wird vor allem das Controlling in zunehmendem Maße in Bilanzierungsaufgaben einzubeziehen sein, sei es für das Bereitstellen von Daten oder Methoden. Die Berücksichtigung weiterer Organisationseinheiten zieht Konsequenzen nach sich: In zahlreichen Fällen sind Geschäftsprozesse neu zu konzipieren, um den Anforderungen der IFRS Rechnung zu tragen beziehungsweise unerwünschte Bilanzierungsfolgen ex ante zu vermeiden. Der Ansatz und die Bewertung von Finanzinstrumenten sind im IAS 39 geregelt. Zu den finanziellen Vermögenswerten gehören insbesondere liquide Mittel, Bankeinlagen, Kreditforderungen, Wertpapiere und Derivate. Während die Erstbewertung finanzieller Vermögenswerte nach IAS 39.43 zum Fair Value erfolgt, richtet sich die Folgebewertung nach der Kategorisierung.

Nach IAS 39.45 sind finanzielle Vermögenswerte Kategorien zuzuordnen. Diese Kategorien steuern den Ausweis und die Bewertung und sind somit von bilanzpolitischer Bedeutung. Die Kategorisierung ist bei Abschluss des Geschäfts vorzunehmen. Bei Wertpapieren mit fester Endfälligkeit (Gläubigertitel) kann das Kreditinstitut eine gegebenenfalls unerwünschte Folgebewertung zum Fair Value dadurch vermeiden, dass es sich im Rahmen der Ersterfassung für die Kategorie "held-tomaturity" entscheidet. Nimmt ein Kreditinstitut in der Folgezeit Umschichtungen etwa in den Handelsportfolios vor, kann hiermit eine Umwidmung in eine andere Kategorie verbunden sein. Werden finanzielle Vermögenswerte der Kategorie "held-to-maturity" in einem nicht unerheblichen Betrag veräußert oder umgewidmet, so schreibt IAS 39.52 eine Umklassifizierung aller übrigen Positionen dieser Kategorie vor. Das Kreditinstitut darf Finanzinstrumente dieser Kategorie anschließend im laufenden und den beiden folgenden Geschäftsjahren nicht mehr dieser Kategorie zuordnen (sogenanntes "tainting").

In diesem Zusammenhang ist die Sensibilisierung des Handelsbereichs hinsichtlich der Auswirkungen der Steuerung von Handelsportfolios auf die Rechnungslegung erforderlich. Damit die im Handelsbereich vorgenommenen Kategorisierungen und gegebenenfalls Umwidmungen IFRS-konform (nur zwischen den Kategorien "available-for-sale" und "held-to-maturity" zulässig) erfolgen, ist es notwendig, zusätzliche Kontrollen zu implementieren und den Wechsel zwischen bestimmten Handelsportfolios gegebenenfalls technisch zu sperren.

Erhöhter Informationsbedarf im Rechnungswesen

Neben der Kategorisierung führen auch die Bewertungsvorschriften des IAS 39 zu einem erhöhten Informationsbedarf im Rechnungswesen. Finanzielle Vermögenswerte der Kategorien "financial asset or financial liability at fair value through profit or loss" und "available-for-sale" sind auch bei der Folgebewertung zum Fair Value zu bewerten. Die Fair Values sind dem Rechnungswesen oftmals jedoch nicht bekannt, da sie zumeist in Frontofficeund/oder Risikomanagementsystemen vorgehalten werden.

Deshalb sind mit den relevanten Bereichen (zum Beispiel Handel, Risikocontrolling) Liefervereinbarungen über die benötigten Informationen zu treffen. Hinsichtlich der bereitgestellten Fair Values sind Abläufe zur Kommunikation zwischen den betreffenden Organisationseinheiten zu entwickeln und Verfahren zur Kontrolle der Bereitstellung zu implementieren. Darüber hinaus sind alle Systeme, die Fair Values für Bilanzierungszwecke liefern, als rechnungswesenrelevant zu klassifizieren. Diese unterliegen somit den Ordnungsmäßigkeitskriterien (zum Beispiel Nachvollziehbarkeit, Protokollierung, Methodenstetigkeit), woraus sich erhöhte Anforderungen an den Systembetrieb und die Dokumentation ergeben.

Derivate und Hedge Accounting

Im Gegensatz zur Rechnungslegung nach deutschem Handelsrecht stellen Derivate nach den IFRS immer bilanzwirksame Geschäfte dar. Im Rahmen des Hedge Accounting lassen sich in Sicherungsbeziehungen eingebundene Finanzinstrumente unter bestimmten Voraussetzungen folgendermaßen erfassen: Beispielsweise bleiben marktpreisinduzierte Wertänderungen des abzusichernden Grundgeschäfts und des zur Absicherung dienenden Derivats zusammen ohne Erfolgsauswirkung. IAS 39.88 enthält Dokumentations- und Effektivitätsanforderungen an Sicherungsbeziehungen. Die Anwendung des Hedge Accounting setzt deren kumulative Erfüllung voraus. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die formale Designation bereits zu Beginn einer Sicherungsbeziehung vorliegen muss. Eine rückwirkende Designation und Dokumentation ist unzulässig. Das kann zur Folge haben, dass eine aus ökonomischer Sicht gegebene hoch effektive Sicherungsbeziehung im Sinne der Rechnungslegung nach IFRS nicht anerkannt wird.1)

Die kompensatorische Wirkung der Sicherungsbeziehung entfällt somit. Wertänderungen des Derivats würden demzufolge unter Umständen beachtliche Volatilitäten in der Gewinn- und Verlustrechnung nach sich ziehen. Kreditinstitute nehmen die Zuordnungsbeziehungen im Hedge Accounting in der Regel im Handelsbereich vor. Um unerwünschte Bilanzierungsfolgen zu vermeiden, ist es deshalb erforderlich, dass das Rechnungswesen bereits im Vorfeld einen engen Kontakt zum Handel hält und Richtlinien mit bilanzierungsrelevanten Vorgaben erarbeitet (siehe Abbildung).

Die grundsätzliche Problematik der bilanziellen Abbildung von Sicherungsbeziehungen liegt vor allem darin, dass die Regelungen des IAS 39 zum Hedge Accounting nicht dazu dienen, gegebene Sicherungswirkungen in die externe Rechnungslegung zu übertragen. Vielmehr zielen sie primär darauf ab, Volatilitäten in der Gewinn- und Verlustrechnung zu vermeiden.2) Bei nachträglichen Änderungen von Hedge-Beziehungen (etwa Auflösung) reicht es folglich nicht aus, das Augenmerk auf den ökonomischen Gehalt der Sicherungsbeziehung zu richten. Es sind auch die Auswirkungen auf den IFRS-Abschluss zu analysieren, da ansonsten eine unerwünschte erfolgswirksame Erfassung von Wertänderungen des derivativen Geschäfts unvermeidlich sein kann. Die Funktionen des Rechnungswesens richten sich insoweit neben der Bilanzierung in stärkerem Maße auf koordinierende und steuernde Tätigkeiten, um den bilanzierungsrelevanten Aspekten der Geschäftstätigkeit im Dialog mit anderen Organisationseinheiten angemessen Rechnung tragen zu können.

Kreditinstitute führen ihr Kreditgeschäft in der Regel in der Kategorie "loans and receivables". Die Bewertung der Kreditforderungen erfolgt damit zu fortgeführten Anschaffungskosten. Unterschiede gegenüber den Regelungen des HGB ergeben sich insbesondere bei der Amortisierung von Disagien, der Behandlung von Bereitstellungszinsen und Transaktionskosten sowie der Bildung von Wertberichtigungen.

Des Weiteren sind für alle Finanzinstrumente der Kategorie "loans and receivables" die Fair Values in den Notes anzugeben. Für finanzielle Vermögenswerte ist nach IAS 39.58 zum Bilanzstichtag zu überprüfen, ob objektive Hinweise für eine Wertminderung vorliegen. Diese können sich zum Beispiel aus erheblichen finanziellen Schwierigkeiten des Schuldners, einem Vertragsbruch im Sinne eines Ausfalls oder Verzugs von Zins- und Tilgungszahlungen ergeben oder aus einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass der Kreditnehmer in Insolvenz oder ein sonstiges Sanierungsverfahren geht (IAS 39.59).

Impairment

Die Untersuchung objektiver Hinweise auf eine Wertminderung obliegt der Kreditüberwachung. Insofern bedarf es organisatorischer Regelungen, die diese Organisationseinheiten in die Lage versetzen, eine Wertminderungsvermutung zu äußern (IAS 39.59). Die Bilanzierung von Kreditrisiken nach IFRS ist - verglichen mit den gelebten handelsrechtlichen Verfahren - konzeptionell unterschiedlich.3) Bei der IFRS-Bilanzierung ergibt sich die Höhe des Verlusts aus der Differenz zwischen dem Buchwert des Vermögenswerts und dem Barwert der erwarteten zukünftigen Cash-Flows.

Die Ermittlung des Barwerts erfolgt auf der Grundlage des anfänglichen Effektivzinssatzes (IAS 39.63). In den Folgejahren ist eine Aufzinsung (sogenanntes Unwinding) vorzunehmen, wobei ein Ausweis im Zinsertrag erfolgt. Sofern der Grund für die Wertminderung in den Folgeperioden entfällt, ist die einzelwertberichtigte Kreditforderung so weiterzuführen, als wäre nie eine Wertminderung eingetreten. Das IT-System muss insoweit in der Lage sein, jederzeit in den ursprünglichen Zins- und Tilgungsplan eines Kredits zurückzuspringen.

Bei nicht signifikanten Kreditforderungen kann eine Prüfung des Wertminderungsbedarfs auf Portfolioebene erfolgen. Kreditinstitute müssen hierfür zunächst eine Signifikanzgrenze festlegen und die Forderungen in Portfolios mit gleichartigen Kreditrisiken untergliedern. Im Falle objektiver Hinweise auf eine Wertminderung (sogenannte Trigger-Events) ist das betreffende Portfolio der nicht signifikanten Forderungen insgesamt zinslos zu stellen. Zinserträge ergeben sich ausschließlich aus dem Unwinding. Zur Überwachung der korrekten Zuordnung zu Portfolios sind Geschäftsprozesse zu implementieren und Verantwortlichkeiten festzulegen, zumal Tilgungen im Zeitablauf dazu führen können, dass aus signifikanten Forderungen nicht-signifikante Forderungen werden.

Regelmäßige Simulationsrechnungen

Während die handelsrechtliche Pauschalwertberichtigung zumeist aus einem mehrjährigen Durchschnitt gebildet wird, basiert die Portfoliowertberichtigung nach IFRS auf aus Ratingergebnissen abgeleiteten Ausfallwahrscheinlichkeiten. Aus diesem Grunde ist die Portfoliowertberichtigung deutlich volatiler als die handelsrechtliche Pauschalwertberichtigung. Zur Planung des Ergebnisses nach IFRS empfiehlt sich deshalb die regelmäßige Durchführung von Simulationsrechnungen durch das Risikocontrolling unter Berücksichtigung von Ratingveränderungen im Kreditbestand. Die Prognosesicherheit kann hierbei durch die Einbeziehung von Vertriebsplanungen erhöht werden, um zukünftige Ratingveränderungen abschätzen zu können.

Die Ergebnisse der Simulationsrechnungen sollten in der Folge durch ein Backtesting abgesichert werden. Die organisatorische Verankerung dieser Arbeitsschritte unter Einbeziehung der kreditüberwachenden Bereiche, dem Risikocontrolling sowie des Rechnungswesens gewinnt mit der Frequenz der zu erstellenden Abschlüsse an Bedeutung, insbesondere bei intern erstellten Monatsabschlüssen. Außerdem ist es für eine bilanzpolitisch motivierte Steuerung des IFRS-Ergebnisses von besonderem Stellenwert, da stark volatile Ergebnisse einen Vertrauensverlust am Kapitalmarkt zur Folge haben können.

Steuerung des Abschlussprozesses

Die Steuerung und Überwachung des Abschlussprozesses erfolgt aus dem Rechnungswesen heraus (zum Beispiel Konzernrechnungswesen). Grundlage hierfür ist ein detailliertes Verständnis des gesamten Erstellungsprozesses bis hinein in die zuliefernden Organisationseinheiten. Innerhalb des Prozesses sind Meilensteine zu definieren. Eine Berichtsstruktur auf Basis der Meilensteine mittels eines Ampel-Systems ermöglicht es dem Management, Probleme im Erstellungsprozess (etwa bei Ressourcenengpässen) frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu veranlassen.

Um ein geeignetes internes Kontrollsystem (zum Beispiel lückenlose und sachgerechte Abstimmprozesse) zu etablieren, sind im Rechnungswesen detaillierte Kenntnisse zur Entstehung, Bereitstellung und Verarbeitung der Daten erforderlich. Dies ist auch unerlässlich, um Ergebnis- und Eigenkapitalauswirkungen abschätzen und plausibilisieren zu können.

Ein etablierter laufender Kommunikationsprozess zwischen dem Rechnungswesen und allen zuliefernden Organisationseinheiten ermöglicht es, Fehlinterpretationen und daraus gegebenenfalls resultierende Falschanlieferungen frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Ein erhöhter Informationsbedarf des Rechnungswesens besteht auch hinsichtlich der Bestimmung des Konsolidierungskreises. Dabei sei insbesondere auf die aktuelle Diskussion über die Abbildung von ABS-Strukturen und die Konsolidierungspflicht bestehender Zweckgesellschaften hingewiesen.

Mit der Neuregelung der Segmentberichterstattung auf der Grundlage des für Geschäftsjahre ab 2009 geltenden IFRS 8 wird der sogenannte Management-Approach zur Leitlinie für das externe Segmentreporting.4) Die Segmente entsprechen damit künftig vom Grundsatz her jener Abgrenzung, anhand derer die Bank Steuerungs- und Kontrollmaßnahmen initiiert. Der Blickwinkel richtet sich damit stärker auf die aus dem Controlling heraus erfolgende bankinterne Berichterstattung. Deren Ausgestaltung kann sich künftig nicht nur an der Steuerungsadäquanz des Zahlenwerks orientieren, sondern muss zugleich den Informationsbedürfnissen der externen Abschlussadressaten gerecht werden. Aufgrund dieser Doppelfunktion ist auch davon auszugehen, dass die interne Berichterstattung in stärkerem Maße als bisher in die Abschlussprüfung einbezogen wird, woraus qualitätssteigernde Effekte resultieren.5)

Ein Konzernabschluss nach den IFRS erfordert deutlich mehr Angaben als nach deutschem Handelsrecht. Die benötigten Informationen liegen in einer Vielzahl der Fälle nicht im Rechnungswesen vor und sind nur auf dem Wege einer engen institutionalisierten Zusammenarbeit mit anderen Organisationseinheiten (zum Beispiel Risikomanagement, Controlling) zu beschaffen. Im Rahmen der Rechnungslegung nach IFRS ist es deshalb erforderlich, neuartige Geschäftsprozesse zu definieren, um den vielfältigen Zusammenhängen zwischen den technischen Verarbeitungsprozessen, der bilanziellen Bewertung, den internen Erfolgs- und Planungsrechnungen sowie den risikopolitischen Aspekten hinreichend Rechnung tragen zu können.

Fußnoten

1) Vgl. im Hinblick auf Einzelfragen zur Dokumentation von Sicherungsbeziehungen insbesondere: Löw, E./Lorenz, K., Ansatz und Bewertung von Finanzinstrumenten, in: Löw, E. (Hrsg.), Rechnungslegung für Banken nach IFRS, 2. Auflage, Wiesbaden 2005, Seiten 561 ff.

2) Vgl. Löw, E., Risikomanagement, Risikocontrolling und IFRS, in: Wagenhofer, A., (Hrsg.), Controlling und IFRS-Rechnungslegung, Berlin 2006, Seite 192.

3) Vgl. hierzu vor allem Gebhardt, G./Strampelli, S., Bilanzierung von Kreditrisiken, in: BFuP, 57. Jahrgang 2005, Seiten 515 ff.

4) Vgl. hierzu vor allem Kajüter, P./Barth, D., Segmentberichterstattung nach IFRS 8 - Übernahme des Management-Approach, in: Betriebs-Berater, 62. Jahrgang 2007, Seiten 428 ff.

5) Vgl. Haller, A., Segmentberichterstattung - Schnittstelle zwischen Controlling und Rechnungslegung, in: Wagenhofer, A., (Hrsg.), Controlling und IFRS-Rechnungslegung, Berlin 2006, Seite 164.

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