Auslandsmärkte

Shoppen unter dem Halbmond - Chancen und Risiken im Wachstumsmarkt Türkei

Die türkische Volkswirtschaft hat bisher ihre Wirtschaftskraft alle sieben bis neun Jahre verdoppelt. Gegenwärtig belegt das türkische Bruttosozialprodukt gemeinsam mit Holland bereits Platz sechs in Europa. Die Bevölkerung ist jung und vor allem konsumhungrig.

Mit einer derart gesunden Bevölkerungspyramide und einem kaum zu stillenden Konsumhunger ist die gesamte Türkei das führende Expansionsland für den gut entwickelten Einzelhandel in Europa.

Diese starke Konsumnachfrage trifft aber lediglich auf Kleinstflächen in den Innenstädten, die für einen modernen Einzelhandel mit gutem Ladenbau sowie einem breiten und tiefen Sortiment nicht geeignet sind. Ausreichend große Flächen bieten Shoppingcenter, deren Mietermix langfristig "atmet" und sich den jeweils aktuellen Entwicklungen des Einzelhandels anpasst.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs zwischen 2001 und 2011 im Schnitt um nominal 11,6 Prozent jährlich gemessen in US-Dollar und 4,3 Prozent jährlich in realer Türkischer Lira (Quelle: IMF, Renaissance Capital, London 2012). Für das Jahr 2012 wird ein Wachstum von vier bis fünf Prozent prognostiziert.

Gesunde Makroökonomie und gutes Rating

Anders als in Ländern Westeuropas, Nordamerikas und einigen Ländern Asiens lag die Staatsverschuldung der Türkei im Jahr 2011 mit rund 40 Prozent des BIP im "gesunden Bereich" - das für Mitglieder der Europäischen Union geltende Maastricht-Kriterium setzt eine Höchstgrenze von 60 Prozent fest. Das Länderrisiko wird von führenden

Ratingagenturen derzeit mit "BB" bis "BB plus" geführt und liegt damit einen Grad unter "Investmentgrade". Dies stellt eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu früheren Jahren dar. Auch die Prämien für türkische Credit Default Swaps, also Derivate für den Handel mit Kreditrisiken der Türkei, sind im internationalen Vergleich auf einem niedrigen Niveau. Der Bankensektor, von der Krise 2008/2009 kaum betroffen, ist hochliquide und erwirtschaftete selbst in der Finanzkrise Gewinne im zweistelligen Milliardenbereich (gemessen in US-Dollar). Auch das Verhältnis der Einlagen von Kundengeldern zum Anlagevermögen ist mit über 60 Prozent im europäischen Vergleich sehr hoch, beispielsweise im Vergleich zu Deutschland mit zirka 40 Prozent.

Seit Einführung der neuen Türkischen Lira im Jahr 2005 wurde die Währung schrittweise gegenüber dem Euro und dem US-Dollar abgewertet. Dies stützt den Export und damit mittelbar die Kaufkraft der Bevölkerung. Umsatzmieten von Shoppingcentern, die in Türkischen Lira vereinnahmt werden, verlieren zwar damit an Wert, allerdings ist das Wachstum von Einzelhandelsumsätzen in Einkaufszentren so hoch, dass die Abwertung derzeit überkompensiert wird. Nimmt man als Maßstab den Big Mac, ist die Türkische Lira fair bewertet.

Solide Geld- und Währungspolitik

Seit 2001 ist die Inflation durch eine effektive Geldpolitik der türkischen Notenbank erfolgreich von jährlich über 50Prozent auf unter acht Prozent gesunken. Derzeit beträgt die Kerninflation 4,8 Prozent. Preistreibend wirken sich allerdings aktuell die hohen Energiepreise aus. Hier ist die Türkei in besonderem Maße auf Importe angewiesen.

Die Türkei zählt seit Jahren zu den besonders attraktiven Investitionsländern für internationale Immobilienanlagegelder, auch wenn sie, wie alle anderen Wachstumsländer, im Jahre 2009 einen Rückgang der ausländischen Direktinvestitionen zu verzeichnen hatte. Seit 2006 haben sich die jährlichen ausländischen Investitionen in den Immobilienbereich zwischen 1,8 und 2,9 Milliarden US-Dollar bewegt. Der Investitionstrend ist vor dem Hintergrund der Euro- und Finanzkrise ungebrochen. Investoren schätzen die Fähigkeit der Türkei, sich rasch von Krisen zu erholen. So konnte der Rückgang des BIP im Jahr 2009 bereits im Jahr 2010 mit einem Wachstum von über zehn Prozent überkompensiert werden. Das reale türkische BIP für 2011 liegt nach Angaben des IWF bei 8,4 Prozent.

Die türkische Gesellschaft ist weit von einer Überalterung entfernt. Das Durchschnittsalter liegt bei 28,5 Jahren, über 40 Prozent der Bevölkerung sind unter 20 Jahre, über 50 Prozent sind unter 30Jahre alt. Auch wenn der Trend zu Single-Haushalten in den türkischen Metropolen Einzug hält, beträgt die Haushaltsgröße im Durchschnitt 4,39 Personen. Mit derzeit rund 75 Millionen Einwohnern stellt die Türkei Europas zweitgrößte Bevölkerung nach Deutschland. Bei einer Wachstumsrate von jährlich rund einem Prozent wird sie bereits bis 2020 Deutschland als bevölkerungsreichstes Land Europas mit

81Millionen Einwohnern ablösen. Dabei konzentriert sich das Wachstum insbesondere auf die Städte. So haben bereits zwölf Städte der Türkei mehr als eine Million Einwohner.

Im Dezember 2011 lag die Arbeitslosenzahl laut dem türkischen Amt für Statistik Turkstat bei 8,8 Prozent, nach 11,3 Prozent im Jahr 2010 und 16 Prozent im Jahr 2009. Bezeichnend für das Wirtschaftsleben in der Türkei ist die Fähigkeit, auf Krisen und wirtschaftliche Schocks schnell zu reagieren. Dies schließt auch eine Anpassung des Personalkostenblocks ein. Sozial wird Arbeitslosigkeit in der Türkei durch einen engen Familienzusammenhalt aufgefangen, sodass es in der Regel nicht zu einem Absturz ins Bodenlose kommt.

Stabile Politik

Politisch erlebt das Land seit 2001 eine bis dahin nicht gekannte Stabilität unter der von Premierminister Erdogan geführten Regierung der AKP. Er sorgte schon zu seinen Zeiten als Oberbürgermeister von Istanbul 1991 dafür, dass Löhne an die städtischen Bediensteten pünktlich gezahlt wurden. Unter seiner Regierung öffnete sich das Land seit 2001 nach außen. EU-Mitgliedschaft und eine markant deklarierte Außenpolitik "Null Probleme mit unseren Nachbarn" sind erklärtes und gelebtes Ziel der Regierung.

Es darf bei allen Bemühungen um Entspannung und Normalisierung der Beziehungen mit Armenien oder dem massiven diplomatischen Druck auf Syrien, demokratische Reformen endlich anzustoßen, nicht vergessen werden: Die Türkei ist bereits heute eine regionale Macht und sich dessen auch sehr bewusst.

Steigende Kaufkraft

Die für Einzelhandelsausgaben relevante Kaufkraft erhöhte sich von zirka 800 Euro pro Kopf im Jahr 2001 auf über 2062 Euro pro Kopf im Jahr 2011 - Tendenz weiter steigend. Trotz dieses starken Wachstums nehmen moderne Shoppingcenter gegenwärtig den traditionellen Handelsstrukturen - dem Bazar und dem "Bakal", dem kleinen "Tante-Emma-Laden" um die Ecke - keine messbaren Umsätze weg. Umsätze der Einzelhändler in Shoppingcentern steigen nach wie vor ungebremst, egal, ob es sich um ein Einkaufszentrum auf der europäischen oder der asiatischen Seite des Landes handelt.

Über umsatzgekoppelte Mieten profitiert ein Investor in Shoppingcentern von diesem Wachstum - zusätzlich zur Mindestmiete, die die Mieter von Shoppingcentern zahlen. Anders als in vielen Ländern besteht bei der Zusammenstellung des Mietermixes eine breite Auswahl an Marken: Über 250 Marken haben sich in der Türkei bereits etabliert und betreiben Einzelhandel auf internationalem Shop-pingcenter-Niveau. Die Gefahr, als Investor von einem einzigen Mieter einer wichtigen Branche abhängig zu sein, ist damit nicht gegeben. Derzeit besteht der Markt aus 294 Shoppingcentern mit Mietflächen über 15000 Quadratmetern. Die überwiegende Anzahl ist für einen institutionellen Anleger jedoch nicht investitionstauglich, da zu viele Rechtsmängel vorhanden sind.

Aufholbedarf des Einzelhandels

Dazu zählen beispielsweise Mängel in den Mietverträgen, die Überschreitung von Baurechtsvorgaben oder ungeregelte Eigentumsstrukturen. Auch die Flächengestaltung und deren Zuschnitt genügen nicht internationalen Anforderungen. Im Schnitt gibt es in der Türkei 94 Quadratmeter Einzelhandelsmietfläche pro 1000 Einwohner, während der EU Durchschnitt bei 170 liegt.

Mietverträge haben eine Laufzeit von fünf oder zehn Jahren (letztere für Ankermieter) und können in Euro oder US-Dollar abgeschlossen und indexiert werden. Auch Umsatzmieten sind Standard. Für die Türkei erwarten Experten als einziges Land in Europa in den kommenden Jahren stark steigende Einzelhandelsumsätze (zum Beispiel laut AYD in 2011 einen Zuwachs um neun Prozent).

Mit Blick auf die Immobilienbranche gilt es, die spezifischen Mentalitäten der türkischen Geschäftspartner zu berücksichtigen. Grundstücksverhandlungen folgen einem anderen Prozedere als zum Beispiel in Deutschland. Nach einer gewissen Kontaktphase werden Verträge deutlich schneller als in anderen Ländern verhandelt und umgesetzt. Besonders investorenfreundlich ist der türkische Rechtsrahmen: Es gelten im Wesentlichen seit 150 Jahren das Grundbuchrecht Deutschlands und das Obligationenrecht der Schweiz.

Die Türkei ist gegenwärtig das einzige Land Europas, das hohe Wachstumsraten, einen soliden Rechtsrahmen, gesunde Staatsfinanzen und ein liquides Bankensystem vorweisen kann. Genau das schafft den gewünschten Hebel für überdurchschnittliche Erträge mit Investitionen im Einzelhandelsbereich unter dem Halbmond.

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