Aufsätze

Banken und Wirtschaft im Wettbewerb um qualifiziertes Personal

Die Suche nach talentiertem Nachwuchs und bewährten Führungskräften wie auch die Förderung von qualifizierten Mitarbeitern auf Fach- und Führungsebenen ist seit jeher ein brennendes Thema für Personalverantwortliche. Welche Unterschiede haben sich zwischen Banken und Industrie entwickelt? Wachsen die Talente zukünftig näher zusammen?

Unterschiedliche Positionen in der Weltwirtschaft

Die vergangenen Jahrzehnte der deutschen Wirtschaft lassen ein interessantes Muster hinsichtlich der relativen Positionen in der Weltwirtschaft erkennen. Der Industrie gelingt die Integration in die globalen Märkte, während die Großbanken Mühe haben, wenigstens ihre inländischen Marktanteile zu halten.

Von den deutschen Großbanken, zu denen auch einige ambitionierte Landesbanken zu zählen waren, rangiert heute mit Ausnahme einer einzigen Adresse keine mehr unter den international bedeutenden Häusern. Dies bezieht sich vor allem auf das Commercial Banking und das Investmentbanking. Bei den hiesigen Banken ist ein Konsolidierungsprozess in dem Maß, wie er beispielsweise in Italien und Frankreich vor Jahrzehnten eingeleitet und umgesetzt wurde, bislang unterblieben. In den genannten Ländern sind aus fragmentierten Bankenlandschaften schlagkräftige Konzerne entstanden, die durch Akquisitionen im In- und Ausland ihre Marktpositionen gezielt auszubauen vermochten.

Mit den deutlich gewachsenen Größenordnungen fanden sich zur Führung dieser Institute auch Manager von internationalem Format. Von wenigen Ausnahmen abgesehen fiel es deutschen Banken hingegen schwer, sich in wichtigen neuen Geschäftsfeldern erfolgreich international oder gar global in marktführenden Stellungen zu positionieren und entsprechendes Führungspersonal an sich zu binden.

Industrieunternehmen hingegen, ob Aktiengesellschaft oder auch von unternehmerischen Eigentümern geführt, haben nach zum Teil schmerzhaften Korrekturen die Chancen der Globalisierung erfolgreich genutzt. Führende Mittelständler haben sich zur gleichen Zeit zu globalen Spielern und in vielen Bereichen zu weltweiten Marktführern in ihrer Industrie entwickelt. Begleitet von verbesserter Corporate Governance reflektiert dies beeindruckend die Entwicklung der deutschen Aktienindizes, vor allem auch im Vergleich zum restlichen Europa und den USA.

Wie steht es vor diesem Hintergrund um die derzeitigen Karriereperspektiven von Bankmanagern im Vergleich zu Industriemanagern?

Gesunde Mischung bei der Rekrutierung

Im zunehmend globalen Marktumfeld hat sich der Wettbewerb um qualifiziertes Personal verschärft. Nie zuvor waren die Karrierechancen für überdurchschnittlich bis hoch qualifizierte Berufsanfänger, Fachkräfte und erfahrene Manager so gut wie heute. Dabei findet bereits auf den unteren und mittleren Ebenen eine sehr gesunde Mischung bei der Rekrutierung verschiedener Nationalitäten und Kulturen statt. Oberste Führungspositionen werden bei Banken und in der Industrie auf der jeweiligen Landesebene oftmals schon mit ausländischen Experten besetzt. Gesamtvorstand und Aufsichtsrat deutscher Unternehmen sind überwiegend noch mit Inländern besetzt, was unter anderem durch die Mitbestimmung bedingt ist.

Die Globalisierung fordert mehr Flexibilität und Wandlungsfähigkeit im Laufe einer beruflichen Karriere. Der Umgang mit Führungskräften ist rauer geworden, es wird mehr Transparenz zur persönlichen Leistung gefordert. Die Positionen auf Fach- und Führungsebenen sind deutlich unsicherer geworden. Jährliche Bewertungen der Mitarbeiter bis in die oberste Führungsetage hinein bewirken eine bessere Messbarkeit der Leistung eines jedes Einzelnen. Strategische Großinvestoren und renditeorientierte Hedgefonds setzen Vorstände unter Druck, wenn sie nicht die gesetzten Ziele erreichen.

Noch vor wenigen Jahren galt das Erreichen einer Führungsposition in einer Bank oder einem Industrieunternehmen als Garant für einen bis zum Pensionsalter sicheren Arbeitsplatz. Heute gibt es in dieser Hinsicht bei Banken und Industrie kaum mehr Unterschiede. Entlassungen von Führungskräften sind keine Seltenheit. Fusionen und Konsolidierungen sind weitere häufige Faktoren für abrupte Karrierebrüche.

Anspruchsvolle akademische Ausbildungen erwünscht

Beim Nachwuchs für Führungspositionen werden anspruchsvolle akademische Ausbildungen ebenso vorausgesetzt wie Sprachen, als Mindeststandard verhandlungssicheres Englisch, und fachbezogene Praktika im In- und Ausland. Die Entscheidung zwischen einer Karriere in der Finanzwelt oder der Industrie fällt in der Regel bereits mit dem beruflichen Einstieg. Ein Wechsel zwischen den Fronten ist in der frühen Karriere zwar möglich, doch finden Wechsel zwischen Banken und Industrie in Deutschland in einer fortgeschrittenen Karriere eher seltener statt. In Ländern wie etwa Frankreich ist dies nicht unüblich, wenngleich oftmals von politischen Einflussfaktoren geprägt.

Wohin zieht es heute die "besten" Profis und solche, die es werden wollen? Unabhängig von den persönlichen Neigungen und der individuellen Motivation lässt sich feststellen, dass die Nachwuchskräfte gelernt haben, zwischen den unterschiedlichen Karrieremustern auszuwählen.

Wandel der Anforderungen in Banken

Während die Finanzwelt bis vor etwa zwanzig Jahren in Deutschland ein sehr stabiles berufliches Umfeld mit guten Aufstiegschancen und Managementaufgaben anbot, haben sich viele Anforderungen grundlegend geändert. Neben den traditionell ausgebildeten Commercial Bankern tauchten durch den wachsenden Einfluss angelsächsischer Investmentbanken zunehmend sehr gut ausgebildete Spezialisten auf, die es verstanden, die lukrativen Felder der Beratung in Kapitalmarktfragen mit strategischen Themen wie Mergers & Acquisitions zu verbinden.

Durch den Einzug des Investmentbanking entwickelten sich mit der Globalisierung der Kapitalmärkte äußerst attraktive Positionen, in denen technisches und fachliches Wissen, aber auch eine bisher im Banking eher ungewohnte persönliche Einsatzbereitschaft und Belastbarkeit wichtiger wurden. Dies zählte zunehmend mehr als die Fähigkeit zur Mitarbeiterführung in einer Bankfiliale. Hierarchische Strukturen und Führungspositionen bedeuteten plötzlich weniger als fachliche Brillanz in einem Projektteam oder die Fähigkeit Deals zu akquirieren und sie umzusetzen.

Neben Juristen und Betriebswirten sind in den Banken heute Ingenieure, Mathematiker und Physiker gefragt, um komplexe Rechenmodelle bei der Strukturierung und Risikobewertung von Transaktionen zu entwickeln. Sie finden sich in hoch dotierten Positionen wieder, die ihnen die Forschungsabteilung eines Industrieunternehmens, eine wissenschaftlich geprägte Hochschullaufbahn oder die Funktion eines Aktuars in einer Versicherung niemals bieten konnten.

Die sehr praxisnahe amerikanische MBA- Ausbildung und die an der Wall Street oder in der Londoner City gesammelten Erfahrungen, gepaart mit der im Investmentbanking üblichen und oft Länder übergreifenden Zusammenarbeit von Experten, versetzten viele junge Professionals nach wenigen Berufsjahren in die Lage, einen strategischen Dialog auch auf Vorstandsebene zu führen. Nur wenige Nachwuchskräfte können in einem Industrieunternehmen in ähnlicher Weise Einfluss auf strategische Unternehmensentscheidungen nehmen, und dann meist erst am Gipfel einer sehr erfolgreichen Karriere.

Im Gegensatz dazu geht die Karriere in der Industrie, sowohl bei Mittelständlern wie in Großunternehmen, weit häufiger durch hierarchische Strukturen. Neben fachlichem Wissen geht es um Technik- und Produktverständnis, Produktion, Marketing und Vertrieb und um ausgeprägte Personalführungseigenschaften sowie ein eher längerfristig ausgerichtetes unternehmerisches Talent. Der Aufstieg in Industrieunternehmen zieht sich erfahrungsgemäß über eine langjährige Karriere. Es dauert oftmals viele Jahre, bevor eine Position erreicht werden kann, die sich in ihrer Dotierung im Vergleich deutlich abhebt.

Für das Management eines Industrieunternehmens ist zudem kaum denkbar, was in Banken, vor allem im Investmentbanking, heute üblich ist. Führende Mitarbeiter in bestimmten Funktionen können aufgrund der durch sie geleisteten Wertschöpfung mehr verdienen als die Mitglieder der Geschäftsleitung oder im Vorstand. Damit ändern sich für die Spitzenverdiener unter den Angestellten natürlich auch die nach traditionellen Arbeitszyklen orientierten Lebensarbeitszeiten.

Die zunehmende Aktivität von Hedgefonds und der Einzug des Private Equity haben nun auch in Deutschland ein wesentlich engeres und pragmatisches Zusammenrücken der Interessen von Finanzexperten (meist ehemalige Investmentbanker) und erfahrenen Unternehmensführern bewirkt. Die attraktiven Renditen aus der Symbiose von intelligentem Finanzmanagement und erfahrener Industrieexpertise locken seit geraumer Zeit einige der besten Talente an, auch unter den jüngeren Professionals. Diese sehen sich nicht mehr nur als Berater oder als Manager eines Unternehmens. Sie verstehen es, belohnt durch ihr direktes Investment, weit mehr an der erzielten Wertsteigerung zu partizipieren, als dies in einer angestellten Position sonst in einer Bank oder der Industrie möglich wäre.

Führungsfähigkeiten auch in kleineren Instituten

Die Motive zur Wahl einer Banken- oder einer Industriekarriere können sehr vielfältig gelagert sein. Neben dem Ansehen des Arbeitgebers sind es die Dotierung des Jobs, die Möglichkeit eventuell im Ausland verantwortlich tätig zu sein, den Beruf an attraktiven Standorten ausüben zu können oder die Vielfältigkeit des Jobs, die Karriereperspektiven und der zu erwartende Einfluss oder die Entscheidungsmacht als wesentliche Entscheidungsfaktoren. Deshalb werden gut positionierte Banken, Sparkassen oder Genossenschaftsbanken wie auch erstklassig geführte Industrieunternehmen aller Branchen für Berufsanfänger wie für gestandene Fach- oder Führungskräfte attraktiv bleiben. Allerdings spielt sich der Wettbewerb um die besten Talente inzwischen längst auf internationaler Ebene ab.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist in den letzten Jahren ein Anstieg der Einkommen von Spitzenmanagern und herausragenden Fachleuten zu beobachten. Erstklassige Talente sind meist geografisch mobil. Sie können sich die attraktivsten Unternehmen im In- und Ausland mit den besten Chancen für ihre Karriere aussuchen, denn sie sind gefragt wie nie zuvor.

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