Aufsätze

Aktuelle Zahlungsverkehrsthemen aus Sicht eines Wirtschaftsunternehmens

Aktuelle Zahlungsverkehrsthemen aus Sicht eines Wirtschaftsunternehmens gibt es wahrlich viele. Aus regulatorischer Sicht sitzen wir alle in einem Boot, sicher ankommen werden wir jedoch nur, wenn wir alle in die gleiche Richtung rudern.

Tochtergesellschaften in 73 Ländern

Das Schöne an der Arbeit in einem Industrieunternehmen sind Produkte zum Anfassen, in diesem Fall zum Anschauen und zum mit nach Hause nehmen. Merck beispielsweise ist Weltmarktführer für Liquid Crystals, die in nahezu allen Farbdisplays, beispielsweise von LCD-Fernsehern und Smartphones, zu finden sind. Um die Zusammenhänge zwischen einem Wirtschaftsunternehmen wie Merck und den aktuellen Zahlungsverkehrsthemen in Gänze verdeutlichen zu können, sind einige allgemeine Hintergrundinformationen zum Unternehmen sowie zu seiner Finanzorganisation im Speziellen hilfreich, bevor dann im Hauptteil auf das Thema Sepa eingegangen wird. Dabei soll es um die Herausforderungen der konkreten Umsetzung der EU-Richtlinie im Merck-Konzern gehen und um die Frage, warum dies für uns eine Herkulesaufgabe darstellt. Wenn uns Treasurer derzeit allerdings nur Sepa beschäftigen würde - dann wären wir dieser Tage durchaus etwas entspannter. Neben Sepa existiert eine Vielzahl an weiteren regulatorischen Herausforderungen.

Mit rund 39 000 Mitarbeitern in 73 Ländern kann Merck mit einem Umsatz von über elf Milliarden Euro sowie einem EBITDA vor Sondereinflüssen von zirka drei Milliarden Euro bemerkenswerte Zahlen vorweisen. Zudem ist Merck seit dem Jahr 2007 im Deutschen Aktienindex gelistet. 30 Prozent der Aktien werden durch freie Aktionäre gehalten, 70 Prozent der Anteile liegen in Familienhand. Der Gesamtunternehmenswert beläuft sich per März 2013 auf stolze 28,5 Milliarden Euro. Merck ist das älteste Pharma- und Chemieunternehmen der Welt. Gegründet 1668, hat Merck zahlreiche Regierungsformen und -wechsel sowie fünf Währungsreformen, zwei Weltkriege und den damit verbundenen Verlust des US-Geschäftes überstanden.

Aufgrund der weitreichenden globalen Präsenz - weltweit mehr als 200 Tochtergesellschaften - sind die Geschäftsanforderungen an Merck sehr vielfältig, da jedes Land finanzspezifische Besonderheiten aufweist. 123 Tochtergesellschaften in 28 Ländern werden an Sepa teilnehmen. Merck ist jedoch nicht nur in Europa, sondern auf allen Kontinenten vertreten. Damit unterliegen wir nicht nur europäischen Einflüssen und Richtlinien, an die wir uns anpassen müssen.

Zentrale Steuerung

Diese Anpassungen an die lokalen Finanzmärkte werden für den gesamten Merck-Konzern zentral von Darmstadt aus gesteuert - durch ein schlankes, überschaubares, aber schlagkräftiges Treasury-Team. Es existieren weder lokale Treasury-Mitarbeiter noch regionale Treasury-Center. Um diesen hohen Anforderungen stets gerecht werden zu können, haben wir eine effiziente Treasury-IT-Systemlandschaft geschaffen, die die Prozesse automatisiert und zentralisiert. Damit werden auch die Finanzrisiken konzentriert. Alle Vorgänge, die nicht automatisiert über IT-Schnittstellen abgebildet werden, sind über globale Guidelines abgedeckt und werden durch lokale Mitarbeiter aus der Buchhaltung oder dem Controlling stringent umgesetzt. Der Zentralisierungsgedanke ist in unserem Treasury stark ausgeprägt - nur dadurch können die Risiken effektiv gemanagt werden (Abbildung 1).

Um die wesentlichen Risiken, hier exemplarisch die Liquiditäts-, Währungs- und Zinsrisiken, managen zu können, haben wir zentralisierte Steuerungsstrukturen geschaffen, die durch die eingesetzten Steuerungsinstrumente ineinandergreifen. Fundamentale Eckpfeiler unserer Steuerungsstrukturen sind die Merck-Finanzgesellschaften. Diese sind notwendig, um die Transparenz zwischen den Finanztransaktionen und dem operativen Geschäft herzustellen. Regionale Shared Service Center übernehmen die Buchhaltung mehrerer Länder und wirken bei der Optimierung der finanzspezifischen Prozesse unterstützend.

Als Steuerungsinstrument haben wir schon vor vielen Jahren eine Treasury-IT-Systemlandschaft implementiert. Das "Intercompany Clearing" stellt einen dieser effizienten Prozesse dar. Dies ist die Bezeichnung für die interne Leistungsverrechnung zwischen den Merck-Gesellschaften, die in unserem Cash-Management-System erfolgt. Alle Rechnungen werden brutto belastet - nicht genettet - und nicht über Banken physisch beglichen. Hierbei handelt es sich um über 550 000 interne Rechnungen pro Jahr, die auf diese Weise verarbeitet werden. Beim Cash Pooling unserer externen Bankkonten wenden wir das "Zero Balancing" an. Mit 18 Cash Pools in 16 Währungen zentralisieren wir somit den Großteil der Liquidität unserer über 1000 externen Bankkonten.

Erhebliche Reduzierung der Bankgebühren

Besonders stolz sind wir auf unseren globalen Payment Factory-Setup, über den wir bereits mehr als 50 Prozent unserer weltweiten externen Zahlungen anstoßen. So sind wir in der Lage, grenzüberschreitende Zahlungen in lokale Zahlungen zu transformieren. Die Funktionsweise unseres Payment Factory-Setup wird weltweit für sämtliche Währungen in allen Ländern, in denen dies rechtlich zulässig und für uns wirtschaftlich sinnvoll ist, angewandt - und Verfahren, die weltweit funktionieren, haben wir natürlich auch längst innerhalb Europas, speziell im Euro-Raum, etabliert. Insgesamt werden nahezu 600 000 Zahlungen pro Jahr über die Payment Factory abgewickelt - Tendenz steigend. Das Ergebnis, Merck konnte die Ausgaben für Bankgebühren erheblich reduzieren.

An dieser Stelle ist zu betonen, dass Sepa die richtige Initiative für den Euro-Zahlungsverkehrsraum ist. Privatpersonen sowie kleine und mittelständische Unternehmen können sicherlich in großem Maße davon profitieren. Wir alle werden aufgrund der Zentralisierung von Transaktionen, der erhöhten Transparenz, der Reduzierung von Bankgebühren sowie durch effizientere Prozesse von Sepa profitieren.

Gilt dieser Nutzen auch für Merck? Vorweggenommen: Merck profitiert auch von Sepa, allerdings in geringerem Ausmaß. Merck, als global agierender Konzern, konnte aus Wettbewerbsgründen nicht auf eine Standardisierung durch Regularien wie Sepa warten. Demzufolge haben wir schon vor Jahren unsere eigenen Standards in unserem beeinflussbaren Marktumfeld geschaffen - sowohl der Zahlungseingang als auch der Zahlungsausgang wurde weitestgehend standardisiert. Vom Upload des Zahllaufes aus den unterschiedlichen ERP-Systemen über das Weiterleiten der Datensätze durch unser Cash-Management-System an eine Bank, bis hin zu deren Ausführung - alles erfolgt automatisiert. Die Kontoauszüge, die durch die Payment Factory weltweit automatisiert in unser Cash-Management-System importiert werden, werden in von uns vordefinierten Feldern durch unsere Zahlungsverkehrsbanken mit speziellen Kennzeichen versehen. Dadurch kann der Kontoauszug in unserem Cash-Management-System automatisch verbucht werden (Abbildung 2).

Organisatorische und technische Anpassung der eigenen Lösung

Worin liegen nun die Sepa-Herausforderungen für Merck? Innerhalb des Merck-Konzerns sind 123 Gesellschaften in 28 Ländern von der Sepa-Regulierung betroffen. Die Sepa-Migration wird dabei zentral im Treasury in Darmstadt gesteuert. Bereits diese Koordination aller 123 Tochtergesellschaften stellt ein aufwendiges Unterfangen dar. In erster Linie sind es jedoch die systemseitigen Anpassungen unserer Payment Factory hinsichtlich der Sepa-Vorgaben. Derzeit liegt eine sehr heterogene ERP-Landschaft im Konzern vor, sodass sämtliche Schnittstellen, die wir vor Jahren auf Basis unserer Standards programmiert haben, angepasst oder neu programmiert werden müssen.

Generell unterscheiden wir im Rahmen unserer Sepa-Projektarbeit zwei Prozesse. Zum einen die Sepa-Überweisung und zum anderen die Sepa-Lastschrift. Die umfangreiche Validierung und Konvertierung der Stammdaten - mehr als 100 000 Datensätze - für die betroffenen Gesellschaften stellt aus unserer Sicht eine reine Fleißaufgabe dar. Um die hierfür erforderliche Datenqualität für unsere Prozesse beibehalten und das Volumen bewältigen zu können, haben wir einen externen Dienstleister zur Unterstützung herangezogen.

Die gleichen Anstrengungen gelten auch für alle Anpassungen hinsichtlich der Formate bei Überweisungen und Lastschriften. Auf sensible Transaktionen wie Gehaltszahlungen müssen wir besonderes Augenmerk legen, da es sich vorrangig um lokale Zahlungen handelt, die durch unterschiedliche externe Dienstleister abgewickelt werden. Die größte Herausforderung für Sepa-Lastschriften stellt jedoch das Mandatsmanagement dar. Hierbei sind 15 Tochtergesellschaften und damit insgesamt zirka 20 000 Mandate betroffen. Dies geht mit einem erheblichen Arbeitsaufwand einher. Aufgrund unserer heterogenen ERP-Systeme, die zum Teil das Mandatsmanagement nicht abbilden können, muss ein neues Modul implementiert werden.

Zusammenfassend sind es die organisatorischen sowie technischen Herausforderungen, die während unserer einjährigen intensiven Projektarbeit eine Vielzahl an Mitarbeitern, sowohl im Treasury als auch in vielen anderen Abteilungen, binden und damit zu hohen Kosten im Millionenbereich führen. Das Sepa-Projekt wird sich für Merck erst über Jahre amortisieren.

Neben Sepa müssen im Treasury noch weitere zahlreiche Herausforderungen gleichzeitig bewältigt werden. Derzeit sehen wir uns mit zusätzlichen internationalen Regularien wie EMIR, Dodd-Frank und Basel III, der veränderten Außenwirtschaftsverordnung sowie der Finanztransaktionssteuer konfrontiert. Um diese Regularien umsetzen beziehungsweise deren Auswirkungen auf unser Geschäftsmodell prüfen zu können, mussten wir weitere aufwendige Projekte initiieren. Darüberhinaus stellt unsere globale Geschäftstätigkeit bereits eine besondere Herausforderung dar. In vielen Ländern werden permanent lokale Finanzmarktregulierungen beziehungsweise -deregulierungen umgesetzt. Exemplarisch sind hier die Finanzmarktveränderungen Chinas zu nennen, seien es die FX-Deregulierungen oder die veränderten Dokumentationspflichten für grenzüberschreitende Zahlungen. Nahezu monatlich kommt es hier zu Änderungen.

Zudem ist das Merck-Treasury auch von internen Veränderungen betroffen. Durch das konzernweite Effizienzsteigerungsprogramm "Fit für 2018" sind alle Abteilungen angehalten, kontinuierlich schlankere und effizientere Prozesse zu etablieren, um dadurch zur Kosteneinsparung beizutragen.

Sepa ist die richtige Initiative für den Euro-Zahlungsverkehrsraum - die Umsetzung der Richtlinie ist für Merck jedoch mit erheblichem Aufwand verbunden.

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors anlässlich des "Zahlungsverkehrssymposiums 2013" der Deutschen Bundesbank. Die Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

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