Gespräch des Tages

Bankpolitik - (Noch) keine Spur von Bilanzverkürzung

"Deleveraging" und "Downsizing" sind die Hauptwörter für Banken und ihre Verantwortlichen dieser Tage. Zumindest wird dem geneigten Betrachter dieser Eindruck vermittelt, wenn er überall in dieser Republik von der dringend notwendigen Verkürzung der Bilanzsummen hört. Vor allem die Landesbanken, aber auch die Großbanken haben verkündet, ihre umfangreichen Aktiva zu reduzieren. Die Gründe liegen auf der Hand: Zum einen hat die Finanzkrise große Löcher in die Eigenkapitalbasis gerissen. Wer da keine Kapitalerhöhung durchführen kann, wie beispielsweise die DZ Bank, muss zwangsläufig Bilanzposten abstoßen. Zum anderen ist Neugeschäft an vielen Stellen durch die eingefrorenen Refinanzierungsmärkte gar nicht möglich.

Davon ausgehend, dass den Worten Taten folgen, müssten sich die Bilanzsummen also in den vergangenen Monaten reduziert haben. Weit gefehlt! "Insgesamt deutet die bisherige Entwicklung nicht darauf hin, dass die aggregierte Bilanz der Kreditinstitute im Euroraum schrumpft", stellt die Europäische Zentralbank im jüngsten Monatsbericht fest. Seit dem Sommer 2007, dem Beginn der Verwerfungen, verzeichnen die Analysten der Notenbank "robuste vierteljährliche Zuwächse", wobei vor allem das dritte Quartal 2008 besonders hervorsticht. Hier schlägt natürlich vor allem die kräftige Zunahme der Forderungen gegenüber Zentralbanken zu Buche. Die Tatsache, dass die EZB in den vergangenen Monaten als nahezu einzige Anlagequelle für die liquiden Mittel der Finanzinstitute diente und dient, hat die Währungshüter zwar veranlasst, über eine Absenkung der Zinsen für das geparkte Geld nachzudenken, um so auch den schwächelnden Interbanken-Geldverkehr besser in Schwung zu bringen. Das wird allerdings nicht allzu viel ändern. Denn es ist zurzeit wahrlich keine Frage der Rendite, sondern nur des Risikos, wo Geld angelegt wird.

Die Analyse der Stromgrößen zeigt aber auch, dass das Wachstum der Forderungen gegenüber dem privaten Sektor, also das Kreditgeschäft, zwar gegenüber den Höchstständen vom Schlussquartal 2007 leicht rückläufig ist, sich aber weiterhin auf einem recht hohen Niveau bewegt und gegenüber den Vorquartalen des abgelaufenen Geschäftsjahres keine spürbaren Rückgänge aufweist. Treibender Faktor für die Zunahme der Aktiva insgesamt waren die Buchkredite. Haben also doch die Banken recht, die sich gegen den Vorwurf einer Kreditverknappung seitens der Unternehmer und Politiker wehren? Laut aktueller Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank sind die Buchforderungen an Nichtbanken per Oktober 2008 auf 3 300,48 Milliarden Euro gestiegen, den höchsten Wert in diesem Jahrtausend. Auch die Forderungen an Banken und andere MFIs (Monetary Financial Institutions) haben mit 2 576,22 Milliarden Euro einen neuen Höchststand erreicht.

Bezogen auf die einzelnen Bankengruppen der deutschen Kreditwirtschaft zeigt sich allerdings eine spürbare Zurückhaltung der Großbanken bei der Kreditvergabe an Nichtbanken. Die ausgewiesenen Buchforderungen an Privatpersonen, öffentliche Haushalte und Unternehmen saldieren sich Ende Oktober 2008 auf nur noch 475,66 Milliarden Euro, nach 482 Milliarden Euro im September und 486 Milliarden Euro im August. Aufgefangen wurde dies vor allem vom öffentlich-rechtlichen Sektor, von den Landesbanken (568 nach 552 Milliarden Euro) und den Sparkassen (629 nach 626 Milliarden Euro). Die genossenschaftliche Säule zeigte eine etwas größere Zurückhaltung, verzeichnet aber ebenfalls eine Ausweitung - genossenschaftliche Zentralbanken 43 nach 40 Milliarden Euro und Primärgenossenschaften 375 nach 374 Milliarden Euro. Allerdings zeigt die Bankenstatistik auch, dass die Banken bei kurzfristigen Ausleihungen, also vor allem schnellen Liquiditätshilfen für Unternehmen und Privatpersonen die Aktivitäten zurückfahren. Diese Position ging im Oktober vergangenen Jahres von 346 auf 337 Milliarden Euro zurück, liegt damit aber immer noch deutlich über dem Niveau der früheren Monate 2008 und des Jahres 2007.

Da die Kredit- und Finanzkrise allerdings erst Mitte September vergangenen Jahres mit dem Zusammenbruch der Lehman Brothers richtig in Schwung kam, müssen für eine endgültige Beurteilung der Lage die Schlussmonate 2008 und die ersten Monate 2009 mit berücksichtigt werden. Es darf beziehungsweise muss aber wohl damit gerechnet werden, dass sich hier einige der Tendenzen aus dem Oktober verstärkt widerspiegeln. Insbesondere internationale Konzerne dürften größere Schwierigkeiten haben, umfangreiche Finanzierungsmittel zu erhalten. Auch Überbrückungs- und Konsumentenkredite wird es nicht mehr so leicht oder zu höheren Konditionen geben. Der Mittelstand dagegen wird wohl auch weiterhin mit Kapital versorgt werden, allein schon weil der Staat, der in verstärktem Maße Eigentümer der Banken wird, darauf achten wird - und das nicht auf der öffent-lich-rechtlichen Bankenebene, sondern auch bei den bislang unabhängigen Privatbanken, wie das Beispiel Commerzbank zeigt. Ob das für die Risikopositionen allerdings immer zuträglich ist? Frühestens 2010 wird man es wissen.

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